Emily Windsnap - Das Abenteuer - Liz Kessler - E-Book

Emily Windsnap - Das Abenteuer E-Book

Liz Kessler

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Beschreibung

Emily hat ein großes Geheimnis: Sie ist halb Mensch, halb Meermädchen! Emily lebt mit ihren Eltern auf einer tropischen Insel mitten im Bermudadreieck. Hier kann sie ein Meermädchen sein, und alle finden es ganz normal. Zusammen mit ihrer besten Freundin Shona besucht sie eine Nixenschule und erkundet die Umgebung. Doch dann lassen sie aus Versehen einen riesigen und sehr wütenden Kraken frei … Der zweite Band der erfolgreichen Serie für alle Mädchen ab 10 Jahren, die auch davon träumen, eine Meerjungfrau zu sein Bei Antolin gelistet Alle Bände über Emily Windsnap: Band 1: Das Geheimnis Band 2: Das Abenteuer Band 3: Die Entdeckung Band 4: Die Rückkehr Band 5: Die Reise Band 6: Die Bestimmung

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Liz Kessler

Emilys Abenteuer

 

Aus dem Englischen von Eva Riekert

 

Über dieses Buch

 

 

Emily hat ein großes Geheimnis: Sie ist halb Mensch, halb Meermädchen!

 

Emily lebt mit ihren Eltern auf einer tropischen Insel mitten im Bermudadreieck. Hier kann sie ein Meermädchen sein, und alle finden es ganz normal. Zusammen mit ihrer besten Freundin Shona besucht sie eine Nixenschule und erkundet die Umgebung. Doch dann lassen sie aus Versehen einen riesigen und sehr wütenden Kraken frei …

 

Der zweite Band der erfolgreichen Serie für alle Mädchen ab 10 Jahren, die auch davon träumen, eine Meerjungfrau zu sein

 

Alle Bände über Emily Windsnap:

Band 1: Das Geheimnis

Band 2: Das Abenteuer

Band 3: Die Entdeckung

Band 4: Die Rückkehr

Band 5: Die Reise

Band 6: Die Bestimmung

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Als Liz Kessler im Alter von neun Jahren ihr erstes Gedicht veröffentlichte, hatte sie sich nicht träumen lassen, dass sie einmal eine der erfolgreichsten Autorinnen der Welt werden würde. Ihre Kinderbücher über das Meermädchen Emily Windsnap und die Feenfreundin Philippa sind internationale Bestseller und haben sich weit über sechs Millionen Mal verkauft. Für ihren Roman Als die Welt uns gehörte wurde sie mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2023 (Jugendjury) ausgezeichnet.

Inhalt

[Widmung]

[Motto]

1. Kapitel

Meerjungfrauen? Aber sicher!

2. Kapitel

Ich bin als Erste [...]

3. Kapitel

Ich weiß ja nicht, [...]

4. Kapitel

Wie lange sind wir [...]

5. Kapitel

Dad hat endlich einen [...]

6. Kapitel

Wie konnten sie das [...]

7. Kapitel

Also, das ist ja [...]

8. Kapitel

Dieser unheimliche Mr Beeston [...]

9. Kapitel

Das Schiff ist in [...]

10. Kapitel

LESEPROBE

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

Für Hannah, Barney, Katie

Und für Mum

Unter dem Donner der rauen See,

Tief in den Schlünden des Meeres,

Schläft ungestört seinen uralten Schlaf

Traumlos der Krake …

 

aus: Der Krake von Alfred Lord Tennyson

1

Schließt die Augen.

Denkt an den schönsten Ort, den ihr euch vorstellen könnt.

Seht ihr goldene Sandstrände? Ein atemberaubend klares, blaues Meer? Einen makellosen Himmel? Lasst die Augen noch zu.

Jetzt stellt euch das Bild noch hundertmal so schön vor, dann könnt ihr euch halbwegs ausmalen, wie mein neues Zuhause war. Der feinste glitzernde Sand, Palmen, die sich träge schaukelnd von den Stränden in den Himmel hoben, hohe Felsentore vor den Buchten, ein Meer, das wie Kristall im Sonnenlicht funkelte. All das verdankten wir Neptun.

Er hatte mich mit meiner Mutter und meinem Vater hierhergeschickt, damit wir ein neues Leben anfangen könnten. An einen Ort, wo wir zusammenleben könnten. Einen Ort, an dem mein Geheimnis sicher wäre.

