Eine Novelle aus dem Powder-Mage-Universum: Die verrückten Lanzenreiter - Brian McClellan - E-Book

Eine Novelle aus dem Powder-Mage-Universum: Die verrückten Lanzenreiter E-Book

Brian McClellan

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Beschreibung

In den Koloniestädten von Fatrasta hatte es der Frieden immer schon schwer. Immigranten bekämpfen sich untereinander oder kämpfen gegen die Einheimischen, während die herrschende Kez-Armee nur eingreift, um den Willen von apathischen Gouverneuren durchzusetzen, die von der weit entfernten Krone ernannt wurden. Der junge Kriegsheld Ben Styke hat das Kommando über eine Garnison von Kolonisten in einem verschlafenen Grenzstädtchen. Als der grausame Bruder des Gouverneurs dort die Nacht verbringt, zwingen die wachsenden Spannungen zwischen den Parteien Styke dazu, die Bewohner seiner Stadt in einer brutalen Eskalation zu beschützen, die droht, alles – und jeden – zu vernichten, für das er jemals gekämpft hat. Die fantastische Romansaga wird derzeit als TV-Serie umgesetzt.

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Eine Novelle aus dem Powder-Mage-Universum

von

Brian McClellan

Ins Deutsche übersetzt vonJohannes Neubert

Die deutsche Ausgabe von

DIE VERRÜCKTEN LANZENREITER – EINE NOVELLE AUS DEM POWDER-MAGE-UNIVERSUM

wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler, Übersetzung: Johannes Neubert; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger; Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster; Cover-Illustration: René Aigner.

Titel der Originalausgabe:

THE MAD LANCERS copyright © Brian McClellan, 2016.

Published by Arrangement with Brian McClellan

German translation copyright © 2021, by Cross Cult.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

E-Book ISBN 978-3-96658-403-6 (Mai 2021)

WWW.CROSS-CULT.DE

INHALT

Die verrückten Lanzenreiter

DIE VERRÜCKTEN LANZENREITER

Zwei Jahre vor den Ereignissen aus Blutschwur …

In den Ausläufern von Fernhollow hing eine Leiche von einem toten Baum. Sie war aufgedunsen von der schwülen Sommerhitze, und ihre Füße baumelten über der staubigen Straße. Es war ein grimmiger Anblick auf einer ansonsten sehr pittoresken Landstraße, und Major Ben Styke nahm sich ein paar Momente Zeit, um sich die Szenerie – abzüglich der Leiche – als ein Gemälde in der Kunstsammlung eines Adligen vorzustellen.

Styke starrte hoch zu der Leiche, während er ein leises Ulanenlied vor sich hin summte. Selbst mit den von Krähen zerpickten Augen und zerfledderten Kleidern erkannte er die Leiche wieder. Es handelte sich um Daven je Kros, den örtlichen Steuereintreiber der Kez. Sein schicker Anzug war bei einer Prügelei zerfetzt und der Körper darunter zu blutigem Brei geschlagen worden – und wahrscheinlich war der arme Mistkerl dadurch gestorben.

Stykes Streitross Deshnar trampelte ungeduldig unter ihm auf dem Boden, der Gestank nach Scheiße und verrottetem Fleisch machte ihm zu schaffen. Styke tätschelte ihm geistesabwesend die Seite. Sie waren alleine hier in den Ausläufern der Stadt, nur begleitet von den Krähen, die über ihnen kreisten, und er konnte sich vorstellen, dass die Nachricht von dem gelynchten Steuereintreiber schon vor seiner Entdeckung die Runde gemacht hatte. Keiner der Ortsansässigen würde heute diese Straße benutzen.

Wer war hierfür verantwortlich? Ein Haufen Betrunkener, die auf dem Weg von der Kneipe nach Hause gewesen waren? Eine Bürgerwehr, die von einem der weniger angenehmen Stadtältesten zusammengestellt worden war? Die Familie von jemandem, den Kros vor Kurzem auf die Straße gesetzt hatte?

