El Rey - Drucie Anne Taylor - E-Book

El Rey E-Book

Drucie Anne Taylor

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Beschreibung

Eine unerwartete Erbschaft überfordert die junge Scarlett, denn neben Geld und einer Immobilie wurde ihr auch ein Bordell vermacht, das sie von nun an führen soll. Hals über Kopf reist sie nach Mexiko und begegnet in ihrem neuen Geschäft dem geheimnisvollen Dante El Rey, der ein Geschäftspartner ihrer Tante gewesen sein will. Er beschäftigt nicht nur den Sicherheitsdienst des Amor cielos, sondern arbeitet zudem in den Kellerräumen des Gebäudes. Scarlett möchte um jeden Preis wissen, was er zu verbergen hat, denn nicht nur ihre Angestellten haben Angst vor dem gut aussehenden Mexikaner, sondern sie auch, allerdings macht jeder ein Geheimnis aus Dantes Geschäften. Davon überzeugt, dass er ein Krimineller ist, geht Scarlett ihm aus dem Weg, doch hat sie die Rechnung ohne Dante gemacht, denn er hat sich in den Kopf gesetzt, die fremde Amerikanerin zu erobern. Wird sich Scarlett Dantes Avancen entziehen können? Der Kampf zwischen Kopf und Herz beginnt.

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El Rey

KÖNIG DER NACHT

SOBRE REYES Y REINAS

BUCH EINS

DRUCIE ANNE TAYLOR

Copyright © 2017 Drucie Anne Taylor

Korrektorat: S.B. Zimmer

Satz & Layout: Julia Dahl / [email protected]

Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art

Auflage 01/2023

Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen, Firmen sowie Warenzeichen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern.

Dieses Buch

Eine unerwartete Erbschaft überfordert die junge Scarlett, denn neben Geld und einer Immobilie wurde ihr auch ein Bordell vermacht, das sie von nun an führen soll.

Hals über Kopf reist sie nach Mexiko und begegnet in ihrem neuen Geschäft dem geheimnisvollen Dante El Rey, der ein Geschäftspartner ihrer Tante gewesen sein will. Er beschäftigt nicht nur den Sicherheitsdienst des Amor cielos, sondern arbeitet zudem in den Kellerräumen des Gebäudes. Scarlett möchte um jeden Preis wissen, was er zu verbergen hat, denn nicht nur ihre Angestellten haben Angst vor dem gut aussehenden Mexikaner, sondern sie auch, allerdings macht jeder ein Geheimnis aus Dantes Geschäften. Davon überzeugt, dass er ein Krimineller ist, geht Scarlett ihm aus dem Weg, doch hat sie die Rechnung ohne Dante gemacht, denn er hat sich in den Kopf gesetzt, die fremde Amerikanerin zu erobern.

Wird sich Scarlett Dantes Avancen entziehen können?

Der Kampf zwischen Kopf und Herz beginnt.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Werke der Autorin

Rechtliches und Uninteressantes

KapitelEins

»O Gott!«, rufe ich erschreckt aus, als ich das Schreiben erneut überfliege.

Wie kann das sein?

Warum ich?

Das ist doch sicher ein schlechter Scherz!

»Was ist denn los?«, möchte Aidan wissen.

Ich sehe ihn an. Seit acht Jahren sind wir ein Paar, aber zwischen uns läuft so gut wie gar nichts mehr. Mir kommt es so vor, als wären wir nur noch aus Gewohnheit zusammen. »Meine Tante ... Sie hat mir ein Bordell hinterlassen.«

Er hebt eine Augenbraue. »Einen Puff?«

Ich nicke. »Ja, einen gottverdammten Puff, ein Bordell, ein Freudenhaus ... Nenn es, wie du willst.«

Aidan wirkt, als hätte ich ihm einen Baseballschläger über den Schädel gezogen. »Das ist doch wohl ein schlechter Witz. Wo soll das Bordell sein, das du geerbt hast?«

Ich lese noch einmal die Zeilen, die mir ihr Anwalt geschrieben hat. »In Tijuana.«

»Mexiko?«

»Nein, in Timbuktu«, entgegne ich sarkastisch.

»Scarlett«, sagt er langgezogen. »Verarsch mich nicht.«

»Ja, das Etablissement ist in Mexiko und ich habe keine Ahnung, warum ich mich darum kümmern soll.«

»Weil du es geerbt hast.«

»Ach was.«

»Damit könnten wir ein Vermögen machen.«

Daraufhin seufze ich schwer. »Du meinst, ich kann damit ein Vermögen machen.«

»Wir werden heiraten, also wir.«

Skeptisch werfe ich ihm einen Blick zu. »Sofern du mich überhaupt mal fragst, ob ich dich heiraten will.«

Er hebt eine Augenbraue. »Ich dachte, das ist längst beschlossene Sache.«

Ein Seufzen stiehlt sich aus den Tiefen meiner Brust. »Solange ich keinen Ring an meinem Finger und keinen Heiratsantrag mit Ja beantwortet habe, werden wir in absehbarer Zeit nicht heiraten.« Ich kann nichts für den Sarkasmus, der in meiner Aussage mitschwingt, aber Aidan wird ihn sowieso nicht erkennen. »Ich sollte diesen Mr. Porter anrufen, um die Formalitäten zu klären.«

»Mach das«, entgegnet er übellaunig und widmet sich wieder seiner Arbeit. Das MacBook auf seinem Schoß müsste schon heißgelaufen sein, so lange wie er bereits daran sitzt, aber das ist sein Problem. Meines ist, dass er an einem Samstagnachmittag die wenige freie Zeit, die er hat, auch noch mit Arbeiten verbringt.

Ich stehe vom Sofa auf, schnappe mir das Telefon und verziehe mich in die Küche. Nachdem ich die Telefonnummer vom Schreiben abgelesen und eingetippt habe, rufe ich Tante Maes Anwalt an.

»Porter und Porter Rechtsanwälte. Mein Name ist Mia Hastings, was kann ich für Sie tun?«, meldet sich eine piepsige Stimme.

»Guten Tag, mein Name ist Scarlett Crane, ich habe ein Schreiben von Mr. Hiram Porter erhalten. Es geht um eine Erbschaft und ich würde gern mit ihm sprechen.«

»Um welche Erbangelegenheit geht es? Dann kann ich Mr. Porter direkt darüber informieren und er hat die Akte vorliegen, so kommt es nicht zu Verzögerungen.«

»Um Mae Malcolm, ich habe ihr ... Geschäft geerbt«, lasse ich sie wissen.

»Danke, Ms. Crane.«

Ich werde in die Warteschleife gesetzt. Es wundert mich, dass sie nicht als Puffmutter von meiner Tante spricht, obwohl ich mir sicher bin, dass diese Angelegenheit der Brüller in der Kanzlei ihres Anwalts ist.

Wer vermacht einer vierundzwanzigjährigen Frau bitte ein Bordell? 

»Ms. Crane?«, meldet sich Ms. Hastings erneut.

»Ja?«

»Ich verbinde Sie nun mit Mr. Porter.«

»Danke.« Und wieder darf ich mir ›Für Elise‹ anhören, wenigstens ist das eine erträgliche Melodie, statt irgendein Gefiedel, das einem in den Ohren wehtut.

»Guten Tag, Ms. Crane, mein Name ist Hiram Porter, was kann ich für Sie tun?«

»Guten Tag, Mr. Porter, es geht um die Erbschaft von meiner Tante, Mae Malcolm. Ich würde gern wissen, ob das ein schlechter Scherz ist.«

»Warum sollte es ein Scherz sein, Ms. Crane?«

»Weil in Ihrem Schreiben steht, dass es sich um ein ... Freudenhaus handelt.«

»Das war nun mal das Geschäft Ihrer Tante.«

Ich seufze schwer. »Und ich habe es geerbt?«

»Das haben Sie.«

»Wie soll das nun ablaufen? Ich komme nach Mexiko, nehme das Erbe an und verkaufe den Laden dann, sofern ich ihn nicht übernehmen will?«, erkundige ich mich.

