Einhornbraut des Drachen - Topaz Hauyn - E-Book

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Topaz Hauyn

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Beschreibung

Ein schwarzes Einhorn bringt Unglück. Wer will ein schwarzes Einhorn? Niemand. Sie sucht sich selbst ihr Abenteuer zum Erwachsenwerden. Der Herrscher der Drachenreiche braucht Nachkommen. Aber keine Drachin weckt sein Interesse. Bis eine Hexe das Portal zur Einhornwiese öffnet. Das schwarze Einhorn, wild, lebenshungrig und auf der Suche nach Abenteuern, tritt durch das Portal. Hinein in einen fürchterlichen Gewittersturm. Statt auf Menschen trifft das Einhorn auf einen Drachen. Drachen fressen Einhörner, das weiß jedes Fohlen. Dabei fühlt sich die Berührung des Drachen so herrlich warm auf ihrer Mähne an. Der Drache streichelt die Einhornstute. Es gibt Einhörner tatsächlich noch? Obwohl seit Generationen von Drachen niemand eines gesehen hat? Ein fantastischer Liebesroman. Eine Liebe, wie sie die Menschenwelt nur aus Märchen kennt. Magische Fabelwesen die zu Herzen gehen.

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Einhornbraut des Drachen

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Einhornbraut des Drachen

Elaine

Der Herbstwind zerzauste die lange Mähne von Elaine und spielte mit den kurzen Fransen, die ihr, als Pony, zwischen den Ohren nach vorne auf ihre Stirn fielen. Sie verhedderten sich um ihr langes, spitzes Horn und blieben schließlich, trotz Herbstwind, an Ort und Stelle liegen. Nur hin und wieder hob der Wind eine Strähne hoch, schaffte es aber nicht, sie aus dem Gewirr herauszuziehen.

Elaine hielt ihren Kopf noch mehr in den Wind und ließ sich die Vorboten der Herbststürme durch das Fell streichen. Das war noch viel besser als das gegenseitige Beknabbern und miteinander Schmusen mit den anderen Einhörnern in der Herde.

Sie freute sich jedes Jahr auf die Herbstwinde.

Wie jedes Jahr stand sie alleine mitten auf der Wiese.

Keines der anderen Einhörner teilte diese Vorliebe von ihr. Nicht einmal ihre Mutter, die Leitstute. Genauso, wie keines der Einhörner ihr schwarzes Fell teilte. Alle waren weiß wie die Sterne, die nachts am Himmel leuchteten.

Der Wind pfiff um Elaines Ohren.

Sie schaute sich nicht um. Sie wusste auch so, dass sich die Herde längst unter den Bäumen im Wald am Rand der Lichtung versteckte und Schutz gefunden hatte. Vermutlich unter den tief hängenden Ästen der alten Weide, die gleichzeitig einen hervorragenden Windschutz darstellen. Schließlich sollten ihre Mähnen nicht zerzaust werden, sondern schön und regenbogenfarben glänzen und glitzern.

Elaine hielt davon nichts. Einmal war ihre Mähne und ihr Fell schwarz wie der Nachthimmel, an dem sehr vereinzelt und nur ein oder zweimal im Jahr ein Stern auffunkelte und dann wieder verschwand. Wie eine Sternschnuppe, die verglühte und nichts als dunkelstes, schwarzes Nichts zurückließ. Zum anderen, welcher Mensch würde sie schon als Einhorn für ein Abenteuer auswählen?

Keine.

Keiner.

Niemand.

Schwarze Einhörner brachten Unglück. Das wusste jedes Menschenkind von klein auf aus den Märchenbüchern.

Aus eben jenen Märchenbüchern, in denen auch stand, wie sich die Menschen ein Einhorn in ihre Welt wünschen konnten. Ein Einhorn aus der Herde hier. Dafür existierten sie alle. Außerdem war das Abenteuer mit einem Menschenkind das Übergangsritual vom Fohlen zur Stute oder zum Hengst. Bevor ein Einhorn kein Abenteuer mit einem Menschenkind erlebt hatte, zählte es nicht zu den Erwachsenen.

