Electri_City - Rudi Esch - E-Book

Electri_City E-Book

Rudi Esch

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Beschreibung

So wie New Orleans für Jazz und Blues gilt das Düsseldorf der 1970er und 80er als Mekka der elektronischen Popmusik. Hier schraubte »Kraftwerk« im legendären Klingklang-Studio an Klassikern wie »Autobahn« oder »Wir sind die Roboter«, hier schuf »Neu!« den Motorik Beat, hier brachte »DAF« den Sequenzern das Schwitzen bei. Und je größer der Abstand, nach Kilometern wie nach Jahren, umso mythischer erscheint der Ort. Rüdiger Esch, selbst Düsseldorfer und als Mitglied von »Die Krupps« Teil der Szene, beleuchtet deren Entwicklung von den Anfängen um 1970 bis zum Ende der analogen Phase um 1986. Und zwar sowohl von innen, als Spur aus exklusiven O-Tönen ihrer Protagonisten wie Wolfgang Flür (»Kraftwerk«), Bodo Staiger (»Rheingold«), Gabi Delgado (»DAF)«, Jürgen Engler (»Die Krupps«), Ralf Dörper (»Propaganda«), wie zugleich von außen, in exklusiven Statements von Giorgio Moroder, Ryuichi Sakamoto, Andy McCluskey (»OMD«), Martyn Ware (»The Human League«), Glenn Gregory (»Heaven 17«) u. v. a. nebst Dokumenten aus der Rezeptionsgeschichte. So wird sowohl die Wirklichkeit des Mythos wie die Wirklichkeit hinter dem Mythos sichtbar, die Weltmetropole des Modernismus genauso wie das Dorf in Düsseldorf.

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So wie Memphis für den Rock ’n’ Roll gilt Düsseldorf als Mekka der elektronischen Musik. Hier tüftelte Kraftwerk im Kling Klang Studio an Klassikern wie Autobahn und Wir sind die Roboter. Hier brachte DAF den Sequenzern das Schwitzen bei. Neben Charterfolgen wie Das Modell oder Dr. Mabuse waren es Szenehits wie Der Mussolini und Wahre Arbeit – Wahrer Lohn, die Düsseldorf schlagartig bekannt machten.

In Electri_city werden die Anfänge der elektronischen Musik erzählt – von denen, die sie geschaffen und erlebt haben. Rüdiger Esch, als Mitglied von Die Krupps selbst Teil dieser virulenten Szene, beleuchtet die Entwicklung von den Anfängen bis zum Ende der analogen Phase. Er folgt der Spur derer, die diese Ära erlebt und geprägt haben. Und derer, die von ihr maßgeblich beeinflusst wurden: Bands wie OMD, Heaven 17, Visage oder Ultravox. Sie alle bezogen sich auf die Pioniere der elektrischen Stadt, bevor sie selbst Botschafter der neuen Musik wurden.

In dieser Oral History wird die Wirklichkeit des Mythos sichtbar und die Wirklichkeit hinter dem Mythos, die Weltmetropole des Modernismus genauso wie das Dorf in Düsseldorf.

Rüdiger Esch, geboren im August 1966 in Düsseldorf, erfuhr eine frühe musikalische Sozialisation durch das Geschwister-Scholl-Gymnasium und den Ratinger Hof. Er studierte Philosophie und spielte 1986/87 gemeinsam mit Klaus Dinger in dem Bandprojekt, das La Düsseldorf und Neu! nachfolgen sollte. Seit 1988 Bassist der Elektronikband Die Krupps; er ist Mitglied der Punkband Male und Gründer des Studioprojekts MakroSoft. Arbeitet als Autor und Music Consultant und lebt mit seiner Familie auf Graceland im Süden von Düsseldorf.

www.facebook.com/Electri.city.esch

RÜDIGER ESCH

ELECTRI_CITY

ELEKTRONISCHE_MUSIK AUS_DÜSSELDORF 1970-1986

Mit einem Vorwort von Wolfgang Flür

Mit zahlreichen Abbildungen

Suhrkamp

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2014

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des

suhrkamp taschenbuchs 4464

Originalausgabe

© Suhrkamp Verlag Berlin 2014

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar.

Umschlag: Dirk Rudolph

ISBN 978-3-518-73468-1

www.suhrkamp.de

Inhalt

Intro

Prelude

7071727374757677787980818283848586

Reprise

Anhang

Die Menschen

Die Maschinen

Danksagung

Textnachweise

Editorische Notiz

Bildnachweise

Erweitertes Inhaltsverzeichnis

Es lebe unsre Welt.

Die Liebe und das Leben.

Es lebe unsre Welt.

Terra nostra – Viva!

La Düsseldorf, VIVA Düsseldorf 1978

Gewidmet den Toten.

Dem musikalischen Weggefährten, Klaus Dinger,

und meinem lieben Vater, Walter Esch.

Sowie denen, die Graceland täglich zu einem Ort der Ruhe,

der Liebe und des Friedens machen.

Anschi und Cosi, Leon und Lia.

INTRO

ELECTRI_CITY – die elektronische Stadt – das ist Düsseldorf.

Es ist ein globaler Mythos, der von Detroit bis Tokyo, von London bis Madrid, musikalisch immer Düsseldorf als Ursprung elektronischer Musik benennt. Hier an der kleinen Düssel fing es an. Hier ist die Quelle der elektronischen Musik. So wie die Düssel in den Rheinstrom mündet, so entstanden bald aus kleinen Quellen der Inspiration gewaltige neue Strömungen der neuzeitlichen Musik. Analog zum Namen Düssel, der etymologisch »brausen, rauschen, tosen« bedeutet, war ein Brausen und Rauschen sehr wohl auch in unseren ersten Elektroklängen zu vernehmen. Gefolgt von einem ungeheuerlichen Tosen, welches in der Musikwelt losbrach, als wir unsere musikalischen Ideen nur noch in rein elektronischer Form und in nüchtern gestalteten Plattencovern auf den Markt brachten. Also seit der Veröffentlichung von Autobahn im Jahre 1974, in Worten: Neunzehnhundertvierundsiebzig, vor einer halben Ewigkeit.

Der Rhein, der magische Strom, dessen Ufer um Düsseldorf stark besiedelt und industrialisiert sind, dient als Anziehung und Antrieb zugleich. Eine enorme Schaffenskraft scheint von ihm auszugehen; und wie sich sein Flussbett verbreitert und er in die Nordsee mündet, so verbreiteten sich die Strömungen, die besagten Mythos nährten: Industrial, Synthiepop, EBM, Techno, House, Electronica, Ambient, Drum’n’Bass, Trip-Hop, Jungle, Dubstep. Immer eine Musik, die tanzbar bleibt und konventionelle Songstrukturen über Bord wirft. Basierend auf unserer eigenen Musik, die die Technik und den noch zu erfindenden Computer in den Mittelpunkt rückte, den Musiker zum Künstler und den Technokraten zum Popstar machen konnte. Es klingt selbst für mich, der ich dabei gewesen bin, ziemlich unglaublich, fast wie ein modernes Märchen; aber in unseren Proberäumen, Studios und WGs entstand der Sound, der um die Welt gehen sollte.

