Einige Abenteuer und seltsame Begegnungen im Leben des stillen Kommandeurs - HF Coltello - E-Book

Einige Abenteuer und seltsame Begegnungen im Leben des stillen Kommandeurs E-Book

HF Coltello

4,9

Beschreibung

Der stille Kommandeur und Ausnahme-Gitarrist hat meist alles unter Kontrolle. Was man von seinen Mitstreitern wie dem Hundzköter, Fucking Steve Hahn oder dem smarten Biene nur bedingt behaupten kann. Zusammen schreiben sie trotz allem ein Stück deutsche Rock'n'Roll-Geschichte und lassen keinen Zweifel dran, dass sie Typen wie Herrn Lehmann schon zum Frühstück verspeisen. HF Coltello lässt in seinem ersten Roman den wahren Rock'n'Roll in Deutschland aufleben. Und das mindestens so lustig wie bei den "Freak Brothers" oder bei Kaurismäkis "Leningrad Cowboys". In einem gnadenlos direkten und witzigen Schreibstil erzählt HF Coltello hier ein Stück deutsche Undergroundgeschichte. Echte Musik. Süddeutschland, das alte Westberlin, der Fall der Mauer. Die Szene in Kreuzberg, in der sich die verrückten Protagonisten tummeln. Mit ihnen zusammen oder alleine betreten Coltello und seine Gitarre unablässig neue, stets eigenwillige und nicht nur musikalische Welten, in ganz Europa, den USA, Asien, Südamerika oder im Nahen Osten. Ein Roadmovie eben. Ein Roman über den wahren Rock'n'Roll.

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HF Coltello

Einige Abenteuer und seltsame Begegnungen im Leben des stillen Kommandeurs

1

Sie standen im Halbkreis. Charlie grinste. Sepp rauchte.

Du warst nie weg, oder?, sagte Richy.

Wie nie weg?

Ich mein, mal inner andern Stadt gewohnt als hier in diesem Kempten da. Also, seid ihr fertig? Du warst doch noch nie weg?

Nee, sagte ich. Bis jetzt noch nicht.

Na ja. Der Seppi ja auch nicht. Sieh ihn dir doch mal an.

Richy steckte in einem Overall. Er war wohl früher mal grün. Sepp, in elegantem Schwarz, neben den beiden ganz edel. Wir spielten drei Stücke. Mir wurde nichts groß erklärt.

Klingt schon anders, Richy dann etwas verhalten.

Hm, brummte Sepp.

Er sah dem Kabel nach, das aus seinem Bass hing.

Hm, brummte er. Hm also, hm.

Schweigend legte ich meine Gitarre zurück in den Koffer.

War ja nur mal für n Eindruck, sagte Charlie gelangweilt.

Ich besah mir ihr Equipment. Sepp griff nach seinem Tabak. Charlie tat es ihm gleich. Sie standen da, während sie das dunkle Kraut in die dünnen Papierchen eindrehten, als gäbe es ein Geheimnis zwischen ihnen und mir. Sepp reichte das Feuerzeug weiter an Charlie.

Wortlos bliesen sie den Rauch in den müffelnden Raum.

Ich ruf dich an, ja?, sagte Richy.

Okay, gab ich zurück.

Ein Stück Asche kippte ab von Sepps Zigarette. Er bemerkte es nicht. Ich nahm meine Gitarre unter den Arm, da schlug vor mir die Tür auf.

Was macht denn ihr hier?

Na, wahrscheinlich s Gleiche wie du, kam es zurück.

Sie hatten halb Süddeutschland zum Vorspielen bestellt.

*****

Am nächsten Mittag rief Richy an.

Sitzt du?!

Wenn ich mich hinsetz, frier ich fest, antwortete ich.

Also, wir wollen schon dich. Das mit den anderen … na ja, du weißt schon. Heute Nachmittag, geht das?

Ja, sagte ich. Ja, das geht gut.

*****

Im Morgendämmer brachen wir auf. Vereiste Straßen und klirrende Kälte. Dazu kam Nebel auf der Höhe von Leipzig. Fünf bibbernde Gestalten und eine steinalte, monströse Verstärkeranlage in einem klappernden, dröhnenden, blechernen Bus. Am frühen Abend rollten wir durch Berlin. Nach dem Aufbau lotste uns Charlie zu seinen seltsamen Freunden. Sie bewohnten ein Haus an der Mauer. Charlie, ganz wach, sah sich um.

Nix mehr los hier, eh echt. Echt harmlos jetzt eh.

Er ging ans Fenster und spuckte nach draußen.

Hier hab ich immer rübergeschrien. Jeden Tag eh. Ihr Schweine!

Tom reckte den Kopf. Tom war der Soundmann. Und immer dabei.

Was denn für Schweine?

Ihr Schweine, ihr Schweine, hab ich geschrien. Jeden Tag eh, eh echt.

Wo rüber hast du geschrien?, fragte Richy.

Zum Axel-Springer-Haus. Drecks-Verleger da. Schweine. Und eine, das war echt lustig eh, ich mein, die sah gar nicht mal so schlecht aus, echt eh, ne wirklich, eh echt. Die wohnte auch hier. S wohnten alle möglichen hier. Keiner wusste oft, von wem oder woher die überhaupt kamen. Wenn dann rauskam, dass die echt keiner kennt, dann flogen se raus eh. Manchmal kamen auch Penner. Aber ich mein eh, die Alte …

Was war denn mit der?

… die drehte jeden Tag alles auf.

Was drehte die auf?, fragte Tom.

Die Wasserhähne. Im ganzen Haus. Immerzu. Die wollte die Berliner Wasserqualität noch verbessern. Echt froh eh, dass ich nicht mehr hier wohn. Echt eh. Kein Bock mehr, eh echt.

Wir schminkten uns wie Tunten und waren gegen dreiundzwanzig Uhr wieder am Club. Es war Silvester. Während Richy, Charlie und Tom wie ein Stoßtrupp die Treppen zum Eingang hinaufhechteten, alberten Sepp und ich noch auf der Straße herum. Angetrunken und auch ein wenig bekifft. Man hörte ausgelassene Frauen. Zum Stänkern aufgelegte Typen zogen vorbei. Feuerwerk krachte. Am Ende der Straße sah man den hell erleuchteten Kurfürstendamm. Ich zog am eiskalten Türgriff.

Ist zu.

Musch klingeln.

Die Türe ging auf. Und wieder zu.

Ich klingelte wieder. Zwei finstere Typen.

Was issn noch?

Wir sind die Band.

Die Türe ging wieder zu.

Herrgottsack!, maulte Sepp. Sind aber auch immer Affen. Überall s Gleiche.

Nach einer Weile war wieder auf. Richy stand zwischen den beiden.

Also wirklich, sagte er ernst.

Halb drei Uhr morgens ging es los. Eine zerfahrene Show. Knöchern und hölzern. Düsterste Szene. Beim Abbau, der einem sonderbaren Trauermarsch glich, wie wir uns da einer nach dem andern mit unseren Instrumenten zum Ausgang hinschlichen, strippten zwei Transen auf dem riesigen Tresen. Gerade glücklich war ich jetzt nicht.

Stumm stiegen wir in den Bus und fuhren einfach davon. In den Straßen gammelte Müll. Aus den Bars drang laute Musik. Oben am Himmel krachte es und die jungen Leute überall sahen wahnsinnig gut aus.

Richy hielt vor einem mit Plakaten vollständig zugepflasterten Haus.

Man ließ uns ein. Zwei nackte Räume. Der Boden bis zu den Knöcheln hoch voll leerer Dosen. Die Luft blau vom Rauch. Die Lady hinter dem Tresen hatte eine knabenhafte Figur und Beine so lang, als wären es Stelzen.

Wie heißtn der Schuppen hier?, fragte Charlie.

Det isset Risiko, Alter.

Oh, sagte Charlie.

Ohne Charlie aus den Augen zu lassen, beugte sie sich etwas nach vorn. Auch Charlie beugte sich vor.

Also wirklich!, rief Richy.

Charlies Grinsen nun voller Erwartung.

Die Lady rückte ganz nah zu ihm heran.

Sag mal …, sagte sie leise.

Oh, hauchte Charlie.

… wollter nich lieber wieder dahin, woer herkommt?

Nee nee, gab Charlie zurück. Da kennt uns ja jeder.

*****

Abends sperrte jemand eine nach Urin riechende Tür auf. Es war der Eingang zum Kreuzberger Blockschock. Mit einer brachialen Schwere donnerten wir dort nachts die jugendlich-filigrane Musik der Vorband unter die Bühne. Unnachgiebig wie eine zur Unsterblichkeit verdammte Maschine. Charlie und Sepp souverän. Richy wie ein Schmied auf das Eisen. Vor uns die bleichen Gesichter. Die wogende, gröhlende Meute. Es gab keine Vergangenheit mehr. Es gab nur noch diesen Moment.

Das ist Rock'n'Roll, Sepp!!, schrie Richy. Das ist richtig Rock'n' Roll!

Sepp nickte. Schwitzend. Eine Kippe zwischen den Lippen.

*****

Es war dann ein lichtloser Morgen. Ineinandergeschlungene Pärchen kauerten vor dem Club. Das SO36 wurde vergittert. Die Ampeln am Heinrichplatz blinkten gelb. Eine Leuchttafel zeigte die Temperatur an. Sie war auf einundzwanzig Grad minus gefallen.