So gesehen, würde Elaine nie zu den Erwachsenen zählen.

Selbst wenn auf ihrem Fell und in ihrer Mähne ab und an weiße Funken schimmerten, wie die Sterne in der Nacht.

Blöder Aberglaube!

Aber er hatte einen Vorteil für Elaine.

Die anderen Einhörner ihrer Herde ließen sie in Ruhe. Niemand bestand darauf, dass sie ihre Mähne glatt und makellos hielt wie die anderen jungen Einhörner. Wenn sie wieder einmal unmanierlich ihr Gras abriss und schmatzend kaute, verdrehte ihre Mutter die Augen und ignorierte sie ansonsten. Alle anderen wurden ermahnt, ihr Gras sauber abzubeißen und leise zu kauen.

Elaine durfte hier im Wind stehen und die Brise genießen. Sie konnte sich das Fell zerzausen lassen und schnuppern, wie es nach Blättern roch, die verwelkten und nach feuchtem Moos, das der Wind irgendwo mitgerissen hatte. Sie konnte dem Pfeifen lauschen und dem Rauschen der letzten Blätter, die sich an den Ästen festklammerten, bevor sie sich dem Herbststurm ergaben und auf den Boden segelten oder mitgerissen wurden.

Sie schnupperte und sog den Duft tief in sich ein. Feuchtes Moos, verwelkende Blätter, kühle Herbstluft, die die Herbststürme ankündigte und schon einen Hinweis darauf enthielt, dass der kommende Winter kalt werden würde.

Noch war es nicht so weit, dass der erste Schnee fiel und Elaine sich mit ihrer Herde in die Winterhöhle, tief im Wald, zurückzog.

Kein vernünftiges Kind wünschte sich bei Schnee und Eis ein Abenteuer mit einem Einhorn. Also bestand kein Grund, auf der magischen Wiese zu grasen. Nur dort, hatte Elaine gelernt, konnten sie die Wünsche als leise Rufe aus der Menschenwelt hören. Dann öffnete ihre Mutter ein Portal für und ein ausgewähltes Einhorn trat hindurch in die Menschenwelt, in das Abenteuer, das es erwachsen machte.

Elaine hatte das oft gesehen. Das Portal. Und die Auswahl. Es war, als würde die ganze Herde durchsichtig werden, bis nur noch ein Einhorn sichtbar war. Das Einhorn, welches das Kind sich ausgewählt hatte. Eine alte Stute hatte in der Winterhöhle einmal erzählt, wie das funktionierte. Natürlich hatte sie nicht wirklich zugehört, denn wer würde ein schwarzes Einhorn auswählen? Aber es hatte irgendetwas mit einem reinen Herzen, Ehrlichkeit und einem tiefen Wunsch zu tun gehabt.

Alles Blödsinn. Wenn das stimmte, war die Farbe ihres Fells egal!

Elaine schob die alten, immer gleichen, Gedanken beiseite und schnupperte nochmals am Wind. Etwas roch daran heute anders.

Da war ein Duft, den sie noch nicht kannte.

Sie schnaubte und blähte ihre Nüstern.

Es roch salzig wie der feuchte Stein im Wald, wenn er vom Regen nass war. Würzig-nass, wie das Ufer des Baches am Rand der Wiese nach den Frühjahrsüberschwemmungen und genauso feucht.

Sie schnaubte und schüttelte den Kopf, um den Geruch aus der Nase zu bekommen. Keine unangenehme Kombination, aber eine ungewohnte. Woher kam das nur?

Dann sog sie wieder den Wind in ihre Nüstern, schmeckte die Luft, genoss die Kälte, die darin lag.

Der salzige, fremde Geschmack lag noch darin. Genauso wie die feuchte Schwere, die sie sonst nur an langen Regentagen in der Luft schmeckte. Aber nie salzig, immer süß.

Elaine schaute sich auf der Wiese um. Drehte sich um sich selbst, schnaubte, sog die Luft ein und suchte nach der Richtung, in der der Duft stärker wurde.