Es war schon eine fantastische Zeit, in der alles möglich schien. Mit den ersten Synthesizern kamen Instrumente auf den Markt, die nach neuen Wegen in der Musik verlangten. Du musstest keine musikalische Ausbildung mehr genossen haben, um sie zu bedienen, und eine musikalische Virtuosität wurde bestenfalls durch einen tüftlerischen Wissensdurst ersetzt. Plötzlich konnte jeder Musik machen. Dies hatte einerseits großen Einfluss auf unser Selbstverständnis und die Musik, aber uns andererseits auch den Ruf der Knöpfchendreher eingebracht. Obwohl es nach wie vor großartige Musiker auch in unseren Reihen gab. Ob wir uns bewusst waren, was wir damit in Bewegung setzten? Ich glaube kaum. Tatsache ist, dass eine kleine Gruppe von Leuten, völlig unabhängig voneinander, nur aus dem gleichen Umfeld, der gleichen Stadt kommend, versuchte, etwas völlig Neues zu kreieren. Wir haben bewusst angefangen mit der Musik der Alliierten zu brechen und eine europäische Identität zu suchen. Wir wollten der angloamerikanischen Musikübermacht etwas entgegensetzen, das so erschreckend deutsch sein würde, dass man uns dafür geliebt hat. Das war ein komisches Gefühl.

Es waren die Tage des Krautrock, der kosmischen Musik, des Progrock und der Elektronikpioniere in München, Berlin und Düsseldorf. Es waren die Tage der Außerparlamentarischen Opposition, der olympischen Sommerspiele und der Kaufhausbrände; der langen Haare, psychedelischen Drogen und Anti-Baby-Pillen. Die Tage der Studenten, Revolten und Aufstände; Tage mit Uschi Obermaier, Amon Düül, Benno Ohnesorg und Cluster oder Can. Der Baader-Meinhof-Gruppe, Bowie, Böll, Fassbinder und Visconti – eine aufregende Zeit zwischen Mogadischu, Mao und dem Mahavishnu Orchestra … und dazwischen wir, Ralf, Florian, Karl und ich, die wir langsam kurzhaariger und zunehmend selbstbewusster wurden, die wir vor allem das Unmögliche taten: uns Anzüge kauften und Krawatten umbanden.

So machten wir den größtmöglichen Eindruck in England und auch auf unserer Amerikatournee im Jahre 75. Natürlich war das Publikum ein wenig verstört von dem, wie wir uns dort auf der Bühne präsentierten, so fernab jeglicher Rockklischees, aber alles in allem waren wir überrascht, wie gut wir vier Krauts im fernen Ausland ankamen. So wie die Amerikaner den Rock ’n’ Roll, den Swing und Blues zu uns gebracht und die Jugend fieberhaft angesteckt hatten, hatte unsere Musik ganze Generationen von englischen Musikern infiziert: Ultravox, OMD, Joy Division, Human League, Heaven17, Depeche Mode, Visage, Gary Numan, ja selbst David Bowie war nach eigenen Angaben geprägt und inspiriert von Bands wie Kraftwerk, Neu! oder La Düsseldorf.

Hiermit erscheint zum ersten Mal ein Buch, das nicht allein von Kraftwerk als den elektronischen Heilsbringern, sondern von Düsseldorf als Wiege der elektronischen Musik erzählt. Mir als ehemaligem Musiker des elektronischen Quartetts schmeichelte die verkürzte Formel, die elektronische Musik aus Düsseldorf immer schnell mit Kraftwerk gleichsetzte; und sicherlich waren Kraftwerk wichtig und zentral, aber es gab auch ein Davor und ein Dagegen, ein Drumherum und ein Danach, vom Drunter und Drüber ganz zu schweigen! Hier gab es Musiker wie Klaus Dinger und Michael Rother, Eberhard Kranemann, Wolfgang Riechmann und Bodo Staiger, Bands wie Rheingold, DAF, Liaisons Dangereuses, Propaganda und all die anderen – und es gab vor allem Conny Plank, der viele von ihnen entdeckt und sie fast alle produziert hat. Deshalb führen die Spuren nicht nur ins Kling Klang Studio, sondern auch nach Wolperath, ins Weserbergland, nach Wuppertal, in den Ratinger Hof und in die weite Welt. Hierin geht es um den Tenor einer Stadt, um ein elektronisches Lebensgefühl und um die Bands der nachfolgenden Generation, die selbstbewusst ihre Sequenzer gegen uns richteten und so kraftvolle Musik machten, dass bald jeder von ihnen sprach: DAF, Der Plan und Die Krupps.

Rüdiger Esch ist diesen verzweigten, teils verzwickten Spuren erstmals umfassend gefolgt. Er dokumentiert die Geschichte der elektronischen Musik von ihren Anfängen um 1970 bis zum Ende der analogen Phase gegen Ende 86. Er erzählt keine einzelnen Bandgeschichten. Hier wird die Geschichte einer Stadt in einem vielstimmigen Kanon inszeniert. Es ist nur folgerichtig, dass er sie von denen erzählen lässt, die sie geschaffen und erlebt haben. Wir treffen die offensichtlichen und die geheimen Helden, die Visionäre und die Macher, die Feingeister, Freidenker, Großmäuler und Rocker. Die Pioniere, Tüftler, Dandys, Fans und heiligen Irren – alles bunt durchmischt, teils quer durch einzelne Personen.

Wie immer bei Mythen mischt sich viel Wahres mit viel Erfundenem, vieles Authentische mit maßloser Übertreibung. Hier seziert Esch ganz genau. Wirkten Bands aus Düsseldorf zu ihren besten Zeiten, und aus der Ferne betrachtet, übermächtig, so wird unter dem Brennglas eine jede auf ein vernünftiges Maß reduziert. Es geht auch um die kleinen Geschichten, die, ob der Gegenwart des Mystischen, oft zu verblassen drohen. Wahrscheinlich liebt der Düsseldorfer die große Geste so sehr wie seine heimatverbundene Larmoyanz, denn hier gibt es Bands, die ihre Herkunft als Geschenk betrachten und als zwingenden Verweis die Stadt im Namen führen: La Düsseldorf. Neben aller Größe ist es das Dörfliche, nein, nicht das Provinzielle, das das Leben hier so lebenswert macht.

Mit der Akademie und den klangvollen Namen des Kunstbetriebs – von Beuys und Richter zu Lüpertz und Immendorff – bietet die Stadt die Kulisse für die vielen international erfolgreichen Bands. Eher zufällig gefällt man sich in der modernistischen Sachlichkeit und einer Gründlichkeit, die im Ausland geschätzt und als typisch deutsch erkannt wird. Wir erleben den Modernismus, Futurismus und Industrialismus, den Style und Glam, der die Electri__city prägt, aber auch die soziale Realität dahinter. Wir erleben Düsseldorf als Weltstadt und als Dorf, als Ort der Kunst, der Mode und des rheinischen Laisser-faire. Gerade wenn man selbst dabei war, wundert man sich oft, was andere in dieser Stadt so alles sehen. Was hier alles passiert sein soll. Umso spannender ist es, nun die Wirklichkeit hinter dem Mythos sichtbar zu machen. Die verschleiernden Komplimente einer Überprüfbarkeit zu unterziehen.

Rüdiger Esch hat sie gefragt, und sie geben lebendig und begeisternd Auskunft; nur wenige wollten lieber schweigen, um so aus der Ferne noch heller zu strahlen. Andere, wie Riechmann, Plank und Dinger, sind längst tot, aber werden in den Gesprächen wieder lebendig. Erstmals gewinnt das Bild der Elektronikhauptstadt klare Konturen. Die Welterfolge und Blaupausen, aber auch die Flops und Abstürze; die Allianzen und Gemeinsamkeiten, aber auch die Brüche und Dissonanzen – nichts bleibt dem Leser vorborgen. Während musikalischer Umbrüche, wie dem vom Kraut zum Punk, sind es Kontinuitäten wie Plank und Dinger, sind es diese Konstanten, ja, eigentlichen Hauptfiguren, die einem den Weg durch die sechzehn Jahre bahnen.