Um die Feinde eines Steuereintreibers zu finden, lautete das alte Sprichwort, müsse man sich nur die letzte Volkszählung der Stadt anschauen. Aber hier in Fatrasta, einem halb zivilisierten Grenzland voller Immigranten aus einem Dutzend Ländern, die fast ausschließlich von Kez regiert wurden, bedeutete der Tod eines Steuereintreibers jede Menge Schwierigkeiten. Die Kez waren im besten Fall eine inkompetente Kolonialmacht – und im schlechtesten Fall eine grausame –, und die Bevölkerung wurde immer wütender, während die Steuern stiegen, aber die öffentlichen Dienste schlechter wurden.

Styke hatte so ein Gefühl, dass sich die Dinge langsam zuspitzten – in Klein-Starland wurden Ausgehsperren verhängt, die wohlhabenden Querulanten in Neu-Adopest mussten heftige Strafen zahlen, und jeden Tag kamen neue Kez-Soldaten in jeder Hafenstadt im ganzen Land an. Durch sein hartes Durchgreifen goss der König von Kez mehr Öl ins Feuer der Unzufriedenen. Aber das war Politik im großen Rahmen. Styke hatte keinen Platz in dieser Welt, und er hoffte, dass all das so weit wie möglich von Fernhollow fernblieb.

»Weit weg …«, flüsterte er vor sich hin, als eine Bewegung in der Ferne seine Aufmerksamkeit erregte. Weiter die Straße hinunter kam zwischen den Weiden eine Gruppe von Reitern in Sicht. Sie waren zu viert, und selbst aus dieser Distanz konnte Styke die hellbraun-grüne Flagge, die über dem Standartenträger wehte, und die dazu passenden Uniformen erkennen.

Kez-Soldaten. Er fragte sich kurz, ob sie irgendetwas hiermit zu tun hatten, verwarf den Gedanken aber. Sie kamen wahrscheinlich aus der nächsten Stadt und waren nur auf der Durchreise durch Fernhollow, auf dem Weg zur Hauptstadt. Außerdem waren es Kez. Sie zahlten nicht dieselben Steuern wie jeder andere und hatten deswegen vermutlich wenig Interesse an einem Steuereintreiber.

Er schnalzte mit der Zunge. »Deshnar«, sagte er sanft und brachte sein Streitross näher an die Leiche heran. Er stellte sich in die Steigbügel, zog sein langes Boz-Messer und versuchte, das Seil zu erreichen, das um Kros’ Hals geschlungen war.

Kein Glück.

Styke band Deshnar an einem Busch in der Nähe an und ging zurück zu dem Baum. Er fragte sich, ob die toten Äste sein Gewicht aushalten würden. Als Kind hatte er es geliebt, auf die großen Weiden auf dem Grundstück seiner Familie zu klettern, aber das war gewesen, bevor er über zwei Meter zehn groß und fast hundertvierzig Kilo schwer geworden war.

Deshnar schnaubte ihn an.

»Jep«, sagte Styke. »Würde ganz schön scheiße aussehen, wenn ich aus dem Baum da falle und mir das Genick breche.« Er warf einen Blick zurück in Richtung Stadt, wo er einem seiner Ulanen befehlen könnte, hierher zu reiten und die Sache für ihn zu erledigen. Aber das würde bedeuten, dass er die Leiche herumhängen lassen müsste, während ein Trupp Kez-Soldaten vorbeiritt. Natürlich mussten sie sie inzwischen gesehen haben, aber sie einfach hängen zu lassen, würde nur zu unangenehmen Fragen führen. Styke zog seine Kavalleriejacke aus, die im Sonnenblumen-Gelb der Kolonialarmee gehalten war, und fing an zu klettern.

»Reitet, Ulanen, reitet«, sang er leise vor sich hin, als er den zweiten Ast des toten Baumes erreichte. »Durch die Felder, gegen den Strom. Lasst die Hufe klingen, den Stahl singen; brecht eure Lanzen, brecht ihre Knochen, brecht ihren Geist entzwei.«

Er vollendete seine Arbeit und ließ die Leiche mit einem dumpfen Aufprall fallen, dann kehrte er zurück auf den Boden und schaffte es, Kros’ Körper mit einem Segeltuch aus seiner Satteltasche zu bedecken, bevor die Kez-Soldaten in Hörweite waren.

