Einstieg in die Bildgestaltung - Georg Banek - E-Book

Einstieg in die Bildgestaltung E-Book

Georg Banek

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Beschreibung

Sind Sie mit Ihren Fotos oft unzufrieden, weil sie nicht wiedergeben, was Sie bei der Aufnahme mit eigenen Augen gesehen haben? Fehlt es Ihren Bildern an Ausdruckskraft oder Ausgewogenheit? In diesem Buch lernen Sie, Ihre Fotos bewusster zu gestalten. Mithilfe von 50 Tipps vermittelt Ihnen der Autor, wie Sie Ihre Bilder stimmig aufbauen und starke Effekte erzeugen, um die Bildaussage zu unterstreichen. Dabei gibt der Autor keine simplen Rezepte vor, sondern zeigt Ihnen, welches Gestaltungsmittel zum jeweiligen Motiv passt und welches nicht. So erfahren Sie, wie Sie die aufgezeigten Bildgestaltungsmittel motivspezifisch und zielgerichtet einsetzen. In leicht verständlicher Sprache und mit vielen Beispielbildern führt Sie Georg Banek vom spontanen Schnappschuss zum bewusst gestalteten Bild. Aus dem Inhalt: - Machen Sie sich Ihr Motiv bewusst und wählen Sie gezielt den Bildausschnitt - Steuern Sie die Bildschärfe mit Blende und Zeit - Räumen Sie Ihre Fotos auf und platzieren Sie gekonnt die Bildelemente - Nutzen Sie blickführende Linien - Fotografieren Sie mit vorhandenem Licht - Vermitteln Sie Gefühle mithilfe von Farben - Nutzen Sie die Eigenschaften von Weitwinkel-, Tele- oder Makro-Objektiven

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Beliebtheit




Foto: Michael Zapf

Georg Banek ist seit vielen Jahren als Fotograf, Fototrainer und Fachautor erfolgreich. Sein fotografischer Stil ist vielfältig und immer auf das Motiv ausgerichtet: mal schräg, laut und bunt, mal ruhig, sanft und aufgeräumt – aber immer nah dran und mit gezielt gesetzter (Un-) Schärfe. Der Blick für das Detail verbindet seine Bilder aus den Genres Porträt, Lifestyle, Erotik, Reise, Details und Abstraktes. In den kleinen Szenen des Alltags sieht er Motive, die anderen verborgen bleiben. Diese zufälligen Arrangements fotografiert er meist spontan, seine Porträt-Shootings bereitet er jedoch aufwendig konzeptionell vor. Sein enormes Wissen und seine langjährige Erfahrung gibt er gerne weiter – in mittlerweile mehr als 20 Büchern, über 500 Fotokursen (www.artepictura-akademie.de), Lehraufträgen an Hochschulen und Mitarbeiterschulungen für Unternehmen. Als Unternehmensberater unterstützt er Firmen in Fragen der visuellen Außendarstellung und der professionellen Bildkonzeption sowie durch lebendige Mitarbeiter- und Imagebilder.

Georg Banek

Einstieg indie Bildgestaltung

50 Tipps für bessere Bilder

Georg Banek

[email protected]

Lektorat: Rudolf Krahm

Copy-Editing: Friederike Daenecke, Zülpich

Satz: Veronika Schnabel

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Michael Oréal, www.oreal.de, unter Verwendung eines

Bildes des Autors

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print

978-3-86490-659-6

PDF

978-3-96088-756-0

ePub

978-3-96088-757-7

mobi

978-3-96088-758-4

1. Auflage 2019

© 2019 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Hinweis:

Der Umwelt zuliebe verzichten wir auf die Einschweißfolie.

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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

oft höre oder lese ich von den ominösen »Regeln der Bildgestaltung«. Mal gilt es, diese »Regeln« unbedingt einzuhalten, mal muss man sie unbedingt brechen, um … ja, um was eigentlich?

Tatsächlich sind die »Regeln der Bildgestaltung« ein Mythos wie der Yeti. Jeder redet davon, aber keiner hat sie je gesehen oder weiß, was sich tatsächlich dahinter verbirgt. Wenn man nachfragt, was das für »Regeln« seien, kommt nach einer überraschten und nachdenklichen Pause immer der einzelne Begriff »Goldener Schnitt«. Manchmal folgt noch der Begriff »Drittelregel« und – bei den fortgeschrittenen Fotografen – der Hinweis, dass man das Motiv nie in die Bildmitte setzen dürfe. Spätestens dann hört es jedoch meist auf: Kaum jemand kann diesen Begriff tatsächlich mit konkreten Inhalten füllen.