»Sollten Sie das Etablissement Ihrer Tante nicht übernehmen wollen, kann ich einen Käufer für Sie suchen oder Sie kommen selbst her, um sich darum zu kümmern. Sie sollten es zumindest einmal gesehen haben, denn es handelt sich um keine Kaschemme, die einem sogenannten Flatratepuff gleichkommt.«

Irritiert nehme ich den Hörer vom Ohr und starre ihn für einen Moment an. »Haben Sie das gerade wirklich gesagt?«, frage ich verdutzt.

»Was meinen Sie?«

»Die Sache mit dem Flatratepuff.«

Er schnaubt amüsiert. »Das habe ich tatsächlich und damit eine Formulierung Ihrer Tante aufgegriffen. Wenn Sie möchten, suche ich einen Käufer für Sie, Ms. Crane.«

Ich räuspere mich. »Ich denke, ich werde mir das Lokal erst mal ansehen, bevor ich eine Entscheidung treffe. Wer kümmert sich momentan darum?«

»Ein Bekannter von Ms. Malcolm sorgt dafür, dass das Geschäft weiterläuft. Er kümmert sich solange darum, bis Sie herkommen und wird Ihnen alles erklären, was Sie wissen müssen«, erklärt er mir.

»Wie heißt dieser Bekannte?«, möchte ich weiter wissen.

»Sein Name ist Dante El Rey.«

»Sagen Sie Mr. El Rey bitte, dass ich mich um einen Flug kümmere und dann schnellstmöglich nach Tijuana komme.«

»Vorher sollten Sie zu mir in die Kanzlei kommen. Denken Sie, dass Sie übermorgen schon in der Stadt sein werden?«

»Ich weiß nicht, wie schnell ich einen Flug und ein Hotel bekomme, aber ja, ich denke, das lässt sich einrichten.«

»Ihre Tante hat Ihnen nicht nur das Geschäft vermacht, sondern auch das Haus, in dem es sich befindet. Sie haben all Ihr Vermögen geerbt, Ms. Crane, somit könnten Sie auch die Wohnung Ihrer Tante bewohnen, diese befindet sich über dem Etablissement.«

Das wird ja immer besser, schießt mir durch den Kopf, doch möchte ich mir jede Bemerkung verkneifen. Ich frage mich bloß, warum er mich nicht postalisch über das Gesamterbe aufgeklärt hat, sondern bloß über das Bordell meiner Tante. Das Amor cielo. »Okay, dann werde ich mich um einen Flug kümmern und mich melden, sobald ich weiß, wann ich in Mexiko sein werde. Ist das in Ordnung für Sie?«, erkundige ich mich.

»Natürlich, Ms. Crane. Melden Sie sich, dann machen wir kurzfristig einen Termin aus.«

»Danke, Mr. Porter.«

»Sehr gern. Auf Wiederhören.« Er knallt den Hörer auf die Angel, was mich zusammenzucken lässt. Nachdem ich den Schreck verdaut habe, lege ich das Mobilteil meines Telefons auf die Anrichte.

»Wie ist es gelaufen?«, fragt Aidan, als er in die Küche kommt.

»Ich muss nach Tijuana«, antworte ich.

»Warum?«

»Um das Erbe anzunehmen, mir das Bordell meiner Tante anzusehen und es gegebenenfalls zu verkaufen.«

»Du weißt, dass ein gut laufender Puff eine Goldgrube ist, oder?«, hakt er nach.

Daraufhin schnaube ich. »Mag sein, aber ich sollte mich mit dem identifizieren können, was ich beruflich mache.«

»Jetzt kommt das schon wieder«, stößt er stöhnend aus. »Scarlett, du suchst seit zwei Jahren nach einem Job, mit dem du dich identifizieren kannst, findest aber nichts, jetzt erbst du ein Geschäft und weißt wieder nicht, ob du es willst ... Was für einen Job stellst du dir denn vor?«

Hilflos und irgendwie auch ahnungslos zucke ich mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, aber einen Puff zu führen, steht nicht unbedingt auf meiner Löffelliste.«

»Na super ... Fakt ist, dass du dir langsam einen Job suchen musst, damit ich keine Überstunden mehr schieben muss, um uns dieses Leben zu ermöglichen.«

»Du ermöglichst es uns auch ohne Überstunden, das weißt du, oder?«, hake ich nach. »Außerdem habe ich das Erbe von meinen Eltern und meinen Großeltern, mit dem ich hier alles mit dir finanziere, sonst würde ich mir diese Selbstfindung gar nicht erlauben. Das weißt du!«

Er schnaubt genervt. »In Ordnung. Mach es, wie du willst, ich werde mich nicht mehr in dein Leben einmischen.« Aidan ist aufgebracht, ich auch, denn meine Karriere ist beinahe täglich ein Streitpunkt, obwohl ich mich nicht von ihm aushalten lasse.

»Danke für dieses großzügige Zugeständnis!«, herrsche ich ihn meinerseits an, schnappe mir den Telefonhörer und verschwinde ins Schlafzimmer. Nachdem ich die Tür hinter mir zugeknallt habe, damit Aidan mich in Frieden lässt, schnappe ich mir mein iPad und suche nach einem günstigen Flug nach Tijuana. 

* * *

Nachdem ich einige Flüge gefunden habe, schaue ich in Google Maps, um die Distanz von San Francisco nach Tijuana zu erfahren. Ich war noch nie in Mexiko und habe keine Ahnung, ob ich wirklich einen Flug brauche oder mit dem Auto fahren kann. 

Gut, eine Autofahrt ist möglich, allerdings habe ich nicht besonders viel Lust darauf, acht Stunden im Auto zu sitzen. Ich greife lieber auf einen achtzigminütigen Flug zurück. Zwar geht der bloß bis San Diego und von dort muss ich mit dem Auto fahren, aber das ist immer noch besser, als gefühlt ewig unterwegs zu sein.

Zwei Stunden sind seit Aidans und meiner Diskussion vergangen, nun klopft es an der Tür. »Scarlett, darf ich reinkommen?«

Ich schaue zur Zimmertür. »Wenn’s sein muss.«

Er öffnet sie, streckt seinen Kopf in den Raum. »Können wir reden?«

»Worüber?«

»Über uns.« Aidan kommt näher, setzt sich neben mich aufs Bett. »Wir versauen es, hm?«

»Unsere Beziehung?«, hake ich nach.

»Genau die meine ich.«

Ich hole tief Luft. »Ich weiß es nicht, aber ich habe das Gefühl, dass wir einander nicht mehr glücklich machen. Wir streiten uns nahezu täglich, was uns beiden an die Nieren geht, und wir verbringen kaum noch Zeit miteinander, weil du so viel arbeitest und ich hier herumsitze.«

»Das heißt, dass du frustriert bist?«

»Nein, ich vermisse dich bloß«, gebe ich leise zu. »Und ich glaube, wir streiten so viel, weil du gestresst bist und ich dich dann auch noch belagere ... Vielleicht sollten wir eine Pause machen«, sinniere ich, obwohl ich ahne, dass er etwas dagegen haben wird.

»Oder eine Paartherapie«, schlägt er vor.