Ich nahm meinen Blick nicht von den Häusern, den Straßen, den Bars, den doppelstöckigen Bussen. Alles in diesem Berlin schien mir paradiesisch. Schweigend fuhren wir die Avus hinunter und reihten uns ein in die hunderten von wartenden Wagen. Der Grenzübergang in Dreilinden. Die Deutsche Demokratische Republik. Pässe ratterten über Förderbänder. Von einem Kontrollhäuschen zum nächsten. Mit an Stangen befestigten Spiegeln schaute uns die Garde des Proletariats unters Auto. Sie fragten nach Waffen, Funkgeräten und Kindern. Und welchen Grenzübergang wir bei der Ausreise nehmen. Die Zeit wurde notiert. Die Pässe gestempelt und Visa erteilt.

In dieser Stunde, die wir hier standen, versulzte der Diesel. Es war schwer, den Motor wieder zum Laufen zu bringen. Drei Mal noch fiel er während der Fahrt aus. Sechzehn lange Stunden fuhren wir südwärts.

Schnee wehte dort stürmisch über die alte Landstraße Kempten–Sonthofen. Richy hielt auf der Höhe der Hütte.

Ich stieg aus und nahm mein Gepäck aus dem Fond. Sah ein freundliches Nicken der erschöpften Gesichter meiner neuen Kollegen. Ein Hauch von Verbundenheit für ein paar stille Sekunden. Dann mühte ich mich die wenigen Meter über den gefrorenen Boden. Die Gitarre wie ein Gewehr über der Schulter. Die Hütte war fast völlig unter den Schneemassen begraben. Die Türe gegen den Rahmen gefroren. Ich warf mich dagegen. Mit einem Knacken war offen. Mondlicht fiel auf den steinalten Boden. Auf die mit Ochsenblut gestrichenen Bretter. Am Wasserhahn hing ein milchiger Zapfen aus Eis. Joe O, darauf konnte ich wetten, lag im Bett einer Vorstadtschönheit.

Ich stieg über die schmale Leiter nach oben. Die Bettdecke war ans Leintuch gefroren. Ich stieg wieder nach unten, warf mich aufs Sofa, rollte mich ein wie ein räudiger Hund und zwang mir ein eiskaltes Bier durch die Kehle. Eins von den dreien, die Ausbeute der Tour. Bildhübsche Eisblumen trübten die Fenster.

*****

Es wurde Februar. Der Schnee stob grausam über die Hügel, und nachts schoss der Wind oft so lautstark und heftig durch die Ritzen, dass mich nicht selten die Vorstellung befiel, eines Tages ganz abzuheben mit dieser Hütte. Es gab kein Holz mehr, um den einzigen Ofen zu heizen, keinen Strom. Die alten Klamotten, in denen ich schlief, wärmten nicht mehr. Wie jeden Nachmittag lief ich hinunter ins Dorf. Drückte die schwere Klinke der eisernen Tür und schlich durch die hallige Kirche in den rechts vom Altar liegenden Gang. Dort saß ich und überlegte. Versuchte, an diese Band oder an irgendeine Zukunft zu glauben.

Aber ich glaubte nur an diesen Heizkörper, auf dem ich saß.

Irgendwann hörte ich einen Transporter und lief wieder zurück.

Die Türe der Hütte stand offen. Auf dem Küchenboden kniend schloss Joe O eine Gasflasche an. Neben ihm eine Palette billiges Bier.

I hab jetzt praktisch no mei allerletschte Kohle fescht anglegt, sagte er ernst. Flüssig bessergsagt. Und a Gas, des hats au.

Wir setzten uns um die Flamme und tranken. Und immer wieder riss Joe O die windige Holztüre auf, legte seine Hände wie einen Trichter um seinen Mund und rief hinaus ins eiskalte, bläuliche Zwielicht: Holdrio, hier isch Joe O!

Später ereiferte er sich über das wahre Bild des Rock'n'Rolls. Als nach dem zehnten Bier der Enthusiasmus etwas abflachte, verfluchte er lautstark die Weichheit der neueren Bands. Lief im Zimmer auf und ab wie ein Irrer, eine Dose Bier immer im Anschlag, und zweimal hintereinander stieg er laut gröhlend ins obere Stockwerk und sprang durch ein Loch im windigen Bretterverschlag hinaus in den Schnee. Dann spürte er einen Drang.

Ja Himmelsack, Rock'n'Roll!, schrie er zum Himmel, während er mit Genuss vor sich hin pinkelte. Muss i jetzt no des allerletschte Bier aus mir rausbieseln, bis des mal was wird!

Mit triefenden Stiefeln schritt er zurück in die Hütte, stieg aufs kackbraune Sofa und schrie: Rock'n'Roll! Rock'n'Roll! I want Rock'n'Roll! Holdrio Ho!

*****

Wenige Tage später fuhren wir nach Baden-Baden. Es roch schon nach Frühling über dem Tal, in dem lang gestreckt und mondän diese Stadt liegt. 162 Bands stritten sich um einen Fernsehauftritt. Die Studios des Südwestfunks lagen auf einem der umliegenden Hügel. Jede Band spielte zwei Stücke und wurde dabei gefilmt. Nach unserem Auftritt fuhr Charlie zurück nach Augsburg. Richy wollte unbedingt bleiben.

Die sagen nämlich noch, wen sie nehmen, sagte er schmunzelnd. Nicht offiziell, aber ich weiß das.

Hm, brummte Sepp.

Wir saßen auf den bequemen Sofas der Lobby, tranken und rauchten. Spät am Abend kam ein vornehm gekleideter Herr. Ein jugendliches, sorgenfreies Gesicht. Die Haare gescheitelt, die Schuhe poliert. Er legte Richy die Hand auf die Schulter.

Ihr seid dabei, sagte er schnell.

Richy grinste und nickte. Seht ihr? Es geht voran. Ich hab das gewusst. Und das hat auch seine Berechtigung. Habt ihr euch die Bands angesehen? Die waren alle gleich. Alle. Die haben alle das Gleiche gemacht und die sahen auch alle gleich aus. Wir waren anders. Das war ziemlich klar, dass wir das gewinnen.

Hm, brummte Sepp. Dann grinste auch er.

*****

Zurück im schneematschigen, vom täuschenden Fön geschundenen Allgäu, überall lief das Wasser, spendierte Richy uns Pizzas. In der Oberwang Bar bestellte er großzügig Getränke und bezahlte die Zeche. Dann führte er uns in die bekannteste Diskothek am Platze und rief gleich nach einer Bedienung. Sie brachte ein Tablett mit Whiskeys, Erdnüssen und Coca-Cola. Der DJ, ein Italiener, beugte sich aus seiner Kanzel und winkte mich zu sich.

Hab gehört, du gehst auf Rock'n'Roll-Karriere! Ha! Große Welt! Ha ha ha. Ja. Wieso nicht. Immer neu. Immer gut. Aber du brauchst eine Name. Du brauchst eine Rock'n'Roll-Name. Strummer, Thunders, Sudden, Johnny Morphin. So muss das klingen. Ja klar, das ist wichtig. Ich habe eine gute Name für dich. Klingt wie deine Gitarre.

Jawoll!, rief Richy herüber.

Ja, sagte der Italiener.

Jawoll!, rief wieder Richy.

Scharf, sagte der Italiener.

Scharf, gab ich zurück.

Scharf, sagte er. Und mit Metall. Ich hab das für dich. Und das heißt Coltello.

*****

Die darauffolgende Woche spielten wir zwei Konzerte in Franken und eines im Rockhaus im bayrischen Schwindkirchen.

In der dampfenden Küche wurden Ravioli serviert. Dazu einfacher italienischer Rotwein. Neben Charlie und Tom saß dort auch Franz. Franz war der beste Schriftsteller, den wir uns vorstellen konnten. Obwohl keiner von uns jemals ein Buch eines anderen Schriftstellers in die Hand nahm. Franz schrieb von Männern. Sein Held hieß Plockov. Es ging um Blut und um Ehre. Um große Revolver, die neunschwänzige Katze. Um Schallplatten, die sich drehten, bis der Weg zur Hölle geteert war. Und um diejenigen Frauen, denen selbst im letzten Atemzug noch ein Machs mir! entfleuchte. Es ging, oft genug sogar, nur um die gelblichen Flecken auf ihren Slips.

Es war gut eingeheizt und gemütlich. Nach dem Essen brachte eine der rothaarigen Bedienungen Schnaps.

Sepp!!, rief plötzlich Richy.

Sepp sah auf, eine Zigarette elegant zwischen den Fingern.

Ja?, sagte er leise.

Sepp, so geht das nicht, sagte Richy.

Wie?, sagte Sepp.

Das Ganze mit dir.

Das Ganze mit was?, sagte Sepp.

So gehts einfach nicht. Das Ganze mit dir. So läufts einfach nicht. Da hab ich keine Lust mehr zu, also wirklich.

Sepps Gesicht wie versteinert. Augen und Mund ganz weit offen.

Mach dir jetzt endlich einmal Gedanken.

Ein Stück Asche kippte ab von Sepps Zigarette und rollte ihm federleicht über die Hose. Er bemerkte es nicht.

Wenn du hier in dieser Band spielen willst, dann nimm das auch ernst.

Um was gehts denn jetzt?, sagte Charlie und zog mit einem widerlichen Geräusch seinen Rotz durch die Nase.

Zu euch komm ich gleich noch.

Also wie, was?, sagte Sepp. Ich habs jetzt gar nicht mitgekriegt du.

Er blickte hastig um sich. So, als suche er das Verpasste.

Aber nirgendwo war was.