Rüdiger ist als gebürtiger Düsseldorfer für dieses Buch prädestiniert. Er ist nicht nur selbst Teil der Musikszene, sondern hat auch altersbedingt genügend Abstand zum Sujet. Er hat viele internationale Stimmen für dieses Buch eingefangen, um den Gesprächen aus dem Dorf eine Außensicht zu geben. Er befragte die englischen Bands, die sich initial mit Musik aus Düsseldorf beschäftigt hatten und danach vom virus electronicus befallen waren. Ihm erzählten die Hauptakteure aus den siebziger und achtziger Jahren von ihren Erfahrungen und ihrer persönlichen Geschichte. Natürlich gab es auch in anderen Städten einflussreiche Elektronikpioniere, tolle Bands und hervorragende Musiker, aber dies hier ist die Electri__city. Auch die heutige Musikszene Düsseldorfs ist noch immer einzigartig und äußerst produktiv. Viele junge Bands prägen den elektronischen Sound der Stadt, darüber freue ich mich sehr.

Das vorliegende Buch ist ein spannendes Dokument der sechzehn Jahre, die nicht nur die analoge elektronische Musik, sondern auch mein Leben verändert haben. Es ist die wörtliche Rede derer, die dabei waren, die eine Zeit beschwören, die nicht wiederkommen kann, eine Zeit ohne Computer, ohne Internet; eine Zeit, die sich futuristisch gab, aber mit den Mitteln des Stummfilms arbeitete. Ich bin mir sicher, dass alles, was zwischen diesen Buchdeckeln ausgesprochen und verraten wurde, der Wahrheit und nichts als der Wahrheit entspricht.

Düsseldorf, am 6. August 2014 Wolfgang Flür

PRELUDE

BERND CAILLOUX__Ende der sechziger Jahre war die Altstadt in Düsseldorf etwas ganz Besonderes, ein bisschen wie Saint-Germain, Paris: studentisch, bohemistisch, künstlerisch. Es ging um Modernismus, Jazz und Literatur. Es war das Übergangsstadium von Existentialismus und Beatnikeinflüssen zu Pop und früher Psychedelik. Aus dieser Blase, aus den Hunderten, die da rumgemacht haben, sind nachher eben diese zehn, zwölf Stars, teils Weltstars rausgekommen.

EBERHARD KRANEMANN__Für mich war Düsseldorf um 1967 vor allem eine Jetset- und Modestadt. Das war mir und den anderen Studenten zu schick, deshalb haben wir diese Antisachen gemacht. Dreck abladen gegen diesen Jetset, gegen dieses Schickimicki-Getue und gegen die Königsallee, wo alles sauber war – das hassten wir.

BERND CAILLOUX__Die relativ liberale Atmosphäre in Düsseldorf war sicher die Bedingung dafür, dass dort »auf Befehl höherer Wesen«, wie Sigmar Polke immer sagte – plötzlich so ein kleiner Atompilz an Innovationen aufsteigen konnte: die Künstlergruppe Zero, Wolf Vostell mit den ersten Fernsehern in einem Kunstwerk, Beuys und diese ganzen heute teuersten deutschen Weltmarktkünstler wie Richter und Polke, dann Kraftwerk und alles, was da dranhängt, bis zum Punk; sogar die erste deutsche Freejazzcombo, von Gunter Hampel, ist in Düsseldorf gegründet worden. Dass diese Leute sich da plötzlich alle fanden – und hinter den zehn stehen ja immer noch mal zehn, und irgendwann sind’s dann auch mal ein paar hundert – das führt dazu, dass du dir als junger Typ denkst: Diese Stadt ist toll!

EBERHARD KRANEMANN__Mein erstes Projekt nannte sich Piss Off, das war 1967. Ich suchte und fand Gleichgesinnte an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo wir alle studierten. Ich studierte Malerei bei Professor Rupprecht Geiger, die anderen kamen aus der Klasse von Joseph Beuys, Bildhauerei. In der Akademie haben wir dann auch zusammen geprobt, wenn man das so nennen will, und das hat Beuys gehört. Er war ja zu der Zeit Professor an der Kunstakademie. Der fand das wohl unheimlich gut und hat gefragt, ob wir nicht mit ihm zusammen eine Performance machen könnten. Haben wir gemacht, 1967 im Creamcheese. Das Creamcheese war damals die Insiderkneipe, ein ganz heißer Schuppen in der Altstadt, natürlich auch ein richtiges Drogenloch – alles lief da ab.

BERND CAILLOUX__Das Besondere an Düsseldorf war, dass die Kunst hier zur Alltagsstimmung gehörte, kein isoliertes Event, sondern immer da war. Das war natürlich toll, aufregend und anregend, ein absolutes Glück. Die Hamburger Kunstszene war dagegen eher eine Sektierergruppe, nicht so in die Stadt integriert. Da saßen zwar auch überall Werbeärsche mit dabei, aber es gab keine Symbiosen. Die ernstzunehmende Kunst und die Subkultur wurden von den Hamburger Altpatriziern allenfalls belächelt, wogegen das Düsseldorfer Bürgertum sehr viel aufgeschlossener war. Die standen in der Galerie Schmela, wenn Beuys da mit seinem Kojoten zugange war. Selbst bis ins Creamcheese drangen manche vor.

EBERHARD KRANEMANN__Ich war schon 1965 nach Düsseldorf gegangen, um an der Kunstakademie zu studieren. Das Geld zum Studium hatte ich mir als Orchestermusiker verdient, am Düsseldorfer Schauspielhaus unter der Leitung von Karl-Heinz Stroux. Die Nächte habe ich in diversen Jazzclubs verbracht, unter anderem mit dem Holger Clausen Trio. Irgendwann um 1966/67 begann ich mit anderen Instrumenten, mit Klängen, Geräuschen und Repetitionen zu experimentieren. Es waren merkwürdige Klänge, die man sonst in der Musik nicht hörte. Das faszinierte mich. Klangexperimente. Und was Experimente anging, war ich in Düsseldorf zu dieser Zeit nicht alleine.

BERND CAILLOUX__Beuys war der Mutigste von allen, der hat einfach gesagt: »Wir machen alles! Und wir nehmen uns auch alles! Wir nehmen gleich die ganze Akademie. Und den Rest noch mit dazu, was soll’s? Wer denn sonst?« Wie dann ja auch später mit der Parole »Jeder Mensch ist ein Künstler!«

WOLFGANG SEIDEL__Beuys hatte bei seinen Performances viel mit Musik gemacht, auch mit Conrad Schnitzler, einem weiteren Elektronikpionier, der seine Ursprünge in Düsseldorf hatte. Für ihn war es von der Bildhauerei in der Beuys-Meisterklasse aus gar kein so großer Schritt zu sagen: »Ich kann auch als Nichtmusiker Musik machen! Skulpturen und Performances aus Klängen.« Wie Peter Brötzmann, der Assistent bei Nam June Paik war, bevor er ohne Rücksicht auf traditionelle Regeln Saxofon zu spielen begann. Der Fluxusa-Ansatz war in dieser Hinsicht äußerst produktiv, denn von diesem Muckerzwang zum Spielenkönnenmüssen war man immer völlig frei.