Daraufhin sehe ich ihn irritiert an. »Eine Paartherapie?«

»Barry und Cinder hat es geholfen.«

»Barry und Cinder sind nicht unbedingt der Maßstab für eine glückliche Beziehung, so oft, wie sie einander schon betrogen haben.«

»Hailey und Cooper haben auch eine Paartherapie gemacht.«

»Das war eine Eheberatung, weil sie sich kaum noch gesehen und entliebt haben.«

Er seufzt resigniert. »Ich werte das einfach mal als Nein, okay?«

Ich schenke ihm ein scheues Lächeln. »Genau das wollte ich damit ausdrücken.« Aidan legt den Arm um mich und zieht mich an sich. Mit geschlossenen Augen lege ich meinen Kopf auf seine Schulter und atme seinen Duft tief ein. Die damalige Wirkung hat er nicht mehr auf mich, woran das liegt, kann ich nicht sagen. »Dann machen wir eine Pause.«

»Okay.«

»Wann legen wir sie ein?«

»Vielleicht, wenn ich nach Tijuana fliege.«

»Bis wann?«

»Bis ich zurückkomme?«, frage ich vorsichtig.

»Wie lange wirst du denn wegbleiben?«

Ich atme tief durch. »Ich weiß es nicht, aber wir können trotzdem zwischendurch telefonieren, wenn du willst, dann halte ich dich auf dem Laufenden.«

»Das wäre schön, denn ich würde mir Sorgen machen, wenn du dich gar nicht melden würdest.«

»Okay, wir telefonieren zwischendurch und ich schreibe dir Nachrichten, damit du weißt, dass ich kein Opfer der Mafia geworden bin oder selbst anschaffen gehe«, necke ich ihn.

Er lacht leise. »Vielleicht solltest du Hailey und Cooper oder Mason und Laura mitnehmen.«

»Dann eher Mason und Laura als Hailey und Cooper.«

»Oder du fragst Virgil, ob er dich begleitet«, schlägt er vor.

Ich richte mich auf, starre ihn ungläubig an und meine Augenbraue verschwindet unter meinem schwarzgefärbten Pony, der Rest meiner Haare ist rot. »Ich werde meinen jüngeren Bruder nicht fragen, ob er mich begleitet, um einen Puff zu leiten oder zu verkaufen.«

Aidan grinst mich an. »Warum nicht?«

»Er ist neunzehn und geht aufs College. Ich werde nicht diejenige sein, die ihn aus Stanford holt, damit er mich nach Mexiko begleitet. Außerdem will ich ihn nicht versauen und vom Gesetz her dürfte er dort bestimmt kein derartiges Etablissement betreten«, antworte ich überfordert.

Wieder lacht er. »Du weißt, dass ich dich bloß auf den Arm nehme, oder?«

Daraufhin knuffe ich ihn in die Brust. »Mistkerl.«

»Dein Mistkerl.«

Ich verziehe meine Lippen zu einem niedergeschlagenen Lächeln. »Ja, der eine Beziehungspause will.«

»Das war dein Vorschlag.«

Ich nicke hektisch, damit wir uns nicht wieder streiten. »Ich weiß, aber es kommt einer Trennung gleich und es tut weh, dass wir beide für ein paar Wochen getrennte Wege gehen.«

Aidan legt seine Hand an meine Wange. »Wir müssen keine Pause machen, wir können uns immer noch Hilfe suchen.«

»Du weißt, was ich von diesen Seelenstriptease halte.«

Er beugt sich zu mir und drückt einen Kuss auf meine Stirn. »Stimmt, deshalb werde ich dich nicht noch mal darum bitten.«

»Danke.«

* * *

KapitelZwei

VIER TAGE SPÄTER

Trotz meines Erbes bin ich vorerst in einem Hotel abgestiegen, damit ich einen Rückzugsort habe, sollten mich die Zustände im Bordell zu sehr schockieren. Ich bin gespannt, was Mr. Porter sagen wird. Natürlich habe ich keine Ahnung, was mich erwartet, aber ich habe Angst.

Angst davor, dass es wie in einem schlechten Film sein wird und sich dort Verbrecher die Klinke in die Hand geben. Meine Freunde habe ich nicht mitgenommen, denn ich will es alleine hinter mich bringen, die Sache zu regeln. Mein Bruder weiß noch nichts von der Erbschaft, das soll vorerst auch so bleiben, denn ich will nicht, dass er eine Puffmutter in mir sieht.

Vor Mr. Porters Kanzlei angekommen atme ich tief durch, um mir Mut zu machen. Was mich erwartet, weiß ich nicht, aber das werde ich gleich herausfinden. »Es wird schon nicht so schlimm, Scar, mach dich nicht wahnsinnig«, sage ich mir leise, dann betrete ich die große Anwaltskanzlei. Meine Recherche im Internet hat ergeben, dass Porter und Porter zu den renommiertesten Anwälten in Tijuana gehören. Warum sich zwei Amerikaner ausgerechnet in Mexiko niedergelassen haben, erschließt sich mir nicht, doch bestimmt liegt es an der hohen Kriminalitätsrate und den damit verbundenen Mandaten, die sie bekommen.

»Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?«, fragt die Dame am Empfang – ihre Stimme kommt mir vertraut vor.

Ich trete näher. »Hi, mein Name ist Scarlett Crane und ich habe einen Termin bei Mr. Hiram Porter.«

»Ach ja, wir haben gestern Nachmittag telefoniert«, sagt sie lächelnd. »Nehmen Sie bitte einen Moment Platz, Mr. Porter kommt zu Ihnen, sobald er Zeit für Sie hat.«

»Danke.« Ich gehe in den Wartebereich, nehme Platz und greife nach einer Illustrierten, doch zu meinem Unmut ist sie auf Spanisch. Ich muss zugeben, dass ich im Spanischunterricht nicht besonders gut aufgepasst habe – heute verstehe ich Señor Garcias Ärger darüber, denn ich könnte mir wegen des fehlenden Interesses damals in den Hintern treten. Ich kann mich hier bloß mit Händen und Füßen verständigen, was sehr ätzend ist. Klar gibt’s hier auch Menschen, die Englisch sprechen, da wir uns an der Grenze zu den USA befinden, aber viele verstehen es bloß und können sich kaum artikulieren. Ich brauche definitiv einen Dolmetscher, wenn ich hier arbeiten beziehungsweise Tante Maes Bordell und die dazugehörige Immobilie verkaufen will. Noch habe ich mich nicht entschieden, die Entscheidung mache ich von meinem Eindruck des Bordells und des Umsatzes abhängig. Vielleicht liegt mir diese Art Job. Oder auch nicht, aber das muss ich erst noch herausfinden, bevor ich mir ein Urteil erlauben kann. Aidan lag gar nicht so falsch, Sex sells und es handelt sich um das älteste Gewerbe der Welt, damit kann man bestimmt eine Menge Geld verdienen. Wenn mir die Arbeit als Bordellbesitzerin Spaß macht, werde ich es nicht verkaufen, wenn nicht, werde ich es schnellstmöglich los.

»Ms. Crane?«

Ich hebe den Blick. Vor mir steht ein Mann mittleren Alters, der mich warm anlächelt. »Ja, die bin ich. Guten Tag. Mr. Porter?«

Er nickt knapp. »Ich bedauere Ihren Verlust sehr, mein aufrichtiges Beileid, Ms. Crane.«

Ich seufze schwer. »Um ehrlich zu sein, kannte ich meine Tante kaum und wusste nicht einmal, dass sie in Mexiko gelebt hat.«

Ein weiteres Nicken seinerseits. »Folgen Sie mir bitte in mein Büro.«

»Danke.«

Er geht vor, ich folge ihm. In seinem Büro angekommen staune ich nicht schlecht über die hochwertige Einrichtung. Ledersitzmöbel, Schränke und Schreibtisch aus Mahagoni, dunkle Marmorfliesen. Dieses Büro stellt meine gesamte Wohnungseinrichtung in den Schatten. »Nehmen Sie bitte Platz, Ms. Crane.«

»Danke.« Ich setze mich in einen der Sessel vor dem Schreibtisch, sehe ihn an und atme tief durch.