Versteht ihr ja, sagte Richy. N Haufen Arbeit ist das. Ich muss organisieren, Fotos, Infos, Plakate, muss das mit dem Studio ausdealen, die Konzerte abchecken, das Auto klarmachen, ständig Kohle auftreiben für diese Band hier, meine eigene Kohle, das ist alles Arbeit und Kohle. Und dann kommt der Sepp an, ja also wirklich.

Na hier isser doch, der Sepp, sagte Charlie.

Richy blickte vorwurfsvoll rüber zu Charlie.

Mach dich nicht lustig.

Ich mach mich nicht lustig, aber ich mein, was issn jetz mit dem Sepp, mit dem Depp, eh aber echt.

Sepp lachte verhalten.

Ihr nehmt das alle nicht ernst. Nicht genügend.

Doch Richy, sagte Charlie. Nee, jetz mal ohne Scheiß eh, was issn?

Na, der Sepp. Kommt hier an und sagt, nächstes Wochenende gehts nicht bei ihm, muss irgendwo mit seiner Freundin wohin. Ich reiß mir n Arsch auf und euch kümmerts n Dreck. Euch geht das ja alles nichts an. Und dann hängt ihr auf der Bühne und Scheiße. Aber euch geht das ja alles nichts an. Wie oft hab ich zu dir, Charlie, gesagt, Charlie lern deine Texte. Du kannst die Texte immer noch nicht. Coltello genauso. Hauptsache Gitarre. Hauptsache, die Gitarre ist laut.

Richy schob seinen Teller in die Mitte des Tisches.

Immer nur Krach. Immer nur drauf. Hauptsache Gitarre. Du musst auch mal hören, auf einen Song eingehen, mal runtergehen. Den Song erkennen. Die einzelnen Töne. Aber nein, immer nur drauf.

Sepp drückte seine Zigarette aus und langte nach Charlies Tabak.

Kann ich mal eine?

Nimm ruhig eh. Scheißegal eh, gab Charlie zurück.

Richy stand auf und verließ schweigend den Raum.

Tja Sepp, sagte Charlie.

He Mann, maulte Sepp. S is doch noch gar nix. Ich habs ja nur mal angesprochen. Aber nee, okee, ich mein, so läufts ja auch nicht.

Kurz darauf hockten wir hinter der Bühne und stimmten die Gitarren.

Glaub, s is heut mein letzter Gig mit der Band, sagte Sepp.

Charlie rückte näher zu mir.

Wir könnten ja beim letzten Song einfach mittendrin mal Sympathy For The Devil von den Stones runterhauen, sagte er leise. Vielleicht reißts ihn dann mal. Richy eh. Kacker eh, alter Sack eh, aber echt.

Wir beschlossen, in Richys riesige, selbst gebaute Lautsprecherboxen zu pissen. Ich in die linke. Charlie in die rechte.

*****

Die Berge leuchteten hell an diesem Morgen. Nur selten war ich mir ihrer Schönheit wirklich bewusst. Etwa zwölf Kilometer entfernt lag die Stadt. Sie blies die Geschäftigkeit ihrer Fabriken durch die hohen Kamine, und bei so klarem Wetter wie heute konnte man den weißen Rauch bis hier draußen noch sehen. Ich hatte nichts zu essen im Haus. Meine gesamte Barschaft dieses einsame Zehnpfennigstück, welches schon vor unserem Ausflug so glücklos darbte. Im leer stehenden Mittelzimmer, das uns als Müllkippe diente, kramte ich nach essbaren Resten. Wurde nicht fündig und ging wieder ins Bett. Richy würde mich schon nicht vergessen. Würde mich schon abholen, wenns wieder losging. Würde schon kommen. Ich schloss die Augen und sah eine Bühne vor mir. Eine wohltemperierte Garderobe. Die Backstage. Sah gemütliche, weiche, schwarzlederne Sofas. Tabletts mit Früchten und belegten Brötchen. Kühlschränke, in denen das Bier darin nur darauf wartete, geöffnet und getrunken zu werden. Ich sah uns im Bandbus, wie wir vor einem schnuckeligen Restaurant parkten, einfach hineingingen und nach Herzenslust bestellten. Ich träumte mir die wildesten Geschichten zurecht. Stundenlang. Als die Sonne senkrecht stand, schlug ich die Bettdecke zurück, stieg in die Stiefel, stieg die Leiter hinunter, ging nach draußen, legte mich auf die wackelige Holzbank vor der Hütte und hörte dem Knattern und Schlagen des nahen Sägewerks zu. Dann war ich eingeschlafen und bald träumte ich mich in die Songs hinein. Das Sägewerk gab dazu den einfachen, stets wiederkehrenden Takt. Ich hörte Charlies Stimme, Is this the end or is it just another time, hörte das Heulen der Säge, mein Einsatz, hörte Charlie wieder, wie er inbrünstig sang, Don't want to reach the perfect state of man, dann hörte ich eine andere Stimme.

So grüß Gott, so lässt sichs aushalten.

Ein Mann stand vor mir. Groß, leicht untersetzt. Helle Klamotten. Er zog ein Formular aus seiner Tasche.

Wir ham da … also wartens … da stehts ja schon. Also … viertausendachthundert Mark wollen se von Ihnen, in der Sache … nach dem Beschluss vom … Moment … Sie …, sagte der Mann, … kann ich mich setzen, mal kurz?

Ja bitte, sagte ich knapp.

Er setzte sich ans Ende der Holzbank. Legte sich die Aktentasche auf die Schenkel und griff nach seinem Stift.

Wartens, dann streich mer des gleich durch alles, und a Unterschrift bräucht ich dann noch von Ihne. S hat sich ja nichts geändert.

Nee, sagte ich. Bis jetzt noch nicht.

*****

Der nächste Tag verging. Der übernächste verging. Aus Angst vor weiteren Attacken der Zivilisation auf mein Gemüt blieb ich im Bett. Da kam Joe O mit rettender Arbeit. Als sie getan war, jagte er den Transporter bei vollem Tempo über die Straße. Der Motor surrte hoch und gemein. Er jagte an den grau gestrichenen Arbeitersiedlungen vorbei, vorbei am See, der grau dalag wie tot, vorbei noch am Abzweig zur Autobahn, schaltete herunter, lenkte unter wildem Armgefuchtel nach links ein und fuhr durch die offene Schranke auf den riesigen Supermarkt-Parkplatz.

Joe O ging zur Fleischtheke, ich in die Getränkeabteilung. Er saß schon im Führerhaus, als ich mit meinem Karton im Arm wieder zurückkam.

Du sollsch doch it glei alls versaufen. Also, schmeiß mal eine rüber. Nei mit der Plärre. Zum Wohlsein, vielleicht hilfts ja was, aber i glaubs ja nicht.

Joe O ließ den Motor wieder an. Er jagte weiter durchs Dorf, jagte gut die Hälfte des Berges hinauf, bog rechts in den kurvigen, schmalen Weg ein, ging vom Gas und lenkte den Wagen dann über die linker Hand liegende sumpfige Wiese. Wir marschierten durch die offene Türe, die so offen stand wie die Scheune des Bauern oben am Berg. Für wen hätte man abschließen sollen? Man kam von vorn, von hinten, von überall rein in die Hütte. Joe O nahm die Pfanne aus dem Trog, schüttete den wässrigen Inhalt nach draußen und rieb sie mit einem dreckigen Tuch aus. In weiter Ferne donnerte ein Traktor. Ich griff nach zwei Dosen und gab eine davon Joe O. Er zog das Bier mit kräftigen Zügen hinunter. Knickte die Dose und kickte sie zielsicher durch den Türspalt zum mittleren Zimmer. Das Donnern des Traktors kam näher.

Joe O nahm das Fleischpaket und klatschte den Batzen in die Pfanne. Langte nach dem Eierkarton und zerschlug sechs Eier darüber.

Saubere Plempe.

Wir zischten noch eins.

Das Traktorengeräusch war jetzt sehr laut.

Beschwerde!, brüllte es mit markiger Stimme.

Ich ging nach draußen. Der Bauer, unser Vermieter.

Freikörperkultur geht nicht!

Sind grad erst gekommen. Ham gearbeitet. Den ganzen Tag.

D ganze Daag, sagte der Bauer.

Ja. Sind gerade erst vor fünf Minuten gekommen.

Erscht kürzlich. Dia zwei.

Kommt nicht wieder vor.

Also.

Er drehte sich um und stieg wieder auf seinen Traktor. Unter einem grausig metallisch krächzenden Ton schob er mit beiden Händen den Gang ein. Das Auspuffrohr am Dach stieß knallend eine tiefschwarze Wolke aus. Die riesigen Räder zogen breite Spuren im Feld.

Hasch du die Miete no immer net zahlt?, fragte Joe O.

Nein. Aber das wars nicht. Die ham sich wohl nackt hier gesonnt.

Wer denn?

Na, wer wohl.

Und mir waren gar nicht dabei. Saubere Scheiße. I glaub, die Plempe isch fertig. Sieht irgendwie widerlich aus, des tote Tier da. I weiß nicht so recht.

*****

Der Südwestfunk schickte einen Drei-Tage-Plan, um mit uns einen zweieinhalbminütigen Song aufzunehmen. Schmunzelnd führte uns Richy durch den Hintereingang des Senders. Lief uns voran, als wäre er in den blank polierten Gängen zu Hause.

Hier wird überall gefickt, sagte er leise. Hier überall. Hier, da hinter den Kulissen, in den abgeschlossenen Räumen, in den Lagern, da hier hinter den Türen, da wo Technik draufsteht. Hier überall.

Is mir scheißegal, sagte Charlie.

Das ist noch schlimmer wie beim Theater, hier beim Fernsehen da.