BERND CAILLOUX__Es gab da dieses rheinische Laisser-faire, diese grundsätzliche Liberalität, die vielleicht bis zu Heine zurückgeht; auch eine gewisse Offenheit für das Verrückte, was sich natürlich erstmal in der Mode zeigte, auf der Kö, dieses Extravagante, mehr oder weniger schick. Da wurde einfach niemand böse. Es gab auch kaum Ärger mit irgendwelchen Spießern, egal wie abgefahren man da rumlief. Nicht so wie in Berlin, wo man noch Jahre später wegen seiner Matte auf der Straße spontan von Blockwartprolls angepöbelt und, wenn man nicht schnell genug war, ohne weiteres auch vermöbelt werden konnte. Solchen Brass habe ich in Düsseldorf nie erlebt.

EBERHARD KRANEMANN__Piss Off war echte Antimusik. Aber das war damals Revolution. Das waren die berühmten 68er, als Studentenrevolution angesagt war. Street Fighting Man und so. Die anderen sind auf die Straße gegangen und haben Steine geschmissen, wir haben unsere Antihaltung zur Gesellschaft durch eine andere Art, Musik zu machen, manifestiert. In der Zeit drückte sich immer häufiger ein junger Bursche in den dunklen Ecken herum und guckte und hörte, was wir da machten. Der schien das ganz interessant zu finden. Er hieß Florian Schneider-Esleben, ging noch zur Schule und hatte eine Querflöte.

BERND CAILLOUX__Unsere »Beuys Boys« Stefan Runge und Christof Kohlhöfer haben dann mit Kranemann Piss Off gegründet – die meiner Meinung nach aber höchstens dreimal gespielt haben können, denn die konnten ja überhaupt nichts. Zur Eröffnung unseres Ateliers in Hamburg hatten wir sie blöderweise als Band gebucht, die reine Katastrophe. Es war zwar irre laut und hat aus allen Verstärkern gescheppert, auch wurde ordentlich geschrien – aber das Publikum war leider absolut pissed off.

EBERHARD KRANEMANN__Beuys selbst hatte Cello und Klavier spielen gelernt. Noch als Student besuchte er den Bachverein und blätterte für die Cellisten die Noten um. Er tat immer genau das, was keiner von ihm erwartete. Er liebte die fürstliche Attitüde und sprach vom Stolz des Bildhauers, aber er erfreute sich daran, aus geschliffenen Kristallgläsern einfaches Leitungswasser zu trinken.

WOLFGANG SEIDEL__Damals legte man im Underground Wert darauf, nicht als Subkultur bezeichnet zu werden, sondern als Gegenkultur – was ja nicht das Gleiche ist.

BERND CAILLOUX__Florian Schneider-Esleben und Ralf Hütter waren damals schon durchaus überall dabei, aber nicht im Vordergrund, auch nie besonders freakig. Hütter hatte zwar lange Haare, aber ein Kassengestell als Hornbrille, und Florian Schneider sah so aus wie immer, Modell friedlich-netter Sohn. Keineswegs ein Roboter. Wenn seine Architekteneltern weg waren, stiegen in deren Villa schöne Partys, mit Beatband und allem Drum und Dran.

EBERHARD KRANEMANN__Mensch, wir haben früher alle zusammen Joints geraucht oder bei Florians Vater nackend im Schwimmpool gesessen. Joints, LSD, alles rein und dann dem Vater den Sektkeller leergesoffen – das war toll! Richtig schöne Partys!

WOLFGANG SEIDEL__Wenn man sich anschaut, was in welchen Regionen Nachkriegsdeutschlands musikalisch entstanden ist, wird einem schnell klar, dass es viel mit den jeweiligen Besatzungszonen zu tun hat. Es ließe sich eine Landkarte des frühen Krautrock erstellen, auf der man genau sehen würde, welche Band in welcher Besatzungszone großgeworden ist und mit welchem Radioprogramm sozialisiert wurde. Ich wüsste keine einzige Band, die aus einer Gegend gekommen wäre, in der es nicht entweder AFN oder BFBS gab, wobei AFN eher vom Swing kam und dann auf moderneren Jazz umschwenkte, während BFBS, den man im Rheinland hörte, später die Plattform für die British Invasion wurde. Wo dagegen die Franzosen sendeten, kam kein Rock raus, sondern Chanson und Franz-Josef Degenhardt.

EBERHARD KRANEMANN__Paul Schneider-Esleben war ein ganz berühmter Architekt. Er hatte das Mannesmanngebäude am Rhein gebaut und gerade den Auftrag zum Ausbau des Köln-Bonner Flughafens bekommen. Er war einer der führenden Architekten Deutschlands und richtig gut im Geschäft. Das war eine richtige First-Class-Familie.

BERND CAILLOUX__Joseph Beuys und Charles Wilp sind, auch wenn sie sich zwischendurch beschnüffelt haben sollen, im Grunde doch die beiden Antipoden, die das Spektrum und Spannungsfeld der Düsseldorfer Kultur definieren: einerseits die Kunst und andererseits der Kommerz – wobei die Kunstseite für uns Underground-Freaks natürlich wichtiger war. Aber es gab auch immer diese weitgeöffneten Übergänge zum Schwachsinn, dieses Schickimicki-Element, das war und ist in Düsseldorf stets überall präsent.

BODO STAIGER__Manchmal bin ich verwundert, was in Düsseldorf alles seinen Ursprung haben soll. Das hat damals, glaub ich, niemand absehen können. In den frühen sechziger Jahren war Düsseldorf in punkto Rock und Pop eher Provinz, da gab es nichts Eigenständiges, nur eine Coverbandszene. Ich bin damals mit meinen Kollegen oft nach Holland oder England gefahren, um die Originale zu hören, und meistens sind wir ganz klein mit Hut wieder zurückgekommen und haben gedacht: »O Mann, was sind wir schlecht.«

WOLFGANG SEIDEL__Neben der regionalen Unterscheidung nach Besatzungszonen spielt beim Krautrock auch das Geburtsdatum der Akteure eine Rolle. Es verläuft eine klare Linie zwischen denen, die Krieg und Nachkrieg noch bewusst erlebt haben. Ralf Hütter, Florian Schneider-Esleben, Wolfgang Flür von Kraftwerk, Klaus und Thomas Dinger von Neu! beziehungsweise La Düsseldorf oder Michael Rother sind alle nach dem Krieg geboren und haben, so wie ich, nie nicht gewusst, wann es das nächste Mal etwas zu essen gibt.

BODO STAIGER__Für mich und viele andere meiner Generation waren die ersten musikalischen Idole natürlich die Beatles und die Stones, Tamla-Motown, und was 66/67 sonst so alles angerauscht kam: The Who, The Small Faces, die Yardbirds. Wir haben stundenlang vor dem Radio gehangen und uns das angehört. Die Beatzeit war unsere erste richtig coole Musikzeit. Was für ein Glück, genau in dieser Zeit großzuwerden! Die kulturelle Revolution, die da im Gange war. Früher sagte der Chef noch: »Du, die Haare wachsen schon über den Kragen! Zeit für einen Friseurbesuch!« Und dann kamen plötzlich diese Typen mit den Wahnsinnsmatten.