Kein leichtes Unterfangen bei einem Herbstwind, der ständig die Richtung änderte und gerne in Wirbeln um sie herum und über die Baumkronen tanzte.

Hinter ihr lag der Waldrand, der sich auch zu ihren Seiten erstreckte. Vor ihr endete die Wiese an einem Fluss, der aber nicht groß genug war, um die Luft mit Feuchtigkeit zu füllen. Nur gerade groß genug, um allen Einhörnern ihrer Herde und den Tieren, die im Wald und auf der Wiese wohnten, Wasser zu bieten. Außer im Frühling. Bei den jährlichen Überschwemmungen bedeckte der Fluss die halbe Wiese.

Auf der anderen Seite des Flusses ging die Wiese weiter, soweit Elaine sehen konnte.

Und soweit Elaine laufen konnte.

Mehr als einen Tag hatte sie damit verbracht, die Wiese auf der anderen Seite des Flusses zu erkunden. Nie hatte sie das Ende erreicht, bevor sie zur Mittagszeit umdrehte, um abends wieder bei ihrer Herde zu sein. So abenteuerlustig sie auch war, und so viel ihre Mutter ihr durchgehen ließ, war bei einem mehrtägigen Ausflug Schluss. Eine Grenze, die Elaine bisher respektiert hatte.

So schwarz ihr Fell auch war. Nachts wollte sie nicht alleine unterwegs sein. In der Gemeinschaft war sie sicher und geborgen.

Ein Quietschen riss Elaine aus ihren Gedanken.

Sie sah sich um.

Keine Maus zu sehen.

Außerdem war das Quietschen viel zu laut für eine kleine Maus gewesen.

Der Wind rüttelte an den Ästen der Bäume, aber sie knarzten und ächzten. Äste quietschten nicht.

Ein lauter Knall hallte über die Wiese.

Der Wind hielt inne, als würde er sich ebenfalls darüber wundern.

Elaine zuckte mit ihren Ohren. Lauschte.

Sowohl der Knall als auch das Quietschen waren von links gekommen. Etwa dort, wo der Wald in die Wiese überging, die flussaufwärts das Ufer bildete.

Hinter sich hörte sie leise das Schnauben der anderen Einhörner unter den Bäumen. Sie hatten sich wohl doch nur bis zum Waldrand und nicht bis zur Weide zurückgezogen. Viele scharrten mit den Hufen. Die anderen hatten die seltsamen Geräusche also auch gehört, sonst wären sie nicht nervös.

Der Wind setzte wieder ein, blies ihr ins Gesicht und zerrte an Elaines Mähne. Heftiger als zuvor.

Wieder quietschte es. Lang gezogen und schrill. Laut genug, um den Wind zu übertönen, der längst das Scharren und Schnauben der Einhornherde verschluckt hatte.

Elaine drehte den Kopf und ihren Hals und musterte den Waldrand links von ihr.

Sie hob ein Bein und stapfte einen Schritt vor.

Was war dort?

Eine riesige Maus konnte es nicht sein.

Elaine machte einen Schritt vor und noch einen.

Ihr Herz klopfte.

Dort war etwas, und sie wollte nicht nur wissen, was es war, sie hatte das Gefühl, sie musste dorthin gehen. Als würde jemand nach ihr rufen.

Ein unsinniges Gefühl. Ein ganz und gar unsinniges Gefühl.

Das Gefühl, gerufen zu werden, gab es nur, wenn ein Portal geöffnet worden war. Und das passierte mitten auf der Wiese, durch die Leitstute. Elaines Mutter war im Wald!

Elaine schaute zum Waldrand und vergewisserte sich, dass sie ihre Mutter dort sah. Stolz aufgerichtet, mit funkelnder Mähne, weißem Fell und einem spitzen Horn stand sie da und beobachtete sie. Bereit, sie vor allen Gefahren zu beschützen.

Wie immer.

Elaine schritt weiter über die Wiese. Auf die Ausläufer des Waldes am linken Rand der Wiese zu.

