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Emmanuel Ballet de Coquereaumont

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Beschreibung

Ängste können gesund und harmlos sein, doch wenn sie einem das Leben schwer machen und sich zu einer psychischen Störung entwickeln, muss man sich ihnen stellen. Die erfahrenen Psychotherapeuten Marie-France und Emmanuel Ballet de Coquereaumont haben sich intensiv mit dem Thema Angststörungen beschäftigt und eine Methode entwickelt, mit der jeder den Ursprung seiner Angst erkennen und bekämpfen kann. Schritt für Schritt lernt der Leser, mit sich selbst in Kontakt zu kommen und seine tiefsten Verletzungen zu verstehen. Mit diesem Buch kann jeder seine Angst bezwingen – um endlich ein normales Leben zu führen. Jeder Leser kann von der innovativen und bewährten Methode der Autoren profitieren und seine Angststörung bekämpfen – und das in nur 21 Tagen. Für ein Leben frei von Ängsten!

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Seitenzahl: 310

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Marie-France & Emmanuel Ballet de Coquereaumont

ENDLICHANGSTFREI

Begegne deinem inneren Kind undbesiege deine Angst

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

2. Auflage 2019

© 2017 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Copyright der Originalausgabe: © 2014 Groupe Eyrolles, Paris, France

Die französische Originalausgabe erschien 2014 bei Groupe Eyrolles unter dem Titel J’arrête d’avoir peur!

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Christa Trautner-Suder

Redaktion: Silke Panten

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt

Umschlagabbildung: Shutterstock/Kanyapak Butwiset

Satz: ZeroSoft, Timisoara

Druck: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-86882-805-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-048-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-049-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter:

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Vorbereitung auf das Programm

ERSTER TEIL: Die Angst und ihre Symptome

Tag 1: Gibt es überhaupt einen Piloten im Flugzeug?

Tag 2: Die Körperlichkeit der Angst

Tag 3: Das Feld von Möglichkeiten

ZWEITER TEIL: Die Angst und ihre Trancezustände

Tag 4: In der Zukunft leben

Tag 5: In der Vergangenheit leben

Tag 6: Die Stimmen der Angst

DRITTER TEIL: Die kindlichen Ängste

Tag 7: Das Kind und die Angst

Tag 8: Die Monster im Schrank

Tag 9: Seinen Schatten zähmen

VIERTER TEIL: Die Beziehungsängste

Tag 10: Angst und Gewalt

Tag 11: Reparenting

Tag 12: Mit den anderen leben

FÜNFTER TEIL: Die Grundängste

Tag 13: Die Trennung

Tag 14: Die Veränderung

Tag 15: Die Nichtexistenz

SECHSTER TEIL: Hinter der Angst verbirgt sich die Lebensenergie

Tag 16: Angst und Scham

Tag 17: Angst, Wunsch und Bedürfnis

Tag 18: Die Pyramide der Ängste

SIEBTER TEIL: Keine Angst mehr vor der Angst

Tag 19: Die Angst und die Verletzungen der Kindheit

Tag 20: Angst macht Helden

Tag 21: Mit jeder Faser des Selbst leben

Nachwort

Danksagung

Anmerkungen

Glossar der Schlüsselbegriffe

Register der Ängste

Bibliografie

Einleitung

»Angst ist das Kind in uns, das in Panik gerät.«

Tahar Ben Jelloun

»Das Kind ist ein vereinigendes Symbol, das Gegensätze in Einklang bringt. Es ist der Botschafter der Heilung, der uns zu einem Ganzen macht.«

Carl Gustav Jung

Warum noch ein Buch über Ängste?

Zum Thema Ängste gibt es bereits zahlreiche Untersuchungen und Veröffentlichungen, die vor allem in zwei Richtungen gehen. Die erste, die analytische Richtung, erforscht das Unbewusste, um aufzuklären und zu verstehen, woher Ängste kommen. Die zweite, die kognitive und auf das Verhalten fokussierte Richtung, verfolgt die Absicht, Ängste zu beherrschen, indem Betroffene lernen, ihre Funktionsweise zu verstehen und sich ihnen regelmäßig zu stellen.