Deswegen ist es für Sie sinnvoller, sich die Wirkung anzusehen, die jedes einzelne Bildgestaltungsmittel auf den Betrachter hat. Das verändert Ihre Art zu sehen. Wenn Sie sich dann noch Ihr Motiv bewusst machen, können Sie die Summe der Bildgestaltungsmittel so wählen, dass sie das jeweilige Motiv stimmig unterstützen. Mal so, mal so.

Natürlich ist solchermaßen gezieltes Fotografieren schwerer und komplexer, als einfach irgendwelche »Regeln« zu befolgen. Aber es ist ein Einstieg in ein anderes Sehen und in ein anderes Verständnis von Fotografie. Und auf Dauer ermöglicht dieses Vorgehen Ihnen nicht nur ein viel umfangreicheres Repertoire an bildgestalterischem Ausdruck, sondern erleichtert es Ihnen auch, Ihren eigenen Stil zu finden.

Viel Spaß beim Lesen, Lernen und Üben!

Georg Banek

Februar 2019

Danksagung

Dieses Buch widme ich Cora. Es hat eine ganze Weile gebraucht, aber jetzt weiß ich deine Arbeit, deine Unterstützung, dein Fachwissen und deine Fähigkeiten in all den Jahren endlich angemessen zu schätzen und zu würdigen. Ohne dich Bücher zu schreiben ist … anders. In großer Dankbarkeit!

Ein herzliches Dankeschön geht natürlich auch an alle beteiligten Modelle und Visagistinnen sowie an die Firmen Sigma und Hedler für ihre Unterstützung.

Außerdem noch …

Die Beispielbilder in diesem Buch wurden mit den unterschiedlichsten Kameras aufgenommen – von der kleinen Kompakten bis hin zur Mittelformatkamera. Zur besseren Vergleichbarkeit habe ich die Brennweitenangaben unter den Bildern jeweils auf das Vollformat (→ Glossar) umgerechnet.

Alle Bezeichnungen für Personen (wie Fotograf, Modell, Betrachter etc.) habe ich der besseren Lesbarkeit wegen in ihrem ursprünglichen grammatischen Geschlecht verwendet, ich meine jedoch immer Fotografen, Modelle und Betrachter beider Geschlechter.

Bei Fragen, Anmerkungen oder Verbesserungsvorschlägen können Sie mich gern auch direkt per Mail unter [email protected] anschreiben.

Inhalt

Teil 1: Die Grundlagen verstehen

1Technik als Grundlage für Gestaltung

2Das Objektiv sieht anders

3Es gibt keine guten Bilder

4Es gibt keine Bildgestaltungsregeln

5Gestaltung wirkt

Teil 2: Das Motiv bewusst wählen

6Sich das Motiv bewusst machen

7Nur ein Motiv pro Bild

8Das Motiv erkennbar machen

9Aufräumen!