WOLFGANG SEIDEL__Auch das WDR-Studio für Elektronik wäre ohne den Einfluss der britischen Besatzungsmacht nicht vorstellbar gewesen. Die kümmerten sich um den Aufbau des Rundfunks, nach dem Vorbild der BBC, und rekrutierten Unbelastete wie Herbert Eimert, die mit Senderaufträgen und gegen das immer noch tiefbraune Personal an den Musikhochschulen die Neue Musik förderten. Als dann Leute wie Stockhausen und Bernd Alois Zimmermann zu Professuren kamen, strahlte das aus bis in die Rockmusik. Mit Pop hatte Stockhausen nichts am Hut, egal wie stark er heute selbst verpoppt wird. Es gibt bitterböse Abkanzelungen über den Pop als schwachsinnigen Neoprimitivismus, für den war das fast die neue Hitlerjugend.

BODO STAIGER__Um 1960 herum habe ich angefangen, Gitarre zu spielen, da war ich zehn. Und über all die Jahre gab es hier eine ganz schöne Clubkultur, wo Bands spielen konnten. Erst war ich bei den Pfadfindern und habe Songs am Lagerfeuer mit Gitarre begleitet, dann ging es zum Beispiel in den Liverpool Club, wo Klein-Bodo immer mit gefälschtem Schülerausweis rein ist. Hier hat jede Woche eine andere englische Band gespielt. Da stand ich mit großen Augen und hab mir alles abgeguckt. Das waren tolle Zeiten. Du konntest morgens Paint It Black im BFBS hören, abends hast du die englische Cover-Band den Song schon live spielen sehen.

WOLFGANG FLÜR__Wir machten es uns zum samstäglichen Ritual, nachmittags um vier Uhr gemeinsam die britische Top-Twenty-Hitparade bei 1604 Megaherz auf dem Mittelwellenband von Radio Luxemburg, unserem absoluten Lieblingssender, zu hören.

EBERHARD KRANEMANN__Ich wurde am 7. März 1945 in Wismar geboren, bin in Dortmund aufgewachsen, habe da das Abitur gemacht, am Konservatorium klassischen Kontrabassunterricht erhalten. Ich habe klassische Orchestermusik gespielt von Telemann, Bach, Mozart und Händel, jedoch auch in verschiedenen Jazzgruppen mitgemacht.

HANS LAMPE__Ich komme aus Hamburg, und vielleicht gehörten deshalb schon ganz früh die Beatles zu meinen Einflüssen. Ich bin immer in den Plattenladen gerannt und hab mir jede neue Beatles-Single reingezogen. Geld hatte man damals nicht, um sie sich zu kaufen. Also hat man sie eben zehnmal im Plattenladen gehört und konnte sie auswendig.

WOLFGANG FLÜR__Als ich nach Düsseldorf gezogen bin, hatte ich das Glück, eine Englischlehrerin zu haben, die uns Beatles-Platten mitgebracht hat, damit wir besser Englisch lernten. Love, Love Me Do, die erste Single der Fab Four, ließ sie auf einem Plattenspieler laufen, und wir mussten aufschreiben, was wir verstanden haben. Das fanden wir natürlich albern, denn verstanden haben wir sowieso nur »Lieb mich, lieb mich, tu es«, aber wir fanden diese Musik so geil.

HANS LAMPE__Conny Plank kam ursprünglich aus der Pfalz, wo nach dem Krieg noch einige Zeit die G.I.s stationiert waren. Deswegen hat man dort auch amerikanische Sender empfangen. Und so ist Conny an die schwarze Musik geraten, die Geschichte hat er mir mal erzählt: Er ist oft per Anhalter gefahren, und einmal hat ihn ein G.I. in einem schweren Mercedes mitgenommen. Da hat er zum ersten Mal Ray Charles’ What’d I Say gehört, das lief wohl grade im Autoradio. Er war sofort total fasziniert. Das war ein ganz wichtiger Impuls für ihn. Von da an hat er sich alles von Blues bis Soul draufgeschafft, was er finden konnte.

WOLFGANG FLÜR__Ein Klassenkamerad und ich hatten schon so eine kleine Skiffleband mit Waschbrett, Mundharmonika, Rumbakugeln und einer Klampfe. The Bellos hatten wir uns damals genannt, das fanden wir griffig. Auch die Beatles waren in ihrem Ursprung ja aus einer Skiffleband heraus entstanden.

HANS LAMPE__Gegen die Beatles, vor allem Sgt. Pepper, kam eigentlich nichts an. Man hat mal Kinks oder Stones gehört, doch das war nichts gegen die Beatles, das waren die Heiligen.

BERND CAILLOUX__Die Musik kippte Mitte der Sechziger um, vom früheren Rock und Beat zum Psychedelic Rock, mehr Pink Floyd als Beatles. Wichtig für den relativ unbeschwerten Psychedelic-Aufbruch in Düsseldorf war, dass man da, vielleicht infolge des rheinischen Schlendrians und des Reichtums, bei weitem nicht so politisch, sprich: SDS-orthodox auf Linie war beziehungsweise sein musste wie in Frankfurt, Hamburg oder Berlin. In Düsseldorf gab es kaum Dogmatiker, die einem dauernd erklärten, wie die Weltrevolution zu laufen hat und was alles konterrevolutionär ist.

HANS LAMPE__Klaus Dinger hat, abgesehen von seiner großen Vorliebe für Velvet Underground, er liebte Sister Ray, Beatles und The Who, Doors, und Bob Dylan gehört. Als diese Revoluzzerzeit anfing, so 67, 68, 69, kam bei mir noch Vanilla Fudge oder die erste von Deep Purple dazu, auch Cream, Zappa und Hendrix – der musikalische Geschmack hatte sich ein bisschen verändert. Die Fab Four waren plötzlich nicht mehr angesagt.

BERND CAILLOUX__Damals gab es in der Stadt drei angesagte Beatbands: die Beathovens, die Spirits of Sound und – etwas später – Harakiri Whoom! Letztere Gruppe wurde berühmt wegen des exzentrischen Sängers Marius Müller-Westernhagen. Gitarrist dieser Truppe war übrigens Bodo Staiger, während der durchgeknallte Engländer Allen Warren am Schlagzeug saß.

WOLFGANG FLÜR__Die Beatles haben uns mit ihrem schönen Gesang irgendwann zum Hals herausgehangen, das hatte ich zur Genüge mit meiner ersten Band gemacht, den Beathovens. Unsere Musik wurde schräger, etwas psychedelischer, progressiver.

++

BERND CAILLOUX__Dass Hans-Joachim Reinert zur Eröffnung des Creamcheese quasi gezwungen wurde, war für ihn ein Glücksfall, denn der Laden ging vom ersten Tag an ab, war jeden Abend voll. Er war von den Künstlern mehr oder weniger dazu verdonnert worden, mit seiner Frau Bim eine Kneipe aufzumachen. Er war selbst kein Wirt, sondern Filmvertreter, für Agfa oder Kodak oder so, und stand mit anderthalb Beinen in der Kunstszene. Vielleicht gerade deshalb haben die Künstler ihm gesagt: »Pass auf, du machst für uns jetzt ein Lokal auf.« Es wurde ein Raum gefunden, in einer ganz kleinen Gasse, nah beim Kom(m)ödchen, dem berühmten Kabarett von Kay und Lore Lorentz, und der Galerie Schmela, die Beuys vertrat. Die Künstlerschaft hat den Ort auch, wie versprochen, täglich neu bespielt, mit gedrucktem Programm, eine Art permanente Aktionsgalerie: Concept Art, Performance Art, Op-Art, Pop Art, das hatte in Deutschland ja alles gerade erst angefangen.

EBERHARD KRANEMANN__Ja, genau, das waren die Schlagworte der Zeit: Aktion, Agitation, Agit-Pop, Décollage und Happening. Anti-Art, Total Art, Fluxus, Refluxus und was es sonst noch alles gab, spielte sich im Creamcheese ab.