Schon standen wir vor dem Empfang und ein großgewachsenes, sehr dünnes Mädchen mit traumhaft hübschen, rot angemalten Lippen starrte uns an. Sie knetete mit der rechten Hand einen Kugelschreiber.

Richy baute sich vor ihr auf.

Hier is ja ganz schön was los, also wirklich.

Wie bitte?, sagte das Mädchen.

Was soll denn unser Gitarrist denken. Der is ja neu. Der weiß das ja noch alles nicht.

Was meinen Sie jetzt?, fragte sie zaghaft.

Na, also wirklich. Also bitteschön. Ich will ja nichts gesagt ham.

Von wem sind Sie denn?, fragte das Mädchen. Also … entschuldigen Sie.

Body …, sagte Richy, … wir sind Body & the Buildings.

Das Mädchen lächelte freundlich.

Wie noch mal, bitte?

Sepp trat nach vorn.

Body & the Buildings, sagte er leise.

Das Mädchen grinste verstohlen. Richy sah an sich herunter, als stimme etwas nicht mit seinem Aufzug. Da lag er vollkommen richtig.

Nee, sagte Charlie.

Was nee, sagte Richy.

Eh Mann eh, eh Richy.

Was ist denn schon wieder?

Eh Mann eh, ich habs!

Charlie lockerte sich die schlaksigen Beine.

Ja Mann, okay Mann. Nee nee, sagte Charlie dann zu dem Mädchen. Wir sind Body &38; the Buildings. Echt. Stimmt eh. Wir solln hier irgend n Kack machn. Was weiß ich. Is mir eh scheißegal eh.

Wie jetzt, sagte das Mädchen.

Charlie …, mahnte Richy, … Charlie, also bitte.

Also …, sagte das Mädchen. Ich hab hier n Plan für eine Band. Das ist wegen dem Talentschuppen. Moment mal.

Ja, das sind wir, sagte Richy sehr ernst. Hat denn keiner etwas gesagt?

Ich weiß nicht, sagte das Mädchen. Hier steht: Heute Musik.

Ja, das bin doch ich. Das ist doch meine Firma.

Also, dann ist dieser Plan hier für Sie.

Richy griff sich den Plan und las laut vor: Erster Tag, 11 Uhr Besprechung, 14 Uhr Aufbau. Zweiter Tag, 11 Uhr Besprechung, 14 Uhr Probe. Dritter Tag, 11 Uhr Besprechung, 14 Uhr Maske. 16 Uhr Aufnahme und Sendung.

Hm, brummte Sepp.

Ich mein, sagte Charlie, wo besprechen wir denn?

In unserer Lobby, sagte das Mädchen.

Als Sepp aus der Maske kam, brach Charlie zusammen. Er rutschte mit dem Arsch an der Wand entlang senkrecht nach unten und knallte kichernd und heulend zugleich auf den Boden.

Charlie!, schrie Richy.

Charlie hustete, spuckte.

Charlie!!

Au Mann eh. Au Mann.

Eine Rotzglocke wand sich aus seiner Nase.

Eh, ich halts echt nicht aus eh.

Charlie hielt sich den Bauch. Lachte und heulte. Eine neue Rotzglocke blähte sich auf. Er zog sie mit dem Handrücken aus dem Gesicht.

Charlie!!! Mann Charlie, es soll doch halten!

Au Mann eh, au Mann eh.

Charlie!! Du machst doch alles kaputt!

Is mir egal eh.

Mann Charlie, du Arsch!

Eh Mann eh, eh Richy, jammerte Charlie. Ich kann nichts dafür eh, sieh dir den doch mal an.

Liberace wäre vor Neid vom Klavierstuhl geplumpst.

Wir spielten fehlerfrei.

Charlie sang so cool, dass Richy ihn vor lauter Stolz küsste.

*****

Angel wohnte etwas tiefer drin in den Bergen. In einem stabileren Haus. Abgelegen und ruhig. Im Winter war dort jeglicher Alltag unter den Schneemassen begraben und man hörte nichts als das Plätschern des eiskalten Wassers im Brunnen und das Knistern der Holzscheite im Herd. Ich verbrachte ein paar wohlige Tage bei ihr. Tage, in denen ich mich hineinfallen lassen konnte in eine Welt, in der mich niemand suchte. Mit frischem Mut, ausgeruht, satt und bester Laune fuhr ich an einem hellen Mittag wieder nach Sulzberg.

Vor der Hütte saß lachend Fucking Steve Hahn.

Dacht, ich komm mal vorbei. Die Türe war offen, hab mir n Bierchen genommen. Schon dat dritte. Wat läuft jetz? Wo isn Bader, der Knaller?

Er sagt immer, er kommt jetzt, aber er kommt nicht.

Dachte, der wollte hier wohnen.

Hats bis jetzt nicht geschafft.

Eh lass uns jetz mal losrocken da, eh ich halt dat nich mehr aus.

Als die Sonne die schneebedeckten Gipfel sachte ins Blutrote tauchte, machten wir uns auf den Weg in die Oberwang Bar. Stumm hingen wir am Tresen und tranken. Gegen neun begann es, sich wie üblich zu füllen. Die durchwegs angeschickerte, alternative Frauenfraktion am hölzernen Ecktisch winkte aufgeregt, als Richy wie ein verlotterter Feldherr in den Raum trat. Sie liebten ihn wegen seiner Selbstständigkeit. Sie liebten ihn natürlich auch, weil er Schlagzeuger in einer Band war. Er grüßte mit einem Scherz, die Frauen kicherten, dann kam er zu uns an den Tresen.

Steve sah ihn an. Richy Steve nicht.

Also pass auf, sagte er. Es sieht so aus, ich hab ne Tour. Drei Wochen. Durch ganz Deutschland. Alle wichtigen Städte. Mit Hotel, verstehst du, und gute Gagen. War ne Menge Arbeit, ich sags dir.

Mit Sepp alles klar?

Nein, der Steinbauer spielt mit.

*****

Ein paar Tage später holte Richy mich wieder ab. Tom saß bereits im Bus. Ich setzte mich, wie immer, links hinten. Auf der Rückbank lagen sieben Flaschen prächtiges, bayrisches Bier. Und auf dem Hildegardplatz in Kempten stand mitten in einem wilden Sammelsurium von Instrumenten, wartend, grinsend und in strahlende Hippieklamotten verpackt, unser Charlie. Er stieg ein, Richy fuhr staatsmännisch los, und nach einer Weile des gemeinsamen Schweigens sagte Charlie: Sag mal … sag mal, eh Richy.

Was ist denn schon wieder!?, schrie Richy nach hinten.

Wo fahren wir eigentlich hin?

Charlie, wie oft soll ich noch, wir fahrn zu Rapunzel.

Charlie blickte nach vorn. Grübelte, summte.

Kenn ich nicht. Die alte Rapunze.

Char-lie, maulte Richy zurück.

Wie, zu den Müslis?

Na, die ham nen neuen Kellerraum. Da drin wird in Zukunft das Müsli gemacht. Aber jetzt ist alles noch leer. Eben deswegen.

Ach so, sagte Charlie, und der Sepp kommt dann da hin.

Der kommt nicht. Wenns wirklich nötig ist, stellt sich der Tom mal da hin.

Charlie grinste nun rüber zu mir.

Erklärs mir, Coltello. Ich versteh den heut nicht.

Ich glaub, wir machen einfach nur Fotos.

Wie, wir machen nur Fotos?

Na, ich hab ja nichts Aktuelles!, schrie Richy nach hinten.

Sag mal, Richy, das ist nicht dein Ernst. Ich dacht eh, wir gehen auf Tour.

Das gehen wir auch. Nur eben später.

Ich mein eh, ich bin von Augsburg aus hierhergetrampt. Mit dem ganzen Scheiß unterm Arm. Eh was glaubst du, was das für ne Action war eh.

Charlie lehnte sich wieder zurück. Drehte sich schweigend eine Kippe und rauchte sie dann. Es regnete stark jetzt. An den Straßenrändern sammelte sich das Wasser. Nach wenigen Kilometern Fahrt lenkte Richy den Bus auf den Hof einer alten Fabrik.

Also los! Ab in den Keller. Da war noch keiner drin hier vor uns.

Eh …, maulte Charlie, … ich hab das Keyboard, den Verstärker … ich hab die Gitarre …

Man weiß ja nie, Charlie. Vielleicht brauchen wir einfach mal eine Gitarre im Bild.

… nee, Richy, jetzt mal im Ernst, ich hab echt n Problem.

Jetzt kommt!

Wir liefen zur Rampe. Charlie mit ernstem Gesicht.

Ich muss jetzt echt mal was sagen. Eh echt.

Was ist denn?, sagte Richy.

Bei meiner Mutter … da isses mir erst gekommen.

Tom hob langsam den Kopf, bedachte Charlie mit einem entgeisterten Blick und wiederholte langsam und andächtig das eben Gehörte. Richy grinste zu uns herüber.

Mann eh, ihr Penner. Aber mal echt eh, Richy eh echt. Neulich bei meiner Mutter, da isses mir echt voll gekommen, Tom du Arsch du, nee, der hab ich das nämlich erzählt mit dem Fernsehen, und als sie dann sagte, na, das ist ja ganz toll, da sehen dich ja alle Leute, dann isses mir echt gekommen.

Richy stieß einen Lacher aus. Toms Mund stand immer noch offen.

Mann, ihr Arschlöcher, echt. Nee, jetzt mal im Ernst eh. Nämlich, jeder sieht uns. Im Fernsehen. Ich mein, das sieht jeder. Jeder, der will.