Teil 3: Mit der Kamera gestalten

10Fokussierung

11Schärfentiefe beeinflussen

12Große Schärfentiefe

13Mittlere Schärfentiefe

14Geringe Schärfentiefe

15Blicksprung

16Bewegung beeinflussen

17Einfrieren

18Bewegungsunschärfe

19Experimente mit langen Zeiten

20ISO und Rauschen

Teil 4: Motive grafisch anordnen

21Hoch-oder Querformat

22Seitenverhältnisse

23Hauptmotiv in der Mitte

24Hauptmotiv im Goldenen Schnitt

25Hauptmotiv am Rand

26Gleich große Elemente

27Große und kleine Elemente

28Punkt-Flächen-Kontrast

29Anzahl der Elemente

30Anschneiden oder ganz abbilden

31Linienführung

32Perspektive wechseln

Teil 5: Licht und Farbe nutzen

33Licht und Schatten

34Mitlicht

35Gegenlicht

36Seitenlicht

37Licht von oben oder unten

38Weiches oder hartes Licht

39Blitzlicht nur im Ausnahmefall

40Farben wirken emotional

41Farbsättigung

42Warme und kalte Farben

43Schwarzweiß

Teil 6: Objektive gezielt einsetzen

44Objektive verstehen

45Normalobjektiv

46Weitwinkelobjektive

47Teleobjektive

48Makro

Teil 7: Sich weiterentwickeln

49Den Blick schärfen

50Bilder machen

Anhang

Glossar

Umrechnung der Brennweiten

Teil 1Die Grundlagen verstehen

1 Technik als Grundlage für Gestaltung

Die Fotografie besteht aus drei Aspekten, die Sie als Fotograf bzw. Fotografin beeinflussen können – und beeinflussen müssen: aus dem Motiv, aus der Bildgestaltung und aus der Technik. Die meisten Fotoeinsteiger befassen sich erst einmal mit der Technik. Wie funktioniert die Kamera und worauf muss ich drücken, um was zu erreichen? Dieser Ansatz ist zwar grundsätzlich richtig, bringt Sie aber auf dem Weg zu besseren Bildern nur ein sehr kleines Stück voran. Bei der Technik ist es wichtig zu verstehen, dass sie nur ein Hilfsmittel, ein Werkzeug ist, um damit den nächsten Schritt zu steuern – die Bildgestaltung.

Mit jedem Zubehör und jeder Kameraeinstellung beeinflussen Sie das Aussehen Ihres fertigen Bildes. Eine kurze Verschlusszeit friert eine schnelle Bewegung ein, ein stabiles Stativ ermöglicht Ihnen lange Verschlusszeiten ohne Verwacklung. Mit einer großen Blendenöffnung setzen Sie eine sehr selektive Tiefenschärfe, und mit der AF-Verfolgung positionieren Sie die Schärfe an der richtigen Stelle. Ein Teleobjektiv bringt das weit entfernte Motiv groß ins Bild, und der Sucher ermöglicht Ihnen die Wahl des gewünschten Bildausschnitts. Jedes Stück Technik, das Sie einsetzen, verändert das Aussehen Ihres Bildes.

Die fotografische Technik ist also nur ein Mittel, um die Bildgestaltung gezielt zu steuern. Ziel des Fotografierens ist es, die Technik so weit zu beherrschen, dass Sie diesen Zusammenhang zwischen Technik und Gestaltung nicht nur verstehen, sondern gezielt einsetzen können, um damit eine bestimmte Form der Bildgestaltung bewusst zu erzeugen.

Deswegen ist es auch wichtig, die Technik zu beherrschen. Aber das allein macht noch keine guten Bilder. Ganz im Gegenteil. Egal, was Sie in – anzeigenfinanzierten – Fotozeitschriften lesen oder was Ihnen andere Fotografen erzählen: Die Technik ist zwar wichtig, von den drei Aspekten jedoch der unwichtigste.

Wenn Sie also Ihre Kamera so weit im Griff haben, dass Sie regelmäßig richtig belichtete Fotos erzeugen, sollten Sie sich mit dem zweiten Aspekt, der Bildgestaltung, beschäftigen. Denn hier können Sie schnell deutlich größere Fortschritte erzielen. Und dabei möchte ich Ihnen mit diesem Buch helfen. Aber auch die Bildgestaltung ist nur ein Mittel, um das Motiv stimmig in Szene zu setzen. Vom Motiv hängt es ab, ob eine ruhige oder aufregende, eine zarte oder eine dramatische, eine lebendige oder eine leblose Gestaltung zu ihm passt.

Technik ist immer nur ein Mittel, um damit die Gestaltung der Bilder zielgerichtet zu beeinflussen. Mit einem normalen Kit-Objektiv wäre der Hintergrund dieser Aufnahme viel schärfer und damit störender. Da das Bild mit einer Mittelformatkamera gemacht wurde, könnte man von der Datei auch ein riesiges Poster drucken lassen, was bei einer Handykamera nicht möglich wäre.

80 mm, 1/1000 s, Blende 2, ISO 400

Der dritte Schritt wäre dann, sich intensiv mit dem jeweiligen Motiv auseinanderzusetzen und herauszufinden, wie Sie gezielt Einfluss auf das nehmen können, was sich vor Ihrer Kamera befindet. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

2 Das Objektiv sieht anders

Noch etwas Grundlegendes müssen Sie berücksichtigen, um Ihre Bilder stimmiger zu gestalten: Das menschliche Sehen unterscheidet sich deutlich von der Art, mit der die Kamera die Realität abbildet. Das menschliche Auge springt von einem Punkt zum nächsten und verweilt dort eine kurze Zeitspanne. So entsteht eine Menge von Einzelinformationen, die erst im Gehirn zu einem ganzen Bild zusammengesetzt werden. Dabei bewertet das Gehirn kontinuierlich, wie wichtig der jeweilige Informationshappen für den Betrachter und das gesamte Bild ist, unterdrückt das Unwichtige und verstärkt das Wichtige. Dadurch entsteht ein subjektives, verzerrtes Bild der Realität. Auch wenn zwei Menschen direkt nebeneinanderstehen, sehen sie nicht das Gleiche.