Jeder Zweite leidet unter übermäßigen Ängsten. Angst ist eine zentrale Emotion. Sie wirkt wie eine Alarmanlage, die vom limbischen System oder emotionalen Gehirn ausgeht. Es gibt einen regelrechten zerebralen Kreislauf der Angst.1 Zuerst alarmieren die Sinne die Amygdala (den »Mandelkern«), den Sitz des unbewussten Angstgedächtnisses, anschließend bewertet der Hippocampus diesen Alarm und vergleicht ihn mit früheren Erfahrungen. Der präfrontale Cortex schließlich kontrolliert die automatischen Angstreaktionen und wählt unter Berücksichtigung der sensorischen, emotionalen, persönlichen und kulturellen Informationen aus. Übermäßige Ängste schreibt man heute einer Überaktivität der Amygdala zu.

Die Emotion Angst ist daher eine komplexe Kombination von biologischen Mechanismen und Erinnerungen. Die Angst tritt im Rahmen einer Geschichte, einer Situation oder eines Szenarios auf. Diese Emotion ist in der Biografie verwurzelt (der Theorie des amerikanischen Psychologen Silvan Tomkins zufolge ist der Affekt biologisch, das Gefühl psychologisch und die Emotion biografisch).

Dieses Buch erforscht einen völlig neuen Weg, der die Ängste in einem anderen Licht erfasst und sich dabei auf innovative Konzepte stützt, die der Öffentlichkeit nur wenig oder gar nicht bekannt sind.

Leben ist Beziehung

2007 wiesen der amerikanische Physiker Graham Fleming und seine Forschungsgruppe der University of California und des Berkeley Lab nach, dass die Photosynthese (der bioenergetische Prozess, der es den Pflanzen und bestimmten Bakterien ermöglicht, durch Nutzung des Sonnenlichts organische Materie zu bilden), einer der grundlegendsten Prozesse des Lebens, nicht durch einen genau definierbaren Faktor geregelt wird, sondern durch die Beziehung zwischen verschiedenen Molekülen. Diese Entdeckung bestätigt, dass das Leben in allen seinen Formen in einem System geordnet ist, das von zahlreichen Beziehungen beeinflusst wird.2

Der Science-Fiction-Film Avatar von James Cameron erlebte einen phänomenalen Erfolg. Darin wird ein Planet Pandora beschrieben, auf dem alle Lebewesen, Pflanzen und Tiere in einer Symbiose leben, verbunden durch ein gewaltiges neuronales Netzwerk. Die Ureinwohner, die Na’vis, werden durch den Abbau von Rohstoffen durch profitgierige Menschen bedroht. Mithilfe aller lebenden Spezies gelingt es den Na’vis, ihre Welt zu retten. Genau wie Pandora ist auch der Planet Erde ein Organismus, auf dem die verschiedenen Lebensformen miteinander verknüpft sind und auf dem das Leben ein kooperativer Prozess ist.

Stellt man sich das Leben als ein Beziehungsgeflecht vor, so erkennt man schnell, dass alles miteinander verbunden ist. Wenn ich Angst habe, ist dies nicht ausschließlich meine individuelle Emotion, denn ich bin auch empfänglich für die Emotionen anderer, die mein Empfinden und mein Handeln beeinflussen können. Meine eigenen Emotionen hängen stets mit meinem Verhalten und meiner Umgebung zusammen.

Unter dem Druck der Angst verliert der Mensch den Kontakt zu seinem vollen Potenzial. Seine Vitalität wird durch die energiezehrende Angst geschwächt. Sie schränkt die Verbundenheit ein, das heißt die Beziehung zu sich selbst und zu anderen.

