Eliza Moore - Valentina Fast - E-Book
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Eliza Moore E-Book

Valentina Fast

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Beschreibung

Das packende Finale der Urban-Fantasy-Dilogie!

Eliza ist am Boden zerstört: Sie hat nicht nur ihre Rolle als Hüterin des Portals verloren, auch die Verbindung zu ihrem Anamaite wurde gekappt. Schuldgefühle und eine dumpfe Sehnsucht quälen sie. Deshalb stürzt sie sich in die Jagd nach den Sluagh, die durch das geöffnete Portal in ihre Welt eingedrungen sind. Als plötzlich ihre verräterische Schwester Sadie wieder auftaucht, die sich mit dem Feind verbündet hatte, wird Eliza klar: Das ist ihre Chance, Fehler wiedergutzumachen und ihren Namen reinzuwaschen. Gemeinsam mit der Liga will sie Sadie eine Falle stellen, um sie zu überführen. Doch der Feind ist mächtiger als sie ahnen und scheint Eliza immer einen Schritt voraus zu sein. Schon bald liegt das Schicksal der ganzen Welt in ihren Händen ...

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Seitenzahl: 449

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

Epilog

Danksagung

Weitere Titel der Autorin:

Secret Academy – Verborgene Gefühle

Secret Academy – Gefährliche Liebe

Eliza Moore – Flüsternde Schatten

Über das Buch:

Das packende Finale der Urban-Fantasy-Dilogie!

Das Tor zur Seelenwelt wurde geöffnet, und eine dunkle Bedrohung konnte auf die Erde gelangen. Nachdem Eliza ihre Rolle als Hüterin des Portals verloren hat, versucht sie ihren neuen Platz in der Liga zu halten. Die Verbindung zu ihrem Seelenpartner wurde gekappt, und ihr Herz ist gebrochen. Hals über Kopf stürzt sich Eliza in die Jagd nach den Sluagh, um ihren Schmerz zu verdrängen. Als dann auch noch ihre Schwester Sadie wieder auftaucht, wittert Eliza eine Chance, ihren Namen reinzuwaschen: Gemeinsam mit der Liga will sie ihrer verräterischen Schwester eine Falle stellen und sie überführen. Doch ihr Gegner ist mächtig, und plötzlich steht viel mehr auf dem Spiel, als Eliza ahnt ...

Über die Autorin:

Valentina Fast wurde 1989 geboren und lebt heute im schönen Münsterland. Beruflich dreht sich bei ihr alles um Zahlen, weshalb sie sich in ihrer Freizeit zum Ausgleich dem Schreiben widmet. Ihre Leidenschaft dafür begann mit den Gruselgeschichten in einer Teenie-Zeitschrift und verrückten Ideen, die erst Ruhe gaben, wenn sie diese aufschrieb. Nach der beliebten SECRET ACADEMY-Dilogie folgt nun ihr neues Projekt bei ONE!

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Valentina Fast wird vertreten durch die Agentur Brauer

Textredaktion: Annika Grave

Covergestaltung: Kristin Pang

Covermotiv: © antart / shutterstock.com; Mark Carthy / shutterstock.com; ReVelStockArt / shutterstock.com; vectorlaboratory / shutterstock.com

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-2427-2

www.one-verlag.de

www.luebbe.de

Für meine Leser:innen

KAPITEL 1

Lautlos näherte ich mich meinem Ziel. Schleichend umrundete ich eine Eiche am Rande des Killarney-Nationalparks und achtete darauf, bloß keine Äste zu zertreten. In der Hand hielt ich meinen Dolch mit dem Griff aus Onyx und einer Klinge aus Perlmutt. Sie schimmerte, obwohl kaum Licht durch das dichte Blätterdach über mir drang. Mitternacht war schon eine Weile vorbei, und die Stille, die mich umgab, ließ mich keine Sekunde daran zweifeln, dass in der Nähe ein Sluagh sein musste. Der Wald wusste, dass sich etwas Unnatürliches in ihm befand.

Ich umfasste den Dolch fester, und Erinnerungen brachten mein Herz zum Rasen.

Sadies Kette um meinen Hals. Das Netz um das Portal flackert und erlischt. Schatten, die in unsere Welt dringen. Conor, der bewusstlos am Boden liegt. Der Dolch. Ich, wie ich das Portal schließe.

Wieder übermannte mich das immer präsente Gefühl von Schuld, das so schwer auf meiner Brust lag, dass ich für einige Sekunden die Luft anhielt, bevor ich lautlos ausatmete.

Ich befeuchtete meine Lippen und straffte die Schultern. Es war meine Schuld, dass das Portal geöffnet werden konnte und damit unzählige Seelen fressende Sluagh in unsere Welt gedrungen waren – aber ich würde jeden Einzelnen von ihnen finden und vernichten.

Einen Augenblick lang blieb ich völlig regungslos stehen. Ich wagte es nicht, das Pulver herauszuholen, das Mr Graham mithilfe des Sluagh-Blutes an meinem Messer hatte herstellen können. Es half mir dabei, die Sluagh aufzuspüren. Doch ich hatte bereits ein Drittel davon verbraucht.

Der Sluagh, dem ich auf den Fersen war, musste ganz in der Nähe sein. Das ahnten selbst die Tiere des Waldes, die mich hier allein zurückgelassen hatten.

Und es war ihnen nicht zu verdenken. Sluagh waren Wesen aus einer Welt, die mir völlig unbegreiflich war. Seit Jahrtausenden weilten sie in unserer Welt, und normalerweise waren sie nicht von normalen Menschen zu unterscheiden.

Doch die uralten Sluagh, die ich durch das Portal hereingelassen hatte, waren bösartig und getrieben von dem Durst nach unseren Seelen. Sie hinterließen eine Spur aus Zerstörung und machten es mir und der Liga leicht, sie zu finden. Ich war inzwischen seit einigen Monaten jede Nacht auf der Jagd, und noch immer war kein Ende in Sicht. Doch schlussendlich würde ich sie alle mit meinem Dolch vernichten und zu Asche verwandeln.

Sluagh übernahmen menschliche Körper, nachdem sie die Seele eines Menschen ausgeschlürft hatten wie einen verdammten Cocktail. Und seit sie das verstanden hatten, war es schwerer geworden, sie zu finden. Aber nicht unmöglich.

Genau deshalb befand ich mich jetzt auch mitten im Wald. Das Pulver hatte mich zuerst in das kleine Städtchen Killarney und von dort aus in den anliegenden Nationalpark geführt. Mit jedem dieser Wesen, das ich vernichtete, schien sich meine Waffe mehr auf sie auszurichten. Es war, als würde er sich ihr Blut merken und danach lechzen. Gut für mich.

Von rechts ertönte plötzlich ein erstickter Laut, und ich legte meinen Kopf schief, um zu lauschen. Ein Gurgeln erklang, leise, aber ich wusste sofort, was da passierte.

Der Sluagh hatte ein Opfer bei sich.

Mein Herz pumpte plötzlich so stark, dass mir kurz schwindelig wurde. Ich zwang mich zur Konzentration und atmete tief durch. Sluagh suchten sich Seelen, an denen sie sich nähren konnten. Das war ihre Natur, egal, wie abscheulich ich es fand. Und ich hatte diese Situation schon unzählige Male durchlebt.

Eine Maske aus Härte breitete sich auf meinem Gesicht aus. Ich durfte nicht kopflos handeln. Sonst wäre das nicht nur mein Tod, sondern auch der des Opfers.

Ich schluckte. Ich war heute alleine hier, ohne Erlaubnis von Mr Graham, der ausdrücklich befohlen hatte, dass ich nur mit einem Partner auf die Jagd gehen durfte. Doch Rastlosigkeit hatte mich aus meinem Bett getrieben und die Spur des Sluaghs direkt hierhergeführt.

Nachdem ich die Liga so schmerzlich verraten und die Kette zum Portal geschmuggelt hatte, gaben sie mir eine letzte Chance.

Ich war nun offiziell eine Jägerin der Liga. Keine Hüterin mehr. Das Portal zur Welt der Sluagh zu bewachen war eine Aufgabe gewesen, gegen die ich mich zunächst gewehrt hatte. Die Erkenntnis, wie besonders das alles gewesen war, kam leider viel zu spät. Ich hatte alles verloren und musste jetzt erst mal beweisen, dass ich diese neue Position in der Liga wirklich verdiente.