Der Wind wehte jetzt gegen ihre Seite und versuchte sie zum Wald, zu ihrer Herde hin, zu blasen.

Elaine hielt dagegen und fiel erst in einen Trag, dann in einen schnellen Galopp. Langgestreckt bot sie weniger Angriffsfläche und kam schneller voran. Hin zu der Ecke des Waldes und weg von der breiten Fläche, die sie dem Wind anbot, um sie wegzuschieben.

Je näher sie der Waldecke kam, umso heftiger blies der Wind.

Schließlich galoppierte Elaine im Zickzack, so wie sie es bei den Hasen beobachtet hatte, wenn diese einem Fuchs entwischen wollten. Nur, dass sie jetzt dem Wind entwischen wollte.

Schweiß rann in ihre Flanken und sie keuchte mit geöffnetem Maul.

Aber sie gab nicht auf. Ihre Neugier war geweckt. Sie wollte die quietschende Maus, oder was immer sonst dort Geräusche machte, sehen.

»Komm zu uns, Elaine!«, hörte sie leise das Wiehern ihrer Mutter vom Waldrand seitlich hinter sich.

Elaine ignorierte es, spannte ihre Muskeln und galoppierte weiter. Ihre Hufe trommelten auf dem weichen Grasboden und ihre Mähne flog durch die Luft, sodass sie noch weiter vom Wind verknotet wurde.

Es dauerte länger, als sie dachte, um die Waldecke zu erreichen. Sonst waren es nur ein paar Galoppsprünge, jetzt fühlte es sich an, als würde der Wald vor ihr zurückweichen.

Elaine blieb stehen, drehte sich in den Wind und atmete schnell. Ihre Flanken hoben und senkten sich. Sie spürte den Schweiß in ihr Fell sickern und zitterte, als der kalte Wind darüber blies.

Sie musste aus dem Wind heraus. Verschwitzt, wie sie war, würde sie sonst schnell auskühlen und sich noch einen Husten holen. Keine schönen Aussichten, jetzt, wo sie gerade alt genug war, um von einem Menschen als Begleiterin auf ein Abenteuer ausgewählt zu werden.

Auch wenn das nie geschehen würde!

Aber sie würde einen Weg finden. Dann ging sie eben alleine auf Abenteuersuche! Dafür musste sie aber gesund bleiben und auf sich selbst achten.

Sie dachte an Morgenblüte und Sonnenstrahl, ihre besten Freundinnen. Beide waren bereits ausgewählt worden und hatten die Herde verlassen.

Elaine trabte, den Kopf dicht über den Boden gesenkt, weiter gegen den Wind an. Sie fühlte sich alleine in der Herde. So ohne ihre Freundinnen. Keine von beiden hätte sich mit ihr in die Herbststürme gestellt, aber sie hätten mit ihr, durch den sicheren Wald trabend, ganz sicher die Ursache des Quietschens und des Knalls erforscht.

Sie kämpfte weiter gegen den Wind. Durch den Wald zu traben wäre klüger und kraftsparender. Sollte sie vielleicht doch den Umweg in Kauf nehmen und so auch ein bisschen trockenen?

Wieder hallte ein lauter Knall über die Wiese.

Elaine schüttelte den Kopf, sodass ihre zerzauste und verknotete Mähne wild herumflog, und kämpfte sich in die richtige Richtung vor.

Ein Quietschen folgte. Lauter und länger als die ersten beiden Male.

Elaine schauderte bei dem fremden, seltsamen Ton, der wie ein Singsang in einer fremden Sprache in die Höhe klomm und dann zu einem tiefen Rauschen abfiel.

Der Wind roch jetzt nicht mehr nur feucht und salzig, sondern auch metallisch.

War das ein Hinweis darauf, dass sich die Türe zur Menschenwelt geöffnet hatte?

Elaine sah auf.

Der Wind wehte jetzt bunte Blätter durch die Luft. Fast als wollte er ihr die Sicht auf das Waldeck erschweren.