Ganz anders ist dies bei der Kombination aus Kamera und Objektiv. Die beiden »sehen« die Welt nicht nach inhaltlichen, sondern nach optischen Gesetzmäßigkeiten: Alles, was innerhalb des Bildwinkels (→ Glossar) der jeweiligen Brennweite (→ Glossar) liegt und nicht von etwas vor ihm verdeckt wird, wird auf dem Foto abgebildet. Egal, ob es für das Motiv wichtig ist oder nicht. Außerdem wird alles, was sich weiter von der Kamera entfernt befindet, kleiner abgebildet. Was hingegen näher am Objektiv ist, kommt größer auf das Bild.

Dies ist eine klassische Situation, an der man sich nicht sattsehen kann. Die vielen kleinen Nuancen beeindrucken sehr, und die ruhige Stimmung trägt das ihrige zu einem unvergesslichen Erlebnis bei. Auf dem Foto kommt davon jedoch kaum etwas beim Betrachter an, weil die Kamera anders sieht als der Mensch.

114 mm, 1/125 s, Blende 5,1, ISO 400

In Mainz gibt es mehrere Ecken, an denen jeweils mehrere Flaggen mit dem Stadtwappen laut knatternd mit dem blauen Himmel konkurrieren. Um dieses Gefühl wiederzugeben, braucht man allerdings nicht alle Flaggen zu zeigen. Eine einzige, aus dem Pulk herausgelöste Flagge erzielt dieselbe Wirkung.

150 mm, 1/4000 s, Blende 2,8, ISO 200

Dieser Unterschied führt dazu, dass man als Fotograf manches übersieht, was anschließend auf dem Bild – teils sogar deutlich – stört. Und manches, auf das man sich stark konzentriert hat und das einem deshalb groß erschienen ist, wird auf dem fertigen Bild durch andere Bildelemente dominiert und ist kaum zu sehen. Ein großer Teil des Fotografieren Lernens besteht darin, dass Sie verstehen, wie die Kamera sieht, und wie Sie Ihre eigene Vorstellung vom fertigen Bild an die Besonderheiten des Objektivs anpassen. Dazu ist es notwendig, das Bild im Sucher ganz bewusst zu betrachten, auf die Bildelemente einzeln zu achten und sie so zu sehen, wie sie tatsächlich abgebildet werden, und nicht so, wie Sie es sich wünschen.

3 Es gibt keine guten Bilder

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass es Bilder gibt, die per se gut oder schlecht sind. Tatsächlich lässt sich ein Bild immer nur dann wirklich beurteilen, wenn man den Kontext kennt, den Einsatzzweck. Denn Bilder existieren nicht für sich allein, sondern sollen immer einen Zweck erfüllen: zum Beispiel Erinnerungen bewahren, Gefühle erzeugen, Aufmerksamkeit wecken, Begeisterung oder Verlangen erwecken, warnen, informieren, aufrütteln oder einfach nur gefallen.

Ohne dieses Ziel zu berücksichtigen, ist es nicht möglich zu sagen, ob ein Bild »gut« oder »schlecht« ist. Besser ist es sowieso, von »geeignet« oder »ungeeignet« oder von »stimmig« oder »unstimmig« zu sprechen. Das macht deutlich, dass immer auch ein Ziel zu berücksichtigen ist. In der Regel ist es sogar so, dass ein und dasselbe Bild für den einen Einsatzzweck geeignet und für einen anderen Zweck völlig ungeeignet ist.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie fahren jedes Jahr zum Urlaub auf dieselbe Insel. In einem Jahr machen Sie ein fantastisches Foto vom Umriss einer Blume im Gegenlicht der untergehenden Sonne. Dann ist dieses Bild vielleicht geeignet, als großer Ausdruck an der Wohnzimmerwand Sie jeden Tag aufs Neue zu erfreuen. Vielleicht ist es auch geeignet, bei einem Wettbewerb einen Preis zu erzielen oder auf einer Grußpostkarte abgedruckt zu werden. Hingegen ist das Bild weniger dazu geeignet, Sie an genau diesen Urlaub zu erinnern. Recht schnell werden Sie nicht mehr wissen, in welchem Jahr Sie das Foto aufgenommen haben. Ebenso wenig ist ein solches Bild für ein Blumen-Bestimmungsbuch geeignet, weil weder Farbe noch Struktur der Blüte erkennbar sind.