Richy zog jetzt ein ernstes Gesicht. Tat ganz erwachsen, schritt voran und sprach laut, nüchtern und kompromisslos: Na, deswegen machen wir das ja. Ich weiß jetzt gar nicht, was du willst.

Na, sagte Charlie. Ich wills eben nicht.

Wir kamen zum Haus. Richy warf Charlie einen Blick zu.

Wie, sagte er, wie, du willst das nicht?

Na, dass mich jeder da sieht. Ich mein, Richy, echt eh, ich mein, es muss ja nicht sein, aber es kann durchaus sein, dass mich jemand da sieht. Und ich mein, ich weiß nicht, was dann ist, aber irgendwas is dann.

Wie, was soll denn da sein?

Na, das weiß ich auch nicht, aber ich finds eben blöd.

Wir nahmen den seitlichen Eingang. Charlie warf einen Spähblick.

Eh Mann eh, Richy, flüsterte er. Ich bin als Arbeitsloser gemeldet. Und ich weiß nicht, was dann is, also ich mein, wenn die mich da sehn, aber irgend n Ärger, der is dann.

Es roch noch nach Fliesenkleber und Farbe im Müslifabrikationsraum. Tom baute die Kamera auf. Richy brachte sich finster dreinblickend in Position. Ich stellte mich neben ihn und Charlie sich hinter mich.

Charlie, du musst nach vorn, sagte Richy.

Ich bleib hier hinten.

Charlie!

Nee, lass mal Coltello da vorn. Hier isses cool.

Charlie, du bist der Sänger. Nach vorn.

Nee Richy, dann hamwer den gleichen Scheiß wieder.

In welcher Stadt bist du gemeldet?

Berlin.

Die Fotos gehen nach Österreich, Charlie.

Charlie machte ein recht schlimmes Gesicht. Grübelte und überlegte.

Dann, sagte er leise, macht meine Sachbearbeiterin Urlaub in Innsbruck, schlägt die Zeitung auf, sieht mich, dann hab ich Ärger. Nee, ich bleib hier hinten. Am Schluss steht irgendwo noch mein Name.

Dann such dir n anderen Namen.

Ja okee, gute Idee.

Charlie blickte auf den schneeweißen Boden.

Dann bin ich Charlie S, sagte er ernst.

Richy zog ziemlich laut Luft durch die Nase. Is ja sehr einfallsreich, sagte er. Muss ja schon sagen.

Charlie sah sich im Raum um. Hängte sich grübelnd die Daumen hinter den Gürtel. Okee, dann Charlie Seltsam.

Charlie, also bitte.

Ich finds nicht mal so schlecht.

Also Mann, Charlie!

Okee dann … Mann, mir fällt nichts mehr ein.

Überlegs dir in Ruhe und komm jetzt nach vorn.

Nee, lass mal Coltello. Mann, Coltello klingt cool, Mann.

Charlie blickte wieder zu Boden. Tat einen Schritt nach rechts und wieder einen nach links. Zog die Oberlippe nach oben und sah mich schräg an.

Eh Mann, eh Richy, ich habs eh.

Jetzt komm endlich nach vorn.

Eh Alter, ja logo.

Jetzt also wirklich!, schrie Richy.

Charlie schnippte elegant mit den Fingern.

Ich nenn mich Coltello.

Tom tat einen Huster.

Ja logo, sang Charlie. So nenn ich mich auch. Wir, die zwei Frontmänner, die Brothers, irgendwie cool, ich mein, nicht so schlecht, denke ich mal.

Charlie, sagte Richy sehr leise.

Charlie kramte nach seinem Tabak. Wandte sich etwas ab, drehte das störrische Kraut ins Papierchen und rauchte die Zigarette am vergitterten Fenster.

Okay, dann nenn ich mich Charlie Si.

Ich ging auf ihn zu. Stellte mich Schulter an Schulter.

Wie wärs denn mit Charlie No, lieber Charlie?

Mann eh, Coltello, halts Maul eh. Eh echt.

Charlie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, schnippte die Kippe vom Daumen, suchte mit beiden Händen die Hosentaschen nach dem Feuerzeug ab, ließ die Flamme aufblitzen und tippte sich an die Stirn.

Nee, jetz hab ichs, warte, ich habs.

Er warf das Feuerzeug in die Luft und fing es dann wieder.

Okee, jetzt hab ichs. Warte. Eh warte.

Mit flinken Fingern gelang ihm eine neue, dünne Zigarette. Er gab sich Feuer, inhalierte, und gleichzeitig mit dem Rauch, als wären die Worte sichtbar für einen Moment, kroch Charlie Sono aus seinem Mund.

Heißt nämlich was.

Tom schob sich seine Monteurmütze zurück.

Was heißts denn, mein Lieber?

Weiß nicht genau, was es heißt, aber s heißt irgendwie was. Ich mein, wenns wirklich so heißt. Ich checks mal aus. Nee Richy, so mach ichs. Is schon gelaufen. Eh cool Mann, eh echt. Charlie Sono, ja klar.

*****

Später in der Oberwang Bar gab sich Richy wie immer spendabel. Stellte uns zu jedem Bier noch einen Whiskey dazu, und als es ans Bezahlen ging, nahmen wir noch ein paar Flaschen mit und Charlie sich etwas anderes. Er schlich sich gleich hoch in die Kammer unterm Dach, und wie er sich morgens zu uns an den Frühstückstisch stahl, sagte er mürrisch: S is was blöd, Richy eh.

Na s is immer was blöd hinterher, sagte Richy, … wenns nicht die Richtige ist.

Ja, das auch, aber s is auch noch was anderes eh.

Es hat nicht geklappt, sagte Tom.

Mann Tom eh, du Arsch eh, halts Maul.

Richy schenkte uns schmunzelnd Kaffee nach.

Nee, Mann eh jetzt, die hat ihre Tage gehabt.

Und dann wolltest du nicht mehr, sagte Richy.

Doch. Ich hab der gesagt, eh es macht mir nix aus. Echt eh. Scheißegal. Aber dann eh, heut Morgen. Eh, ich habs bis zu den Schenkeln gehabt.

Charlie nein, sagte Richy.

Doch eh. Und ich mein eh, die Alte. Eh die sah aus, als hätt ich ihr n Messer in n Ranzen.

Das is die Bettwäsche von meiner Frau!

Ja, aber mit der bist du doch nicht mehr zusammen.

Das is n Erbstück, Charlie!! Die hat die von ihrer Mutter zu unserer Hochzeit bekommen!

Vergiss es.

Das machst du sauber.

Ich mein, Richy, echt also …

Wie … wie groß isses denn?, fragte Richy.

Na s is n Fleck eh, ich glaub, die hat n Liter Blut lässig verloren.

Charlie, also wirklich. Du bringst das in Ordnung.

Ich mein, s sieht aus, als hättense jemand abgestochen da drin.

*****

Steinbauer stand zwischen zwei neuen, wuchtigen Boxen, hatte einen türkisfarbenen Fender-Bass umhängen und spielte so laut, dass man die schwere Eisentüre nicht hörte, die ich hinter mir ins Schloss fallen ließ. Charlie lehnte links an der Proberaumwand. Richy schraubte am Schlagzeug. Als Steinbauer mich sah, legte er den Bass aus der Hand, streckte sich, als wäre er soeben einem gemütlichen Bette entstiegen, und verschränkte lässig die Hände hinterm kahlgeschorenen Kopf.

Hallo Coltello, sagte er smart.

Hallo Steinbauer, gab ich zurück.

Wir spielten vier Songs. Ein Bass, drei Statisten.

Steinbauer, sagte dann Richy.

Ja, Richy, was issn? Sag, Richy, was is?

Mach doch mal leiser.

Richy, sag, Richy du, leiser. Leiser meinst du.

Ja, ich hör nur noch Bass.

Steinbauer lehnte den Bass an eine der Boxen, tat zwei Schritte zur Seite und öffnete einen am Boden liegenden Koffer.

Ich bin jetzt nicht mehr der Steinbauer. Männer du. Seht.

Er zog etwas aus dem Koffer, das aussah wie ein künstlicher Arm.

Ich bin jetzt der Therofal, Männer.

Richy sah auf und stützte sich mit dem Ellbogen auf eine Trommel.

Was soll das bedeuten, du bist jetzt der Therofal, ha?

Na hier. Männer du. Schau.

Steinbauer schnallte das künstliche Teil um Schulter und Brust fest und sagte: Ich bin Therofal! Das, Männer, ist Therofal jetzt!

Er glich einem ausgemergelten, leptosomen Gladiator. Als ob sie ihm dieses steifgliedrige, halb menschen-, halb echsenähnliche, mit Nieten, Eisenplatten und Stacheln besetzte, wie tote Embryonenhaut schimmernde Teil schon einige Male herausgerissen hätten und es nur äußerst widerwillig wieder angewachsen wäre. Richy stützte sich mit beiden Händen aufs Schlagzeug. Die Augen weit offen.

Ich hab das jetzt noch nicht ganz verstanden, sagte er leise.

Mann, ist das denn so schwer zu kapieren? So, wie du der Richy bist, bin ich der Therofal eben. Sag, Richy du, is des so schwer?

Okay, sagte Richy. Jetzt hab ichs verstanden.

Wir übten zehn Songs, packten zusammen und betranken uns in Windeseile in der Oberwang Bar. Später saßen wir maulend in Richys alkoholfreier Küche. Doch Tom gab nicht auf. Er fand Hustensaft im Regal und Spiritus unter der Spüle.

Um neun will ich los, sagte Richy gegen vier Uhr am Morgen, also … geht auch irgendwann mal ins Bett.

