Eine wunderbare Spezies - Selma Götz - E-Book

Eine wunderbare Spezies E-Book

Selma Götz

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Beschreibung

Tauchen Sie in die Welt der Menschen mit Demenz ein. Kleine Geschichten und Gedanken dazu eröffnen Ihnen eine andere Sichtweise. Grundlagen sind wahre Erlebnisse aus dem Pflegeheim und aus der ambulanten Pflege. Auch pflegende Angehörige stellen sich viele Fragen. Der Demenzerkrankte hat oft Angst. Doch in unserer Gesellschaft haben wir Angst vor Demenz. Wer hat recht? Wer ist glücklicher? Welche besonderen Fähigkeiten haben Menschen mit Demenz? Vielleicht bieten die Gedanken und Geschichten ein Verständnis für diese "wunderbare Spezies" in unserer hektischen Gesellschaft. Ist die Demenz die Antwort auf unsere Gesellschaft heute? Wie könnte die Zukunft aussehen? Die Gedanken und Geschichten könnten ein "Denkgeber" sein, natürlich für Querdenker. Besonders den Schülern, die ein freiwilliges soziales Jahr in einem Seniorenheim absolvieren wollen, können die Geschichten einen Einblick geben, wie man sich Demenz vorstellen kann.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Selma Götz

Eine wunderbare Spezies

Hilfe, mein Mann ist dement!

Hiermit widme ich Bundesminister Hermann Gröhe diese kleinen Gedanken, damit die "wunderbare Spezies " nicht aus unserer Gesellschaft ausgestoßen werden. Ebenso widme ich pflegenden Angehörigen diese Gedanken in der Hoffnung, dass sie ein paar Minuten querdenken können, wenn sie sich gerade über den verlegten Schlüssel geärgert haben. BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Inhalt

VorwortKirchentreppe zur HöllePhysikalische GesetzeDie SeherinVerletzte SeeleVertraue nie deinem GehirnZukunft der Aussteigergeneration

Vorwort

Demenz als Antwort auf unsere Gesellschaft oder: Wie können wir uns Demenz vorstellen?

Jugendwahn - Antifaltenoperation- Kinderlosigkeit - demografischer Wandel- Altersdiskriminierung- Demenz:

 

Diese Abfolge ist der Wille und die logische Konsequenz unserer immer rücksichtsloseren und geldgeiler werdenden Gesellschaft. Doch wer ist der Gewinner?

Ja, der Mensch, der an Demenz erkrankt ist und den wir zu tiefst bemitleiden. Genau diese Demenz ist es, vor der wir am meisten Angst haben. Menschen mit Demenz haben es geschafft, ohne Geld und Aufwand aus unserem hektischen Alltag auszusteigen. Sie machen den Wahnsinn nicht mehr mit.Während junge Leute heute vom Aussteigen nach Brasilien, Kanada oder Amerika träumen, haben Menschen mit Demenz die intelligentere Lösung gefunden.

 

Der größte Vorteil ist, dass ihre Umgebung sie nicht für voll nimmt, sich dennoch um sie kümmert und dabei noch Narrenfreiheit haben. Egal, was sie tun: sie kommen nicht ins Gefängnis, es kommt kein Ordnungshüter und um ihren Papierkram und Ärger mit den Bürokraten kümmern sich andere.

Dieses Buch erzählt neben wahren Geschichten auch mögliche Perspektiven, die das Verhalten und die Cleverness von Menschen mit Demenz erklären. Der Leser erhält hier die Möglichkeit, in die geheimnisvolle Welt der Spezies „Menschen mit Demenz“ einzutauchen und mehrere Blickwinkel für diese Erkrankung zu einzunehmen. Ob aus der Sicht der Pflegefachkräfte, Ärzte oder Angehörigen, der Mensch mit Demenz hat seine eigene Sichtweise. Er sorgt so für Konflikte in der wahnsinnigen, hektischen Welt da draußen. Es sind die Konflikte, die sich um „Ihn“ drehen, die „Ihm“ aber egal sind, weil die Welt da draußen immer fremder wird. Teilweise zum Schmunzeln, teilweise traurig, setzt sich dieses Buch gesellschaftskritisch mit unserer Einstellung zur reifen „Aussteigergeneration“ auseinander.