Dieses Bild wäre sicherlich geeignet, um auf dem Cover eines Irland-Reiseführers zu prangen. Um diese Funktion zu erfüllen, muss ein Bild sofort Assoziationen mit der grünen Insel wecken und ausreichend freien Platz für den Titel aufweisen.

85 mm, 1/250 s, Blende 4, ISO 100

Eine Artenbestimmung des Pilzes wäre nach diesem Bild wohl nur einem ausgewiesenen Experten möglich, da die Oberseite nicht zu sehen ist. Durch seine düster-bedrohliche Wirkung würde sich das Bild aber gut als Buch-Cover oder Film-Plakat eignen.

24 mm, 1/160 s, Blende 3,2, ISO 100

Für die Postkarte oder die Wand ist ein und dasselbe Bild also »gut«, für die Erinnerung oder die Artenbestimmung jedoch »schlecht« – und das gleichzeitig. Ein nur gutes oder nur schlechtes Bild gibt es also nicht. Daran wird deutlich, weswegen es sinnvoller ist, von »stimmig« oder »geeignet« zu sprechen. Was man jedoch machen kann, ist, Bilder zu vergleichen. So kann man durchaus sinnvoll argumentieren, dass ein Blumenbild, bei dem Farbe, Struktur und Größe der Blüte und Blätter gut erkennbar sind, für die Artenbestimmung besser geeignet ist. Hingegen ist das Gegenlichtbild besser geeignet, um Aufmerksamkeit und Emotionen zu wecken.

Wenn Menschen von einem Foto behaupten, dass es ein »gutes Bild« sei, hat das in der Regel den Grund, dass sie einen ganz bestimmten Einsatzzweck im Hinterkopf haben, ohne diesen auszusprechen, oft sogar, ohne sich dessen bewusst zu sein. Bei Familienschnappschüssen geht es oft darum, dass die Personen typisch getroffen werden oder dass die Bilder die Erinnerungen an eine bestimmte Situation zum Leben erwecken sollen. In einer Fotogruppe sollen die Fotos meist besonders gestaltet und technisch einwandfrei sein. Im Internet sollen sie eine besonders hohe Anzahl Klicks, Likes oder Anmerkungen generieren. Der mit Abstand häufigste Einsatzzweck ist jedoch der eigene Geschmack. Bilder werden vor allem danach bewertet, ob sie einem persönlich gefallen oder nicht. Der eigene Geschmack wird verallgemeinert und das Bild aus dem Bauch heraus als »gut« oder »schlecht« bewertet. Das ist zwar vollkommen legitim, sagt aber statt über das Bild nur etwas über die visuellen Vorlieben des Betrachters aus.

Dieses Bild zeigt dem Betrachter sofort, wo es aufgenommen wurde. Um eine allgemeine Erinnerung an alle Weihnachtsmärkte aufkommen zu lassen, ist es ungeeignet. Es könnte aber eine Fotostrecke oder einen Artikel über den Nürnberger Christkindlmarkt eröffnen.

22 mm, 1/500 s, Blende 2,8, ISO 1000

Versuchen Sie also einmal, bewusst an Bilder heranzugehen und sich Folgendes zu fragen: Welche Aufgabe hat dieses Bild in diesem Kontext gerade – und wie geeignet ist es, diese Aufgabe auch zu erfüllen? Diese Herangehensweise braucht zwar Zeit, hat aber das Potenzial, Ihre Sichtweise auf Fotos nachhaltig zu verändern.

Dieses Bild ist ein »klassischer Georg«: vollkommen sinn- und zweckfrei, aber irgendwie ästhetisch ansprechend und skurril. Manche Bilder müssen nur einen einzigen Zweck erfüllen – und zwar, Ihnen selbst zu gefallen. Erwarten Sie dann aber nicht, dass andere in dieselbe Verzückung geraten, denn den anderen fehlt oft genug Ihr Hintergrundwissen.

85 mm, 1/250 s, Blende 1,4, ISO 800

4 Es gibt keine Bildgestaltungsregeln

In vielen anderen Büchern, Lehrvideos oder Internetseiten ist immer wieder zu lesen, dass es Regeln der Bildgestaltung gebe, an die man sich halten müsse, um »gute« Bilder zu machen. An anderen Stellen ist zu lesen, dass man diese Regeln brechen müsse, um »gute« Bilder zu erhalten. Beides ist Blödsinn.