*****

Kaum hatten wir Bremen erreicht, außer Charlie alle völlig betrunken, kam Richy in Laune. Drehte das Radio an, sang und pfiff fröhlich dazu, brach mit achtzig Sachen unter einer Unterführung hindurch, überfuhr zwei rote Ampeln und stellte den Bus dann mitten auf dem dampfenden Bahnhofsplatz ab. Das imposante Gebäude im Rücken, das Überseemuseum zur Rechten, schrie er laut: Frühstück!! Wo gibts denn hier Frühstück!?!

Therofal, pfiffig wie eh und je, flirtete bereits aus der Entfernung mit der kugelrunden Verkäuferin des Bäckereistands. Richy griff nach dem Geldbündel in seiner Jacke, zog einen Zwanziger ab und legte ihn auf die Schale neben der Kasse.

Hier, also bitte, na wirklich, jetzt aber mal, ja!

Ich besah mir die Malereien am Eingang des Museums.

Ich mein …, sagte Charlie, … nicht schlecht, so mit Schiffen und so. Meer und das Ganze.

Tom tunkte sein Croissant in seinen Kaffee.

Apropos apropos, sagte er, schluckte den Schlabber hinunter und wischte sich die Finger am rechten Hosenbein ab. Apropos schiffen.

Er ging zur nächsten Bushaltestelle und holte sein Ding raus.

Mann, seid ihr Kacker eh, sagte Charlie.

Wenig später parkten wir schräg gegenüber dem Bremer Gefängnis. Schmökerten in Magazinen, deren Inhalt wir längst auswendig kannten, und warteten auf unseren Lichttechniker Harald und Richys Busenfreund Fabsi. Um uns herum war es ganz still. He Coltello, sagte Charlie nach einer Weile.

Was ist?, gab ich zurück.

Charlie zog Rotz durch die Nase, griff nach seinem Tabak und kickte ein paar von den Magazinen unter die vordere Sitzbank.

Nix is. Depp, sagte er dann.

Harald kam, stieg ein und reichte uns einen Joint.

He Coltello …, sagte Charlie wieder.

Wenns wieder nix is, gibts eine aufs Maul.

… wie lang willstn du in der Kackband da spielen?

Eines Tages steig ich aus dem Bus, dann bin ich draußen.

Aha.

Wieso?

Nur so.

So so, sagte Tom.

Es regnete nun wieder stärker. Charlie sah Tom ins Gesicht.

Was soll n des heißn, so so?

Was soll n was heißen?, gab Tom zurück.

Mann, seid ihr Ärsche. Jetzt haltet mal s Maul eh, aber echt.

Richy wischte die beschlagene Frontscheibe ab. Charlie steckte sich die fertig gedrehte Zigarette zwischen die Lippen, griff noch mal nach seinem Tabak, drehte sich eine neue und glimmte die neue mit der Glut der bereits brennenden an. Dann steckte er sich die Zigaretten in die Nasenlöcher.

Weil ich jetzt dann abhau.

Richy drehte sich blitzschnell nach hinten.

Charlie, was soll das heißen!?!

Dass ich nach Indien geh.

Das geht nicht!, schrie Richy.

Das hab ich dir schon ganz am Anfang gesagt, Richy, dass ich irgendwann nach Indien geh. Und zwar nach Kerala.

Irgendwann, hast du gesagt.

Ja, aber die Gloria, die will jetzt bald.

Charlie, das geht nicht.

Harald warf einen Blick aus dem Fenster.

Die Bulle beobachte uns mit m Fernglas.

Wo?!

Da obe, vom Knaschtturm herunder.

*****

Nachmittags fuhr Fabsis Freundin Elli das Sträßchen entlang. Fabsi saß schnarchend, mit weit offenem Mund, auf dem Beifahrersitz. Kaum wach, hastete er in seinen grobkarierten Hosen wie ein Wahnsinniger in seine Bude und briet uns eine riesige Pfanne Bremer Knipp. Baute einen Diaprojektor mitten ins Zimmer und zeigte uns Bilder von ihrer Band, von den Mimmies, und von seinem Karnevalsverein, den er sehr liebte. Kaum war alles gesehen, brachte er eine fast leere Flasche mit rotem Inhalt, schenkte ein Glas damit voll und reichte es Richy.

Hier, jeder Bandleader, der dat Haus betritt, muss dat trinken. Mutprobe.

Aber was ist denn das?, jammerte Richy.

Jetzt frag nich lang, trink dat Zeugs da jetzt runter.

Aber ich will erst wissen, was das ist.

Dat wirste schon überleben. Der Campino trinkt da ne halbe Flasche von dat Zeuchs. Und der lebt auch noch.

Übernimm du das, Coltello, jammerte Richy.

Lass mir auchn Schluck drin, sagte Charlie.

Und als Charlie dann stöhnend die Treppen zum Gästezimmer hinaufstieg, hörte er etwas winseln.

Charlie … hallo du, Charlie.

Er sah sich um. Nirgendwo war was.

Huhu, hörte er wieder.

Charlie spitzte die Ohren.

Pssst. Hallo. Huhu, flüsterte es. Hallo, hier bin ich. Hallo du, Charlie …

Es kam aus dem Schrank.

Eine Marihuanawolke schlug Charlie entgegen, als er dort nachsah.

Therofal. Steif und apathisch im Schlafsack.

Was machstn im Schrank, Depp?, fragte Charlie.

Weiß ja nicht, wie der Typ da so drauf is.

Ne größere Knalltüte wie dich, die treff ich ja nicht mehr.

Muss er ja nicht gleich mitkriegen. Männer du, Charlie. Dacht ich mir halt.

Volldepp.

Du Charlie …

Nee, sagte Charlie.

… kannst du mir bitte was bringen? Was zu essen. Du bitte. Mir isses so schlecht. Ich halts nicht mehr aus.

Hol dir doch selbst was.

Irgendwas. Bitte! Und Charlie … hallo du, Charlie … wenn du wieder hochkommst und ich sollte schon schlafen, bitte du, weck mich. Kann nämlich sein, dass ich schon tot bin dann, Charlie. Bitte du, Charlie.

*****

In Berlin rockten wir einen Club auf der Potsdamer Straße und verballerten mit Genuss bis in die Morgenstunden hinein unsere letzten Gagen. Müde fuhren wir südwärts. An der bayrischen Grenze Leibesvisitation. Kurz vor Bayreuth fuhr Richy von der Autobahn ab und in ein kleines Kaff, das Himmelkron hieß. An der einzigen Telefonzelle im Ort bog er rechts ab. Eine Totenkopffahne wehte am Giebel des am Ende der Straße querstehenden Gebäudes. Das Schwarze Ross.

Ein fränkisches Wirtshaus. Ein kurzer Tresen, ein einziger Tisch. Im winzigen Nebenraum ein Kachelofen, um den sich die Ofenbank schlang.

Aber wo sollen wir denn da spielen!?, schrie Richy.

Da hinten, tönte es aus der Ecke.

Ein kauziger Typ streckte seinen Kopf hinter dem Ofen hervor.

Servus. Ich bin der Gandhi. Wollter was trinken? Der Master, der kommt gleich.

Ja, aber ich versteh das jetzt nicht, jammerte Richy.

Gandhi zeigte ins Eck.

Letzten Samstag wars auch wieder voll, rammelvoll wars, die Gurken ham gschpielt. Die Moskauer Gurken. Was wollter denn trinken, der Master, der kommt gleich.

Er ging hinter den Tresen und zapfte jedem ein Bier.

Der Master erschien. Die dichten Haare zeigten in jede erdenkliche Richtung. Er rieb sich die Hände.

Grad schö an geschmarrt. Kommter zurecht? Is ja noch Zeit.

*****

Punkt sieben Uhr wurde die Tür aufgesperrt. Um acht Uhr war voll. Und alle betrunken. Franken. Das Bierland. Der Dorfmetzger setzte sich die Mütze eines Feuerwehrmannes auf, nahm einen Barhocker vom Tresen und schob ihn kreuz und quer durch die Kneipe.

Vorsicht auf Gleis eins fährt ein der Hauptzug! Vorsicht bitte! Böööht böööht! Auf Gleis eins fährt ein der Hauptzug! Vorsicht am Gleis eins!

Ein anderer Feuerwehrmann betatschte eine ältere Frau, sie kicherte ununterbrochen. Eine andere ältere Frau schlug kreischend auf einen schnurrbärtigen Typ ein, der an einer dicken, noch älteren Behinderten rumfummelte.

Max, Max, du kommst jetzt oder ich vergess mich!!

Dazwischen die fesch hergerichteten Leute der Szene aus den umliegenden Städten. Kurz nach eins hupte es auf dem Parkplatz.

Sind bloß die Bullen, sagte der Master. Jetzt muss ich kurz raus, denen erklären, dass ich dicht mach, dann hauen se wieder ab.

Dann gehts in die Gruft, sagte Gandhi.

Die Polizisten verschwanden. Der Master schloss ab und rieb sich die Hände. Ein Heulen stieß durch den Raum. Man folgte ihm durch den hinteren Ausgang. Vorbei an den stinkenden Außentoiletten über einen kleinen Innenhof, wo viel gespaltenes Holz um einen Hackstock herumlag. Es ging ein paar Stufen nach unten. Es roch sehr nach Moder. Der Master stieß eine Tür auf, blies in die Hände, rieb sie sich wieder und sagte: die Gruft.

Von den dicken Wänden bröckelte Putz. Auf den Teppichen am Boden blumte der Schimmel. In der Mitte des Raumes drei Wasserpfeifen und Haschisch. Der Metzger kroch auf allen vieren zum Schnaps.