Das Gehirn ist empathisch und sozial

Der Mensch ist für alles in seiner Umgebung äußerst empfänglich. Diese Fähigkeit hängt direkt mit den Spiegelneuronen3 zusammen, die in Beziehungen eine wesentliche Rolle spielen. Sie machen es möglich, Sympathie, Empathie und Mitleid für andere zu empfinden. Bisher wurde angenommen, dass diese Neuronen ausschließlich im präfrontalen Bereich des Gehirns vorkommen. Doch vor Kurzem wurde nachgewiesen, dass sie tatsächlich überall im Gehirn vorhanden sind.

Diese Neuronen haben in der kindlichen Entwicklung einen maßgeblichen Stellenwert. Während der ersten drei Lebensjahre nutzt ein Kind sein empathisches Gehirn, um eine feste Bindung zu seinen Eltern aufzubauen. Eine gesunde Bindung, das heißt eine Bindung, die von Fürsorge und Liebe genährt wird, ermöglicht es ihm, Sicherheit, Vertrauen und Mut zu üben, um sich in die Welt zu wagen. Mangelt es einem Kind hingegen an Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit, entsteht eine verletzende Beziehung zu Vater oder Mutter, die wenig Sicherheit bietet. Die Spiegelneuronen des Kindes sorgen in diesem Fall dafür, dass es die negativen Gefühle übernimmt, die die Eltern möglicherweise empfinden.

Die Eltern-Kind-Bindung ist die erste Beziehungserfahrung des Kindes. Sie dient lebenslang als Modell zwischenmenschlicher Beziehungen. Wenn ich bei einer ängstlichen Mutter aufgewachsen bin, werde ich stärker verunsichert sein. In meinen Beziehungen werde ich daher für einen Menschen empfänglicher sein, der mir mehr Sicherheit zu geben scheint oder der im Gegenteil Furcht oder Angst in mir erzeugt. Diese erste Urform der Beziehung hat großen Einfluss auf künftige Beziehungen.

In der Beziehung zu einer anderen Person, für die unser Gehirn eine besondere Befähigung hat, können wir ausdrücken, was richtig, gesund und gut für uns ist. Die größten Ängste hängen mit der Beziehung zu anderen Personen und mit der Schwierigkeit zusammen, inmitten der anderen wirklich man selbst zu sein. Man stellt sich unbewusst die Frage, was in den Beziehungen zu anderen auf dem Spiel steht. Auch als Erwachsener sollte man nicht damit aufhören, Beziehungen zu erlernen, da alles darauf hinweist, dass man sich gerade in der Pflege von Beziehungen entfalten kann, das heißt in der Art, wie man mit sich selbst, mit anderen und mit der Welt in Verbindung tritt.

Die Psyche ist vielfältig

Im Alltagsleben hat jeder Mensch ein vereinfachtes Bild von seinen psychischen Funktionen. Wenn ich mich selbst zum Ausdruck bringe, scheint mein Ich persönlich und vollständig eingebunden zu sein. Wenn ich Angst habe, bin ich es, der Angst hat, und mein gesamtes Wesen empfindet Angst. Diese Wahrnehmung ist eine Antwort auf das Bedürfnis, sich vollständig und einheitlich zu fühlen, die Psyche ist jedoch vielfältig.

Die Psyche stützt sich auf Beziehungen. Sie teilt sich in viele Bereiche, die wie selbstständige Personen mit eigenen Emotionen und eigenen Motivationen handeln. Sie führen intensive Gespräche miteinander, die entspannte oder konfliktbeladene Beziehungen zum Ausdruck bringen. Das ist kein Symptom für eine Identitätsstörung. Die Psyche ist ein System, das aus zahlreichen Teilpersönlichkeiten gebildet wird, die in ständiger Wechselbeziehung stehen. Die Angst ist ein Teil dieses Systems.