Ich blinzelte hastig, um diesen schmerzenden Gedanken zu verdrängen.

Je näher ich dem Sluagh kam, umso lauter wurden die schmatzenden Geräusche. Es roch nach Moos und heraufziehenden Regenwolken. Das Blätterdach über mir verdichtete sich, bis ich in einen Teil des Waldes kam, in dem es noch dunkler zu sein schien.

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf die Energie tief in mir. Nachdem Conors und meine Verbindung zerstört worden war, fiel es mir schwerer, die Rúnda zu finden. Es hatte Wochen gebraucht, bis ich ohne meinen Anamaite halbwegs sicher in die Seelenebene übertreten konnte.

Nun brauchte es nur einen Wimpernschlag.

Die Rúnda, in der ich mich nun befand, war der Ort, an dem unsere Seelen sichtbar wurden, und der, wo die Sluagh lebten. Hier war alles dunkel, und die Nacht färbte die Ebene beinahe pechschwarz. Doch zugleich sah ich überall schimmernd pulsierende Lebensstränge. Der Wald quoll über von Leben und Energie, auch wenn sich seine Bewohner vor mir und dem Sluagh versteckten.

Im nächsten Moment hatte ich ihn entdeckt. Ein wirbelnder Schatten, der bei Tag in der Rúnda völlig schwarz war. Bei Nacht verwandelten sich seine wabernden Enden jedoch in silbrige Schlieren, die wie eine Flamme auf und ab züngelten. Dahinter schimmerte die Seele seines Opfers auf.

Meine eigene Seele glimmerte und spendete sanftes Licht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Sluagh mich bemerken würde.

Flach atmend schlich ich mich noch einmal näher an ihn heran, die Spitze des Dolches auf die silbrige Schwärze gerichtet. Das war die echte Form der Sluagh. Allein die Vorstellung, dass sie in den Körper eines Menschen eindrangen und ihn steuerten, als trugen sie ein Kostüm, ließ Galle in mir aufsteigen.

Ich schluckte sie herunter, ging leicht in die Knie und sprang lautlos auf den Rücken des Sluaghs. Ein Kreischen ertönte, als sich der Dolch in seinen festen Körper bohrte. Er fuhr herum, wollte mich abwerfen, doch schon im nächsten Moment zerbarst er zu tausend Aschefunken.

Unsanft landete ich auf den Knien und keuchte, während ich das zusammengesackte Opfer betrachtete. Ein kleiner Körper pulsierte schwach vor mir auf der Erde. Ein Kind ...

Mein Hals verengte sich, und ich wechselte zurück in die andere Ebene. Ich wimmerte. Ein Mädchen. Zehn, höchstens zwölf Jahre alt. Sie war bewusstlos, und ohne das vorherige Glimmen ihrer Seele hätte ich sie für tot gehalten.

Meine Hände zitterten, als ich den Dolch in die Gürtelhalterung steckte. Dann nahm ich das Kind hoch. Plötzlich ertönte ein Knurren. Ich fuhr herum und sah den Schatten eines Mannes zwischen die Bäume treten. Seine Haltung war krumm, als wäre er es nicht gewöhnt, das Gewicht eines Körpers zu halten. Links von ihm tauchte ein weiterer auf. Und dann noch einer.

Angst schlängelte sich zähflüssig durch meine Venen. Sechs Sluagh. Sechs verdammte Sluagh!

Sie warteten, wie Jäger, die kurz davor waren, ihre Beute zu erlegen. Sie wankten wie Zombies in schlechten Filmen, unfähig, den menschlichen Körper zu kontrollieren.

Alles in mir drängte zum Angriff. Dabei hatte ich keine Chance gegen sie. Nicht mit dem Mädchen in meinen Armen.

Ich drückte sie fester an mich heran. »Es tut mir so leid«, flüsterte ich, bevor ich sie wieder auf den Boden legte. Mitten in die Lichtung, dorthin, wo gerade erst der Sluagh zu Asche geworden war. Dorthin, wo sie beinahe gestorben wäre.

Langsam zog ich den Dolch aus der Halterung, und mein ureigener Instinkt brüllte nach Flucht. Sie hatten die Körper von Erwachsenen übernommen. Zwei Frauen und vier Männer, wenn ich ihre Umrisse in der Dunkelheit richtig deutete. So wie sie sich bewegten, waren sie noch nicht lange in ihnen. Es bestand eine reelle Chance, dass ich einen oder vielleicht zwei töten und dann wegrennen könnte.

Durch die Körper waren die Sluagh langsamer, als sie es vermutlich sonst gewesen wären.

Doch sie brauchten ihre Hüllen. Ohne würden sie nicht überleben können, denn in unserer Welt herrschte das Zwei-Ebenen-Prinzip. Ein Körper konnte nicht ohne Seele bestehen – oder umgekehrt. Die Sluagh waren fremde Wesen aus einer anderen Welt, doch selbst sie mussten sich diesem Prinzip unterwerfen. Ohne einen Körper würden sie innerhalb weniger Tage zerfallen.

Das war mein Vorteil.

Mein Blick zuckte zu dem Mädchen, und ich biss mir so fest auf die Unterlippe, dass ich Blut schmeckte.

Dann wechselte ich erneut in die Rúnda. Höhnend warf ich den Dolch in die Luft. »Giaghen«, rief ich gebrochen. Jagt mich doch. Die Sprache der Sluagh ging mir nicht leicht über die Lippen. Sie war schwer und schleppend. Mein Vater hatte sie studiert, bevor er die Liga verraten und verschwunden war. Er hatte sie mir als Kind beigebracht. Ich hatte es immer für eine wundersame Geheimsprache gehalten, doch mit dem Eintritt in die Liga war mir klargeworden, dass es so viel mehr bedeutete. Er hatte mich die Sprache des Feindes gelehrt. Eines Feindes, zu dem er übergelaufen war.

Die Sluagh spannten sich an. Ihre wabernden Schatten zuckten umher und stießen wütende, rote Funken aus.

Ich lächelte, während mein Herzschlag sich normalisierte und eine todbringende Ruhe sich über mich legte.

Das hier war Wahnsinn. Es war Selbstmord.

Mein Blick zuckte zu dem Mädchen, dessen Seele immer schwächer wurde. Eine Glut, die krampfhaft gegen das Erlöschen ankämpfte.

Das war es wert.

Plötzlich fluteten Bilder von all den Opfern meinen Kopf. Hunderte Vermisstenaufrufe, Anzeigen wegen Angriffen, plötzliche Leichenfunde.

Das Land drehte durch, und ich hatte ihm das angetan.

Glück und Untergang zugleich, dass Irland eine Insel war.

Ich schüttelte die Gedanken ab und rannte auf den Sluagh zu, der mir am nächsten war, und rammte ihm den Dolch in den Bauch. Er zerfiel zu funkelnder Asche.

Die Sluagh aus der anderen Welt führten ihre Kriege anders als jene, die schon ewig hier waren. Sie waren wie Katzen, die immer nur altersschwache Mäuse gejagt hatten und nun einer Horde bewaffneter Nager mit Selbstverteidigungskenntnissen gegenüberstanden. Es wäre ein Leichtes, sie zu vernichten. Doch selbst der schwächste Gegner konnte einen zu Fall bringen, wenn er in der Überzahl war.

Mit einem Aufschrei fuhr ich herum und attackierte den nächsten. Während seine Asche zu Boden fiel, griff mich ein anderer Sluagh von hinten an.

Er zerrte an meiner Seele. Weiße Schlieren schossen wie Regen aus mir heraus und wurden vom Sluagh eingesogen. Er grollte, und wir waren uns so nah, dass ich seine Erregung spüren konnte. Meine Muskeln zitterten, und ich riss mit aller Kraft einen Ellenbogen nach hinten, um ihn in die Mitte seines Leibes krachen zu lassen, der sich unter seinen zuckenden Schatten befand.

Er ließ mich mit einem Stöhnen los, und ich stolperte voraus. Mein Blick suchte das Mädchen, und ich brüllte, als zwei Sluagh sich ihr näherten. Gleichzeitig warf sich ein weiterer auf meinen Rücken. Keuchend ließ ich mich auf den Boden fallen und rollte zur Seite. Schwerfällig fuhr der Sluagh herum, und ich sprang rechtzeitig auf, bevor er mich zu packen bekam.

Ich hastete auf das Mädchen zu und rammte einen der Sluagh mit meiner Schulter, holte gleichzeitig mit dem Dolch aus, verfehlte den Sluagh jedoch.