Nachdem er ebenfalls Platz genommen hat, schlägt er eine Akte auf. »Haben Sie Ihren Führerschein oder Reisepass dabei?«

»Sowohl als auch. Augenblick.« Ich krame in meiner Handtasche, als ich beide Ausweise habe, reiche ich sie ihm. »Hätten Sie ein Glas Wasser für mich?«

»Aber sicher.« Er betätigt die Sprechanlage und fordert Ms. Hastings auf, uns Wasser zu bringen, dann beäugt er meinen Führerschein sowie meinen Reisepass. »Damit wäre Ihre Identität nachgewiesen, Ms. Crane.«

»Ich habe nichts Anderes erwartet«, erwidere ich mit einem gezwungenen Lächeln und knete nervös meine Hände. »Kannten Sie meine Tante näher?«

Daraufhin schüttelt er den Kopf. »Leider nicht. Sie war noch nicht besonders lange meine Mandantin, als sie von uns ging.«

Ich nicke langsam. »Wie ist sie denn gestorben?«

»Sie geriet leider in einen Schusswechsel auf der Straße.«

Schockiert reiße ich die Augen auf. »Wie bitte?«

Mr. Porter nimmt seine Brille ab, es wirkt, als wäre er plötzlich um Jahre gealtert. »Ihre Tante war meines Wissens nach auf dem Heimweg und geriet zwischen die Fronten zwei rivalisierender Gangs, aber ich kann Ihnen nicht versichern, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat.«

»Warum können Sie das nicht?«

»Ms. Crane, was haben Sie bisher von Mexiko gehört?«

»Dass die Kriminalitätsrate recht hoch sein soll.«

»Und dementsprechend viel Korruption gibt es bei der Polizei.«

Ms. Hastings bringt eine Karaffe mit Wasser und Gläser zu uns, dann verschwindet sie wieder, während ich Mr. Porter weiterhin schockiert ansehe. »Dann kann man nicht sicher sagen, unter welchen Umständen sie zu Tode gekommen ist?«, hake ich nach.

»So ist es, aber machen Sie sich keine Sorgen, das Etablissement Ihrer Tante steht in einer sehr sicheren Gegend. Sie müssen keine Angst haben, dass Ihnen etwas passiert.«

Ich räuspere mich. »Es fällt mir schwer, das zu glauben.«

Mr. Porter nimmt erneut seine Brille ab und betrachtet mich. »Ms. Crane, ich garantiere Ihnen, dass Sie in Sicherheit sein werden, außerdem gibt es Sicherheitspersonal in Ihrem Lokal, sodass niemand Sie behelligen wird.«

»Hm.«

»Also klären wir die Formalitäten?«

Ich nicke knapp.

* * *

Nachdem wir alles geklärt haben, habe ich einen Satz Schlüssel sowie den Erbschein für Tante Maes Immobilien, das Bordell und ihr Vermögen erhalten. Ich wusste wirklich nicht, womit Moms Schwester ihren Lebensunterhalt verdient hat, nun soll ich in ihre Fußstapfen treten. Auch hat Mr. Porter mich darüber informiert, dass ich mich um die Beisetzung kümmern muss, sofern ich meine Tante nicht einäschern lassen möchte, denn das würde keine Beerdigung nach sich ziehen, wenn ich es nicht will. Ihre Asche beziehungsweise die Urne dürfte ich zu Hause auf den Kaminsims stellen, doch da ich selbst nicht verbrannt werden möchte, wenn ich einmal nicht mehr bin, werde ich mich wohl oder übel mit einem Bestattungsunternehmen auseinandersetzen müssen.

Nun sitze ich in einem Taxi, das mich zu meinem Bordell bringt. Seufzend schaue ich aus dem Fenster, beobachte die Menschen, die die Gehwege entlang spazieren, betrachte die Geschäfte und staune, als wir uns dem Partyviertel nähern. Bars und Clubs reihen sich aneinander, nun verstehe ich, warum Tijuana so ein beliebtes Urlaubsziel unter Studenten und jungen Leuten ist, denn hier kann man sich wirklich austoben, außerdem ist man nicht weit vom Strand entfernt, sodass man quasi alles vor den Hoteltüren hat. Sommer, Sonne, Strand, Partys und mehr. Mit zwanzig hätte ich hier um jeden Preis Urlaub gemacht, nun wird es möglicherweise mein Zuhause.

Mr. Porter hat mich darüber informiert, dass das Bordell zu den gehobenen Etablissements seiner Art gehört, und ich mir keine Sorgen darüber machen muss, dass es dort Kinderprostituierte gibt, was mich unheimlich erleichtert hat. Ich wüsste nicht, wie ich reagiert hätte, wenn ich Gegenteiliges erfahren hätte. Vermutlich wäre ich schreiend zurück nach San Francisco gerannt, statt eine Minute länger in Tijuana zu bleiben.

»Wir sind da, Miss«, sagt der Taxifahrer in gebrochenem Englisch.

»Was macht das?«, möchte ich wissen. 

Er nennt mir den Preis, ich begleiche ihn inklusive eines großzügigen Trinkgelds. Dank Aidan habe ich daran gedacht, mich mit mexikanischen Peso einzudecken, sodass ich hier keine Bank suchen muss, um US-Dollar in die Landeswährung einzutauschen. »Danke, Miss.«

»Ich habe zu danken.« Lächelnd steige ich aus und schaue an dem Haus hoch, das vor mir emporragt. Ein Puff mit drei Etagen, zu Lettern geschwungene Neonröhren, die die Worte Amor cielo bilden, und ich habe Angst. Das Muffensausen macht mich wahnsinnig und der bullige Kerl, der vor der Tür sitzt, lässt mein Herz schneller schlagen. Ich hole tief Luft, dann gehe ich auf ihn zu. »Hi, sprechen Sie Englisch?«

Er nickt knapp. »Würde ich es nicht sprechen, wäre ich hier fehl am Platz.«

Meine Augenbraue flippt für den Bruchteil einer Sekunde in die Höhe. »Okay.«

Er betrachtet mich von oben bis unten, scannt mich regelrecht, was mir sehr unangenehm ist. »Was willst du, Kleine? Einen Job?«

Ich räuspere mich und strafe seine zweite Frage bewusst mit Nichtachtung. »Mein Name ist Scarlett Crane, mir gehört dieses Etablissement.«

Seine Kinnlade klappt herunter. »Mae hat dir den Laden vermacht?«

»Ja, sie war meine Tante.«

Er schluckt, was seine angsteinflößende Erscheinung ein wenig abschwächt. Der Kerl ist ein Hüne, verdammt muskulös, trägt eine Glatze und sein maskulines Gesicht, das er zu keiner Miene verzieht, verstärkt den Eindruck des harten Kerls noch, außer er schluckt einen Kloß in seinem Hals herunter. »Sorry, dass ich dich Kleine genannt habe. Ich will echt keinen Ärger mit dir, Boss.«

Diesmal hält sich meine gehobene Augenbraue wacker. »Wie ist dein Name?«

»Carlos Valdivia.«

Ich strecke meine Hand aus. »Hi, Carlos, ich bin Scarlett.«

Er ergreift sie. »Freut mich, Boss.«

»Kannst du mir den Laden zeigen?«

»Klar, wird eh erst in einer Stunde geöffnet.«

»Und warum bist du dann schon da?«

»Ich bin seit Maes Tod für das Annehmen der Lieferungen verantwortlich, davor war ich es für ihre Sicherheit.«