Im Zentrum dieser psychischen Vielfalt gibt es eine höhere Instanz, das Selbst*. Es ist der innere Pilot. Er kann mit dem gesamten System kommunizieren und bewusst eine Art wählen, wie er empfinden, wahrnehmen, entscheiden und in größerer Harmonie leben möchte. Der innere Pilot kennt keine Angst und wird sie auch nie kennenlernen. Er ist ein grundlegendes Hilfsmittel, um zu lernen, Ängste zu überwinden.

In jedem Herzen lebt für immer ein Kind

Die Vorstellung, die Kindheit sei nur ein Entwicklungsstadium und gehöre der Vergangenheit an, ist noch immer weit verbreitet. Sie geht davon aus, dass der Mensch wachsen muss, um zu reifen und intelligent zu werden. Dieser Ansicht nach erscheint das Kind als ein unreifes und infantiles Wesen, das nach erzieherischen Prinzipien verlangt, um »korrigiert« und »verbessert« zu werden. Für den Kinder- und Jugendpsychiater Michel Lemay, »braucht es vielleicht noch Zeit, bis das Kind anders als eine Vorstufe des Erwachsenen gesehen wird […], als ein unfertiges Subjekt, das noch verschiedene Stadien durchlaufen muss, um zur erwachsenen Reife zu gelangen«.4 Bereits in der Kindheit äußern sich viele Aspekte des wahren Ichs.

Die italienische Ärztin und Pädagogin Maria Montessori erinnert daran, dass das Erwachsenenalter und die Kindheit »zwei unterschiedliche Formen des menschlichen Lebens sind, die gleichzeitig stattfinden und sich gegenseitig beeinflussen«.5 Um diese Nähe zur Kindheit besser zu verstehen, muss die Sichtweise aufgegeben werde, dass sich der Mensch linear entwickelt. Diese Wahrnehmung entspräche einem Leben, das sich von der in der Vergangenheit liegenden Geburt bis zu einem Zielpunkt in der Zukunft auf einer geraden Zeitlinie abspielt:

Geburt → Kleinkindalter → Kindheit → Adoleszenz → Erwachsenenalter

Tatsächlich jedoch ähnelt die Entwicklung des Menschen eher einem konzentrischen Modell, wie bei einem Baum, der im Herzstück seines Stamms die verschiedenen Altersstufen als Jahresringe bewahrt.6

In jedem Stadium seiner Entwicklung besitzt das gesunde Kind von Natur aus eine angeborene emotionale und moralische Intelligenz. Natürlich hat es essenzielle Bedürfnisse, ist jedoch mit spezifischen kreativen Kräften ausgestattet. Es entfaltet sich mit Unterstützung, in Sicherheit, Liebe und Freiheit. Nach diesem Modell ist das Kind das Herzstück unseres Wesens.

A. innerer Säugling (0–9 Monate)

B. inneres Kleinkind (9 Monate–3 Jahre)

C. inneres Vorschulkind (3–6 Jahre)

D. inneres Schulkind (6–13 Jahre)

E. innerer Jugendlicher (13–18 Jahre)

F. junger Erwachsener (18–26 Jahre)

Das innere Kind* bewahrt die Erinnerung an die Erfahrungen im Kindesalter mit seinem natürlichen Wesen und seinen Verletzungen. Das Drama dieses inneren Kindes besteht darin, dass es gezwungen wird, in die Verbannung zu gehen, um einem Kind zu weichen, das den familiären, sozialen und kulturellen Zwängen zunehmend besser angepasst ist. Das innere Kind bleibt jedoch für immer im Herzen jedes Menschen präsent. Es wartet auf eine Wiederannäherung an den Erwachsenen.

Es erweist sich als entscheidend, zu diesem Kind wieder empathische Bindungen zu knüpfen. Nur so kann man sich von der Angst befreien, kann ungezwungenere und authentischere Beziehungen leben und sein Selbst* entdecken.