Krallen bohrten sich in meinen Oberschenkel, und ich stieß einen Fluch aus, warf mich erneut auf den Boden und riss den Dolch nach oben. Aschefunken segelten auf mich hinab, als ich auch diesen Gegner traf.

Die verbliebenen beiden Sluagh kamen auf mich zu. Fließend wechselte ich zurück in die körperliche Ebene und keuchte, als ich das Brennen in meinem verletzten Oberschenkel spürte.

»Verdammt!« Ich japste und nahm wankend das Mädchen auf die Arme, bevor ich mich stöhnend hochstemmte.

Humpelnd lief ich los und stieß Flüche aus, als der Schmerz über mich hinwegrollte. Ich biss die Zähne so fest zusammen, dass mein Kiefer knackte. Immer wieder knickten meine Beine weg. Keuchend wich ich Bäumen aus, strauchelte über Wurzeln und ließ einen frustrierten Schrei raus, als ich sah, wie nah die Sluagh mir waren.

»Nein. Nein. Nein!«, rief ich immer wieder und drückte das Mädchen fester an mich, als meine Muskeln vor Anstrengung zitterten.

Dann tauchte ein Licht vor mir auf, und ich war versucht, ein erleichtertes Stöhnen auszustoßen. Der Parkplatz! Ich musste nur das Mädchen in Sicherheit bringen. Mein Auto war schon in Sichtweite. Dann könnte ich es alleine mit den beiden Sluagh aufnehmen. Nur noch ein paar Schritte!

Doch plötzlich verhakte sich mein Fuß mit einer herausschauenden Wurzel. Ich war so schnell, dass ich nicht mehr reagieren konnte. Mit einem Schrei fielen wir zu Boden, und das Einzige, was ich noch machen konnte, war, mich zu drehen, sodass ich unsanft mit der Seite auf dem Waldboden landete. Das Mädchen keuchte, blieb aber bewusstlos, während ich sie schnell nach groben Verletzungen untersuchte.

Langsam kam ich zurück auf die Füße und zerrte den Dolch aus der Halterung. Dann stellte ich mich schützend vor das Mädchen. Die beiden Sluagh hatten sich jetzt rechts und links vor mir positioniert. Mir wurde eiskalt. Meine Beine zitterten, die Wunde pochte wie verrückt, und Schwindel erfasste mich. Adrenalin betäubte den Schmerz halbwegs, aber den Blutverlust würde ich nicht lange ignorieren können.

Die Sluagh waren nun so nah, dass ich ihnen in die Augen schauen konnte. Weiß umrahmte schwarze Pupillen, die einst einem Menschen mit einer Seele gehört hatten. Jetzt war darin keine Menschlichkeit mehr zu erkennen.

»Verdammt«, murmelte ich.

Da stürzte sich der rechte Sluagh auf mich. Ich hob den Arm, um ihn mit dem Dolch zu attackieren, war jedoch abgelenkt, als der andere Sluagh auf das Mädchen zulief.

Ich wurde umgeworfen und stieß einen Schrei aus, als der Sluagh so fest auf mir landete, dass ich glaubte, er würde mir allein durch den Aufprall alle Rippen brechen.

Plötzlich tauchten zwei Lichtkegel auf. Sie schwangen durch den Wald und schienen direkt auf uns zu verharren. Es war, als hätten uns Engel gefunden.

Die Sluagh stießen wütende Geräusche aus und warfen sich zu Boden, um ihre lichtempfindlichen Augen zu schützen. Egal, wie lange sie schon hier in unserer Welt lebten, diese Wesen hassten das Licht. Das war auch der Grund, weshalb man sie am Tag nicht jagen konnte.

Ich nutzte die Ablenkung, rappelte mich wieder auf und stolperte zu dem Mädchen. Die Sluagh knurrten wütend hinter mir. Menschliche und zugleich ursprüngliche Geräusche, die mir die Härchen auf den Armen hochstellten. Ich erschauderte und atmete viel zu laut. Das Adrenalin pumpte durch meine Venen, doch der Schmerz im Bein war nun so intensiv, dass ich die Zähne zusammenbiss, um nicht loszuschreien.

Ich zitterte heftig, ließ mich vor dem Mädchen in die Knie sinken und versuchte, sie hochzuheben. Immer wieder glitt mein Blick zum Auto, das etwa hundert Meter weiter auf dem Parkplatz stand. Sobald die Scheinwerfer des Autos ausgingen, würden die Sluagh sich auf uns stürzen.

Eine Autotür wurde zugeschlagen, und ich fluchte erneut. Weitere Leute konnte ich hier im Wald wirklich nicht gebrauchen!

»Eliza!«

»Fuck«, murmelte ich, und obwohl ich genervt ausatmete, füllte Erleichterung jeden Winkel meines Körpers. »Hier!«

Zwei Gestalten schoben sich vor den Lichtkegel und joggten auf mich zu, als hätten sie alle Zeit der Welt. Hinter mir hörte ich die Sluagh erneut knurren und dann das Kriechen über den Waldboden.

Jetzt wäre vermutlich die perfekte Möglichkeit gewesen, sie zu vernichten. Stattdessen beschränkte ich mich aufs Atmen und versuchte, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Ich tastete nach meinem Bein und stieß einen leisen Schmerzensschrei aus, als ich die Feuchtigkeit auf meiner Jeans spürte. Blut.

»Das ist jetzt schon das dritte Mal!«, schimpfte Conor und lief an mir vorbei. Sein blondes Haar sah im Scheinwerferlicht silbern aus, und seine Haut wirkte bleicher als die eines Vampirs. Er verwandelte die Sluagh zu glühender Asche, während seine Freundin Leslie sich vor mich hockte. Obwohl sie dem Licht den Rücken zuwandte, konnte ich in ihrem schmalen und zugleich kantigen Gesicht den Vorwurf herauslesen. »Du hast es versprochen!« Mit einer schnellen Handbewegung band sie ihr rotes Haar zu einem hohen Zopf.

Ich machte ein verneinendes Geräusch. »Das Versprechen galt für letzte Woche.«

Conor schnaubte, während er seinen Dolch in den Gürtel schob. »Sind da noch mehr?«

Als ich den Kopf schüttelte, hockte auch er sich neben mich und runzelte mit einem Blick auf das bewusstlose Mädchen seine Stirn. »Lebt sie noch?«

Leslie legte vorsichtig ihre Finger an den Hals des Kindes und brauchte einen Moment, bis sie ihren Puls fand. »Gerade noch so.«

Er nickte und deutete auf meine zerfetzte Jeans. »Du offensichtlich auch.«

Ich winkte ab. »Ruf einen Krankenwagen für das Mädchen. Ich schaffe das auch-«

»Du wirst direkt mit untersucht. So schaffst du es nicht mehr bis nach Dublin. Außerdem ist da noch der gestohlene Wagen.«

»Ich habe Kian einen Zettel dagelassen, dass ich ihn mir ausleihe«, erwiderte ich trotzig und zugleich erleichtert. Sie hatten ja recht. Ich würde es nicht mehr alleine nach Hause schaffen. Nicht mit meinem verletzten Bein. Kian gehörte zu den Spezialisten, war ein Freund aus der Liga und wohnte nur ein paar Wohnungen weiter. Es war leicht gewesen, ihm die Schlüssel vom Tresen zu stehlen, während er mit seinen Kumpels irgendwelche Videospiele zockte. »Woher wusstet ihr, wo ich bin?«

»Nachdem du Kians Wagen das letzte Mal ausgeliehen hast ...«, betonte Leslie unnötigerweise, »... hat er sich einen Peilsender einbauen lassen.« Ihr Blick glitt zu Conor, der ein wenig Abstand zu uns hielt und mit dem Rettungsdienst telefonierte.

»Hätte ich ihm gar nicht zugetraut«, murmelte ich und lächelte schief, weil mich diese Aktion schon ein bisschen beeindruckte. Kian würde nicht wütend sein. Zumindest war er es bisher nicht gewesen. Er wusste, warum ich so wenig Nächte wie möglich vergeuden wollte. Ich war es gewesen, die das Böse in unsere Welt gelassen hatte. Jetzt war es meine Aufgabe, es zu Asche zu verwandeln.