Ich lege den Kopf schief. »Dann muss dich ihr Tod schwer getroffen haben, oder?«

»Ja, besonders, weil sie sich an jenem Tag vehement gegen meine Anwesenheit gewehrt hat. Sie gab mir frei und als ich am nächsten Tag herkam, erfuhr ich, dass sie erschossen wurde.«

Ich schlucke. »Tut mir leid, dass du sie verloren hast.«

»Mir auch.«

»Sind auch schon andere Mitarbeiter da?«

»Ja, ein paar von ihnen wohnen im hinteren Teil des Hauses. Mae hat es so gewollt, damit die Mädchen immer zu ihren Familien gehen können, wenn sie eine Pause brauchen.«

»Wie bitte? Die leben hier mit ihren Familien?«

Er schüttelt den Kopf. »Nein, die meisten sind alleinerziehende Mütter und leben mit ihren Kids im Haus, aber die Kleinen kommen nicht in die Geschäftsräume.« Er zeigt auf die Tür. »Kommst du? Darf ich überhaupt du sagen?«

»Klar und klar.« Ich folge ihm ins Amor cielo und halte für einen Moment die Luft an, als mir der Geruch von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln entgegenschlägt. »Sauber scheint es schon mal zu sein.«

Carlos sieht über seine Schulter hinweg zu mir. »Es wird jeden Tag geputzt und alle Oberflächen werden desinfiziert. Darüber muss man sich hier wirklich keine Sorgen machen.«

»Okay.«

»Zweimal die Woche werden Kondome geliefert und ... die Sexspielzeuge werden täglich im Keller gereinigt, sterilisiert und wieder in den Zimmern verteilt.«

Ich reiße die Augen auf. »Wie bitte?«

»Zweimal die Woche kommt eine Pariserlieferung, täglich werden die Toys der Mädels gereinigt, sterilisiert und wieder verteilt, dreimal die Woche werden Hochprozentige und Soft Drinks geliefert, einmal die Woche kommt eine Bierlieferung«, erklärt er geschäftsmäßig.

»Oh Mann«, stoße ich aus. »Das sollte ich mir aufschreiben.«

»Besser ist das. Wenn du Probleme mit den Lieferanten hast, weil sie zu anderen Konditionen mit dir arbeiten wollen, sag mir Bescheid, ich kümmere mich darum, dass alles genau so weiterläuft wie bisher.«

»Bist du der Kerl für alles?«

»Ich bin der mit den starken Argumenten und habe Mae damals die meisten ihrer Geschäftskontakte vermittelt.«

Ich nicke langsam. »Aber du benutzt keine schlagenden Argumente, oder?«

Carlos schüttelt den Kopf. »Nein, es reicht meine Muskeln, zur Schau zu stellen, dann legt sich keiner mit mir an.« Er verzieht seine Lippen zu einem breiten Lächeln, das ihn unglaublich jung aussehen lässt. »Ich tue niemandem etwas, außer ich kassiere den ersten Schlag.«

Ich ziehe einen Schmollmund, stoße ein »Hm« aus und sage nichts weiter dazu. »Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen muss?«

»Ja, der Geschäftspartner deiner Tante möchte den Erben kennenlernen.«

»Sie hatte einen Geschäftspartner?«, frage ich verdutzt. »Ich weiß nur von einem Bekannten, der nach ihrem Tod die Führung übernommen hat.«

»Hatte sie, aber dabei ging’s nicht um den Laden, sondern um etwas Anderes. Vielleicht will er das Geschäft mit dir weiterführen«, sinniert er, anschließend schüttelt er den Kopf. »Soll ich dir deine Wohnung zeigen?«

»Du meinst sicher Maes Wohnung, oder?«

»Maes alte Wohnung, jetzt gehört sie dir, aber ich finde, dass sie frischen Wind vertragen kann.«

»Was soll das heißen?«

»Deine Tante stand auf Kitsch.«

Abermals reiße ich die Augen auf. Jetzt mache ich mich wirklich auf das Allerschlimmste gefasst. Wenn sie Porzellankätzchen oder etwas in der Art gesammelt hat, werde ich mich freuen, die Sachen einzumotten und auf dem Dachboden verschwinden zu lassen. Wegwerfen oder zerstören will ich nichts, denn ihr haben diese Dinge etwas bedeutet. Nachdem Carlos mich in die Wohnung geführt hat, staune ich nicht schlecht, denn mit Porzellankätzchen - und Hummel Figuren – lag ich goldrichtig. Sie wegzuwerfen wäre allerdings respektlos. Ich könnte die Sachen verschenken, denn andere freuen sich garantiert über ihren Kitsch. Gut, bei den Hummel Figuren werde ich mich vorher informieren, ob sie wertvoll sind, denn ich weiß, dass verschiedene Exemplare bei Sammlern sehr hoch im Kurs stehen und augenscheinlich hatte Tante Mae auch eine Leidenschaft für die Figuren. Ich finde sie gruselig. Sehr sogar. »Gibt’s hier irgendwo Kisten?«

»Im Keller.«

»Gut, dann sollte ich mir welche holen, um diese angsteinflößenden Figuren wegzuräumen«, sage ich nachdenklich.

Carlos schnaubt amüsiert. »Mae fand sie süß und sagte immer, dass die Hummel Figuren ihr das Gefühl einer heilen Welt in ihrer zerstörten Wirklichkeit vermitteln.«

»Wie kam sie überhaupt dazu, ein Bordell zu eröffnen?«, erkundige ich mich.

»Sie wollte der Prostitution auf den Straßen entgegenwirken, denke ich, viele Frauen versuchen, ihren Lebensunterhalt draußen zu verdienen, geraten an Zuhälter und werden knallhart abgezockt, das gibt’s hier nicht. Mae hat sich von den Mädchen eine Miete für ihre Arbeitsräume und die Wohnungen bezahlen lassen, außerdem mussten sie sich immer an den Kosten für die Pariser beteiligen, den Rest durften sie behalten.«

»Wahrscheinlich blieb nie besonders viel übrig, oder?«

»Doch, sie haben nun bessere Leben als vorher.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Also rein theoretisch vermiete ich ihnen bloß ihre Arbeitsräume, die Wohnungen und sorge immer für Präservativnachschub?«

»Und Alkoholnachschub, an der Bar wird eine Menge Umsatz gemacht.«

»Okay. Wann macht der Laden auf?«

Carlos wirft einen Blick auf seine Uhr. »In einer knappen halben Stunde.«

Ich schaue auf mein Handy. »Um fünf?«

»Jipp.«

»Gibt’s bis dahin noch etwas zu tun?«, möchte ich wissen.