Ein 21-Tage-Programm

Dieses Buch bietet Ihnen die Möglichkeit, innerhalb von 21 Tagen innovative Konzepte über die Angst kennenzulernen und die Grundlagen für ein ausgeglichenes Leben zu erwerben. Das Programm ist keine Rezeptsammlung, sondern ein Entwicklungsprozess, eine Einladung, das Leben in sich besser zur Entfaltung zu bringen und harmonischer zu gestalten. Mithilfe von Erläuterungen, Beispielen, Metaphern, Aufgaben und Übungen laden wir Sie in sieben Abschnitten ein, eine völlig neue Vitalität zu erleben:

•in Ihrer Beziehung zu den verschiedenen Bereichen Ihrer Psyche,

•in Ihrer Beziehung zu Ihrem inneren Kind,

•in Ihrer Beziehung zu anderen und

•in Ihrer Beziehung zu Ihrer Umgebung.

Dabei werden viele übermäßige, häufig unterschwellige Ängste angesprochen. Eine Aufstellung finden Sie im Register am Ende des Buches (siehe Seite 235). Dieses Buch bietet Lösungsstrategien, die auf die meisten dieser Ängste anwendbar sind. Am Ende des ersten Tages werden Sie ein einfaches und wirksames psychophysisches Ritual entdecken, das Sie durch das gesamte Programm begleiten wird.

Begriffe mit einem Sternchen werden im Glossar der Schlüsselbegriffe am Ende des Buches erklärt (siehe Seite 233).

Wir freuen uns, auf diesen Seiten unsere persönlichen und beruflichen Erfahrungen mit den verschiedenen Ängsten teilen zu können. Dies ist natürlich kein Ersatz für eine therapeutische Betreuung, die in bestimmten Fällen unerlässlich ist.

Grundsätzlich stellen sich zu den Ängsten folgende Fragen:

•Welchen Platz nehmen sie in meiner inneren Welt ein?

•Welche Funktionen haben sie?

•Welche Botschaften übermitteln sie mir?

•Welche Beziehung soll ich mit mir selbst und anderen pflegen, um ein Leben ohne Angst zu führen?

Der Psychiater und Mitbegründer der Gestalttherapie Fritz Perls sagte: »Zwischen Angst und Erregung liegt nur ein tiefer Atemzug.« Jede Angst kann in einen Wunsch, in eine Bewegung und in eine Gelegenheit zur Erfüllung verwandelt werden, wenn man vollständig durch sie hindurchatmet. Die Angst ist kein Feind. Leben ohne Angst zeigt einen Weg auf, um diese seltsame Verbündete, die Angst, zu zähmen.

Vorbereitung auf das Programm

»Spricht man vom Kind, müsste vom inneren Kind des Erwachsenen die Rede sein. Dieses Kind lebt, dieses Kind ist unvergänglich, es ist ständig im Werden, niemals vollendet. Es verlangt eine besondere Pflege, Aufmerksamkeit und Erziehung. Es ist der Anteil der menschlichen Persönlichkeit, der die Integrität seiner Gesamtpersönlichkeit entwickeln möchte.«

Carl Gustav Jung

Bevor Sie mit der Lektüre dieses Buches beginnen, möchten wir Ihnen vorschlagen, eine Selbstbewertung Ihrer Ängste vorzunehmen und eine Bilanz Ihrer Beziehung zu Ihrem inneren Kind zu ziehen.

Die eigenen Ängste erkennen

Einige vielsagende Erfahrungsberichte

Karine: »Morgens wache ich mit Angst im Bauch auf. Ich rolle mich in meinem Bett zusammen und schaffe es nicht aufzustehen. Ich habe Brechreiz. Ich bin daran gewöhnt. Manchmal sage ich mir sogar, dass ich diesen Zustand liebe.«

Patrick: »In bestimmten beruflichen Situationen möchte ich flüchten, weit weglaufen und schreien. Ich verstehe nicht, warum das so ist. Wenn ich mich gehen lasse, breche ich zusammen. Meine Hände zittern. Und danach werde ich wieder der kalte und distanzierte Profi im Umgang mit meinen Kollegen. Das ist die einzige Möglichkeit, die ich gefunden habe, um mich wieder zu fangen.«