»Er war sauer«, stellte Leslie klar und strich dem Mädchen eine Strähne aus dem Gesicht. Ihre Stimme wurde leise. »Du hast sie gerettet.«

»Die Sluagh haben das Dorf schon terrorisiert. Ich habe gehört, hier gäbe es immer mehr Vermisste. Ich musste-«

»Du musst das nicht alleine machen«, unterbrach sie mich und griff nach meiner Hand. Sie drückte sie zu fest, als könnte sie mir dadurch ihre Worte begreiflicher machen. Seit sich die Verbindung zwischen Conor und mir gelöst hatte, waren wir endgültig Freundinnen geworden. Sie wusste, dass mich dieser Rückschlag heute nicht aufhalten würde.

Dennoch entzog ich ihr meine Hand nicht. »Ich kann nicht einfach weiter herumsitzen.«

»Für heute ist aber Schluss«, rief Conor uns zu und steckte sein Handy in die Hosentasche. »Gleich kommen zwei Krankenwagen. Die werden euch mitnehmen.«

Ich hatte keine Kraft zu widersprechen und legte meinen Kopf in den Nacken. Hier war das Blätterdach nicht mehr so dicht, und ich konnte die Sterne sehen. Sie funkelten, umgeben von Schwärze, und für einen Moment war mir, als wären da Abermillionen von Sluagh, die auf die Erde zuschossen, und ich wäre diejenige, die mit ihrem lächerlichen Dolch dastand und versuchte, sie aufzuhalten. Ich wusste, dass ich nicht allein war. Aber niemand würde je verstehen, wie viel Schuld ich empfand und wie weh es tat, dass ich für jedes einzelne Opfer verantwortlich war.

KAPITEL 2

Im Krankenhaus wurde meine Wunde genäht und ich mit Medikamenten versorgt. Obwohl mir die Ärzte davon abrieten, entließ ich mich selbst, und nachdem die Polizei mich befragt hatte, saß ich schließlich in Conors Wagen.

Nein, ich kannte das Mädchen nicht. Ja, ich glaube, es waren Wölfe, die uns angegriffen haben. Danke, Ihnen auch einen schönen Tag.

Ich kuschelte mich in den Beifahrersitz, Conors Kapuzenpullover um meine Schultern. Tief sog ich den vertrauten Geruch ein, der so viel mehr war als nur Waschmittel und Parfüm. Es war Conors Duft, der Nachhall einer Verbindung, die ich zerstört hatte. Selbst jetzt, Monate später, spürte ich in der Brust ein Ziehen, wenn ich ihn sah. Als wüsste meine Seele, dass er einst zu mir gehört hatte.

Conor und ich waren nie ein Paar gewesen, noch hatten wir Gefühle füreinander entwickelt. Unsere Seelen hatten einfach das perfekte Match ergeben. Ich war froh, dass die Verbindung so viel früher als geplant zerrissen war.

Es war abrupt und schmerzhaft gewesen, aber ich zweifelte inzwischen daran, dass ich unseren Bund von selbst hätte aufgeben können. Es war wie eine von den Sternen vorbestimmte Vereinigung zweier Seelen.

Das war auch der Grund, weshalb Leslie und ich erst danach richtige Freundinnen geworden waren. Immerhin waren die beiden schon ewig zusammen.

Sie war der Grund, warum sie alle mich von Anfang an belogen hatten. Conor und ...

Ich wollte nicht einmal an seinen Namen denken.

Kurz presste ich meine Augen zusammen, doch es nützte nichts. Überall war nur sein Gesicht. Ich wandte den Blick zur Seite und starrte gedankenverloren auf die aufgehende Sonne. »Danke für eure Hilfe.«

»Also gibst du zu, dass du sie nötig hattest?« Conor war manchmal echt ein Trottel.

»Dieses Mal war es wirklich knapp«, gab ich dennoch zu. »Nächstes Mal-«

»-gehst du nicht allein los!«

Ich atmete hörbar ein, schwieg aber. Die Medikamente machten mich müde, mein Bein pochte vor Schmerz, und in meinem Kopf hämmerte es. Ich musste dringend schlafen.

Conor drehte wütend das Radio lauter. Irgendein uralter Song lullte mich ein, und ich schaute auf die Rücklichter von Kians Wagen, den Leslie vor uns nach Hause fuhr.

Ich war schon so einige Male alleine auf die Jagd gegangen, aber es war noch nie so knapp gewesen.

Das musste auch der Grund sein, weshalb Conor so wütend auf mich war. Ich merkte ihm an, dass ich ihn nicht kaltließ. Seine Seele erinnerte sich vermutlich genauso schmerzhaft intensiv daran, meiner nahe zu sein.

***

Conor brachte mich in die Liga und parkte in der anliegenden Tiefgarage.

Ich zischte leise beim Aussteigen. Alles tat mir weh, und ich wollte nur noch in mein Bett.

»Komm, wir lassen Simon noch einen Blick auf dich werfen«, schlug Conor vor und schlang seinen Arm um Leslie, die Kians Wagen neben seinem geparkt hatte und nun zu uns trat.

Es tat nicht weh, die beiden so zu sehen. Das hatte es nie. Dennoch meldete sich bei ihrem Anblick in mir sofort eine Art Sehnsucht. Es hatte nichts mit ihnen zu tun. Nur mit dem, was sie hatten.

Ich schüttelte diese Empfindung ab und wedelte abwehrend mit meiner Hand. »Der wird doch sicher noch schlafen.«

»Wir haben mittlerweile sechs Uhr«, informierte mich Leslie und lächelte mit hochgezogenen Augenbrauen. Dieses Besserwisserlächeln hatte sie echt drauf. »Lass ihn dich untersuchen. Sluagh können ihr Gift in deinem Blut hinterlassen, wenn sie deine Seele beschädigen.«

»Ich will nur noch schlafen.« Trotzdem schleppte ich mich in Richtung des Aufzugs. Sie hatten recht. Es wäre dumm, sich auf die Ärzte im Krankenhaus zu verlassen. Sie konnten zwar einen Körper heilen, aber eine klaffende Wunde auf meiner Seele würden sie übersehen.

Glücklicherweise öffneten sich die Türen sofort, und ich lehnte mich mit einem Ächzen gegen die verspiegelte Wand des Aufzugs. Ein Blick zur Seite verriet mir, was ich längst wusste: Mein braunes Haar glich einem Vogelnest, und die Schminke hatte sich zu dunklen Schatten unter meinen Augen verflüchtigt. Ich war so blass, dass ich einem Zombie Konkurrenz machen könnte, und meine Kleidung war genauso verdreckt wie blutig.

Conor und Leslie trugen hingegen lässige Klamotten in Form von Jeans und Jacken. Nur die Erde an ihren Schuhen bezeugte ihre Nacht im Wald.

Meinen Boots sah man schon gar nicht mehr an, dass sie gestern Abend noch schwarz gewesen waren.

Der Aufzug stieß ein Ping aus und öffnete seine Türen im nächsten Stock. Die Flure der Liga waren schlicht gehalten. Deckenstrahler beleuchteten die fensterlosen Gänge, mit weißen Wänden und schwarzem Fliesenboden. Modern und zugleich zurückhaltend.

Wir kamen an einer Gruppe Jäger vorbei, und ich schaute von ihnen weg, obwohl ich ihre Blicke im Augenwinkel bemerkte. Wütendes Zischen und gedämpfte Flüche erfüllten die Luft. Sie hassten mich. Zu Recht.

»Hör nicht hin«, riet Leslie mir und löste sich von Conor, um an meiner linken Seite zu gehen.

Conor flankierte meine Rechte. »Das sind alles Idioten!« Das letzte Wort sagte er so laut, dass sie ihn hören konnten.

»Danke«, murmelte ich. Doch insgeheim musste ich ihnen widersprechen. Die Jäger hatten am meisten unter meinem Fehler zu leiden. Es gab so viele Sluagh, dass sie jede Nacht rausmussten, um sie zu vernichten. Die Nachrichten waren voll von Angriffen, auf die sich niemand einen Reim machen konnte. Unzählige Leute verschwanden spurlos, und die sozialen Medien waren voll von Verschwörungstheorien. Selbst die Menschen spürten, dass sich eine neue Gefahr unter ihnen befand.

Ich senkte meinen Kopf und ballte zugleich die Fäuste. Irgendwie würde ich dafür sorgen, dass jeder einzelne Sluagh zu Asche wurde. Das musste ich. Ich musste, musste, musste.