»Vielleicht solltest du dich umziehen, denn du bist zu zugeknöpft und dich wird niemand ernst nehmen, wenn du dich wie eine verklemmte Prüderella kleidest.«

Perplex schaue ich an mir herunter. »Ich bin keineswegs wie eine verklemmte Prüderella gekleidet.«

»Aber auch nicht wie die Besitzerin eines Szenepuffs.«

»Ah ja und wie kleidet sich so jemand?«

»Komm mit.« Er ergreift meine Hand und führt mich zu Maes Kleiderschrank. »Deine Tante hatte den gleichen Körperbau wie du, allerdings nicht ganz so viel Oberweite, trotzdem bin ich mir sicher, dass dir etwas von ihren Sachen passt.« 

»Hast du mir auf die Brüste geguckt?«

»Berufskrankheit«, erwidert Carlos grinsend. Er öffnet die großen Schwingtüren und holt eine rote Corsage sowie eine Lederhose heraus. »Das dürfte für den ersten Abend reichen.«

»Das hat mehr etwas von einer Domina als einer Bordellbesitzerin.«

»Tja, Mae hat gern Eindruck gemacht.«

»Wie alt war sie eigentlich?«

»Vierunddreißig.«

Sie war nur zehn Jahre älter als ich. Ich kann mich kaum bis gar nicht an sie erinnern und das, woran ich mich noch entsinnen kann, zeigt sie mir als erwachsene Frau, jedoch weiß ich nicht, ob es sich dabei wirklich um sie handelt. Ich habe an meinem achtzehnten Geburtstag das letzte Mal etwas von ihr gehört. Wir haben telefoniert und sie klang so, als wäre sie im Alter meiner Mom gewesen. Mom wurde nur sechsundvierzig, trotzdem ging ich davon aus, dass Tante Mae nicht wesentlich jünger als sie gewesen ist. Ich finde es traurig, dass ich nie ein engeres Verhältnis zu ihr hatte, denn Virgil und ich verloren unsere Eltern früh, nach dem Unfall wurden wir von unseren Großeltern mütterlicherseits aufgenommen, doch die hatten nie Kontakt zu Mae. Auch haben sie nie über sie gesprochen, vermutlich wegen ihrer Berufswahl, allerdings kann ich das nicht beschreien.

»Geschockt?«

»Nein, ja ... Irgendwie schon, immerhin war sie viel zu jung zum Sterben. Außerdem kannte ich sie kaum, weshalb es mich wundert, dass sie mir ihr Vermögen vermacht hat. Ich verstehe es nicht, denn es gibt sicher eine ganze Menge Leute, die sich besser geeignet hätten, um dieses Etablissement zu führen«, antworte ich gedankenverloren. Seit ich Mr. Porters Schreiben erhalten habe, fahren meine Gefühle Achterbahn. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich mich freuen oder in Grund und Boden schämen soll, weil ich ein Bordell geerbt habe.

»Gib dem Laden eine Chance. Er war Maes Baby und vielleicht wird es dir genauso gehen. Wenn nicht, kannst du ihn immer noch verkaufen oder mir oder Dante überlassen.« Carlos grinst mich spitzbübisch an.

Ich lache leise. »Mal sehen, wie es laufen wird. Ich hoffe nur, dass sich hier keine Verbrecher die Klinke in die Hand geben.«

»Nein, Verbrecher kommen nicht her, darüber musst du dir keinen Kopf machen, Scarlett.«

Da ich einmal mehr nicht weiß, wie ich reagieren oder was ich sagen soll, nicke ich.

Carlos sieht auf meine Füße. »Du solltest noch andere Schuhe tragen. Sneaker vertragen sich weniger gut mit Lederhosen und Corsage.«

Lachend schüttle ich den Kopf. »Ich glaube kaum, dass Mae auch noch die gleiche Schuhgröße wie ich hatte.«

»Na ja, da du fast genauso aussiehst wie sie in jüngeren Jahren, keine besonders großen Treter an den Füßen hast, und deine Figur ihrer sehr ähnlich ist, würde ich einen Versuch wagen.«

»Und welche Schuhe soll ich anziehen?«, hake ich nach.

»Vielleicht schwarze Sandalen.« Er hebt einen Finger, dreht sich um und lässt mich stehen. »Hier ist ihr Schuhschrank und dieses Paar meinte ich.« Er wendet sich mir zu und hält ein Paar schwarze Riemchensandalen nach oben. »Welche Schuhgröße hast du?«

»Achtunddreißig.«

Er wirft einen Blick auf die Schuhe. »Perfekt, das hier ist Größe achtunddreißigeinhalb, versuch sie mal.« Carlos überlässt mir das Paar. »Ich lasse dich jetzt alleine und trommle die Mädchen zusammen, damit du dich ihnen vorstellen kannst, bevor wir aufmachen. Du solltest irgendwas mit deinen Haaren und deinem Make-up anstellen, im Moment siehst du nicht wie eine gestandene Frau aus, die sich zutraut, diesen Bumsschuppen zu führen.«

Ich schlucke das Lachen herunter. »Ich werde mir Mühe geben.«

»Sehr gut, wir sehen uns gleich im Gastraum, den ich dir vorhin gezeigt habe.«

»Alles klar.« Ich schaue Carlos hinterher und atme tief durch, nachdem ich gehört habe, dass die Tür ins Schloss gefallen ist. Als endlich Leben in meinen Körper gekommen ist, schaue ich mir das Outfit an, das er mir ausgesucht hat, doch finde ich es zu offenherzig. Ich gehe noch einmal an Maes Kleiderschrank und suche nach einer Strickjacke oder einem Blazer, finde letztlich eine Jeansjacke, die ich heraushole.

* * *

Nachdem ich mich mühsam in die Lederhose und die Corsage gezwängt habe, fühle ich mich, als hätte man mich in die Stücke hineingeschossen. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Hose so verdammt eng sein kann, aber glücklicherweise weitet sich Leder beim Tragen ein wenig. Die Corsage ist auch nicht besser, sie drückt meinen Busen nach oben, sodass er beinahe herausquillt, und ich bekomme nur schwer Luft. Bauchatmung kann ich vergessen. Ich betrachte mich im Spiegel, mustere mein Spiegelbild von allen Seiten, dann seufze ich mit einem Blick in meine grünen Augen, die mir aus der Reflexion entgegenblicken. »Ich sehe lächerlich aus.«

Während ich überlege, wieder meinen Rock und meine Tunika anzuziehen, klopft es an der Tür. »Scarlett?«

Ich drehe mich um, sehe Carlos an. »Ja?«

Er reißt die Augen auf. »Wow.«

»Danke«, erwidere ich leise, dabei steigt Hitze in meine Wangen, die mich erröten lässt. »Sehe ich wirklich gut aus?«

»Du siehst absolut heiß aus.« Er betrachtet mich eingehender. »Jetzt fehlt nur noch ein passendes Make-up.«

»Und wie soll das aussehen?«

»Verrucht.«

Meine Augenbraue flippt in die Höhe. »Wie soll ich mich bitte verrucht schminken?«

»Smokey Eyes oder so. Mae war immer wie ein Vamp geschminkt.«

»Ich bin nicht Mae, ich bin Scarlett.«

»Ist mir klar, deshalb trag einfach ein bisschen mehr auf, aber nicht so, dass du wie ein Clown aussiehst«, erwidert er gut gelaunt.

Ich seufze schwer. »Ich denke, das bekomme ich hin.«

»Gut.«

»Warum bist du überhaupt hergekommen?«, möchte ich wissen, da ich bezweifle, dass er gekommen ist, um mir Make-up Tipps zu geben.

»Ich wollte dir Bescheid sagen, dass sich die Mädchen unten versammelt haben und auf dich warten.«

»Okay, ich bin in zehn Minuten da.«

Er nickt knapp. »Alles klar.« Anschließend lässt er mich wieder allein.

Ich habe anthrazitfarbenen Lidschatten gewählt, außerdem Eyeliner, Kajal, Mascara und blutroten Lippenstift, weshalb ich mir vorkomme, als hätte man meine ohnehin schon vollen Lippen aufgespritzt. Ich fühle mich in diesem Aufzug wenig selbstbewusst, aber heute werde ich diese Scharade durchziehen. Meine langen roten Locken trage ich offen, denn noch strenger will ich nicht aussehen. Ich meine, ich bin vierundzwanzig und will nicht den Eindruck vermitteln, eine Domina zu sein. Ein wenig erinnert mich mein Outfit an die Damen, die in diesem Beruf tätig sind. Zugegeben nicht nur ein wenig, mir fehlt nur noch eine Peitsche und ich wette, einige devote Männer würden Schlange stehen, um sich von mir erniedrigen und versohlen zu lassen. Ich schiebe das Kopfkino beiseite, nicke meinem Spiegelbild zu, dann wende ich mich davon ab. Erhobenen Hauptes mache ich mich auf den Weg nach unten, um die Mädchen kennenzulernen, die ab sofort für mich arbeiten. Ich bin froh, dass ich auf den hohen Sandalen laufen kann, denn normalerweise verzichte ich auf halsbrecherisch hohe Absätze, da ich mit einssiebzig schon recht groß bin.