Ein kräftiger Typ stieß mich in die Seite. Mit einer angebrochenen Literflasche, auf der weder ein Etikett noch sonst ein Hinweis über deren Inhalt zu finden war, zeigte er auf seinen Kumpel.

Dös is as größta Orschluch vu Biesn!

Vubiesn, gab ich zurück.

Peesten!! Von Peesten!, schrie er mich an. Der Ort, wu ich wuhn!

Sein Kumpel winkte nur ab.

Und er spielt gleichzeitig in da größtan Band, dies jemols gem hot!! Dös is Ed – Slowhand – Hebel – Hillman!!! Gitarrist vu Euroschäck!!! Bloß dassda du amol was waast!

Garnet erst zuhörn, sagte der schmunzelnde Ed. Des is Brandy Schäck. Guter Sänger, ansonsten ka Ahnung.

Orschluch!, schrie Brandy.

Hat die Praline abonniert und is Fan von Achtzehnhundertsechzig. Die Löwen.

Vu was willst na sunst Fan sa, du Orschluch!

Dynamo Dresden, antwortete Ed.

Kommunistnsau!!, schrie Brandy zurück. Drecks Kommunistnsau du! Und dös in maanar eiganan Band!

Ich ging zurück ins stockdunkle Wirtshaus. Fand Streichhölzer hinter dem Tresen und stieg im empfindlichen Schein dieser kurzlebigen Flämmchen die Treppe nach oben. Unter dem Giebel lagen die beiden Zimmer, in denen sie die Bands unterbrachten.

Im einen zwei Bettgestelle, doch keine Matratzen. Das zweite Zimmer stand vollkommen leer. Die Wirkung des Haschischs jagte mir Schauer über den Rücken. Ein Schwindelgefühl überfiel mich. Schwankende, mittelalterlich enge Häuser hinter dem einzigen Fenster. Was war hier wohl schon alles geschehen. Ich kickte etwas Dreck vom Boden ins Eck und legte mich hin. Nach einer Weile zog Rauch in den Raum. Ich stand wieder auf.

Gandhi kniete kopfschüttelnd vor dem Ofen im Vorraum.

S hilft nur noch der Master, jammerte er.

Dann hörte man Knarren und Krächzen. Hörte, wie sich jemand die Treppen heraufschlich. Wie ein Geist strich Therofal aus dem Rauch.

Poah eh!, hörte ich Charlie. Wenn ich nicht wüsst, dass ich stoned bin.

Du Charlie …, sprach Therofal leise, … Charlie, ich seh nix. Du Charlie, du sag …

Er stolperte, fuchtelte wild mit den Händen.

… is hier die Backstage?

Charlie war jetzt ganz nahe bei mir.

Coltello, was machstn am Boden?

Ich träum.

Aha und von was denn?

Vom Bananenpier in Bremerhaven.

Coltello, was issn?, rief Therofal. Sag du, was is?!?

Jetzt sei halt mal ruhig.

Mein Gott, bin ich breit. Männer, dann servus.

Torkelnd tastete sich Therofal ins andere Zimmer. War sofort wieder zurück, zog an seinen Stiefeln, roch daran und kippte um.

*****

Heut Abed kommt der Durschbrusch, sagte Harald in Bamberg.

Es kam Brandy Schäck. In Begleitung zweier bildhübscher Mädchen in kirschroten Kleidchen. Ich schüttelte ihnen die Hände.

Spitzenkonzert! Eins a, sagte Brandy. Hat mir total guud gefallan. Bloß zwenig Leut halt. Aber dös is halt Bamberg. Aber war klasse. War an super Konzert.

Die Mädchen wippten mit ihren Hüften. Stießen sie gleichmäßig und sanft aneinander. Die eine legte der anderen die Hand auf die Schulter und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Die a do, die kichert …, sagte Brandy zu mir, … die fand dich ganz toll. Der is so süß, mit sana roten Hoor. Und sana Locken am Kopf, hotsa mir andauernd ins Ohr neigeschriean. Weiber. Und wensta so gehüpft bist, dann hotsa immer gleich an Schrei ausgestoßan. Ach, is der süß, ach, is der süß.

Er schüttelte verneinend den Kopf.

Die wolln immer was süß. Daweil wolln mir was ganz annersch.

Klar, sagte ich.

Sowieso. Dös is amol klor.

Willst n Bier, Brandy Schäck?

Derf heut net so viel trinken. Muss mich ja nuch um die Damen do kümmern. Aber ans geht scho. Ans geht ja immer. Hab ja erscht vier.

*****

Nachts fuhren wir in die Pfalz. In den nächsten vier Tagen nahmen wir eine Schallplatte auf. Nach drei weiteren Konzerten in der näheren Umgebung brachten wir Harald zu seiner Bauwagenburg. Tom und er wurden zuerst ausbezahlt. Richy sah in die Runde.

Dann bleiben noch knappe sechshundert.

Isch hab für tausend Mark Dope mitgehabt, sagte Harald. Und okay, für fünfhundert hab isch wohl selbscht gerauscht, aber der Rescht …

*****

Zurück im Allgäu erfuhr ich einige Neuigkeiten. Die erste war ein Namensschild, das am blechernen Briefkasten klebte.

Herr Coltello + Joe O. F. Miller + Bettwurst Bild.

Die eigentliche Attraktion aber war eine Ansichtskarte, die ich im Briefkasten fand. Sie zeigte die türkis-blaue Küste Südfrankreichs: Ça va, Monsieur Coltello? Schöne Bucht zum Schwimmen, nicht wahr?! Ja, hier kann man es wirklich aushalten und man fühlt sich wie Gott in Frankreich. Nur die Baguettes tagtäglich machen noch fetter. Das Wetter ist bombastisch und die Sonne erwärmt einem sogar das Herz. Liebe Grüße von der Yvo.

Hinter das Wörtchen Yvo waren zwei kreisrunde, volle Brüste gemalt. Mir war eine Yvo bis dahin nicht bekannt. Aber okay, dachte ich mir, wenn die Dinge in diesem Geschäft so laufen, dann sollen sie eben so laufen. Munter stieß ich die Tür auf. Joe O lag auf dem Sofa. Er trug einen schwarzen Zylinder auf dem quarkblonden Haupthaar.

Cotletto, wieder zu Hause.

Was soll denn das F in deinem Namen?

Fäkalien heißts.

Und Bettwurst Bild?

Des isch dei alter Kumpel.

Bader?

Bader heißt der glaub i it. Hat halt gsagt, s sei dei Kumpel. Wohnt jetzt neben dem Müllzimmer hier. Aber weil des so ein Penner isch, so ein Spießer, musst i dem an passenden Namen verpassen. Liegt n ganzn Tag vor der Glotze.

Vor was für ner Glotze?

Hat n Fernsehapparat. Sonsch hatter nix. Aber Bildzeitung kaufter. Und uns nennter Chaoten. Ansonschten kommer ganz guat aus mitanand. Hasch an Durscht?

Einen ziemlichen, ja.

Er griff unters Sofa.

Also, dann leg mal los. Her mit den wilden Rock'n'Roll-Gschichten.

2

Es gab einen Temperatursturz. Nordwind kam auf. Fing sich in den Bergen und kam als Schneegeriesel und Hagel wieder zurück. Pechschwarze Wolken hingen über den Hügeln. In den ausgestorbenen Straßen der Stadt sammelte sich das Regenwasser und gefror. Nachts glitt der Wagen lautlos übers Eis und krachte an den hohen Bordstein vor der Kirche von Sulzberg. Das Vorderrad stand wie ich nicht mehr senkrecht. Ein einziges Mal bin ich damit noch in die Stadt. Es dauerte nicht lange, bis sie mich hatten. Und als die Tür der Oberwang Bar aufging, stand ich schon davor. Trunken lief ich spät nachts durch diese Stadt. Wie sie wohl früher mal war? Ob noch ehrwürdig oder auch damals schon genauso versaut, wie sie mir jetzt schien? Jedes Hauseck kannte ich, jedes Schild. Es schlug mich von einer Straßenseite zur andern, die Laternen Markierungen des bitteren Weges. Endlich raus aus der Stadt, entschied ich mich für querfeldein. Rutschte schlammige Hänge hinunter, riss mich an Stacheldrähten auf, sank mit einem Bein in den Fluss, zog mich an Trauerweiden wieder heraus. Hielt mich fest an alten und schwachen Grasbüscheln, ohne Erfolg, rollte wo runter und rutschte wieder wo ab. Bis ich irgendwann mitten im Dorf stand. Vor dem Jesuskreuz gegenüber der Kirche setzte ich mich auf die lange, steinalte Holzbank. Sah ihn mir an, wie er dort hing. Rock'n'Roller, dachte ich mir. Sein disparater Ton hat zur Verstörung gereicht. Eigenständiges Handeln. Ich stand wieder auf. Bald war ich nahe der Hütte. Ein leiser Wind strich über die Felder. Ich blieb eine Weile dort stehen. Sah auf die Berge im Osten, hinter denen die Sonne bald aufgehen würde und von denen ich nicht einen einzigen dem Namen nach kannte. Sah auf die Hütte. Schwitzend und frierend zugleich lief ich weiter. Bis das Plätschern des Brunnens ganz nah war. Ich schlug den Dreck von den Hosen, wusch mir die Hände im eiskalten, glasklaren Wasser und ging nach oben.

Wo kommst du denn jetzt her?, fragte sie leise.

War heut schon früh wach.

Du bist besoffen, gibs zu.

Also wegen mir können wir gehen.

Wohin?