Ich war so in Gedanken, dass ich die Person, die mir entgegenkam, nicht bemerkte. Im nächsten Moment knallten wir gegeneinander.

Ich strauchelte, müde und verwundet, und Hände griffen nach meinen Oberarmen, bevor ich zurückweichen konnte.

Mein Atem beschleunigte sich, mein Mund wurde trocken, und mein Herz pochte fest gegen die Rippen. Ich musste nicht hinsehen, um zu wissen, in wen ich hineingelaufen war. Sein Duft, eine Mischung aus Wald und Shampoo, hüllte mich ein, als ich erschrocken einatmete. Zugleich sehnte sich mein Herz nach ihm, obwohl ich ihn schon vor Monaten verlassen hatte.

Logan.

»Wie siehst du denn aus?« Der tiefe Bariton seiner Stimme war mit Entsetzen gefärbt. Ich erschauderte und zwang mich, aufzublicken und seinen blauen Augen standzuhalten.

»Als hätte ich mich mit einem Sluagh in der Erde gewälzt.«

»Ich habe gewonnen«, rief Conor und offenbarte damit, dass er mich gerettet hatte.

Sofort kniff Logan seine dunklen Augenbrauen fester zusammen und betrachtete mich eingehender, suchte nach Wunden. »Warst du etwa schon wieder-«

»Hör auf damit«, bat ich ihn leise, während tief in mir ein Sturm tobte. Ich wollte mich an ihn schmiegen und mich am liebsten von ihm in meine Wohnung tragen lassen, nur um nicht mehr stehen zu müssen. Doch das war unmöglich. Es würde uns beiden das Herz brechen. Denn Logan war nach meinem Versagen zum neuen Hüter der Liga berufen worden. Und er war eine Verbindung mit meiner Cousine eingegangen. Sie waren Seelenverwandte. Gemeinsam waren sie fähig, den Schutz des Portals zu stärken.

Sie waren eine Einheit. So, wie Conor und ich es gewesen waren.

Doch es gab zwischen uns einen gewaltigen Unterschied. Conor und mir war immer klar gewesen, dass wir keine romantische Verbindung eingehen würden. Wir hatten uns Grenzen gesetzt.

Ganz im Gegensatz zu meiner Cousine. Sie wollte um Logan kämpfen, und da ich wusste, wie intensiv eine Verbindung zweier Seelen sein konnte, hatte ich ihm den Rücken gekehrt. Und ich bereute es zutiefst. Auch Monate später hatte ich es nicht geschafft, von ihm loszukommen, und allein ihn zu sehen zerriss mir mein Herz.

Dennoch war es die einzig richtige Entscheidung gewesen.

Logans Blick wurde weich, und er hob seine Hand, um mir eine Strähne aus dem Gesicht und hinter mein Ohr zu streichen. Seine Finger waren warm und rau zugleich.

Ich hielt die Luft an, als er mich berührte. In mir wallten Schmetterlinge auf. Ich hasste dieses Gefühl, doch ich liebte es auch. Logan gegenüberzustehen fühlte sich an, als würde ich schweben und wäre im freien Fall. »Tu das nicht.«

»Ich kann einfach nicht anders«, erwiderte er genauso leise. »Ich vermisse dich. Bitte komm morgen Abend zu mir. Mit Leslie und Ruby.«

»Ich-«

»Es ist nur eine kleine Party.«

»Okay«, flüsterte ich und presste sofort meine Lippen zusammen, als könnte es das Wort ungesagt machen.

»Gut.« Logan lächelte, woraufhin sich seine Grübchen zeigten. Meine Knie wurden weich. Das lag sicher an den verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln, die sie mir im Krankenhaus gespritzt hatten.

Ich räusperte mich und trat endlich einen Schritt zurück. Seine Hand hing zwischen uns in der Luft, und kurz glaubte ich, er würde nach mir greifen. Ich hoffte, er würde es tun. Stattdessen ließ er den Arm sinken und betrachtete mich mit diesem halben Lächeln, das mich schon seit unserer Trennung in den Wahnsinn trieb. Nicht, dass wir jemals ein Paar gewesen waren. Aber wir hatten kurz davorgestanden.

Ich schenkte ihm einen letzten flüchtigen Blick und holte zu Conor und Leslie auf, die am Ende des Flurs auf mich gewartet hatten. Keiner von uns sagte ein Wort, als wir in das Krankenzimmer traten.

Wenigstens so lange, bis Leslie es nicht mehr aushielt. »Ruby wird ausflippen, wenn sie erfährt, dass du zur Party kommst.«

Ich stöhnte, als mir klar wurde, worauf sie anspielte. Ruby und Logans Mitbewohner Kian hatten eine heiße Nacht miteinander verbracht, und seitdem versuchte Ruby, ihm aus dem Weg zu gehen.

»Verdammt«, murmelte ich und rieb mir die Stirn. »Lass mich bitte nie wieder allein, wenn ich auf Schmerzmittel bin.«

Leslie lachte so laut auf, dass ich zusammenzuckte.

»Also ich freue mich auf die Party«, ließ Conor uns wissen und zuckte grinsend mit seinen schlanken und zugleich muskulösen Schultern. Wo Logan aus massigen Muskeln bestand, war Conor schmal und sportlich gebaut. Sie waren völlig gegensätzlich und doch die besten Freunde. Fluch und Segen für mich.

Glücklicherweise hatte Simon, der für die Liga als Protektor arbeitete, für uns Zeit und konnte sich meine Wunden etwas genauer anschauen. Seit er von meiner Mutter angeheuert worden war, mich mittels eines Giftes und eines hinterhältigen Tricks an die Liga zu ketten, hatte er immer für mich Zeit. Vermutlich versuchte er damit, sein schlechtes Gewissen wettzumachen.

Mittlerweile hatte ich ihm verziehen, auch wenn wir niemals die besten Freunde werden würden. Er war zu seiner Tat gezwungen worden, doch ich selbst hätte das niemals mit mir machen lassen.

Eine halbe Stunde und eine Injektion mit einem Gegengift später sank ich schließlich völlig fertig in mein weiches Bett. Nur Sekunden später fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

***

»Eliza!« Rubys Stimme riss mich unsanft hoch. Sonne strahlte ungehindert in mein Zimmer, und ich hörte durch die dünnen Scheiben den Stadtverkehr Dublins.

Ich stöhnte und zerrte die Decke über den Kopf, um weiterzuschlafen.

Im nächsten Moment polterte Ruby in mein Zimmer. »Du hast eine Partyeinladung von Logan angenommen?« Fassungslosigkeit erhellte ihre Stimme.

»Ich war auf Drogen«, murmelte ich in mein Kissen hinein und gähnte herzhaft. »Sag einfach, dass ich krank bin.«

»Du weißt, dass ich das nicht kann. Logan würde dich eigenhändig zu sich rüberschleifen.« Ruby fluchte und ließ sich auf meine Matratze fallen. Es wankte so sehr, dass mir kurz schwindelig wurde.

Mir war, als hätte ich gestern zu viel getrunken und zu lange gefeiert. Leider hatte sie mit Logan recht. Er versuchte schon seit unserer Trennung, sich mir wieder anzunähern, und meine Zusage zu seiner Party war ein kleiner Finger, den er gepackt und an sich gerissen hatte. Verdammt! Leslie hätte heute Morgen besser auf mich aufpassen müssen. »Mir tut alles weh.«

»Ich habe es schon gehört. Sechs Sluagh. Bist du eigentlich völlig wahnsinnig?«

»Ich musste«, erwiderte ich und zog die Decke weiter über den Kopf, bis hinter den Lidern diffuse Dunkelheit herrschte. Dennoch sah ich immer wieder das Mädchen vor meinen Augen. Ich hoffte inständig, die Polizei fand ihre Eltern so schnell wie möglich. »Ich konnte sie nicht dort liegen lassen.«

»Du hättest gar nicht erst alleine losziehen dürfen! Ich hätte dich begleitet«, schimpfte sie, und ich spürte, wie sie sich auf meinem Bett ausbreitete.

»Du warst seit Wochen jede Nacht mit mir draußen und wärst gestern fast gegen eine Ampel gefahren. Du brauchst mehr Schlaf.«

»Und du kommst ganz ohne aus, was?«

Ich schnaubte, weil mir keine passende Erwiderung einfiel.