Einer von Neptuns Wachen, Archibald, begleitete uns hierher. Er ist ein Meermann. Er schwamm neben unserem kleinen Segelboot im Wasser, zog sein langes schwarzes Haar hinter sich her, tauchte ab und zu unter und schnalzte dann mit seinem Fischschwanz in der Luft, der silbrig und grell aufleuchtete wie ein Dolch.

Langsam glitten wir in eine hufeisenförmige Bucht, die mit schimmerndem türkisfarbenem Wasser gefüllt war. Weiche Schaumkronen streichelten sanft den weißen Sand. Ein paar Boote lagen in der Bucht verstreut, still und halb versunken ragten sie aus dem Wasser. Einige waren moderne Yachten, andere waren herrliche Boote aus Holz, die wie alte Piratenschiffe aussahen.

Am Ende der Bucht stieg ein hoher Bogen aus Felsgestein auf. Dahinter erstreckten sich Strand und Meer um eine Landzunge herum. Ich blieb staunend stehen und holte tief Luft.

»Spuckt mal in die Flossen da oben«, rief Archibald herauf. »Ich könnte hier etwas Hilfe gebrauchen.«

Ich beugte mich hinaus und half ihm, das Boot an einen hölzernen Anleger zu ziehen, während Dad hintenherum schwamm und die Taue an einer Boje befestigte. Mum und Millie waren noch unter Deck. Millie ist Mums Freundin aus Brightport. Sie hat dort als Wahrsagerin am Pier gearbeitet. Vor unserer Abreise hatte sie für Archibald einmal Tarotkarten gelegt, was ihm so gefallen hatte, dass er sie einlud, mit uns zu kommen. Die Entscheidung wollte sie allerdings den Karten überlassen. Sie legte das Blatt sternförmig aus, saß ungefähr zehn Minuten lang stumm davor und nickte dann bedächtig.

»Also, es ist ganz eindeutig, was ich zu tun habe. Kommt gar nicht in Frage, dass ich die zehn Kelche einfach unbeachtet lasse«, sagte sie geheimnisvoll, dann warf sie sich ihren schwarzen Umhang um und ging nach Hause, um zu packen. Sie macht aus allem ein Geheimnis, unsere Millie. Ich habe mir angewöhnt zu nicken und so zu tun, als ob ich verstehe, was sie meint.

Archibald schwamm längsseits. »Da wären wir also«, sagte er. »Die Nordbucht der Rundum-Insel.«

»Warum heißt sie Rundum-Insel?«, fragte ich.

»Weil sie mitten in dem Dreieck liegt.« Er streckte einen Arm aus und drehte sich langsam im Kreis. »Im Mittelpunkt der drei Ecken.«

Das Bermudadreieck. Ich fröstelte. Er hatte uns auf der Reise hierher davon erzählt, von den Schiffen und Flugzeugen, die auf geheimnisvolle Weise darin verschwunden waren. Man war auf einen Ozeanriesen gestoßen, der zwar ganz intakt, aber völlig verlassen gewesen war. Zwanzig Tische waren dort fürs Abendessen gedeckt. Ein anderes Schiff war mit lauter Skeletten an Deck und zerfetzten Segeln gefunden worden. Andere Schiffe blieben einfach spurlos verschwunden, oft nach verzweifelten SOS-Rufen der Kapitäne oder Fischer, die nie wiederaufgetaucht waren.

Zuerst wusste ich nicht, ob ich den Geschichten glauben sollte, aber auf hoher See war etwas geschehen. Wir waren ganz normal vor uns hin gesegelt, bei leichter Dünung, und das Boot pflügte mit sanftem Schaukeln durch die Wellenberge und -täler. Dann trat plötzlich eine Veränderung ein. Das Wasser wurde glatt wie eine Glasscheibe. Der Motor erstarb und alles andere auch. Sogar meine Uhr blieb stehen. Es war, als sei die See eingefroren und die Zeit selbst stehengeblieben.

Dann band Archibald sich das Haar mit einer Schnur zu einem Pferdeschwanz zusammen und verschwand unter Wasser. Ein paar Minuten später setzten wir uns wieder in Bewegung und glitten still über das glasige Wasser.