Zwei von ihnen ritten voraus und kamen auf ihn zu, bis sie nur wenige Meter von Deshnar entfernt waren. Sie trugen stählerne Brustpanzer, die so poliert waren, dass sie in der Morgensonne glänzten, hatten ihre Rücken ordentlich durchgedrückt, und von ihren Satteln hingen schwere Kavalleriesäbel und Karabiner. Stykes Erfahrung nach bevorzugten Kürassiere einen einzelnen, glorreichen Sturmangriff gegen isolierte Plänkler. Sie mochten es nicht, die Drecksarbeit im Krieg zu erledigen.

Er klopfte seine Hände ab und warf einen Blick auf ihre Kragen. Der schmalgesichtige, junge Mann – nicht älter als neunzehn oder zwanzig, mit ausgewachsenen Koteletten, damit er älter aussah – trug die Sterne eines Captains. Die Frau, ein Sergeant, war Mitte zwanzig und hatte straßenköterblondes Haar, das streng auf Schulterhöhe geschnitten war. Sie schaute mit einer irritierten Verachtung zu ihm herunter, mit der die meisten Leute nur Schweine bedachten, die auf der Straße lagen.

»Bei Kresimir, bist du ein riesiger Hurensohn«, sagte die Sergeantin und musterte Styke von den Stiefeln bis zum Kopf. Styke starrte unbeeindruckt zurück. Sie war recht kräftig, hatte aber nicht den Körperbau für einen richtigen Kürassier. Schwere Kavalleristen mussten stark sein, um ihre schweren Säbel zu schwingen, und brauchten Gewicht, das sie hinter ihre Hiebe legen konnten. Und ihr polierter Brustpanzer hatte nie ein Schlachtfeld gesehen. »Ich habe schon große Mistkerle gesehen, Captain«, fuhr sie fort, »aber noch nie einen dieser Größe.« Sie wirkte aufrichtig verwirrt, so als hätte sie zum ersten Mal einen Sumpfdrachen gesehen und würde nicht ganz verstehen, was die Schöpfung ihr da vorgesetzt hatte.

»Kann ich irgendwie helfen?«, fragte Styke.

Die Sergeantin schreckte auf, so als sei sie überrascht, dass er sprechen konnte. Sie überspielte es mit einem Lächeln. »Du kannst mir helfen, indem du salutierst, Soldat«, bellte sie. »Du stehst hier vor einem Captain der königlichen Kürassiere.« Sie warf einen Blick über die Schulter zu ihrem Captain, der ein paar Schritte zurückgeblieben war. »Bei Kresimir, Sir, ich kann mir nicht vorstellen, wie sehr der befehlshabende Offizier dieser Truppe die Disziplin vernachlässigt haben muss. Ich sage Ihnen, wenn ich das Kommando hätte, würden die Dinge hier ganz anders aussehen. Diese verdammten Kolonisten sind doch alle gleich.«

Styke konnte nicht anders, als ein Lachen zu schnauben.

»Wie war das, Soldat? Willst du das vielleicht noch mal wiederholen? Du wirst jetzt salutieren, und zwar auf der Stelle, oder so wahr Kresimir mir helfe, ich werde dich vor denjenigen zerren, der hier das Sagen hat, und dafür sorgen, dass du eine Woche lang jeden Morgen mit fünf Peitschenhieben geweckt wirst.«

Styke öffnete seinen Mund, aber bevor er etwas sagen konnte, schnalzte der Captain mit den Zügeln und brachte sein Pferd neben das seines Sergeanten. »Sergeant Gracely«, sagte er. »Lassen Sie es gut sein.«

»Tut mir leid, Sir, aber ich werde nicht zulassen, dass sich ein gewöhnlicher Kolonist über die königlichen Kürassiere lustig macht.«

»Sergeant, dieser Kolonist ist zwei Meter zehn groß.«

»Bitte um Verzeihung, Sir, aber es ist mir egal, wie groß er ist, er …«

»Sergeant!«

»Sir?«

»Sehen Sie seine Jacke, die von seinem Sattel hängt? Sehen Sie sein Revers? Er ist ein Ulan.«