WOLFGANG FLÜR__Schräg gegenüber vom Ratinger Hof war zu der Zeit das Creamcheese, da ist heute eine Galerie drin, du bist da rein und dann die Treppe runter, das war eher so ein großes Kellergeschoss. Wir sind immer zum Tanzen und Mädchengucken hin.

BERND CAILLOUX__Das Creamcheese, dieser Schlauchraum, machte 1967 auf der Neubrückstraße 12 gegenüber vom Landgericht auf. Ständig anwesend waren Ferdinand Kriwet, der Filmer Lutz Mommartz, Günther Uecker, Sigmar Polke, dann dieser Spiegelkünstler, Heinz Mack, von Zero, der die Bar machte. Das Eingangsfoyer war von Uecker, da standen vierundzwanzig oder achtundvierzig Fernseher, alle schön zugenagelt. Weiter hinten war ein Raum mit einer Technikbühne, von wo aus Musik, Licht und Projektionen in den Schlauch geworfen werden konnten. Ganz hinten hat sich der Schlauch ein bisschen geöffnet, das war, wenn man so will, der Aktions- und Tanzraum, wo es auch ein Podium gab. Die Wände waren komplett weiß, da konnte gut drauf projiziert werden – vor allem von Kriwet bei seinen Mixed-Media-Shows, wo die Zahlen und Buchstaben nur so rotierten.

EBERHARD KRANEMANN__Das war so ein langer Schlauch, und hinten links war eine Art Tanzraum. In dem hinteren Raum hatten die für uns eine Bühne aufgebaut. Es wurde voll. Es war ein elitärer Zirkel, und ich glaube, alle Eliten aus ganz Deutschland oder Europa waren da. Eigentlich passten in das Creamcheese nur hundert Leute rein, es waren aber dreihundert oder vierhundert gekommen. Die standen wie die Heringe ganz eng, alle haben geraucht. Es war heiß, es hat gestunken! Fernsehen war auch da. Der Auftritt sah folgendermaßen aus: Wir stellten die Verstärker auf die Bühne, drehten sie voll auf, und dann ging es los: Ohne Absprache, ohne jede Regel, ohne eine bestimmte Tonart, ohne einen festgelegten Rhythmus, jeder so laut und so viel und so lange er konnte.

BERND CAILLOUX__Eine der Beuys’schen Creamcheese-Aktionen bestand darin, dass er und sein Schüler Anatol Herzfeld sich im Dezember 68 stundenlang mit Handschellen an einem Tisch festgekettet hatten: eine sinnige Stammtischparodie.

EBERHARD KRANEMANN__Wir spielten nur ein Stück – das dauerte so ungefähr drei Stunden, ein Toben und Schreien gegen Konventionen, gegen Normen und Anpassung. Joseph Beuys stand derweil hinten in der Ecke, etwas erhöht auf einem Sockel. Es war superheiß da drin. Er aber mit einem Pelzmantel, ganz dick angezogen und mit seinem Hut auf, stand drei Meter hoch oben in der Raumecke, die ganze Zeit lang fast unbeweglich, hat nur seine Hände vorm Gesicht bewegt. Handaktion hieß das. Beuys machte das sehr ruhig, konzentriert, intensiv, minimale Bewegung. Wir dagegen: Klang – Musik – Geräusche – Terror. Drei Stunden Weltuntergang. Laut. Krach. Chaos! Schmerzgrenze.

ROEDELIUS__In Düsseldorf gab es die vielen Bierquellen der Altstadt, die Designerszene, eine Szene um die Kraftwerker und Neu! und wie sie davor alle hießen. Aber wir hatten gar nicht so viel mit denen zu tun, wir lebten und handelten ja aus einem ganz anderen Kontext heraus: Unser Bezug war Beuys.

EBERHARD KRANEMANN__Früher gab es in den Kellergewölben der Düsseldorfer Kunstakademie berühmt-berüchtigte Karnevalsfeiern. Drei Nächte durch ohne Pause. Da passierte alles, was es gibt und was es nicht gibt. 1967 spielte ich dort mit Piss Off. Drei heiße Nächte. Totaler Kampf. Musik, Geräusche, Klänge, Krach bis zum Umfallen. Das Publikum tobte und tanzte wie irrsinnig. Ich sagte Florian Bescheid, er solle mal mit seiner Flöte vorbeikommen. Er kam, setzte sich unauffällig an den Bühnenrand und versuchte mit seiner Flöte gegen den ohrenbetäubenden Lärm anzuspielen.

WOLFGANG FLÜR__Die Sechziger waren eine gute Zeit, weil alles neuartig und äußerst experimentell war. Der Ratinger Hof war noch ein Untergrund- und Hippieschuppen, da sind die ganzen Künstler hin. Auch Immendorff hat dort abends seine Saalschlachten veranstaltet. Das war ziemlich aggressiv, schon weit vor der Punkzeit. Da sind Kristallaschenbecher geflogen, oft mussten Krankenwagen vorfahren. Die Künstler von der Kunstakademie konnten nicht mit Alkohol umgehen, die sind extrem aggressiv geworden, das waren Kretins, vor allem Immendorff, das war ein Rocker, ein Schläger, ich hatte Angst vor dessen Doofheit. Bei einigen hieß er nur Jörg Immerdoof.

EBERHARD KRANEMANN__Beuys hatte eine Vorliebe für erstklassige Kleidung. Er war der bestangezogene Mann der Akademie. Seine Hemden, die Schuhe, der Hut – alles vom Feinsten. Anfangs trug er noch Flanellanzug und schwarze Krawatte mit einem Hasenkieferchen als Krawattennadel.

ROEDELIUS__Wir kamen Ende 1969 nach Düsseldorf. Einen richtigen Kontakt zu Joseph, den alle, auch seine Kinder, nur Beuys nannten, gab es nur über Conrad, aber getroffen hat man sich schon gelegentlich. Nicht nur in Düsseldorf, auch später in Berlin.

BERND CAILLOUX__Die Künstlergruppe Zero: Kurt Link, Heinz Mack, Otto Piene, anfangs auch Charles Wilp, später dann Günther Uecker, waren für das Creamcheese und den frühen Ratinger Hof extrem wichtig, mittelbar wahrscheinlich auch für Kraftwerk. Denn da war, im formalen Rückgriff auf die Vorkriegsavantgarde, aber mit diesem neuen, optimistischen Nachkriegs- und Weltraumfahrer-Spirit, schon viel mit Abstraktion, Licht und Bewegung gearbeitet worden.

EBERHARD KRANEMANN__Wir hatten einen Gitarristen, der eigentlich kein Gitarrist war, aber er hatte eine Gitarre. Der war Bildhauer in der Beuys-Klasse. Er war wie wir alle mit Drogen unterwegs, stand total auf Äther. Zu dem Auftritt hatte er sich ’ne Äthermaske mitgebracht, stellte hinter seinen Verstärker ein Ätherfläschchen, die Maske und einen Wattebausch. Wir fingen an zu spielen, wie üblich, immer druff, jeder gegen jeden, und dann bückte er sich nur, nahm seine Ätherflasche, kippte da Äther rein und hat sich die Maske aufgesetzt. Aber es war wohl zu viel. Denn er ist nach hinten umgekippt, vollkommen betäubt, und mit dem Kopf gegen den Verstärker und dann mit seiner Gitarre auf den Boden gefallen. Er lag da wie tot, und die Gitarre war an, voll auf zehn: Rückkopplung. Die Gitarre hat geschrien. Uns war das egal, das heißt, wir haben es gar nicht gemerkt, weil wir selber genug Zeug drin hatten. Also ging es weiter, wir haben Krach gemacht, und der Beuys stand ganz ruhig auf seinem Sockel, als ob nichts wär.