»Das war es«, sagte er, »wir sind im Bermudadreieck. Es schützt euch jetzt vor der Außenwelt. Keiner findet hindurch außer ein paar auserwählten Meerleuten.« Er warf ein Tau aufs Deck. »Na ja, ein paar auserwählten Meerleuten und … nein, davon erzähl ich euch lieber nichts.«

»Wovon? Sag schon!«

In dem Moment tauchte Dad auf. »Ich hoffe doch, du stopfst meiner Tochter nicht wieder den Kopf mit deinen albernen Geschichten voll, Archie«, sagte er warnend. »Sie hat auch so schon genug schlimme Träume.«

Archie senkte die Stimme. »Sieh dich einfach vor«, sagte er. »Die glasige Fläche markiert das Dreieck, aber so glatt ist das Wasser nur an der Oberfläche. Darunter jedoch ist es ein wilder Strudel, der in die tiefsten Tiefen des Ozeans führt. Und in so einem Abgrund möchtest du doch wohl nicht verschwinden!«

Ich rubbelte mir die Arme, weil ich eine Gänsehaut bekommen hatte.

Danach ging es ganz ruhig weiter. Wir glitten durch Wasser, das mit jedem Augenblick klarer und durchsichtiger wurde, von tiefem Marineblau zu hellem Babyblau.

Allmählich kam die Insel in Sicht. Sie war ziemlich klein, hatte vielleicht nur einen Durchmesser von ein paar Kilometern. An einem Ende war ein hohes Kliff, am anderen ein paar niedrigere Hügel, dazwischen lag eine lange, flache Ebene. Als wir uns näherten, konnte ich erkennen, dass die Küste aus langgestreckten weißen Buchten bestand, die von hohen Palmen, Felsgruppen und -bogen gesäumt waren. Es sah wie auf einer Postkarte aus. Ich hatte immer geglaubt, dass diese Fotos nicht echt waren und dass man, wenn man dort hinkam, plötzlich vor einer Ansammlung von Hotelburgen und Baustellen stehen würde.

Aber das hier war echt. Und es war mein neues Zuhause.

»Wo ist Dad?« Meine Mutter kam zu mir aufs Deck, strich sich den Rock glatt und bückte sich, um sich im Metall der Reling zu betrachten.

Ich deutete nach vorne. »Er hilft Archie.«

Mum sah sich langsam in der Bucht um. »Ich glaube, ich bin gestorben und im Paradies gelandet«, murmelte sie und hielt sich an der Reling fest. »Jemand sollte mich mal kneifen.«

»Mach ich gerne!« Dad streckte mit verschmitztem Blick den Kopf aus dem Wasser und strich sich die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Mum lächelte ihm zu.

Eine Sekunde später wurde die Luke zum Unterdeck aufgestoßen, und Millie kletterte heraus. »Eins muss ich euch sagen«, sagte sie und rieb sich den dicken Bauch. »Diese Ulmenrinden-Tinktur hilft prima gegen Seekrankheit.« Sie rülpste etwas hinter vorgehaltener Hand. »Vor allem, wenn man mit einem Schlückchen Brandy nachspült. Sagt mal, wo sind wir hier eigentlich?« Blinzelnd sah sie in die Sonne. »Das ist es!«, sagte sie und deutete auf ein hölzernes Schiff, das schräg in der Bucht lag. Es hatte drei hohe Masten, eine glänzend polierte Holzreling, und seitlich war der Name aufgemalt: Fortuna.

»Das ist was?«, fragte ich.

»Euer neues Zuhause. Hat Archie mir erzählt.«

Ich sah Mum an. »Was stimmt nicht mit der King?« So heißt unser eigenes Boot. Ich habe mein ganzes Leben lang mit Mum darauf gelebt.

Während Millie sich an mir vorbeidrängte, zwickte sie mich in die Wange. »Du weißt doch, dass dein Vater nicht auf einem normalen Schiff mit euch leben kann. Keine Sorge. Ich pass für euch auf die King auf.«

Dad kam längsseits geschwommen und starrte zu der Fortuna hinüber. »Allmächtige Flossen! Bisschen was anderes als der Ort, wo ich die letzten zwölf Jahre verbracht habe«, sagte er, streckte die Hand aus und half Mum vom Deck.