»Was spielt das für eine Rolle, Sir?«

»Haben Sie schon einmal von einem Ulanen aus den Kolonien gehört, der so groß ist? Vielleicht von einem, der dafür bekannt ist, bei der Schlacht von Fort Kurlin eine Kompanie von starländischen Elite-Grenadieren ganz alleine in die Flucht geschlagen zu haben?«

Sergeant Gracely stand ein paar Momente lang der Mund offen, und Styke konnte in ihrem Gesicht sehen, dass sie angestrengt nachdachte. Sie klappte ihren Mund zu, runzelte die Stirn und schien Styke neu einzuschätzen.

Styke holte seine Jacke von Deshnars Sattelhorn und warf sie sich über die Schultern. Dabei achtete er darauf, dass das Revers gut sichtbar war, an dem eine einzelne silberne Lanze angepinnt war, die ihn als Major auswies. Technisch gesehen hatte er einen höheren Rang als sie beide. Aber Kez waren immer wichtiger als ein Kolonist, egal welchen Ranges.

Gracely biss sich auf die Lippe. »Sie sind Ben Styke?«, platzte es aus ihr heraus.

»Major Ben Styke«, korrigierte sie der Captain sanft. »Er mag zwar ein Kolonist sein, Sergeant, aber dieser Mann hat mehr feindliche Kämpfer getötet, als Sie zählen können. Er hat Grenadiere, Infanterielinien und sogar Privilegierte in die Flucht geschlagen. Fort Kurlin, und ein großer Teil des Nordostens von Fatrasta, gehören dank seiner Heldentaten der Krone.«

Gracely wurde blass, dann salutierte sie zackig. »Major Styke, Sir. Bitte um Entschuldigung.«

Styke rollte mit den Augen und beugte sich vor, wickelte das Segeltuch um die Leiche zu seinen Füßen, dann hob er das ganze Paket mit einer Hand hoch und warf es über Deshnars Hinterteil. Er fing an, die Leiche festzuzurren, wobei er hin und wieder innehielt, um die Fliegen zu verscheuchen. »Keine Entschuldigung nötig, Sergeant«, sagte er. »Du kannst nicht anders, als ein Arschloch zu sein. Denn du bist doppelt gestraft: Du bist ein Sergeant und eine Kez.« Er schenkte ihr ein breites Grinsen.

Der Captain antwortete mit einem missbilligenden, schiefen Lächeln. »Major Styke, ich heiße Cardin. Ich bin ein großer Bewunderer.« Er lehnte sich über sein Pferd und streckte ihm die Hand entgegen.

Er salutierte zwar nicht, aber Styke kriegte es nur selten bewerkstelligt, dass Kez-Offiziere ihm salutierten. Ein Handschlag, entschied er, würde reichen müssen.

»Schön, dich kennenzulernen, Cardin.« Er wischte etwas Körperflüssigkeit von der Leiche an seiner Hose ab und schüttelte Cardins Hand, dann schwang er sich in den Sattel und führte Deshnar zurück zur Straße. Cardin und Gracely folgten ihm und stießen wieder zu ihren Kameraden, dann machten sich alle fünf im Schritttempo auf den Weg nach Fernhollow.

Styke warf Cardin einen Seitenblick zu, als der Kez-Captain zu ihm aufschloss und neben ihm her ritt. »Major Styke«, sagte Cardin auf die langsame, nachdenkliche Weise eines Mannes, dem etwas auf dem Herzen lag. »Sie sind der Kommandant der Garnison von Fernhollow, nicht wahr?«

»Der bin ich«, sagte Styke.