»Hi, Leute«, sage ich in die Runde, als ich den Gastraum betrete. Als ich vor ihnen stehe, zwinge ich mich zu einem Lächeln, doch erreicht es meine Augen nicht. »Mein Name ist Scarlett Crane, ich bin Mae Malcolms Nichte und ab sofort die Eigentümerin dieses …«

»Puffs«, sagt eine von ihnen trocken.

»Danke … Jedenfalls würde ich mich freuen, wenn hier alles so weitergeht wie bei Mae, da ich mich erst mal einarbeiten und mir einen Überblick verschaffen muss. Wenn ihr Fragen habt, stehe ich euch jederzeit zur Verfügung.«

»Haben wir die gleichen Konditionen wie bei Mae?«, möchte eine von ihnen wissen.

Ich nicke knapp. »Habt ihr, alles Weitere wegen eurer Löhne klären wir, wenn ich die Bücher gesehen habe, okay?«

Ein Raunen geht durch die Runde. Gut fünfzehn Frauen stehen und sitzen vor mir. Bestimmt sind sie kaum älter als ich, möglicherweise in meinem Alter … und ich? Ich habe Mitleid mit ihnen, weil sie diesen Beruf ausüben. Ob sie es müssen oder wollen ist dabei zweitrangig. Ich könnte meinen Körper nicht verkaufen, aber im Moment geht es mir auch zu gut, um nach diesem allerletzten Strohhalm zu greifen. Vielleicht würde ich es tun, wenn ich keine andere Wahl hätte, ich weiß es nicht. Ich verurteile die Frauen nicht, denn ich kann mir nicht ansatzweise vorstellen, was sie dazu bewogen hat, Prostituierte zu werden. »Ihr habt weiterhin die gleichen Vorteile wie bei Mae, alle behalten ihre Jobs und ich habe gehört, dass der Laden einen eigenen Sicherheitsdienst hat, wisst ihr, wo die Männer stecken?«

Carlos räuspert sich. »Die kommen immer erst ein paar Minuten, bevor wir öffnen. Sie sind mir unterstellt und vertrauenswürdig.«

»Okay.«

»Sollen wir Sie duzen oder mit Ms. Crane ansprechen?«, fragt eine der Frauen.

»Ich bin Scarlett, ihr könnt auch Scar sagen und mich duzen«, erwidere ich freundlich. »Wer zeigt mir Maes Büro?«

»Willst du gar nicht wissen, wie wir heißen?«, hakt eine von ihnen nach.

»Doch, aber ich werde mich noch mit jeder von euch unterhalten, dann kann ich mir eure Namen besser merken, als jetzt, wenn ich fünfzehn auf einmal höre.«

»Oh okay.«

Ich lächle in die Runde. »Gut, dann legen wir mal los.« Ich lasse meinen Blick schweifen. »Wer arbeitet an der Bar?«, frage ich noch.

»Damit wechseln wir uns jeden Abend ab«, sagt eine.

»Wer ist heute dran?«

»Cindy«, antwortet eine der Frauen und eine weitere erhebt sich. »Das bin ich.«

»Alles klar.« Ich wende mich von ihnen ab und gehe auf die Tür zu, auf der dick Büro – Zutritt nur für Mitarbeiter steht, mit einem Schlüssel, den ich von Mr. Porter erhalten habe, verschaffe ich mir Zutritt zu dem kleinen Raum. »Oh Fuck«, stoße ich aus, als ich das Chaos auf dem Schreibtisch sehe. »Das gibt’s doch nicht.« Überall liegen Ordner, Unterlagen sind auf dem Boden verteilt.

Warum ist hier eine Bombe eingeschlagen?

Hat jemand das Büro durchsucht?

Ich dachte, ich sei die Einzige, die einen Schlüssel und somit Zugang zu diesem Raum hat. »Gottverdammt, Mae, was ist hier passiert?«, frage ich in die Stille, die mich umgibt. »Ich sollte dringend aufräumen.« Kurzerhand gehe ich auf die Knie und fange an, die Unterlagen einzusammeln. Ich glaube, ich will lieber nicht erfahren, was hier passiert ist. Vielleicht hat Mae dieses Chaos zu verantworten und niemand ist hier eingedrungen. Möglicherweise sehe ich Gespenster, weil ich weiß, dass meine Tante ermordet wurde.

* * *

Eineinhalb Stunden später krabble ich immer noch über den Boden. Ich habe Papiere aus allen möglichen Ecken geholt und sie fein säuberlich gestapelt, gleich werde ich sie durchgehen und sortieren.

Plötzlich fährt ein scharfer Schmerz durch meine Pobacke, weshalb ich hochrucke. »Scheiße!«, fluche ich, als ich mir deshalb den Kopf an der Schreibtischplatte über mir stoße. Ich krabble unter dem Tisch hervor, knie mich hin und schaue hoch. Statt loszuwettern, wie ich es normalerweise tun würde, schlucke ich, da mir die Worte fehlen. Vor mir steht ein gut gebauter Mann mit schwarzen Haaren, die akkurat mit Wachs nach hinten gekämmt wurden. Seine Augen sind dunkelbraun, beinahe schwarz.

»Habe ich Sie erschreckt?«, fragt er und seine rauchige Stimme jagt mir einen Schauer über den Rücken. Er klingt unglaublich heiß, außerdem rollt er das R, was eine ungeheuer anziehende Wirkung auf mich hat.

»Ein wenig«, gebe ich zu und komme auf die Beine. »Wer sind Sie und wie kann ich Ihnen helfen?«

Sein Mundwinkel zuckt verdächtig. »Mein Name ist Dante El Rey, ich war der Geschäftspartner von Mae.«

Ich nicke knapp. »Freut mich, Señor El Rey.« Ich strecke meine Hand zum Gruß aus, er ergreift sie, doch schüttelt er sie nicht, sondern dreht sie mit meinem Handrücken nach oben, dann haucht er einen sanften Kuss darauf. Mich lässt es erröten.

»Ganz meinerseits, Miss.«

»Scarlett Crane«, bringe ich mühsam hervor. »Sie waren also der Geschäftspartner meiner Tante?«

»Ihrer Tante?«, hakt er nach. »Mae war Ihre Tante?« Er wirkt aufrichtig verwirrt.