Mein Vater hatte im Gefängnis gesessen, ehe wir hierherkamen. Er ist allerdings kein Verbrecher oder so was. Na ja, das Gesetz hat er schon gebrochen, aber es war eben ein blödes Gesetz. Er hat eine Menschenfrau geheiratet, meine Mum nämlich. Und er selbst ist ein Meermann. Bisschen schwierige Verbindung, wo sie nicht schwimmen und er nicht an Land gehen kann, aber irgendwie kriegen sie es hin. Sie konnte früher ganz toll schwimmen, bis man sie durch Hypnose dazu brachte, sich vor dem Wasser zu fürchten. Das hat Neptun gemacht, um sie voneinander zu trennen. Ein bisschen ängstlich ist sie immer noch, aber Dad hat gesagt, er bringt es ihr wieder bei.

Mum raffte ihren Rock hoch und trat auf den Steg, der bis zu dem Schiff führte und auf dem Wasser hüpfte und schaukelte, als wir hinübergingen.

Ich kletterte an Bord unseres neuen Zuhauses. Das Schiff war riesig! Mindestens zwanzig Meter lang, mit schimmernden braunen Holzdecks und rotbraunen Segeln, die zu drei säuberlichen Bündeln aufgerollt waren. Leicht zur Seite geneigt, lag es ganz still da, im Sand festgefahren, und sah aus, als hätte es nur auf uns gewartet.

Ich stieg durch die Luke in der Mitte des Decks nach unten und landete in einer Küche, von der nach vorne und hinten Treppen weiterführten. Ich nahm zuerst die nach hinten. Sie führte in eine kleine Kajüte mit einer Koje, einem Sitzkissen und einem Schrank aus poliertem Holz. Aus den Bullaugen zu beiden Seiten fielen tanzende Lichtkreise auf das Bett. Ganz klar, mein Zimmer!

Ich lief hinüber auf die andere Seite. Mum drehte sich in einem großen, offenen Wohnzimmer im Kreis. In einer Ecke stand ein gemütliches Sofa, davor ein Tisch.

»Was sollen wir nur mit so viel Platz?«, sagte sie staunend. Durch zahlreiche Deckenluken strömten goldene Sonnenstrahlen herein. An einem Ende führte eine Tür in ein weiteres Zimmer.

»Was ist mit Dad?«, fragte ich. »Wie soll er hier wohnen?«

Ehe sie antworten konnte, klappte eine Bodenluke auf, und er tauchte unter uns auf. Jetzt erst merkte ich, dass überall Bodenluken eingelassen waren, die aus jedem Zimmer in ein Unterdeck führten. Das Schiff lag so tief im Grund, dass sich ein ganzes Deck unter Wasser befand, in dem man herumschwimmen konnte.

»Willst du den Rest deines neuen Zuhauses sehen?«, fragte Dad mit leuchtendem Blick.

Ich ließ mich langsam durch die Luke zu ihm hinunter. Fast gleichzeitig fingen meine Beine an zu kribbeln. Dann wurden sie gefühllos. Schließlich waren sie ganz verschwunden.

Mein Fischschwanz war wieder da.

Das passiert immer, wenn ich ins Wasser gehe. Manchmal bin ich ein Meermädchen, manchmal ein Menschenmädchen. So ist das, wenn eine Menschenfrau und ein Meermann ein Kind haben.

Das hatte ich erst einige Zeit zuvor entdeckt, als wir mit der Schule schwimmen waren. Beim Gedanken an jenes erste Mal lief mir immer noch ein Schauer über den Rücken. Beim Gedanken an meine alte Schule in Brightport wurde mir sogar immer noch schlecht. Ich war gar nicht gerne hingegangen. Der Unterricht selbst machte mir nichts aus, aber ein paar meiner Mitschüler. Eine ganz besonders: Mandy Rushton. Allein beim Gedanken an sie bekam ich eine Gänsehaut. Dauernd hatte sie mich gehänselt und mir vor den anderen in der Klasse Schimpfwörter an den Kopf geworfen oder mir ein Bein gestellt oder mir meine Freundinnen weggeschnappt und sie gegen mich aufgehetzt. Nachts hatte ich Albträume, in denen ich sah, wie sie mich in einem riesigen Aquarium anstarrte und mich Monster nannte. Schweißgebadet war ich immer aufgewacht, und am nächsten Tag musste ich dann wieder die echte Mandy ertragen.

Wenigstens hatte ich mich zum Schluss rächen können, als ich mich im Schwimmbecken in ein Meermädchen verwandelt hatte, direkt vor ihren Augen. Es hatte die ganzen Quälereien wettgemacht, an diesem Tag ihr fassungsloses Gesicht zu sehen.