Géraldine: »Ich grüble zu viel. Ich stelle mir haarsträubende Szenarien vor: dass ich eine schlechte Nachricht bekomme, einen geliebten Menschen oder einen wertvollen Gegenstand verliere, oder dass ich mit einer unvorhersehbaren Reaktion meines Gegenübers konfrontiert werde …«

Florence: »Ich empfinde immer dasselbe Unvermögen. Ich wiederhole mir ständig, dass mir dies und das nicht gelingen wird! Diese Angst verfolgt mich am meisten.«

Alain: »Ich habe oft einen Kloß im Hals. Er schnürt mir die Kehle zu wie ein Schraubstock, manchmal bis in den Magen hinunter. Meine Emotionen sind blockiert. Ich bin traurig oder wütend, ohne wirklich zu wissen, warum, aber es löst sich nichts.«

Der erste Schritt zur Überwindung von Furcht, Angst oder Stress besteht darin, die Art dieser Reaktionen zu bestimmen. Noch bevor nach den Ursachen geforscht wird, ist es wichtig, die Erfahrung der Angst in Worte zu fassen. Der Mensch ist ein sprachliches Wesen. Empfindungen, Emotionen, Gedanken und Worte strukturieren diese Sprache. Angst ist auch ein zentraler Affekt, ein biologischer Mechanismus, der sich im Körper entfaltet, um sich in vielschichtige Bestandteile umzuwandeln.

Die Komponenten der Angst

Mit der folgenden Selbstbeurteilung können Sie die Hauptkomponenten Ihrer Ängste identifizieren. Anhand der nachfolgend aufgeführten, ausgewählten Symptome können Sie eine oder mehrere Komponenten Ihrer Ängste definieren. Kreuzen Sie die Symptome an, die Sie von sich kennen, und bewerten Sie anschließend deren Stärke: schwach, mittel oder stark.

Physiologische Komponente

schwach – mittel – stark

Ich empfinde körperlich:

zugeschnürte Kehle

feuchte Hände

Tachykardie (schnellen Herzschlag)

Hitzewallungen

häufigen Harndrang

Muskelanspannung

Mundtrockenheit

Bauchbeschwerden

Erschöpfung

Frösteln

Schwindelgefühl

Zittern

Sonstiges: …

Gefühlskomponente

schwach – mittel – stark

Ich empfinde:

Schwindel

Labilität

Ungeduld

Eile

Ohnmacht

Beklommenheit

Unwirklichkeit

Verlust des Persönlichkeitsgefühls

Leere im Kopf

Kontrollverlust

Verrücktwerden

Sonstiges: …

Verhaltenskomponente

schwach – mittel – stark

Mein Verhalten ist folgendermaßen:

Ich meide die Person, das Objekt oder die Situation.

Es gelingt mir nicht (oder nur mit großer Mühe) zu sprechen.

Ich schreie oder zucke zusammen, ohne das kontrollieren zu können.

Ich bin in Worten und/oder Taten aggressiv.

Ich verschiebe es auf den nächsten Tag (Prokrastination).

Ich bewege mich sehr viel (Hände, Arme, Beine, Körperbewegungen).

Ich kann mich nicht (oder nur mit größter Mühe) bewegen.

Ich sammle viel und stopfe meinen Lebensraum voll.

Ich bin niedergeschmettert oder fassungslos.

Ich bin angsterfüllt.

Ich habe Panik.

Ich bin reizbar.

Sonstiges: …

Physiologische Komponente

schwach – mittel – stark

Ich habe immer wiederkehrende Gedanken und Gefühle:

Ich schäme mich.

Ich bin schüchtern.

Ich stelle mir beunruhigende Situationen vor.

Ich stelle mir meine Reaktionen gegenüber einer Person oder Situation vor.

Ich richte meine Angst immer auf dasselbe Objekt, dieselbe Situation, dieselbe Sache.

Ich warte auf die Erlaubnis oder Zustimmung der anderen.