»Es sind alle Jäger da draußen, die die Liga hat. Jede Nacht. Du musst dir eine Pause gönnen, Eliza. Die Abschlussprüfungen stehen vor der Tür, und wir müssen auch mal lernen.«

Der Abschluss war mir mittlerweile komplett unwichtig. Vor einem halben Jahr stand für mich fest, dass ich zum Studieren wegziehen würde. Heute war die Lage eine andere. Ich wollte Teil der Liga sein. Doch dafür musste ich eine Schuld wiedergutmachen.

Ruby deutete mein Schweigen richtig. »Du wirst das jetzt nicht aufgeben. Immerhin hast du so stark dafür gekämpft, weiter zur Schule gehen zu können.«

»Da war ich noch Hüterin und wollte nichts mehr, als von hier zu verschwinden. Die Dinge haben sich geändert.«

Ruby riss mir so plötzlich die Decke vom Kopf, dass ich nicht einmal reagieren konnte. Ihre braunen Augen funkelten, doch ihre dunklen Augenbrauen hoben sich überrascht. »Erst mal – du siehst ja grauenvoll aus!« Sie schüttelte ihren Kopf. »Du wirst deinen Abschluss machen. Du musst. Sonst wirst du es nachher noch bereuen.«

Ich war mir da nicht mehr so sicher. Natürlich hatte ich in der Liga darum gekämpft, ihn machen zu dürfen, und es wäre eine Verschwendung, wenn ich alles hinwarf. Und trotzdem. Meine Prioritäten hatten sich verschoben. »Okay. Kann ich jetzt noch ein bisschen schlafen?«

»Geht nicht.« Ruby zog die Decke zurück. »Wir müssen uns mit unserer Lerngruppe treffen. Du hast dir wirklich nicht den besten Tag ausgesucht, um dich so fertigmachen zu lassen.«

Ich warf ihr einen finsteren Blick zu. »Es stand sechs zu eins, plus ein bewusstloses Kind.«

Sofort verflüchtigte sich Rubys Lächeln, und sie griff nach meiner Hand, um sie fest zu drücken. »Zum Glück warst du da.«

»Aber für alle anderen bin ich nicht da.« Mein Hals verengte sich, und die Schuld legte sich wie eine schwere Decke über mich. Irgendwann würde ich noch daran ersticken.

»Hör bitte auf damit.« Sie seufzte schwer, denn dieses Gespräch hatten wir schon zu oft geführt. »Sadie hat dich reingelegt. Sie hat behauptet, das Portal würde deine Seele verschlingen, wenn du die Kette nicht trägst. Bei Gott, welche Schwester tut einem das an?«

»Ich hätte mich irgendwem anvertrauen müssen. Dann wäre es niemals so weit gekommen.« Rubys Frage überging ich, denn ich stellte sie mir jede Nacht aufs Neue, wenn ich auf der Jagd war.

Sadie war noch immer verschwunden und reagierte auf keine meiner Nachrichten. Natürlich nicht. Immerhin hatte sie mich reingelegt. Aber ich versuchte es weiterhin.

Ruby schnalzte mit ihrer Zunge und zerrte schließlich den Rest der Decke von meinem Körper. »Dafür hast du doch jetzt schon mehr als genug bezahlt. Deine Verbindung zu Conor wurde zerstört, Logan ist der nächste Hüter, und du bist eine Jägerin.« Sie grinste, sprang auf und strahlte mich an. »Was gar nicht schlimm ist, da ich ebenfalls eine Jägerin bin.«

Ich schlang frierend die Arme um mich. Gestern Nacht war ich zu fertig gewesen, um einen Schlafanzug anzuziehen, und trug dementsprechend nur noch meine Unterwäsche.

Ruby schaute auf die Uhr auf meinem Nachttisch. »Wenn du dich beeilst, hast du noch Zeit für eine Dusche. Du siehst echt scheiße aus.«

»Du bist ein schlechter Mensch«, erwiderte ich und zwang mich zum Aufstehen. Beim Auftreten verzog ich das Gesicht und humpelte langsam ins Bad. Ich heilte zwar besser als gewöhnliche Menschen, aber nicht annähernd schnell genug. Die Wunde am Oberschenkel würde mich für ein paar Tage zwingen, die Füße still zu halten. Im Badezimmer putzte ich mir zunächst die Zähne und betrachtete dabei meinen Körper. Unzählige Schrammen und Blutergüsse zierten ihn. Ein Gemälde der Gewalt.

Kein Wunder, dass die Krankenschwester mir gestern Nacht recht subtil eine Broschüre gegen häusliche Gewalt in die Hand gedrückt hatte. Ich sah aus wie das Opfer und nicht wie die Jägerin.

Während ich duschte, wanderten meine Gedanken gegen meinen Willen zurück zu Logan. Er hatte gut ausgesehen.

Bevor alles in der Liga so gründlich schiefgegangen war, hatte er gegen seine Gefühle für mich angekämpft. Er war sich sicher gewesen, dass ich mich über kurz oder lang in Conor verlieben würde. Schließlich war er mein Anamaite gewesen. Bei der Erinnerung an seine Verbohrtheit lächelte ich. Von Anfang an war mir klar, dass er damit falschlag. Doch dass das am Ende nichts nützte, wäre mir niemals in den Sinn gekommen.

KAPITEL 3

Ruby ging schon mal vor und kaufte eine Runde Donuts für alle, und nur wenig später trafen wir uns vor dem Hauseingang, damit sie mich einsammeln konnte. Als sie mein Outfit sah, prustete sie los. »Du siehst aus, als hättest du einen Altkleidercontainer überfallen.«

Ich schaute betont ahnungslos auf meine Klamotten, die aus einer Leggings und einem übergroßen Pullover bestanden. Sie waren schon etwas abgetragen und nicht mehr neu, aber zumindest waren sie bequem. »Eigentlich hatte ich nicht vor, irgendwen in unserer Lerngruppe aufzureißen.«

Ruby lachte laut auf. »An Angeboten mangelt es jedenfalls nicht.«

Stöhnend ließ ich mich tiefer in den Beifahrersitz sinken und schaute aus dem Fenster. Die Frühlingssonne glitzerte auf der Liffey, und nach tagelangem Regen zeigte sich der April von seiner besten Seite. »Kein Interesse.«

»Wetten wir, dass Shawn dich wieder um ein Date bittet?«

»Bestimmt nicht.« Ich gähnte und wünschte mir, die Nacht hätte mehr als nur drei Stunden gehabt. »Er fragt nicht mehr so häufig wie früher.«

»Du weißt aber, dass er damit aufhören würde, wenn du ihn darum bittest?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Als hätte er das jemals ernst gemeint.«

»Er will auf jeden Fall mit dir ausgehen.«

»Er will mich nur ärgern«, winkte ich ab. Shawn fragte mich schon seit einem halben Jahr regelmäßig nach einem Date und ging trotzdem nebenbei mit zig anderen Mädchen aus. Nichts an seiner Frage war ernst gemeint. »Würde er wirklich auf mich stehen, hätte er nicht jedes Wochenende eine andere.«

»Ich wette, er würde sein Verhalten direkt ändern, wenn du ihm signalisierst, dass du bereit für ein Date wärst.«

»Als würde ich im Moment nicht verfügbar sein«, spottete ich und hatte keine Ahnung, was ich davon halten sollte. »Egal. Er fragt mich sicher nicht.«

»Die Wette gilt. Die Verliererin macht morgen die ganze Wäsche.«

Ich lachte so laut und plötzlich los, dass ich im gleichen Moment vor Schmerz zusammenzuckte. »O Mann, das tut echt weh.« Mein Oberschenkel pochte schon wieder, und ich befürchtete, dass ich mit den verschriebenen Schmerzmitteln nicht über den Tag kommen würde. Wenigstens hätte ich dann eine Ausrede, um nicht auf Logans Party zu müssen. Er würde mich doch nicht unter Schmerzen zwingen, oder?

Die Vorstellung wollte mir ein Lächeln entlocken, das ich sofort im Keim erstickte. Ich sollte mir Logan endlich aus dem Kopf schlagen und über ihn hinwegkommen. Wir waren nicht einmal ein Paar gewesen und hatten nur miteinander geflirtet. Es hatte gefunkt, als würden wir jeden Moment einen Brand entfachen, aber am Ende war es nie zu etwas Ernstem geworden. Ich hatte keine Ahnung, warum mein Herz das nicht endlich begriff.