Nein, nicht wirklich. Das Einzige, was die Quälereien wiedergutmachte, war die Gewissheit, dass ich sie nie, nie mehr wiedersehen müsste.

Quälgeister wie Mandy Rushton gehörten der Vergangenheit an.

»Bisschen größer als die King, was?«, sagte Dad, während ich mich zu ihm hinunterließ. Er nahm mich bei der Hand, und wir schwammen gemeinsam in dem Unterdeck herum. »Sieh mal!« Er zog mich durch eine bogenförmige Öffnung in der Mitte und durch rötliche Seeanemonen, die wie Girlanden von der Decke baumelten und wie federartige Farne aussahen. Sie schwangen sanft mit der Bewegung des Wassers. Dad drückte meine Hand.

Ein paar rot-weiße Fische kamen durch ein offenes Bullauge hereingeschwommen, verharrten und nagten ein bisschen an der Schiffswand, dann glitten sie durch die Girlanden. Einer kam angeschwommen und blieb reglos neben Dads Fischschwanz stehen. »Glasaugen-Schnapper«, sagte ich, während Dad ihn verscheuchte. Er lächelte. Auf der Reise hierher hatte er mir die Namen aller möglichen Fischarten beigebracht.

Ich schwamm zur Bodenluke zurück und zog mich hoch. »Mum, das ist einfach irre!«, sagte ich und sah zu, wie mein Fischschwanz sich wieder in Beine zurückverwandelte. Mum machte große Augen. Sie hatte sich wohl immer noch nicht daran gewöhnt. Sie hatte es erst ein paarmal miterlebt.

Dann kam Dad dazu, und Mum drehte sich nach ihm um. Sie setzte sich in die Luke, ließ die Beine hinunterbaumeln und starrte ihn an. Er richtete sich bis zu ihrem Schoß auf und ergriff ihre Hände. Sie schien gar nicht zu merken, dass der Saum ihres Rockes klatschnass wurde. Lächelte nur dämlich zu ihm hinunter, während er ebenfalls dämlich zu ihr hochlächelte.

Mir wurde bewusst, dass ich alle beide dämlich anlächelte.

Tja, die meisten Leute müssen schließlich auch nicht warten, bis sie zwölf Jahre alt sind, ehe sie ihre Eltern zusammen erleben. Ich hätte nie erwartet, dass es mir so ein warmes Gefühl, so ein Gefühl der Vollständigkeit geben würde.

Ich beschloss, sie sich selbst zu überlassen. Sie würden gar nicht merken, wenn ich loszog, um die Gegend zu erkunden. Sie hatten sowieso fast gar nichts wahrgenommen außer einander, seit wir hierher aufgebrochen waren! Nicht, dass mir das was ausmachte. Immerhin wäre ich fast selbst eingesperrt worden, als ich versuchte, sie wieder zusammenzubringen. Wahrscheinlich hatten sie nichts dagegen, eine Weile allein zu sein.

»Ich geh ein bisschen raus«, rief ich. »Will mich nur mal umsehen.«

»In Ordnung, Liebling«, rief Mum verträumt.

»Pass schön auf«, sagte Dad.

Ich musste beinahe lachen, als ich aus dem Schiff kletterte und einen Blick auf das türkisfarbene Wasser und den weißen Sand warf. Aufpassen? Auf was denn? Was konnte mir hier schon passieren?

Eine Weile ging ich am Strand entlang und betrachtete das Sonnenlicht, wie es zwischen den Schiffen auf dem Wasser blitzte und tanzte. Der Sand war so weiß! Daheim oder besser dort, wo ich einmal zu Hause war, in Brightport, hatte der Sand für gewöhnlich einen schmutzigen Beigeton. Der Sand hier war fein wie Mehl. Meine Füße versanken darin, als ich darüberlief. Ich konnte den Boden darunter kaum spüren. In der sanften Brise fühlte sich die Hitze der Sonne auf meiner Haut wie der Luftstrom eines Föhns an.

Als ich ins Meer watete, konnte ich nicht anders, ich musste mich umsehen, ob auch niemand in der Nähe war. Aus alter Gewohnheit. Ich hatte mich noch nicht an den Gedanken gewöhnt, dass ich als Meermädchen hier ja gar keine Missgeburt war – auf dieser verborgenen Insel, wo Meerleute und Menschen zusammenlebten. Der einzige Ort dieser Art auf der ganzen Welt, geschützt durch die Magie des Bermudadreiecks.