Sie blinzelte.

Eine Türe konnte sie nicht sehen. Und tauchte die nicht normalerweise mitten auf der Wiese auf? Wenn ihre Mutter, die Anführerin ihrer Herde, danach rief? Aber der Geruch ging in die richtige Richtung.

Elaine blähte ihre Nüstern und stellte ihre Ohren auf. Witternd sah sie sich um.

Keines der Einhörner ihrer Herde war aus dem Wald getreten. Sie spürte auch keinen Hinweis darauf, dass ihre Mutter in der Nähe war. Nur die Präsenz ihrer Herde weit hinter sich am Waldrand spürte sie in ihrem Unterbewusstsein.

Das vor ihr musste also etwas anderes sein. Außerdem quietschte und knallte die magische Türe nicht. Sie gab ein leise klingendes Geräusch von sich, das hübsch und angenehm klang.

Elaine schüttelte ihren Kopf, schnaubte und trabte weiter. Sie wollte jetzt unbedingt wissen, was da vor ihr im Wald war. Es war auf jeden Fall neu und seltsam.

Wartete dort vielleicht ihr Abenteuer auf sie?

Begeistert von der Idee, trabte sich schneller gegen den Wind an, holte das Letzte aus ihren müden Beinen heraus. Ausruhen konnte sie sich später, in der Winterhöhle, noch lange genug. Jetzt wartete eine neue Entdeckung auf sie.

Sie schaute auf und meinte, durch die wirbelnden, bunten Blätter zu sehen, dass die Bäume näher gekommen waren.

Elaine strengte sich noch mehr an und trabte weiter. Ihre Beine zitterten vor Erschöpfung und ihre Flanken waren eisig vom Wind, der über ihr feuchtes Fell strich. Der Wind zerrte an ihrer Mähne. Blätter klatschten ihr ins Gesicht, während sie vorwärtsging und sie immer wieder abschüttelte. Davon würde sie sich nicht abbringen lassen.

Endlich erreichte sie den Waldrand und trat zwischen den ersten Bäumen hindurch unter den fast kahlen Zweigen. Das Blätterdach war kaum noch vorhanden und bot kaum Schutz vor dem Herbstwind, der hier weiter um sie herum wehte. Dafür war der Boden nicht mehr grasbewachsen, sondern mit roten, braunen und gelben Blättern bedeckt, die unter ihren Hufen raschelten.

Elaine reckte ihren Hals und sah sich um. Sie suchte nach dem hellgrünen Rahmen der magischen Türe.

Vergeblich.

War ihr Abenteuer schon wieder verschwunden, bevor es überhaupt begonnen hatte?

Frustriert stampfte sie mit beiden Vorderhufen auf den Boden.

Die welken Blätter stoben zu den Seiten davon. Der Wind erfasste sie, wirbelte sie auf und Elaine ins Gesicht.

Sie hörte immer noch den seltsamen Singsangton, der tief brummte. Fast wie ein Rumpeln der Erde, überlegte Elaine, auch wenn sie noch nie ein Erdbeben erlebt hatte.

Elaine schüttelte sich wieder die Blätter aus dem Gesicht und wandte suchend ihren Kopf hin und her.

»Türe, wo bist du?«, rief Elaine in den Wald hinein. »Abenteuer, komm zu mir!«

Die Worte, mit denen ihre Mutter die magische Türe auf der Wiese rief, waren anders, aber die durfte Elaine nicht benutzen. Sie hatte die Geschichten gehört von dem unartigen Einhorn, das die magischen Worte des Leiteinhorns verwendet hatte. Es war verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Im Gegensatz zu allen anderen, die durch die Türe gingen. Wenn das Abenteuer überstanden war, kehrten sie zurück, suchten sich einen Hengst aus und gründeten ihre eigene Herde, irgendwo auf der anderen Seite des Waldes, auf einer eigenen Wiese.

Nicht, dass Elaine sich nach einem Hengst und einer eigenen Herde sehnte.

Sie sehnte sich nach einem Abenteuer!