Nur wenig später kamen wir beim Haus unserer Mitschülerin Marie an, bei der wir uns mit ein paar anderen Leuten aus unserem Mathematikkurs trafen. Sie begrüßte uns mit ihrem üblichen Lachen, das von goldenen Locken und grünen Augen umrahmt wurde. Ihr Mundwinkel zuckte, als hätte sie kurz vorher herzhaft über einen Witz gelacht. »Kommt ruhig rein!«

Sie führte uns durch ihr Elternhaus, ein typisches Reihenhaus mit gemütlicher Einrichtung, bis zu einem Wintergarten. Rechts stand ein Outdoorsofa mit Sesseln, umrahmt von mehreren Topfpflanzen. Neben der Tür befand sich eine moderne Hollywoodschaukel, und links thronte ein langer Glastisch mit schwarzen Gartenstühlen.

Sofort wurden wir mit einem überschwänglichen Hallo begrüßt, das sicher von den mitgebrachten Donuts herrührte.

Nachdem wir uns bedient hatten, schnappte ich mir schnell einen Platz in der Schaukel, lehnte mich zurück und schloss kurz meine Augen.

Es dauerte keine Minute, da spürte ich, wie jemand den Platz neben mir besetzte. Der Geruch eines teuren, holzig-blumigen Parfüms stieg mir in die Nase, und ich verzog meinen Mund. Es war eine Mischung aus Lächeln und Zähnefletschen. »Hi Shawn.«

»Guten Morgen, du siehst ja mal wieder fit aus.«

»Das ist nichts, was man einer Dame ins Gesicht sagt«, erwiderte ich mit weiterhin geschlossenen Augen.

Er lachte leise. Rau, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekrochen. »Und nichts, was du nicht locker wegstecken könntest.«

Das kommentierte ich nicht. »Ich brauche auch so eine Schaukel.«

»Es gibt welche aus Stoff, die kann man an einem Haken in der Decke befestigen.« Die Schaukel wackelte, als würde er es sich neben mir gemütlicher machen. »Wenn du willst, komme ich dich mal besuchen und messe nach, ob bei dir genug Platz dafür wäre.«

»Und nimmst du dann auch Maß an meinem Bett?«, fragte ich mit einem Schnauben und unterdrückte zeitgleich ein Gähnen.

»Man braucht nicht für alle Aktivitäten so viel Platz«, erwiderte er mit einem lockenden Tonfall.

Ich lachte laut auf und schaute doch zu ihm herüber. »Ernsthaft?«

Shawns dunkle Augenbrauen wackelten, während er sich eine helle Strähne aus dem Gesicht schob. »Sicher. Ich habe genau das richtige Werkzeug dafür.« Seine scharfen, kantigen Züge hatten schon so einige Mädchen an unserer Schule zum Dahinschmelzen gebracht. Doch das Gefährliche an ihm war sein Selbstbewusstsein. Er behauptete, er würde sein Herz nie verschenken, zugleich brach er sie aber reihenweise auf seinem Weg.

Ich grinste ihn an. »Da bin ich mir sicher.«

Er beugte sich zu mir herunter und kam meinem Gesicht so nahe, dass ich seinen Atem riechen konnte. Frische Minze. »Kostprobe gefällig?«

»Spiel nicht mit mir«, erwiderte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. »Sonst verbrennst du dich noch.«

»Vielleicht will ich das ja.« Seine Worte strichen über meine Haut und lösten ein Prickeln aus, das mir schier den Atem raubte.

Gänsehaut bedeckte meine Arme, und ich zwang mich, nicht von ihm abzurücken. Das Gefühl von Gefahr ließ jegliche Alarmglocken bei mir klingeln, so wie ich es sonst nur bei der Jagd kannte. Ich war einen Moment lang so überwältigt, dass ich ihn nur anstarren konnte.

Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Wow, du siehst aus, als würdest du mich entweder jeden Moment abstechen oder küssen wollen.«

Ich blinzelte, schüttelte das Gefühl von Gefahr ab und erwiderte sein arrogantes Lächeln. Ich war total übernächtigt und sah schon Gespenster. »Vielleicht solltest du dir ein einfacheres Opfer suchen.«

»Vielleicht will ich es aber gar nicht einfach.« Nun lächelte er nicht mehr, sondern betrachtete mich mit einem nachdenklichen, ernsten Ausdruck. Mein Herz klopfte ein wenig schneller, und für einen Moment wusste ich nicht, ob es Aufregung oder Unbehagen war.

Doch dann zuckte Shawns Mundwinkel, und er zog sich zurück, bevor es unangenehm wurde. »Wie ein Rehkitz im Scheinwerferlicht.«

»So würde ich mich nicht beschreiben«, erwiderte ich und zwang mich, seinem Blick standzuhalten. Ich wusste nicht, wieso es mir so wichtig war, aber ich wollte ihm nicht zeigen, dass er diese Wirkung auf mich hatte.

»Richtig«, flüsterte er, und sein Blick wanderte zu meinen Lippen. »Du bist eher der Wolf im Schatten.«

»Wow«, hauchte ich und versuchte, unbeeindruckt zu wirken. »Du hast dieses Flirtding echt drauf.« Ich zwinkerte ihm zu, bevor ich meine Hand auf seine Brust legte und ihn sanft von mir wegschob. »Aber ich habe kein Interesse, eine Kerbe in deinem Bettpfosten zu sein.«

»Oh Eliza«, seufzte er schwer. »Du könntest so viel mehr für mich sein.«

Ich hatte keine Ahnung, ob überhaupt irgendeines seiner Worte ernst gemeint war, aber ich lachte, als hätte er einen Witz gemacht. »Das bezweifle ich.«

»Geh mit mir aus«, bat er mich und erwiderte mein Lächeln nicht. »Mit allem Drum und Dran.«

»Du hast doch keine Ahnung, was mir gefällt.« Ich entspannte mich. Das hier war ein Spiel, das wir schon lange spielten. Er bat mich um ein Date, und ich lachte und nahm ihn nicht ernst. So waren wir. Das war ungefährlich.

Unwillkürlich drifteten meine Gedanken zu dem ersten und einzigen Date zwischen Logan und mir. Es war wunderschön gewesen. Unperfekt. Spontan. Genau wie wir. Nur, dass es nie ein Wir gegeben hatte.

»Ich hoffe, du träumst gerade von unserem Date«, zerrte Shawns Stimme mich aus meinen Erinnerungen, und ich schaffte nur ein mattes Lachen.

»Sicher. Du würdest mich bestimmt in ein schickes Restaurant zum Essen ausführen, oder mit mir ins Kino gehen.« Langeweile pur.

»Das klingt ja öde.« Shawn setzte sich etwas gemütlicher auf der Schaukel hin, wodurch sein Knie meines berührte. Sein Blick war die ganze Zeit auf mich gerichtet. »Wir würden Burger essen und dann tanzen gehen.« Er zwinkerte mir zu. »Natürlich in irgendeinem Schuppen, der so gut besucht ist, dass wir uns die ganze Zeit über berühren müssen, um uns in dem Gedränge nicht zu verlieren.«

Ich lachte laut auf. »Das klingt ja grässlich.«

»Es klingt nach dem perfekten Freitagabend.« Er hob den Kopf und schaute zu den Leuten auf der Sofalandschaft, die lernten. »Party am Freitagabend?«

Sofort erklangen zustimmende Rufe.

Shawns Grinsen war so siegesgewiss, dass ich lachen musste. »Das ist kein Date.«

»Du würdest eh nicht Ja sagen.« Er zuckte mit den Schultern und wandte den Blick ab. »Ein General muss wissen, wann eine Schlacht verloren ist.«

»Und was bin ich in dieser Metapher?«

»Du bist der Schatz, um den gekämpft wird«, sagte er leise und betrachtete mich erneut so, als würde er jedes Wort ernst meinen.

»Und wer ist der Gegner?«, fragte ich leise und plötzlich hypnotisiert von seinen sturmgrauen Augen.

»Derjenige, weshalb du immer Nein sagst.« Er hob einen Mundwinkel und wirkte für einen Moment fast schon enttäuscht.

Mein Mund öffnete sich, doch kein Wort kam heraus. Shawn schien dies zu spüren, denn er wechselte das Thema.

»Okay, dann legen wir mal los. Ich komme mit den Übungsaufgaben nämlich so gar nicht weiter.« Er zog aus dem neben ihm liegenden Rucksack die Unterlagen heraus, die unsere Lehrerin zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen verteilt hatte. Dann schlug er seinen Block auf.