Kirchentreppe zur Hölle

 

Anton Wagner presste seine Nase auf die Mattscheibe. Mit Schwimmbewegungen versuchte er endlich vorwärts zu kom-men, doch seine Nase quetschte sich immer krummer und platter. Es folgte ein „Aua, Au,…aaaaauuuh“. Abrupt drückte er sich mit den Füßen ab, so dass sein Rollstuhl einen Meter nach hinten rollte. Endlich, der Schmerz auf seiner Nase ließ nach. Er verfolgte angespannt mit seinen Blicken den jagenden Gepard in Grzimeks Serengeti und griff nun zur Fernbedienung. Er begann das Batteriefach zu öffnen, nahm die Batterien heraus und gab sie wieder hinein. Das wiederholte er zwanzigmal, geduldig mit aller Seelenruhe. Zwischendurch drückte er immer wieder auf die Tasten. Nichts rührte sich. Währenddessen kam eine Herde Elefanten ins Gehege. Verzweifelt rückte er mit seinem Rollstuhl wieder näher an die Mattscheibe. Er nahm die Fernbedienung in die rechte Hand und die Batterien in die Linke. Er kratzte mit den Gegenständen kreisförmig und beidhändig auf dem Bildschirm herum. Das quietschende Geräusch wurde unerträglich.

Nach einer guten Stunde kam die Pflegerin.

Sie entriss ihm wortlos die Fernbedienung und die Batterien, rückte seinen Rollstuhl zwei Meter vom Bildschirm weg und stellte die Bremsen fest.

Anton saß nun fest.

Sie verließ, ohne jegliche Gefühlsregung auf ihrem Gesicht, sofort den Tagesraum, der gleichzeitig als Speiseraum und Beschäftigungsraum für die Bewohner dieses Altenheims diente, um sich dem nächsten Notfall zu widmen. Schließlich kam der Hausarzt zum Hausbesuch zur älteren Dame von nebenan und es war Eile geboten.

Derweil faltete Anton die Hände wie zu einem Gebet und kniff die Augen zu. Seine rundlichen Wangen passten nicht zu der tiefen Stirnfalte die sich bildete. Speichel floss ihm aus dem rechtem Mundwinkel und bahnte sich langsam seinen Weg über das Kinn und tropfte schließlich auf die riesige Leinenserviette, die auf seinem Schoß lag. Neben den Speicheltropfen befanden sich die Reste von roter Marmelade und Milchkaffee. Im Laufe des Tages würden sich wohl sicherlich die Beweise, dass Anton zu Mittag und zu Abend gegessen hat, auf der Leinenserviette wiederfinden.

Auch wenn sowieso alles in Anton`sDokumentation für den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) notiert werden muss: Niemand kann nun mehr behaupten, Anton hätte im Altenheim nichts zu Essen und Trinken bekommen. Böse Zungen der Pflegerinnen, die die Rechtfertigung vor dem MDK Leid waren, hatten die Idee, die schmutzigen Servietten mit Namen zu versehen und an den MDK per Post zu schicken, natürlich mit den entsprechenden , fiesen Kommentaren.

Anton saß immer noch wie versteinert da. Wie lange, weiß Anton nicht. Was bedeutet schon Zeit? Man konnte genau sehen, wie sich seine Augäpfel unter den verkniffenen Augenlidern nach links und rechts bewegten. Was für ein wundersames Bild hatte er wohl vor Augen? Waren es noch die Elefanten? Oder erinnerte er sich an die geschmeidigen Raubkatzen?

Es nahte die Mittagszeit, bis dahin hatte Anton sich nicht mehr gerührt. Immer noch saß er mit gefalteten Händen und zugekniffenen Augen da. Bis dahin hatte er kein Wort gesprochen. Mitbewohner nahmen ihn nicht wahr, weil er wie versteinert und still war. Wollte einer seiner Mitbewohner aufstehen, um sich auf einen anderen Stuhl zu setzen, so nutzten sie Antons Rollstuhl als Griff zum Festhalten, manchmal aber auch Antons Arm oder Schulter. Anton reagierte darauf nicht.