Also ging sie tiefer in den Wald hinein. Langsam. Bei jedem Schritt schaute sie sich suchend um.

Der Himmel war mit Wolken bedeckt, und hie und da stahl sich ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke und das lichte Blätterdach auf den Waldboden. Das änderte die Lichtverhältnisse in einem fort.

Elaine lauschte, hoffte, ein weiteres Quietschen zu hören, um sich für eine Richtung entscheiden zu können. Der tiefe Dauerton war überall und vibrierte in ihren Knochen. Damit konnte sie keine Richtung ausmachen.

Sie ging noch einen Schritt weiter über die raschelnden Blätter.

Ein Sonnenstrahl blitzte vor ihr auf und beleuchtete einen schwarzen, eckigen Rahmen mit einer halb offen stehenden Türe.

Woher kam diese Türe? Sie hatte kein weiß schimmerndes Leuchten am Rand, wie die ihrer Mutter, der Leitstute. Sie bestand aus blauen und schwarzen Wellen und roch noch stärker metallisch und salzig.

Trotzdem ging sie näher heran. Dann blieb sie stehen und schaute durch den offenen Spalt hindurch, auf die Hälfte der Welt, die dahinter zu sehen war.

Blaugrünes Wasser rauschte und schwappte gegen graue, zerklüftete Felsen. Es roch salzig und feucht. Der Himmel dort war schwarz und es grollte. Das war der tiefe Ton, der in ihren Knochen vibrierte! Blitze zuckten zwischen den Wolken und spiegelten sich in weißen Schaumkronen auf den Wellen.

So einen großen Fluss hatte Elaine noch nie gesehen. Auch nicht durch die magische Türe, durch die ihre Freundinnen getrabt waren, um ihre Abenteuer zu finden. Außerdem sah sie keinen Menschen, keinen Partner für ihr Abenteuer auf der anderen Seite. Musste sie zuerst ihren Menschen finden, bevor ihr Abenteuer wirklich begann? Sollte sie dort hindurchgehen?

Zögernd hob Elaine einen Huf, setzte ihn aber noch nicht ab.

»Das ist eine magische Türe«, schnaubte es leise an Elaines Ohr.

Elaine riss ihren Blick von der Landschaft auf der anderen Seite der Türe los und sah zur Seite.

»Mama?!«

Ihre Mutter stand neben ihr. Ihre Mähne floss glänzend in allen Regenbogenfarben über ihren Hals, als würde kein Lüftchen wehen. Ihr Horn glitzerte, ohne dass ein Sonnenstrahl darauf fiel. Groß, schön und ganz die Anführerin, die sie war, stand sie neben Elaine. Sie atmete nicht einmal schneller.

Wie machte ihre Mutter das nur?

Elaine hatte den ganzen Weg gegen den Wind gekämpft. Sie spürte, wie er immer noch an ihrer Mähne zerrte und durch ihr Fell fuhr. Aber um ihre Mutter schien er einen Bogen zu machen.

Neben ihrer Mutter fühlte sie sich immer viel kleiner und jünger, als sie war. Und ungepflegt. Mit ihrer zerzausten Mähne und ihrem Fell, das bestimmt ebenfalls in alle Richtungen abstand, nachdem sie sich vom Wind zuerst streicheln und dann fast zur Seite hatte wegpusten lassen.

»Ich will auch ein Abenteuer erleben. Kein Mensch wird mich auswählen«, sagte Elaine und stampfte trotzig mit einem Huf auf die raschelnden Blätter.

Bestimmt würde ihre Mutter ihr nämlich verbieten, durch diese Türe zu gehen. Schließlich wussten sie nicht, woher sie gekommen war, oder warum sie im Wald stand.

»Ich verbiete dir nicht zu gehen«, sagte ihre Mutter leise an ihrem Ohr.

Elaine schaute sie ungläubig an. Hatte ihre Mutter ihre Gedanken gelesen? Bisher hatte sie nicht gewusst, dass das möglich war. Dann registrierte sie, dass sie kein Verbot ausgesprochen hatte.