Statt starrer Regeln gibt es in der Bildgestaltung ein sehr komplexes Geflecht an Zusammenhängen zwischen den eingesetzten Bildgestaltungsmitteln und ihren jeweiligen Wirkungen. Das Hochformat wirkt beispielsweise spannungsreicher als das Querformat, und ein Schwarzweißbild wirkt weniger lebendig als ein Bild mit leuchtenden Farben. Deswegen kann man aber weder sagen, dass man Fotos immer im Hochformat machen sollte oder dass Schwarzweiß besser sei als Farbe. Es kommt immer darauf an, wofür das Bild gemacht wurde und was es ausdrücken beziehungsweise bewirken soll. Ein Bildgestaltungsmittel, z.B. der Goldene Schnitt, kann für das eine Motiv sinnvoll, für ein anderes jedoch vollkommen kontraproduktiv sein. Deswegen ist es sinnvoller, die Bildgestaltungsmittel und ihre jeweiligen Wirkungen auf den Betrachter zu kennen und sie dann jeweils passend zu Motiv und Bildaussage einzusetzen, als nach irgendwelchen nicht näher definierten »Regeln« zu fotografieren.

Eine der ganz wenigen »Bildgestaltungsregeln«, die man gelegentlich hört, besagt, dass man das Motiv nie in die Bildmitte setzen darf. Dennoch gibt es immer wieder Fotos, die stark und stimmig wirken, obwohl das Hauptmotiv direkt in der Bildmitte platziert ist. Allein das zeigt, dass »Regeln« allein nicht stimmen können.

39 mm, 1/100 s, Blende 4, ISO 200

Fragt man nach »Bildgestaltungsregeln«, kommt als erste Antwort immer »der Goldene Schnitt«. Deswegen trauen sich viele Fotografen nicht, ihr Hauptmotiv direkt in der Ecke zu platzieren, auch wenn dies für spannungsreiche Bilder ein viel stimmigeres Gestaltungsmittel ist.

68 mm, 1/1000 s, Blende 2,8, ISO 500

In diesem Buch gebe ich Ihnen einen Überblick über die wichtigsten und wirkmächtigsten Bildgestaltungsmittel. Anhand von sehr vielen Bildbeispielen zeige ich Ihnen, welche Wirkung die Gestaltungsmittel jeweils allein und unabhängig von allen anderen Gestaltungsmitteln auf den Betrachter haben. Zwar wirken in einem Bild immer die Gesamtheit aller Gestaltungsmerkmale zusammen, aber diese Zusammenhänge sind für den Einsteiger in die gezielte Bildgestaltung meiner Erfahrung nach doch meist zu komplex. Wenn Sie später tiefer in diese Materie einsteigen wollen, empfehle ich Ihnen »Fotografieren lernen 2« von Cora und mir, das ebenfalls im dpunkt.verlag erschienen ist.

Um Ihnen jedoch den Einstieg zu erleichtern, zeige ich Ihnen in den folgenden Kapiteln jede Menge Gestaltungsmittel, die besonders stark wirken und die Sie auch gut allein als hervorstechende Gestaltung einsetzen können. Gleichzeitig zeige ich Ihnen immer auch deren Wirkung auf und gebe Ihnen Anregungen, wann und wie Sie diese sinnvoll einsetzen können.

5 Gestaltung wirkt

Eine ebenfalls weit verbreitete Behauptung ist, dass die Wirkung von Bildern sowieso nur subjektiv sei und man deshalb weder voraussagen noch beeinflussen könne, wie Bilder wirken. Auch das ist falsch. Zwar hat jeder Mensch bestimmte Vorlieben und einen eigenen Geschmack. Aber wir sind durch die Besonderheiten der menschlichen Wahrnehmung, durch unsere Sehgewohnheiten und durch unsere Kultur stark geprägt. Und so kommt es, dass eine bestimmte Form der Bildgestaltung auf die allermeisten Menschen innerhalb einer bestimmten Kulturgemeinschaft gleich oder zumindest ähnlich wirkt. Bestimmte Farben oder Farbkombinationen werden von fast allen Menschen mit den gleichen Gefühlen oder Situationen assoziiert: Rot beispielsweise mit der Liebe und Schwarz mit dem Tod – in asiatischen Kulturen ist jedoch Weiß die Farbe des Todes. Auch die Leserichtung der jeweiligen Kultur hat einen Einfluss auf die Wahrnehmung und Wirkung von Bildern.