»Ja, das war sie.«

»Mein herzliches Beileid zu Ihrem Verlust.«

»Danke.« Ich deute auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. »Setzen Sie sich doch.«

»Ich stehe lieber.«

»Na gut.« Ich gehe hinter den Schreibtisch und nehme auf dem Ledersessel Platz. »Was führt Sie her, außer mir auf den Hintern zu hauen als sei ich Freiwild?«

Abermals zuckt sein Mundwinkel. »Ich wollte Maes Nachfolgerin kennenlernen, nachdem Carlos mich darüber informiert hat, dass Sie heute angekommen sind.«

»Das haben Sie nun.«

»Richtig.« Er setzt sich nun doch und betrachtet mich. »Ihre Tante und ich haben zusammengearbeitet und ich habe mich nach Ihrem Ableben um das Amor cielo gekümmert.«

»Das weiß ich, aber was hat das mit mir zu tun?«

»Ich darf die Kellerräume des Etablissements für meine Geschäfte nutzen, dafür zahle ich Ihnen Miete und eine Rendite, wenn Sie ebenfalls damit einverstanden sind.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Handelt es sich dabei um legale Dinge?«

»Es ist besser, wenn Sie so wenig wie möglich wissen.«

Die zweite folgt der ersten Braue. »Ist das Ihr Ernst?«

»Ja, ist es.« Dante sieht mich an und ich habe das Gefühl, dass ein Feuer in seinen dämonisch dunklen Augen wütet. »Es ist nichts, worüber Sie sich Ihren wunderschönen Kopf zerbrechen müssen. Ich werde Ihnen keine Probleme bereiten.«

»Es handelt sich hoffentlich nicht um Drogengeschäfte, oder?«, hake ich nach, denn ich will nicht nachgeben, damit er ohne mein Wissen irgendwelche zwielichtigen Aktionen in meinem Lokal durchziehen kann. Ich habe keine Lust, in ein mexikanisches Gefängnis zu wandern, denn die haben keinen besonders guten Ruf. Im Gegensatz zu den hiesigen Vollzugsanstalten bieten jene in den USA wahren Luxus. Ich würde es vorziehen, dort in den Knast zu gehen, statt in einem mexikanischen zu verrotten.

Daraufhin schüttelt er den Kopf. »Natürlich nicht, Señora Crane, darüber müssen Sie sich keine Gedanken machen. Ihnen droht keinerlei Gefahr durch die Polizei oder andere Behörden.«

Ich hole tief Luft. »Ich werde darüber nachdenken.«

»Kann ich Sie nicht zu Ihrem sofortigen Einverständnis überreden?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein, ich werde erst mal gründlich darüber nachdenken, Señor El Rey.«

»Señora Crane, ich versichere Ihnen, dass ich dort unten bloß zwei der vier Räume nutze, die Mae mir überlassen hat. Zu diesen Räumlichkeiten hat niemand, außer mir und meinen Männern, Zutritt.«

Ich schnaube. »Ich hoffe, ich habe Zutritt zu meinen eigenen Räumen?«

Ein weiteres Kopfschütteln. »Mae mischte sich nicht in meine Angelegenheiten ein, dasselbe empfehle ich Ihnen.«

»In Ordnung, dann bitte ich Sie, mir die Schlüssel auszuhändigen, bis ich über Ihre Bitte nachgedacht habe.«

Dante erhebt sich, kommt um den Schreibtisch herum und zieht meinen Stuhl nach hinten. Er dreht ihn, dann beugt er sich zu mir runter, seine Hände liegen auf meinen, die wiederum auf den Armlehnen liegen. Es ist schmerzhaft, dass er sich auf ihnen abstützt, doch verziehe ich keine Miene. »Señora Crane, ich gebe Ihnen einen gutgemeinten Rat: Legen Sie sich nicht mit mir an. Ich bin genau das, was mein Nachname sagt.«

»Und was sagt der?«, frage ich defensiv. Scheiße! Jetzt weiß er, dass er mir Angst einjagt!

»Ich bin der König der Stadt. Man behelligt mich nicht; man erpresst mich nicht; man lässt mich mein Ding durchziehen und man kommt mir nicht in die Quere. Es wäre besser für Sie, wenn Sie mir die Räume weiterhin zur Verfügung stellen, dafür werden Sie entlohnt und haben Ihre Ruhe, sonst werden hier demnächst leider ein paar zwielichtige Gestalten Einzug halten und Ihre Mädchen vergewaltigen. Haben wir uns verstanden?«

»Sie wollen meine Mädchen vergewaltigen lassen?«

»Nein, ich bin derjenige, der verhindert, dass es passiert. Vertrauen Sie mir, dann helfe ich Ihnen, misstrauen Sie mir und die Probleme werden sich häufen, haben wir uns nun verstanden?«

Ich verziehe das Gesicht, als er den Druck auf meine Hände erhöht.

»Was sagen Sie, Señora Crane?«

»Wir haben uns verstanden.«

»Erlauben Sie mir, weiterhin die beiden Räume zu nutzen?«

Ich nicke hektisch. Hauptsache, der Druck wird von meinen Händen genommen, denn ich habe das Gefühl, dass meine Knochen jeden Moment unter seinem Gewicht nachgeben.

»Sehr gut, dann werde ich nun meinen Geschäften nachgehen und dafür sorgen, dass die Sicherheitsleute auf ihren Posten bleiben.« Er richtet sich auf. »Sollte es Probleme geben, schicken Sie Carlos zu mir, ich werde dann augenblicklich zu Ihnen kommen.«

»Okay«, sage ich leise und reibe meine Hände. Herrgott, ich wusste nicht, dass es so schmerzhaft sein kann, wenn sich jemand auf die Hände eines anderen stützt.

»Ich denke, wir beide werden uns gut verstehen und keine Probleme miteinander bekommen«, erwidert er, als sei überhaupt nichts vorgefallen, dabei schnippt er einen imaginären Fussel von seinem weißen Anzug.

»Mhm«, gebe ich von mir, dabei nicke ich knapp und weiche seinem kühlen Blick aus.

»Zur Feier des Tages sollten wir später miteinander anstoßen, nicht wahr?«

»Mal sehen. Ich weiß nicht, ob ich bis Feierabend hierbleibe.«

»Das sollten Sie, denn jemand muss aufpassen, dass die Freier nicht die Zeche prellen.«

»Kommt das etwa vor?«

»Manche versuchen es, besonders oft sind es die Touristen.«

»Na klasse«, stoße ich frustriert aus. Das wird immer besser und ich habe nun noch weniger Lust, diesen Laden zu führen.

»Also dann, ich werde zu Ihnen kommen, wenn ich meine Angelegenheiten erledigt habe, damit wir miteinander anstoßen.« Dante zwinkert mir zu, anschließend verlässt er das Büro.

Ich sehe ihm nach. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, atme ich auf. »Was ist das nur für ein Kerl?«, frage ich mich leise. Er hat mich das Fürchten gelehrt und ich wette, er wird ausnutzen, dass ich Angst vor ihm habe. Hoffentlich gehört er nicht zu dem Typ Mann, der Frauen schlägt, wenn er seinen Willen nicht bekommt. Andererseits bezweifle ich es, denn es wäre ein Leichtes für ihn, mir eine reinzuhauen und mich in der mexikanischen Wüste zu verscharren. Ich sollte aufhören, mir derlei Horrorszenarien auszumalen und Aidan anrufen oder noch besser: Mason und Laura, damit sie schnellstmöglich zu mir nach Tijuana kommen. Sie würden mich sicher nicht hängenlassen, wenn ich ihnen mitteile, dass ich mich bedroht fühle. Andererseits würden sie Aidan informieren, der mich augenblicklich nach Hause holen würde, damit mir bloß nichts geschieht. »Bleib locker, Scar, hier wird dir nichts passieren. Carlos passt auf dich auf und du bist nicht wie Mae in den übleren Gegenden unterwegs.« Kalter Schweiß steht auf meiner Stirn und ich weiß nicht, ob es klug ist, das Bordell zu behalten. Vielleicht sollte ich Dante fragen, ob er es übernehmen und mir die Immobilie abkaufen würde. Oder ich lasse es lieber, denn ich möchte so wenig Kontakt wie möglich zu diesem Mann haben. Ich sollte Carlos bitten, ihn von mir fernzuhalten, auch wenn er dafür seine Aufgaben an der Tür vernachlässigen muss.

* * *

Nachdem ich die Unterlagen geordnet habe, brummt mein Schädel.

---ENDE DER LESEPROBE---