Ihre Mutter, die sonst alles verbot und sie nur in Begleitung ihres Vaters auf der anderen Seite des Flusses über die Wiese hatte galoppieren lassen, verbot ihr diese magische Türe nicht?

»Mama? Geht es dir gut?«, fragte Elaine misstrauisch und musterte ihre Mutter genauer.

Aber es fiel ihr nichts auf, was anders gewesen wäre als sonst.

»Es geht ihr gut«, sagte eine tiefere Stimme auf Elaines anderer Seite. »Sie ist hier, um dich zu verabschieden, wie sie es mit jedem jungen Einhorn auf dem Weg ins Abenteuer tut.«

Elaine schaute sich um. Der Wind blies ihr wieder direkt ins Gesicht. Aber ihren Vater, den großen, weißen Hengst, dem sie immer noch kaum bis an den Hals reichte, den hätte sie überall erkannt.

Langsam machte Elaine einen Schritt rückwärts.

Weg von der magischen Türe.

Dass ihr Vater hier war, war kein gutes Zeichen. Er war nie da, wenn die magische Türe gerufen wurde. Bestimmt war er jetzt nur hier, um sie auf ihr Abenteuer zu begleiten.

»Mama! Ich brauche keinen Aufpasser bei meinem Abenteuer!«, sagte Elaine. »Ich bin groß und selbständig!«

Elaine fühlte sich im Augenblick kein bisschen groß. Ihr Vater mit seiner Größe überragte sie immer. Gleichzeitig lockte das Abenteuer.

Der Wind blies gegen die Türe, die sich quietschend ein Stückchen weiter öffnete.

Elaine machte neugierig zwei Schritte vor, um genauer zu sehen, was auf der anderen Seite war. Neben den Felsen sah sie jetzt ein Stück farblosen, grauen Strand, der von vielen kleinen Steinen bedeckt war und über die Wellen dieses riesigen, salzigen Flusses schwappten und wieder zurückflossen. Im nächsten Blitzlicht funkelten die dunkelgrauen Steine blitzend auf. Fast wie ihr eigenes, schwarzes Fell mit den Sternenpunkten, die darin funkelten.

Elaine machte einen weiteren Schritt vor.

Die Umgebung ihres Abenteuers sah fast so aus wie sie selbst. Dort würde sie nicht sofort auffallen und wäre gut getarnt. »Ein Vorteil bei jedem Abenteuer«, hatten die alten Stuten immer wieder gesagt, während sie herangewachsen war. Tarnung war wichtig. Darum übten sie auch alle, ihr Horn mit ihrer eigenen Magie zu verstecken. Schließlich sollten die Menschen nicht wissen, dass es Einhörner gab. Zumindest nicht alle.

Aber einen Menschen sah Elaine durch die Türe immer noch nicht. Normalerweise wartete die Menschengefährtin auf der anderen Seite bereits auf das Einhorn, das auf Abenteuerreise auszog. Schließlich wünschten sie es sich ja herbei, suchten es sich aus der Herde aus.

»Ich werde dich nicht begleiten, mein Kind«, sagte ihr Vater hinter ihr.

Elaine schaute zurück und hätte sich fast den Kopf am Türrahmen angeschlagen.

Ihr Vater stand neben ihrer Mutter und war ihr nicht gefolgt.

Sie schaute nach unten.

Ihr Vorderhuf war nur einen Hufbreit von der schwarzen Türschwelle entfernt. Die nassen Steine bildeten einen strengen Kontrast zu den bunten Herbstblättern, auf denen sie stand.

Hastig machte sie einen Schritt zurück und schaute erst zu ihrem Vater, der aufmunternd wieherte und mit seinem Kopf auf die Tür deutete. Fast als wollte er sie dazu ermutigen, weiterzugehen. Dann schaute sie zu ihrer Mutter, die den Kopf hängen ließ, als wäre sie ganz und gar unglücklich, über diese Türe.

Nachdenklich schaute Elaine zwischen ihrer Mutter und der Türe hin und her.