Hinter mir auf der Steilküste sah ich ein paar Leute. Sie standen vor einer Siedlung mit weißen Häusern. Einen Augenblick lang erwog ich, den Hang zu ihnen hinaufzuklettern. Dann blickte ich aufs Meer hinaus und sah Gesichter – und dann Schwanzflossen. Meerleute! Die musste ich kennenlernen.

Während meine Beine sich wieder in den Fischschwanz verwandelten, überlegte ich, ob es wohl auf der Insel noch andere wie mich gab: halb Mensch, halb Meermädchen. Das wäre ja sooo cool! Aber wie auch immer, wenigstens konnte ich hier mit meiner Mutter und meinem Vater leben, ohne dass wir verbergen mussten, was wir waren.

Schwärme kleiner Fische begleiteten mich zu der Gruppe hinaus und umkreisten mich eifrig. Sie hatten schlanke schwarze Körper und durchsichtige Flossen und führten mich durch das warme Wasser, wobei sie ab und zu langsamer wurden, als wollten sie sichergehen, dass ich mithalten könnte. Wellige Linien kräuselten sich über den Meeresboden wie Reifenspuren. Ein Schwarm Makrelen schwamm in Reih und Glied an mir vorbei. Jede von ihnen warf einen Schatten auf den Sand darunter, so dass die ganze Bande doppelt so groß wirkte.

Ich drehte mich auf den Rücken und schnalzte immer mal wieder mit der Schwanzflosse, um mich träge fortzubewegen, bis mir wieder einfiel, dass ich ja nach den Meerleuten hatte sehen wollen.

Ich hielt an und sah mich um. Die Insel war ein winziger Fleck in der Ferne, meilenweit weg. Wie lange war ich denn schon geschwommen?

Die Meerleute waren weitergezogen. Ich erschauderte, als ich feststellte, dass ich über ein paar schwarze Felsen schwamm: harte, graue, zerklüftete Felsbrocken, aus deren Spalten und Ritzen Pflanzen wuchsen. Dicke graue Fische mit weit aufgesperrten Mäulern und stacheligen Rücken starrten mich aus kalten Augen an. Lange Schlieren von Seetang erstreckten sich wie riesige Schlangen am Grund, und ihre Stiele und Blätter wuchsen in dichten Büscheln in die Höhe.

Während ich bewegungslos im Wasser verharrte, merkte ich, wie ich von einer Strömung ergriffen wurde. Sie fühlte sich an wie ein Magnet, der mich anzog, erst leicht, dann immer stärker. Ich schwamm heftig dagegen an, aber die Strömung war zu stark. Wie eine Angelschnur zog sie an mir. Dunkelheit wirbelte mir entgegen. Da fiel es mir wieder ein. Das Dreieck.

Alles wurde schneller, wie ein Film im Zeitraffer. Fische sausten vorbei, Seegras und Algen lagen flach und streckten sich zum Rand des Dreiecks hin, zu dem Loch, das in die tiefsten Tiefen des Ozeans führte.

Mit pochendem Herzen und zugeschnürter Kehle bewegte ich meine Arme wie Propeller und pflügte durch das Wasser. Meine Schwanzflosse arbeitete auf Hochtouren, während ich versuchte, mich dem Sog zu entziehen. Ich schwamm wie eine Verrückte. Mach weiter, halt durch!

Doch jedes Mal, wenn ich etwas vorangekommen war, holte die Strömung mich wieder ein und zerrte mich aufs Meer hinaus. Wir waren in einen Kampf verstrickt, ein Tauziehen zwischen mir und – und was? Angst durchfuhr mich wie ein elektrischer Stromschlag und verlieh meinen schmerzenden Armen einen letzten Antrieb.

Aber er reichte aus. Ich kam weg. Die Strömung lockerte ihren Griff. Das Meer wurde schon bald wieder flach und ruhig, als sei gar nichts geschehen. Aber ich wollte nichts riskieren. Ich stieß mich durchs Wasser, schwamm zu unserer Bucht zurück und erreichte das Schiff völlig außer Atem. Während ich mich hochzog und aufs Deck setzte, kamen meine Beine wieder zum Vorschein.

Mum steckte den Kopf aus einer Kajüte. »Alles in Ordnung, Herzchen?«, fragte sie und reichte mir ein Handtuch.

Ich nickte, da ich noch zu sehr außer Atem war, um zu antworten. Während ich ihr in die Küche folgte, rubbelte ich mich trocken.