Nach Berlin.

Ist es so weit jetzt?

Ja, jetzt ist es so weit.

*****

Joe O stand breitbeinig in der Hütte und schlug auf seinen Bass ein.

Der Herr Coltello, krächzte er vor sich hin. Im Schlammbadoutfit.

Ich geh nach Berlin.

Moinsch do ischs besser?

Vielleicht.

Dann kann i ja oben in dein Zimmer einziehn. Hab i den Proleten vom Hals. Haschs m Bauer scho gsagt?

Nee, aber ich geh jetzt gleich hoch.

Er stand bereits vor der Türe. Grüßte mit einem Nicken, den Hut ein wenig in den Nacken geschoben, und wartete auf das, was jetzt kam.

Ich geh, sagte ich.

So, gab er zurück.

Ja.

Woll. Isch in Ordnung.

Also dann. Alles Gute.

Woll.

Ich hob die Hand und drehte mich um.

Und danke, sagte ich noch.

Woll. Scho recht, rief er mir hinterher.

*****

Innerhalb von nur einem Tag verkaufte ich das wenige, was ich zu verkaufen hatte. Den Rest packte ich in Angels schwarzen Ford Capri. Angel fand sofort einen Job in Berlin. In dem Büro, in dem sie arbeitete, konnten wir auch übernachten. Endlich stolperte auch ich an einen Job hin. Einen Marktstand aufbauen. Die Verkäuferin, ein adrettes Persönchen, das permanent Schnaps trank, stellte sich als Frau Brigitte vor und sah geduldig zu, wie ich ihr aus Holzlatten und Planen ein Dach über dem Kopf zurechtzimmerte.

Is ja richtig jemütlich, sagte sie, als ichs hatte, und griff beherzt nach ihrer riesigen Tasche.

Wird nämlich später noch kühl. Wennde lange so stehst. So … un jetz kiek ma zu, dass keena guckt.

Sie zog den Reißverschluss an ihrem Rock auf. Der Rock fiel zu Boden.

Nich mich sollste ankiekn, sieh ma zu, dass mich keena so sieht.

Sie trug violettfarbene Wäsche. Um uns herum tosender Regen.

Is ja jemütlich. Gottgottohgottchen. Den Skianzug brauch ick.

Ich zog den Skianzug aus ihrer Tasche. Sie zog mit einem knallroten Lippenstift ihren Mund nach. Die Unterlippe etwas mehr als den Rest.

Mein Heißjeliebter is ooch weg. Auf und davon. Verliebt isser, sagt er, die Topsau.

Etwas vornübergebeugt tupfte sie hinter die Ohrläppchen etwas Parfüm.

Die Verkäuferin vom Nachbarstand sah giftig herüber.

Wer hat, der hat, Schätzchen, schnippte Frau Brigitte zurück. So, nu ma her mit dem Ding bitteschön.

Sie stieg in den Anzug.

Un jetze die Stiefel.

Ich reichte sie ihr.

Und? Wie sieht die Maus aus?

Ich sag mal fantastisch.

Bistn Schmeichler, det wees ick schon lang. Bistn janz fescher. Bussi. Aber der Typ, ick sach dir, so cool, so cool. Jestern hatter anjerufen, wa, oh warte, so cool. Det jeht mir jarnich in Hirne. Nüscht hat die, wa. Nüscht. Aber schon überhaupt nüscht. Aber warte, Bürschlein. Dir krieg ick. Nüscht, aber schon jar nüscht hat die, die Votze. Ick meen, ick bin ja nu ooch nich mehr det neuste Modell. Ha ick mir ja schon meene Jedanken jemacht, anfangs, wa. Aber die, nee. Nüscht hat die, jarnüscht. Ick weeß nich, wat der an der findet. So eene mit kurzen Haaren is dette, weeßte. Ne Intellektuelle. So nach dem Motto kurze Hosen Holzjewehr.

Sie griff nach Zigaretten.

Lesen. Lesen tut se n janzen Tach. Und det findet er jetze so super. Jetzt liest er ooch schon n janzen Tach, sagt er. Wahrscheinlich tun se ooch noch beim Vögeln wat lesen. Jemütlich, wa. Na warte Bürschchen. Am Wochenende, da kommt er. Ick hab mer schon meen Programm zurechtjelegt. Schwarze Satinbettwäsche ha ick mer schon jekooft und n jeilen Bodystocking dazu. Aber was für een. Ha. Und wenn er will, dann zieh ick ooch noch de Jummistiefel an, wa. Den krieg ick schon. Keene Angst. Und dann ruf ick die Olle an. Und sag, du, dein Liebster is ja jerade hier inner Stadt, kannst ihn ja mal fragen, wie viel er schon umjelegt hat, seit er da is. Nur so interessehalber. Dann wird se antworten, mein Liebster, der tut so was nich, ja, und dann sag ick, hatter aber schon mit anjefangen. Letzte Nacht. Und zwar mit mir. Und peng, leg ick uff, wa. Dann isse erst mal bedient, die intellektuelle Schlampe die. Is doch wahr. Nein, mein Liebster tut so was nicht. Dumme Votze. Wirst schon noch sehen. Jemütlich, wa. Topsau, verdammte.

*****

Wie wars?, fragte Angel.

War gut, wir können ausgehen jetzt.

Dein Kumpel Richy hat sich gemeldet. Er will, dass du kommst.

*****

Unser Agent in Österreich hieß Moser und lebte zusammen mit drei Frauen in einem kleinen Haus am Stadtrand von Innsbruck. Er führte uns auf die Terrasse des Hauses und öffnete zwei Flaschen Kalterer See. Hockts euch hin. Mir ham Wahlen im Land. Die Nazis san scho wieder unterwegs. Geh, ois is a Graus.

Wir tranken zur untergehenden Sonne. Unter gewaltigen, blutrot leuchtenden Bergen. Nachts rockten wir den Utopia Club. Nächsten Mittag, die Sonne schon südländisch warm, fuhren wir weiter nach Landeck.

Richy parkte den Bus vor der Halle.

Franz blickte kurz rüber zum Eingang.

Ich glaub …, sagte er leise, … hier wird scharf geschossen.

Eine Lokalmatadoren-Band spielte vor uns. Sie hatten die neuesten Instrumente, spielten den ältesten Bockmist und kamen gut an. Bei uns lief bis zum fünften Song überhaupt nichts. Charlie kam an meine Seite.

Eh scheiß auf die Kacker. Die verstehn des hier nicht. Echt eh, die kapiern des hier nicht. Echt eh. Hier in … wo sind wir n hier?

In Landeck.

Okee eh!, schrie er ins Mikro. Eh hier in Landau!

Charlie drehte sich weg vom Mikro und kam wieder zu mir.

Kackstadt eh. Die kapiern des nicht, die solln verrecken hier eh. Dafür ficken wir hinterher ihre Frauen. Eh aber echt eh!

Nachts im Hotel gab er sich ganz lässig.

Na, heut haben wir den Österreichern mal gezeigt eh, wos langgeht. Eh aber echt. Jetzt ham die auch mal den großen Charlie Sono sehn dürfen. Den ganz großen Charlie Sono eh echt.

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Charlie und ich waren die Ersten, die morgens am Frühstückstisch saßen. Nach Deodorant und billigem Gel stinkend folgte dann einer dem andern. Richy setzte sich neben mich, er war bester Laune.

Ach, sprühte er los. Ich hab gestern noch die halbe Nacht mit dem Moser geredet. Ach du, ich sags euch. Mit solchen Leuten, ja, mit solchen Leuten, da kannst du was tun. Da kannst du was anfangen mit. Wir machen zusammen ne Firma. Und dann die Band. Österreich–Deutschland. Die Super-Connection. Und das, das sind wir. Ach Coltello, von so etwas hast du ja gar keine Ahnung.

Weiß ich doch, Richy.

Nichts wisst ihr. Tom, mal die Butter.

Tom reichte die Butter und einen Brotkorb.

Und wann startet die Firma?

Das bereden wir morgen. Es ist nämlich so, wenn wir morgen nach Linz rüberfahren, dauert das durch Österreich hindurch Stunden.

Stunden der Wahrheit, warf Charlie ein.

Es ist viel besser, wenn ihr wieder über die Grenze fahrt, dann die Autobahn nach Salzburg nehmt und dort wieder einreisen tut.

Das tut nicht nötig, sagte Charlie.

Das geht nämlich viel schneller.

Das tut jenügen, sang Charlie in vollem Ton.

Also Mann, Charlie!, schrie Richy.

Is jut, Onkel Tutu, is jut.

Du fährst gar nicht mit, sagte Tom dann zu Richy.

Der Alte steigt aus, sagte Charlie.

Therofal trat in den Raum.

Du willst aussteigen, Richy? Du Männer, du sag …

Jetzt seid doch mal ruhig! Ich fahr mit dem Zug. Mit dem Moser. Da können wir dann alles in Ruhe bereden.

Er fährt mit dem Zug, weil sie jetzt die Oberchefs sind, sagte Tom.

Na ja, nicht ganz …, zögerte Richy. Es gibt ein Problem.

Ein Problem, sagte Charlie. Aha.

Der Moser darf nicht nach Deutschland.

Franz krauste die Stirn.

Mann, in was für ner Gesellschaft bin ich denn hier?

Tom krauste ebenfalls seine Stirn und schmunzelte listig.

Und was liegt da an, darf man das fragen?

Mit zehntausend LSD-Trips homs mi erwischt halt, sagte der Moser.

Na, sagte Tom.

Ha woll. Und zwar in Augsburg.

In Augsburg!!, schrie Charlie.