Das konnte ihre einzige Chance sein auf ihr Abenteuer. Ihr Vater schien es gut zu finden. Und er hatte gesagt, er würde nicht mitkommen. Ihre Mutter dagegen, die sonst schnell ein Verbot aussprach, ließ den Kopf hängen. Wie ein stilles Verbot. Als ob sie ihre Erlaubnis nicht zurücknehmen konnte.

Elaine schüttelte ihren Kopf, um klar zu denken. Der Wind heulte durch die Äste der Bäume und die Tür vor ihr quietschte schrill noch ein Stück auf, als wollte sie fragen:

»Komm. Worauf wartest du?«

Elaine schnaubte.

Sie dachte an all die Verbote ihrer Mutter, die diese ihr nachgerufen hatte. Fast alle hatte sie ignoriert und war lachend davon galoppiert. Über die Wiese, durch den Wald, in den Herbstwind. Warum ließ sie sich von dem hängenden Kopf und dem Schweigen jetzt aufhalten? Weil es ein unausgesprochenes Verbot war oder weil es neu war?

Elaine stampfte mit den Hufen, dass die Blätter flogen.

Sie wollte auf keinen Fall vor sich selbst zugeben, dass sie Angst hatte. Angst vor diesem riesigen Fluss, dem Gewitter und der Tatsache, dass sie vielleicht ganz alleine ihr Abenteuer bestehen musste. Ohne einen Menschen als Begleiter. Ohne irgendjemanden als Begleiter.

Das hielt sie auf, stellte Elaine fest.

Ihre Angst.

Nicht das schweigende Verbot ihrer Mutter.

»Kopf hoch, meine Liebe«, sagte ihr Vater mit seiner tiefen, vertrauten Stimme zu ihrer Mutter. »Du hast Elaine bis jetzt geschützt. Es ist Zeit, sie in ihr Leben zu entlassen und dich darüber zu freuen.«

Ihr Leben?

Elaine schaute zu ihren Eltern und zu der offenen Türe.

Ja! Ihr Leben!

Ihr Abenteuer wartete auf sie. Das Abenteuer, dass sie bestehen würde, um in ihrer Herde endlich vollständig als erwachsenes Einhorn zu gelten.

Sie würde es bestehen und sie würde es genießen, nahm Elaine sich vor.

Sie machte wieder einen Schritt vor.

»Bis bald«, rief Elaine ihren Eltern wiehernd zu.

Bevor sie es sich anders überlegen und ihrer Angst nachgeben konnte, machte sie noch einen Schritt vor.

Sie trat mit ihrem ersten Huf auf die schwarze Türschwelle. Die war kalt, hart und ganz anders als alles, worüber sie bisher getrabt oder galoppiert war.

Der Wind heulte um sie herum. Hinter ihr mit Blättern, die über ihr Fell rutschten, vor ihr mit dicken Regentropfen, die ihr ins Gesicht schlugen und ihr sowieso schon vom Schwitzen feuchtes Fell durchnässten.

Elaines Herz schlug schneller. Sie wollte ein Abenteuer erleben. Hier wartete ein Abenteuer auf sie, dem sich ganz sicher keine ihrer Freundinnen freiwillig stellen würde. Schließlich waren sie alle, mit einem freundlichen Menschenmädchen, in einem Pferdeabenteuer verschwunden. Eine Vorstellung, die Elaine noch nie gereizt hatte, abgesehen von der Tatsache, dass es ein Abenteuer war. Ein Abenteuer fern ihrer Heimat und Herde.

Genau wie das, was jetzt vor ihr lag. Kalt, nass und metallisch riechend.

Trotzdem zog sie dieser graue, nass glitzernde Steinstrand und die Blitze an. Etwas rief nach ihr. Forderte sie auf, weiterzugehen. Auch wenn ihr Herz so schnell schlug, dass sie kaum noch Luft bekam.

Elaine machte noch einen Schritt vorwärts und setzte ihren ersten Huf auf diese vielen, nassen Steine.

---ENDE DER LESEPROBE---