»Wären Sie so gut, mir zu sagen, von Soldat zu Soldat, ob es in Fernhollow irgendwelche Schwierigkeiten gibt?«

Styke warf ihm einen zweiten, längeren Seitenblick zu. Cardins Blick war auf die eingewickelte Leiche auf Deshnars Hinterteil gerichtet, und er wirkte nervös. Styke musste ihn nicht fragen, was er damit meinte. Schwierigkeiten war das Wort des Jahres in ganz Fatrasta. Es gab Aufstände wegen der Steuern und wegen des Korns, schwelende Konflikte entlang der Grenze und eine generelle, unterschwellige Unzufriedenheit, die überall zu spüren war, von den bodenständigsten Friseursalons hin zu den größten städtischen Zeitungen.

Er fragte sich, was wohl hinter Cardins Frage steckte. War er hier, um die Steuern zu erheben? Um die Stadt zu inspizieren? Um eine Art Aushebung durchzuführen? Styke versuchte, sich einen positiven Grund dafür einfallen zu lassen, warum sich ein Kez-Offizier nach so einer abgelegenen Stadt erkundigen sollte, aber es fiel ihm keiner ein.

»Fernhollow ist keine große Stadt«, sagte Styke und rieb sich das Kinn. »Nur tausend Einwohner, wenn man die Palo mitzählt. Ich kenne die meisten beim Namen, es gibt nur eine Handvoll Unruhestifter. Die meisten wollen einfach nur ein ruhiges Leben führen.«

Cardin nickte nachdenklich. »Ich bin froh, das zu hören. Major, ich gehöre zu den Achten Kürassieren. Meine Schwadron hat das letzte Jahr im Ironstead-Territorium verbracht und ist auf dem Weg zurück nach Landfall. Wenn es nicht zu viele Umstände macht, würde ich gerne um einem Ort bitten, an dem ich die Männer heute Nacht unterbringen kann. Sie brauchen richtiges Essen und richtige Betten und hatten schon seit einiger Zeit beides nicht mehr.«

»Ich verstehe«, sagte Styke. Bei dem Gedanken fühlte er sich fast erleichtert. Ein paar Hundert Kez-Kürassiere unterzubringen, würde zwar gehörig nerven – Kez-Soldaten zahlten nur selten ihre Zeche und neigten dazu, zu viel zu trinken –, aber solange es nicht um Steuern oder eine Aushebung ging, klang das wie etwas, mit dem Styke klarkommen würde. »Fernhollow ist ein wenig fernab des Weges für jemanden, der aus dem Ironstead-Territorium kommt, oder nicht?«

»Das stimmt«, gab Cardin zu. Er warf einen Blick über die Schulter zu seinen Kameraden. »Mein befehlshabender Offizier hat eine Geliebte in Beggar’s Wood«, sagte er dann mit leiser Stimme.

Beggar’s Wood lag etwa fünfzig Meilen südlich von Fernhollow. Mehr als nur ein wenig fernab des Weges. Styke prustete. »Wie lange wollt ihr denn hierblieben?«

»Nur heute Nacht. Am frühen Morgen werden wir uns wieder auf den Weg machen.«

Styke dachte einen Moment darüber nach. »In Ordnung. Ich werde in der Stadt Bescheid sagen. Wir haben zwei Gaststätten und sieben Kneipen. Wenn ein paar Dutzend Familien in der Stadt ebenfalls Platz haben, muss keiner eurer Männer auf dem Boden schlafen.« Styke mochte keine Kez-Soldaten, aber er war auch kein Arschloch. Ein Jahr im Grenzland und all die Gerüchte von Gewaltausbrüchen, die sie mitbekommen haben mussten, würden jeder Gruppe von Soldaten zusetzen – selbst wenn sie ihren Brustpanzern nach zu urteilen nicht im Gefecht waren.

Cardin wirkte erleichtert. »Vielen Dank, Major Styke. Ich stehe in Ihrer Schuld.« Er schnippte mit den Fingern, und Gracely brachte ihr Pferd neben seines. »Sergeant, berichten Sie der Schwadron, dass wir heute Nacht in Fernhollow übernachten werden. Ich erwarte bestes Benehmen von allen. Sagen Sie Major Prost, dass ich das beste Zimmer in der Stadt für ihn reservieren werde. Das sollte ihm gefallen.«