»Nimm das«, sagte sie und schob zwei Zwiebeln und ein Messer in meine Richtung. »Kannst dich gleich nützlich machen.« Dann sah sie mich etwas genauer an. »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«

War ich sicher? Gute Frage. Ich öffnete den Mund, um ihr zu antworten, hielt aber inne, als ich vom Unterdeck Stimmen hörte.

»Wer ist da?«

»Besucher, unten bei Dad. Schon den ganzen Nachmittag, es ist ein einziges Kommen und Gehen.«

Leise schloss ich die Bodenluke. Ich hatte noch keine Lust auf neue Leute. Ich wollte nicht mal, dass Dad hörte, was ich sagen wollte. Ich weiß nicht, warum. Es hatte etwas damit zu tun, dass er so glücklich war, und damit, dass er mich ständig so strahlend und liebevoll anlächelte. Das war ja auch klar, oder etwa nicht? Er hatte mich ja nicht mehr gesehen, seit ich ein Baby war. Und ich wollte einfach nicht, dass er wusste, dass seine Kleine gerade gar nicht so glücklich und sich ihrer neuen Traumheimat gar nicht so sicher war.

Meine Hände zitterten, als ich die Zwiebeln schälte. »Mum«, sagte ich behutsam.

»Hmm?«, erwiderte sie mit einem Teelöffel im Mund. Sie behauptet, dass einem damit die Augen nicht tränen.

»Weißt du noch, das Zeug, das uns Archie auf dem Weg hierher erzählt hat, über das große Loch im Ozean?«

»As gosse Goch im Oschean?« Der Löffel wackelte in ihrem Mund herum, während sie sprach.

»Was?«

Sie zog den Löffel aus dem Mund. »Das große Loch im Ozean?«, wiederholte sie.

»Das in die tiefsten Tiefen des Meeres führt«, ergänzte ich, während mir ein Schauer durch den Körper lief. »Ich hab vorhin was gespürt. Das mich aufs Meer hinausgezogen hat.«

»Emily, dass du mir da nicht rausschwimmst!« Sie packte mich am Arm. »Du bleibst in der Nähe der Insel.«

Der Schauer blieb mir im Hals stecken. »Es war ein echt starker Sog, Mum«, sagte ich leise.

»Aber sicher ist er stark! Er beschützt die ganze Gegend! Du weißt doch, was Archie gesagt hat. Hast du mich verstanden, Emily?«

Ich nickte und schluckte heftig. »Ja, ich hab verstanden.«

Sie sah mich fest an, und ich konnte ihrem Blick nicht ausweichen. »Ich will dich nicht verlieren, Emily. Versprich mir, dass du dich davon fernhältst.«

»Versprochen.«

Sie zog mich an sich und nahm mich fest in die Arme. »Prima. Also gut«, sagte sie. »Du dummes Ding, du zitterst ja.« Sie drückte mich noch fester. »Komm schon, ist ja gut. Lass uns das Gemüse fertigputzen, und wir versuchen, nicht mehr an große Löcher und die tiefsten Tiefen des Meeres zu denken, okay?«

»Okay.« Ich zwang mich zu lächeln. »Ich werd’s versuchen.«

Danach arbeiteten wir stumm weiter. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich konnte nur daran denken, dass es nicht reichen würde, ein paar Zwiebeln zu hacken, um mich vergessen zu lassen, wie sehr ich mich da draußen gefürchtet hatte, weil es so an mir gezogen und nach mir geschnappt hatte wie ein Hai, der mich auf den Meeresgrund zu ziehen versucht.

Meerjungfrauen? Aber sicher!

Ihr seid nicht besser als mein Vater.

Er glaubt auch, dass es sie gibt. Glaubt, dass er eine gesehen hat. Auf dem Heimweg vom Fisherman. Das ist seine Stammkneipe. Ganz klar gesehen, wie am helllichten Tag, sagt er.

»Das beweist ja nur, wie klar du nach zehn Bieren noch sehen kannst«, sagt meine Mutter. »Du hast ja nicht mal gemerkt, dass es mitten in der Nacht war!«

»Klar wie am helllichten Tag«, betont er noch mal. »Das ist doch nur eine Redensart, Schätzchen.«

Mum sagt, er wird noch mehr als Meerjungfrauen sehen, wenn er sich nicht zusammenreißt. Dann fährt sie mich an, weil ich meine Mädchenzeitschrift rumliegen gelassen habe. Dauernd schreien sie sich an und meckern an mir rum. Das ist alles, was sie zurzeit noch können.