ROEDELIUS__Tumulte gab es auch in Berlin, zum Beispiel bei einem Konzert von Human Being in der Akademie der Künste. Das war vom Publikum unter lautstarkem Protest und mit erheblichem Schaden an unserem Tonequipment abgebrochen worden.

BERND CAILLOUX__Das Auftauchen von Drogen gehörte in Düsseldorf wie überall zum allgemeinen Aufbruch mit dazu. Vor dem Creamcheese stand der Opel Admiral von Sweti, einem neunzehnjährigen Werbe-Junggenie und Szenestar, wo aus dem offenen Fenster die Schwaden in den Himmel stiegen.

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KLAUS DINGER__Es sind immer die Individuen und ihre Sozialisation, man kann das nicht nur an der Stadt festmachen. In meinem speziellen Fall war es so: Ich bin in Unterrath aufgewachsen, eine ziemlich ärmliche Gegend. Und von da aus plötzlich in die Schule auf der Königsallee, völlig andere Sozialstruktur, mit Nähe zur Altstadt. Das war ein ziemlich harter Sprung.

MICHAEL ROTHER__Klaus Dinger war auf einem anderen Gymnasium, an der Königsallee, glaube ich, aber bei mir auf der Schule war Florian Schneider-Esleben, wie er damals noch hieß. Er war einige Klassen über mir, aber er fiel mir schon auf, da er in gewisser Weise kauzig war und einen seltsamen Gang hatte.

EBERHARD KRANEMANN__Ich hatte mir schon mit vierzehn Jahren das Ziel gesetzt: Ich will Künstler von Beruf werden. Ich wollte kein Musiker werden, das habe ich aus Spaß nebenbei gemacht. Ich wollte Künstler werden. Das lag wohl daran, dass ich einen unheimlich guten Kunstlehrer am Gymnasium hatte. Der war richtig toll. Alle anderen Lehrer hatten noch schwarze Anzüge, weißes Hemd und Krawatte an. Ganz steif, richtig blöde Arschlöcher. Und da lief ein blöder Hund rum mit einem Hawaiihemd, ganz bunt, mit Bart. Das fand ich toll, dass einer ganz anders war.

WOLFGANG FLÜR__Bei uns war es, wie gesagt, diese Englischlehrerin, die diesen Prozess beförderte. Kurze Zeit später habe ich zum ersten Mal ein Schlagzeug gesehen. Ich durfte mich mal dransetzen und war sofort begeistert. Das war wie ein positives Schockerlebnis, eine Initialzündung. Ab da wollte ich Schlagzeug spielen. Ich hatte auch früher schon immer auf irgendwas herumgetrommelt. Wenn wir spazieren waren, habe ich Stöcke aneinandergeschlagen oder gegen das Geländer getrommelt. Mein Vater hat immer ganz genervt gesagt: »Hör damit jetzt auf, Herr Sohn!« Und wenn ich dann gefragt habe: »Warum?«, hat er nur geantwortet: »Weil ich es wünsche.« Mein Vater war extrem streng, aber auf eine sehr unnötige, diktatorische Art.

MICHAEL ROTHER__Geboren bin ich in Hamburg. Dann ging es über England nach Indien. 1963 sind wir nach Düsseldorf gezogen. Es sollte nur ein kurzer Zwischenstopp werden, aber mein Vater starb zwei Jahre später, und meine Mutter und ich blieben dort. Wir wohnten auf der Achenbachstraße, und ich ging zum Rethel-Gymnasium. Es war anfangs gar nicht leicht für mich, weil mein Deutsch nicht so gut war; ich musste sogar Nachhilfe nehmen. Auch die Lehrer waren ein Problem, die hatten für meinen Begriff eine sehr seltsame Auffassung von Motivation.

WOLFGANG FLÜR__Insofern ist Düsseldorf für mich wichtig, weil hier all diese Komponenten zusammengekommen sind: Dass ich das Max-Planck-Gymnasium nicht geschafft habe, dass ich sitzengeblieben und auf die Realschule gewechselt bin, wo alles viel lockerer war. Da habe ich plötzlich gute Noten geschrieben, wurde selbst auch viel lockerer. Vielleicht auch, weil ich endlich von meinem Zwillingsbruder weg war, der nur Einsen geschrieben hat und immer und überall zuerst genannt wurde. Flür I, Flür II, hieß es, wenn wir Klassenarbeiten zurückbekommen haben. Ich war immer die Nummer zwei; wie schrecklich für ein Kind.

BODO STAIGER__Das allererste Mal, dass ich Wolfgang Flür gesehen habe, war 1968. Er war bei den Beathovens, und ich spielte in einer Band mit Marius Müller-Westernhagen. Im selben Jahr drehten wir einen Film, der Harakiri Whoom hieß, und da das Schlagzeug schon so schön bemalt war mit diesem Schriftzug, haben wir uns dann gedacht: Okay, geiler Name, behalten wir. Hier habe ich auch Klaus Dinger kennengelernt, der in dem Film mitgespielt hat. Es war ein Fernsehfilm mit Marius in der Hauptrolle. Es ging um den Sänger einer Rockband, der zur Bundeswehr muss, und was der sich so einfallen lässt, um sich zu drücken. In dem Film spielt Klaus sogar einen Schlagzeuger. Ich hatte vollkommen vergessen, dass er dabei war. Ich kannte ihn vom Sehen aus der Altstadt, er war ja auf dem Görres-Gymnasium und spielte zu dem Zeitpunkt schon Schlagzeug. Seine damalige Band hieß The No. Als ich den Film kürzlich sah, wurde mir erst bewusst, wie lange ich Klaus kannte: von 1968 bis zu seinem Tod.

WOLFGANG FLÜR__Unsere großen Widersacher waren Harakiri Whoom, die Band von Bodo Staiger und Marius Müller-Westernhagen. Mit denen sind wir auch mal gemeinsam aufgetreten, am Max-Planck-Gymnasium. Marius war ein großer Verehrer von Steve Marriott und Rod Stewart, und als guter Schauspieler hat er diese Jungs überzeugend imitieren können.

KLAUS DINGER__Die erste Kapelle, in der ich noch auf Amateurbasis gespielt habe, war eine Coverband, bisschen Tanzmusik und so, Swingkombo hieß die Gruppe. Wir haben auf Schulfesten gespielt, im Malkasten und auch mal in der Rheinhalle, Satisfaction und solche Sachen. Dann habe ich mir ein bisschen Geld geliehen, mir ein Schlagzeug gekauft und mich in Oberkassel im alten Schwimmbad ein halbes Jahr mit dem Schlagzeug eingeschlossen. Danach bin ich dann direkt bei einer, ich würde mal sagen, professionelleren Gruppe gelandet: The Smash, mit Houschäng Nejadepour an der Gitarre und einem Sänger, den alle nur »Die Ratte« nannten.

MICHAEL ROTHER__Ich spielte Gitarre in dieser Schülerband, Spirits of Sound, zu der später auch Wolfgang Riechmann und Wolfgang Flür stießen. Wir coverten die Beatles und die Kinks, und ich entdeckte meine Neigung zu Melodien. Wir spielten einige Gigs, verdienten sogar schon Geld.