Ich brauchte einen Moment länger, um meine Unterlagen rauszusuchen. Dabei warf ich einen Blick zu Ruby herüber, die mich mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, als würde sie sagen wollen: Siehst du! Er steht auf dich!

»Aber vorher besorge ich uns beiden einen Kaffee. Du siehst echt aus, als könntest du den gebrauchen.« Shawn grinste mich auf diese unverschämte Weise an, bei der er mit allem durchkam. Selbst unsere Lehrer tolerierten damit sein regelmäßiges Zuspätkommen.

Kaum war Shawn gegangen, setzte sich Ruby neben mich. »Wow! Was geht denn bei euch ab?«

»Ich habe keine Ahnung, was du meinst.« Betont gelangweilt blätterte ich in einem Notizbuch. »Eine typische Begegnung mit Shawn. Er flirtet mit jeder.«

»Mit mir nicht. Und wenn, würde ich ihn sicher nicht so abblitzen lassen.«

»Du kannst ja mal dein Glück bei ihm versuchen«, schlug ich vor und zog die Beine hoch zu einem Schneidersitz.

Sie schnaubte, als hätte ich sie beleidigt. »Ich laufe keinem Typen hinterher, der meine beste Freundin will. Außerdem steht er so was von auf dich!«

»Unsinn, er will nur testen, wie weit er bei mir kommt, weil ich nicht sofort auf seine Flirts anspringe. Außerdem will ich momentan niemanden daten.« Mein Blick flog über die zehn anderen Mitschüler, die sich im Wintergarten ausgebreitet hatten, um zu prüfen, ob uns jemand zuhörte. Aber sie waren mit sich selbst und ihren Aufgaben beschäftigt.

»Wer sagt denn, dass ihr daten müsst? Ihr könntet ein bisschen rumknutschen. Das würde dir sicher helfen, über Logan hinwegzukommen.«

Ich holte Luft, um zu widersprechen, stieß sie dann aber frustriert aus, weil es Selbstbetrug wäre, etwas anderes zu behaupten. »Das ist doch alles scheiße.«

»Erkennst du die Tragik in eurer Geschichte? Als du Hüterin warst, wollte Logan dich nicht, und jetzt, da er einer ist, willst du ihn nicht.«

»Er hatte recht damals. Es kann nicht gut ausgehen. Erst recht nicht, wenn Mara darum kämpft. Conor und ich wollten nie ein Paar sein. Aber so? Logan und ich haben kein Happy End.« Ich strich über eine Seite meines Notizbuches, die in der Tasche eingeknickt worden war, obwohl ich wusste, dass sie sich nicht mehr glätten ließ.

»Denkst du, ihr hättet der Verbindung irgendwann nachgegeben?«, fragte sie leise, als könnte sie meine Gedanken lesen.

»Damals hätte ich es bestritten. Aber ich spüre den Nachhall noch immer, obwohl es Monate her ist.«

Ruby seufzte schwer. »Ich wünschte, ich würde auch so eine Verbindung eingehen können.«

»Es ist, als wäre man fremdgesteuert«, versuchte ich schlechtzureden, was zugleich wunderschön war. Allein der Gedanke, dass Logan mit meiner Cousine den Anamaite-Bund eingegangen war und sie jeden Tag sah, ließ die Eifersucht in mir brodeln.

»Vielleicht solltest du Shawn doch eine Chance geben. Und wenn du dich nur von ihm ein wenig ablenken lässt«, schlug Ruby leise vor.

Ich schaute zu der Ecke, in der Marie einen Servierwagen hingestellt hatte. Dort unterhielt sich Shawn gerade mit einem Mitschüler und lachte über irgendetwas. Strahlten seine Augen schon immer so sehr?

Schnell schaute ich wieder weg. »Das wäre mies von mir.«

»Nur, wenn er wirklich Gefühle für dich hat. Aber da du dir ja sicher bist, dass dem nicht so ist, wäre es kein Problem.«

Ich stöhnte genervt, worauf Ruby auflachte. »Ist doch so!« Sie tätschelte meinen Arm. »Wir gehen feiern, und ich sorge dafür, dass du dich nicht davor drücken kannst.«

»Ich habe für morgen schon Logan zugesagt«, erinnerte ich sie.

»Du wirst es eh nicht lange in seiner Nähe aushalten. Wir werden dort ein wenig dein Herz quälen, und dann kannst du dich im Club von Shawn trösten lassen.«

»Du bist böse.« Ich meinte es so, dennoch musste ich lachen.

»Nur ehrlich. Und es ist meine Rache, weil du mich zwingst, Zeit mit Kian zu verbringen.« Sie warf mir eine Kusshand zu, stand auf und machte Shawn Platz, der jetzt mit zwei Kaffeetassen auf uns zukam.

»Hi Ruby«, begrüßte er sie mit seinem typischen Grinsen, unterstrichen mit halb gesenkten Lidern.

»Hi«, flötete sie und tänzelte davon, um sich an den Tisch zu setzen. Dabei zwinkerte sie mir übertrieben zu.

»Was ist los mit ihr? Will sie uns verkuppeln? Das würde mir gefallen.« Er reichte mir eine Tasse und setzte sich vorsichtig neben mich, um den Kaffee nicht zu verschütten. »Aber jetzt sollten wir wirklich lernen.«

»Danke für den Kaffee.« Ich nippte daran und unterdrückte den Drang zu seufzen, weil er echt gut schmeckte.

Ich hatte keine Ahnung, was los war, aber hier in dieser privaten Atmosphäre fühlten sich Shawns Flirtereien nach mehr an als in der Schule.

Vielleicht hatte ich mir gestern Nacht bei der Jagd aber auch einfach nur den Kopf angeschlagen.

KAPITEL 4

»Ich hasse Partys«, murmelte ich störrisch und starrte böse auf meinen Kleiderschrank, aus dem Ruby gerade reihenweise Kleider zog.

»Lügnerin. Du liebst Partys.« Sie lachte und zog ein mintfarbenes Paillettenkleid heraus, das sie prüfend vor ihren Körper hielt. »Du hast doch nur Angst vor Logan.«

»Nein, ich habe keine Angst vor ihm. Nur vor diesen blöden Gefühlen, die einfach nicht mehr aufhören wollen«, gab ich zu und ließ mich rücklings auf mein Kissen fallen. »Es nervt einfach. Dabei ist er so ein Arsch. Er soll mich einfach in Ruhe lassen.«

»So, wie du ihn in Ruhe gelassen hast?«

»Du weißt selbst, dass das nicht vergleichbar ist.«

»Natürlich weiß ich das.« Sie bewarf mich mit dem Kleid und setzte sich dann auf die Bettkante. »Aber er liebt dich. Das sieht ein Blinder.«

Ich zog das Paillettenkleid von mir und strich gedankenverloren über die funkelnden Kreise. »Ich dachte, du wärst im Team Shawn.«

»Ich bin im Team Eliza-soll-glücklich-werden. Es ist mir egal, mit wem du ausgehst. Aber nicht, wenn du dich so quälst.«

Gerührt tätschelte ich ihren Arm. »Ich hasse Männer.«

»Dein Leben ist aber auch kompliziert.«

»Und deins ist besser?« Ich stemmte mich auf meine Unterarme und schaute sie unter erhobenen Augenbrauen herausfordernd an. »Du bist doch diejenige, die immer erst den Flur prüft, bevor sie aus der Wohnung tritt. Kian mag dich wenigstens und sagt offen, was er will.«

»Das machen Shawn und Logan ebenfalls. Sie wollen mit dir ausgehen. Du bist diejenige, die immer Nein sagt«, erinnerte sie mich mit ihrem blöden Besserwisserlächeln.

Ich streckte ihr zur Antwort die Zunge entgegen.

Ruby sprang von meinem Bett und deutete auf das Paillettenkleid. »Das wirst du heute anziehen.«

»Es ist eine WG-Party. Ich wäre komplett overdressed. Außerdem würde man meine ganzen blauen Flecken sehen. Das sähe jämmerlich aus.« Zum Beweis deutete ich erst auf meinen Arm und schob dann ein Bein der Jogginghose hoch. Blutergüsse überzogen meine Haut. Manche verheilten besser als andere. Aber in einem Kleid konnte ich auf keinen Fall herumlaufen.

Ruby machte einen Schmollmund, wirbelte herum und rannte aus meinem Zimmer. »Ich habe die perfekte Alternative!«