Sie haben nicht immer gestritten. Wenigstens nicht so viel. Das ist erst so, seit wir gehört haben, dass die Stadtverwaltung unser Zuhause abreißen lassen will. Wir wohnen auf dem Pier, und es heißt, dass er nicht mehr sicher ist. Das Problem ist nur, dass meine Eltern auch auf dem Pier arbeiten – sie betreiben eine Spielhalle. Also ein Schlag mit der Abrissbirne, und wir haben kein Zuhause und keine Arbeit mehr. Oder eine Sprengung mit Dynamit. Oder wie auch immer sie das anstellen wollen.

 

Das Haus ist tatsächlich eine Bruchbude. Ist mir doch egal, was damit passiert. Na ja, nicht ganz egal. Aber wen kümmert es schon, was ich denke?

Also gut, wie auch immer, heute kommt Dad mittags in unsere Wohnung raufgestürzt. Sonst geht er immer in die Kneipe, aber dieses Mal behauptet er, dass er woanders war.

»Wo?« Mum sieht ihn misstrauisch an.

»Schau mal«, sagt er. Er hat eine Zeitschrift in der Hand. Eine Broschüre.

Mum nimmt sie entgegen. »Mermaid Tours?«, sagt sie. »Ach du lieber Gott, Jack, wann wirst du endlich erwachsen?«

»Nein, das ist nicht … das handelt sich doch nicht um …«, protestiert er stotternd. »So heißt doch nur die Reisegesellschaft, Maureen. Ist mir irgendwie ins Auge gefallen, weiter nichts.« Er reißt Mum die Broschüre wieder aus der Hand und blättert sie durch, als ob er nach was Besonderem sucht. »Ich hab nach was geschaut, was uns ein bisschen von allem ablenkt. Ich fand, so etwas hier könnte uns vielleicht helfen.«

»Da!«, sagt er plötzlich und knallt das aufgeschlagene Heft auf die Tischplatte. Mum setzt sich, um die Seite zu lesen. Ich werfe auch einen Blick darauf. Obwohl es mich eigentlich gar nicht interessiert. Ich möchte nur wissen, um was er so ein Theater macht, sonst nichts.

»Eine Kreuzfahrt, Jack?« Mum sieht ihn auf ihre spezielle Art an, ganz ironisch und mit so weit hochgezogenen Augenbrauen, dass sie fast unter dem Haaransatz verschwinden. »Wir sind kurz davor, unsere Lebensgrundlage zu verlieren, und du willst, dass wir den letzten Penny, den wir nicht mal haben, für einen albernen Urlaub ausgeben?!«

Dad holt tief Luft. »Maureen«, sagt er knurrend. Als er weiterredet, spricht er jedes Wort einzeln aus, als ob er staccato redet. »Für. Wie. Blöd. Hältst. Du. Mich. Eigentlich?«

Mum steht vom Tisch auf. »Du willst doch wohl keine Antwort darauf haben, Jack?«

»Schau doch hin!«, brüllt Dad plötzlich los. Dad brüllt sonst nie. Wir blicken beide auf. Er deutet auf die Seite. »Ich les es euch vor, ja?« Und ehe wir antworten können, fängt er zu lesen an.

 

»Machen Sie mit bei unserem EXKLUSIV-PREISAUSSCHREIBEN, und Sie können eine von unseren überragenden Mermaid-Tours-Reisen gewinnen. Jeden Monat ist ein glücklicher Leser Gewinner dieses PHANTASTISCHEN PREISES. Vervollständigen Sie einfach den folgenden Satz mit maximal dreißig Wörtern: Urlaub mit Mermaid Tours ist der beste, den es gibt, weil … Vergessen Sie nicht anzugeben, an welcher unserer einmaligen Kreuzfahrten Sie gerne teilnehmen würden, und schicken Sie den Teilnahme-Abschnitt ein. Sie könnten der nächste glückliche Gewinner sein!«

 

Dad legt die Zeitschrift auf den Tisch zurück.

»Ach so«, sagt Mum und nimmt das Heft hoch. »Ein Preisausschreiben. Warum hast du das nicht gleich gesagt?«

Ich werfe Dad einen warnenden Blick zu. Er beißt die Zähne fest aufeinander und sagt kein Wort.