WOLFGANG FLÜR__Die Spirits of Sound waren nicht so erfolgreich wie die Beathovens, also war ich immer klamm. Mit den Beathovens waren wir viel unterwegs, da wir auf jedes Schulfest passten; wir haben auch im Liverpool Club gespielt oder im Club 55. Wir haben in der Zeit in Stockum geprobt, in der Garage eines Bekannten des Sängers, das war so ein reicher Bankier und Kunstmäzen. Sein Sohn war immer mit dabei, hat aufgebaut und so, wir waren fast ein Teil dieser Familie, haben uns auch da am Kühlschrank bedient und bekamen immer was zu trinken. Der Vater parkte seinen Porsche auf der Straße, nur damit wir einen Proberaum hatten. Alles sehr nett.

MICHAEL ROTHER__Musik hatte damals auch immer etwas mit reichen Leuten zu tun, ein spezielles frühes Mäzenatentum. Wir durften in dieser Villa im Düsseldorfer Norden proben. Es waren die wilden sechziger Jahre, und jeder, der nicht spießig war, wollte progressiv sein, wie es damals hieß. Es gab große Partys, auf denen es heiß herging, und irgendwie spürte man, dass auch in der Erwachsenenwelt ein neues Flair Einzug hielt.

WOLFGANG FLÜR__Das Größte, was wir als Band geschafft hatten, war ein Auftritt mit den Lords in der Rheinhalle, da haben wir gemeinsam im Vorprogramm von The Who gespielt. Wir hatten als Beathovens die Beatles-Stücke gut drauf, danach spielten die Lords, dann kamen The Who. Man konnte genau sehen, wie die am Ende das Schlagzeug umgeworfen und ihre Gitarren, allerdings nur so Pappgitarren, zerschlagen haben. Das war gegen das Establishment, und hat uns unheimlich gut gefallen, diese Auflehnung.

MICHAEL ROTHER__Wolfgang kam zu uns in der späten Sechziger-Phase, als wir schon etwas experimenteller wurden und keine Coverband mehr waren. Er hatte einen feinen Stil, er spielte minimalistisch, hatte einen guten Beat und war ein viel besserer Backgroundsänger als sein Vorgänger.

HANS LAMPE__Schon bevor ich nach Düsseldorf kam, also noch in Hamburg, habe ich viel gespielt, viel Percussion gemacht, in diversen Formationen. In irgendeinem der vielen Clubs dort gab es immer eine Session, bei der man mitmachen konnte: In der Großen Freiheit, in kleinen Kneipen, in Szenetreffs wie dem Gibi am Pferdemarkt, wo sich verschiedene Leute getroffen und einfach gespielt haben. Die Freundin von Ritchie Blackmore kam aus Hamburg, und er war über Weihnachten in der Stadt. Wir saßen eines Abends im Gibi, und plötzlich kam er zur Tür herein und fragt: »Kann ich auch mal die Gitarre haben?« So haben wir sogar mal mit Ritchie Blackmore gejammt.

MICHAEL ROTHER__Als Gitarrist habe ich immer versucht, mich aus dem angloamerikanischen Bereich rauszuhalten, aber ohne Zweifel sind Hendrix, Clapton und Jeff Beck große Meister an der Gitarre; Jimi Hendrix hatte ich sogar 1968 im Robert-Schumann-Saal in Düsseldorf live gesehen. Das war sehr beeindruckend. Nicht nur, was er spielte, auch welche Signale er durch die Effekte schickte. Besonders bei den Studioproduktionen haben wir immer genau auf die Rückwärtseffekte und Bandechos geachtet. Das war ein unheimlich freier, intuitiver Umgang mit Musik und dem Instrument. Ich war damals mit meiner Freundin da, ein bestuhltes Konzert für vielleicht fünfhundert bis sechshundert Leute.

HEINO RIECHMANN__Die allererste Band meines Bruders Wolfgang, in der er von 1966 bis 69 mitspielte, hieß Why. Von dort aus wechselte er zu den Spirits of Sound. Bei denen war er Sänger und Michael Rother Gitarrist, genauer Sologitarrist, da es noch Uwe Fritsch an der Rhythmusgitarre gab. Wolfgang Flür spielte Schlagzeug, und am Bass war Ralf Ermisch. Geprobt wurde bei der Bankiersfamilie Kaminski auf der Mörikestraße, und in dieser Besetzung spielten sie auf Schulfesten, einmal auch auf der Jugendmesse Teenage Fair in Düsseldorf.

BODO STAIGER__Harakiri haben wir 69 aufgelöst, die letzte Show war auf der Teenage Fair im Sommer 69, das war eine Jugendmesse hinten an der Fischerstraße in der alten Stadthalle. Da spielte alles, was Rang und Namen hatte, das war ein Riesending und unser letztes Konzert.

GÜNTER KÖRBER__Um 1970 herum ging es dann wirklich los mit dieser neuen, progressiven Musik. Ich arbeitete als A&R bei der Metronome in Hamburg. Wir hatten die Sachen von Rolf-Ulrich Kaiser, dem Musikjournalisten und Konzertveranstalter, der zuvor das Ohr-Label gegründet hatte, im Vertrieb. Kaiser, der bereits 1968 die Internationalen Essener Songtage mit veranstaltet hatte, griff auf seine beim Burg-Waldeck-Festival gemachten Erfahrungen und Künstlerkontakte zurück und veröffentlichte seit dem Spätjahr 1969 in schneller Folge eine Serie herausragender Schallplatten: Embryo, Guru Guru, vor allem aber die neue Berliner Elektronikszene um den Zodiac Club: Tangerine Dream und Ash Ra Tempel.

BODO STAIGER__70 habe ich dann Karl Bartos kennengelernt und mit ihm die Band Sinus gegründet, das war so eine Jazzrockgeschichte mit Einflüssen von Zappa. Karl spielte Schlagzeug.

BERND CAILLOUX__Unsere Firma hieß: The Leisure Society. Unterzeile: Experiments in Art and Technology. Und genau das haben wir auch gemacht, mit unseren Stroboskopblitzen und anderen Lichteffekten. Durch den Zeitgeist wurde man entscheidend dazu ermutigt, selber was zu machen, denn unter normalen oder heutigen Umständen wäre diese Idee, die uns damals trieb, nämlich mit Stroboskopblitzen und psychedelischen Lightshows die Welt verändern zu wollen, ja einfach Schwachsinn, völlig realitätsfern. Aber da war in der Realität halt gerade etwas Platz. Dass das zur selben Zeit war, wo in Düsseldorf die Ursuppe des Elektronikpop köchelte, ist deshalb vielleicht kein Zufall.

KLAUS DINGER

70

++ Jan 70 Der Kraftwerk-Vorläufer Organisation veröffentlicht das erste Album Tone Float in England auf RCA Victor, Produzent Konrad Plank ++ März 70 Ralf Hütter und Florian Schneider verlassen Organisation und gründen Kraftwerk ++ April 70 Paul McCartney erklärt das Ende der Beatles ++ Juli/Aug 70 Das erste Album Kraftwerk wird in den Rhenus Studios in Köln von Conny Plank aufgenommen ++ Aug 70 Klaus Dinger spielt Schlagzeug für Track B2 und erneut im ++ Neugegründetes -Label veröffentlicht das Debütalbum mit orangenem Verkehrskegel im Klappcover ++ Ralf Hütter verlässt Ende 70 für einige Monate ++ Am zweiten Weihnachtstag geben ein Konzert in der Besetzung Schneider/Kranemann/Weiss im e in Düsseldorf ++

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