Gracely salutierte zackig, ließ sich zurückfallen und ritt zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Cardin schenkte Styke ein dankbares Lächeln. »Mit den ganzen Schwierigkeiten überall war mir schon mulmig dabei, die Männer auf dem Rückweg von unserer Mission so einen Umweg machen zu lassen. Aber«, seufzte er, »Major Prost hat darauf bestanden. Immerhin hat er mir die Freiheit gelassen, unsere Lager sorgfältig auszusuchen. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist, dass meine Männer in die ganze Gewalt hineingezogen werden.«

Styke nickte, aber seine Gedanken waren längst woanders. Er dachte an die Leiche, die an seinem Sattel festgebunden war, und fragte sich, wer für den Tod des Steuereintreibers hängen würde. Er dachte an die logistische Herausforderung, die ein paar Hundert zusätzliche Soldaten für die Stadt bedeuteten.

Und er dachte über den Namen »Major Prost« nach. Der Name kam ihm vage bekannt vor, irgendetwas klingelte in seinem Hinterkopf, das ihm gar nicht gefiel.

Er brachte Cardin zur Polternden Sau, der größeren der beiden Gaststätten der Stadt, dann zeigte er ihm noch den Weg zum Haus des Bürgermeisters, bevor er die Leiche des Steuereintreibers zum Totengräber brachte. Der Name »Prost« beschäftigte ihn den ganzen Weg zu dem kleinen, steinernen Fort am Stadtrand und danach zur wesentlich größeren Kaserne und dem dazugehörigen Stall, wo seine Garnison von kolonialen Ulanen untergebracht war.

Er ließ Deshnar bei einem der Stallburschen und fand seinen Stellvertreter, Captain Blye, Pfeife rauchend unten am Fluss beim Schilf. Blye war stämmig und korpulent, mit breiten Schultern und einem bleistiftdünnen, sorgfältig gepflegten Bart, von dem er behauptete, dass dieser Stil in Gurla gerade der letzte Schrei sei. Er sah damit aus wie ein Vollidiot, und Styke erinnerte ihn gerne bei jeder Gelegenheit daran.

»Blye«, sagte Styke zur Begrüßung.

»Major. Wo waren Sie den ganzen Morgen? Rezi hat überall nach Ihnen gesucht. Hat gesagt, dass Sie ohne Frühstück losgezogen sind, was ihr Sorgen gemacht hat.«

Rezis Name brachte ein halbes Lächeln auf Stykes Lippen, aber er unterdrückte es. »Jemand hat Kros getötet«, gab Styke zurück.

Blye nahm die Pfeife aus dem Mund und stand auf. »Scheiße«, sagte er. »Sie machen Witze.«

»Leider nein. Brend Hillness hat die Leiche gefunden, als er heute Morgen nach seinen Kühen gesehen hat. Jemand hat Kros am alten Eisenholzbaum westlich der Stadt aufgeknüpft. Er wurde zu Tode getreten und dann den Krähen überlassen.«

Blye gab einen angewiderten, kehligen Laut von sich. »Armes Schwein. Irgendeine Idee, wer das war?«

»Ich werde den Rest der Woche damit verbringen, das rauszufinden.«

»Brauchen Sie Hilfe?«

»Nein, du musst dich um wichtigeren Mist kümmern. Eine Kompanie von Kez-Kürassieren ist auf dem Weg in die Stadt und sucht nach einem Ort zum Schlafen für heute Nacht. Ich hab ihnen gesagt, wir kriegen sie untergebracht.«

»Natürlich haben Sie das«, grummelte Blye. »Ich schätze, Sie wollen, dass ich die Vorkehrungen treffe?«

»Das tue ich.« Styke wedelte mit dem Finger unter Blyes Nase herum. »Ich will auch, dass du sicherstellst, dass unsere Jungs heute Nacht in Alarmbereitschaft sind – aber sie sollen es nicht so aussehen lassen, als ob sie in Alarmbereitschaft sind. Ich will, dass diese Kez die Stadt morgen verlassen und uns dann wieder vergessen. Keine Zwischenfälle. Verstanden?«

Blye steckte seine Pfeife weg und salutierte ihm. »Jawohl, Sir.« Er machte sich auf den Weg in Richtung Fort.