Ich habe Manien, oder es gibt Objekte, von denen ich mich nicht trennen kann.

Ich habe Selbstzweifel.

Ich fühle mich wie eine Null, unfähig oder inkompetent.

Ich kann mich schwer entscheiden.

Sonstiges: …

Die verschiedenen Gesichter der Angst

Angst äußert sich auf ganz unterschiedliche Weise:

•Es gibt die diffuse und starke unbegründete Angst. Sie wirkt im Allgemeinen wie eine Furcht vor »etwas«, was geschehen könnte, und äußert sich in einer starken Anspannung. Häufig kann sie nicht einmal benannt werden. Dabei hat der Betroffene den Eindruck, unmittelbar vom Tod bedroht zu sein. Der Empfindungsfaktor überwiegt hier (Gefühl von Beklommenheit und Enge im Körper). Ein solcher Angstanfall besteht aus mehreren Symptomen, die einander innerhalb kurzer Zeit (etwa zehn Minuten) ablösen.

•Sorge ist eine vorweggenommene Angst: »Sie wird in Verbindung mit der Erwartung, der Vorahnung oder einer sich nahenden Gefahr erlebt.«1 Sie ist eine Vorstufe der diffusen Angst. Sie kann in Form einer dauerhaften Unruhe chronisch sein und mit einer starken physiologischen Komponente einhergehen.

•Die Phobie ist eine von einem präzisen Objekt oder einer spezifischen Situation ausgelöste Angst, die direkt mit einer vermeintlichen Gefahr verbunden ist. Die psychologischen und die Verhaltenskomponenten sind sehr präsent.

•Stress ist, sobald er anhaltend ist, eine beeinträchtigende Angst. Hierbei sind die psychologischen und sensitiven Merkmale ausgeprägt. Stress ist die Folge verzerrter Wahrnehmungen und Beurteilungen einer Situation.

•Unterschwellige Ängste* sind sehr zahlreich. Sie verbergen sich hinter diffuser Angst, Sorge, Phobie und Stress. Da sie verborgen bleiben, lähmen sie einen Großteil der kreativen Lebensenergie. Nachfolgend finden Sie eine Typologie der unterschwelligen Ängste, die Sie im Verlauf dieses Buches entdecken werden:

1. Blockierende Ängste wie die Angst vor Kontrollverlust (Teil 1)

2. Anpassungsängste wie die Angst, sich lächerlich zu machen (Teil 2)

3. Kindliche Ängste wie die Angst vor der Dunkelheit (Teil 3)

4. Beziehungsängste wie die Angst, zurückgewiesen zu werden (Teil 4)

5. Grundängste wie die Trennungsangst (Teil 5)

Im Gegensatz zu gesunden Ängsten, die mit dem Überleben und mit Vorsicht zu tun haben, sind unterschwellige Ängste phantasmatisch.

Das automatische, unbewusste Gehirn

Neueste Forschungen haben nachgewiesen, dass das Gehirn Tag und Nacht, von der Geburt bis zum Tod, mit 100 Prozent seiner Kapazität arbeitet. Was noch unglaublicher ist: Nur 1 Prozent dieser Hirnaktivität findet bewusst statt! Diese bewusste Aktivität ist für die kognitiven und motorischen Fähigkeiten bestimmt (denken, sehen, fühlen, sich erinnern, sich bewegen, entscheiden, handeln …). Mit den restlichen 99 Prozent Energie »konsolidiert, bekräftigt, bestätigt, korrigiert oder reformiert die unbewusste Gehirntätigkeit die neuronalen Netze«.2 Jeder Mensch hat eine Vision von sich selbst und von der Welt, die von einer unbewussten Gehirnaktivität vollständig gefiltert und interpretiert wird.

An den unterschwelligen Ängsten zu arbeiten, gibt Ihnen die Gelegenheit, Ihre Überzeugungen neu zu überdenken, Ihre Wahrnehmungen zu verändern und anders zu handeln. Ihr Gehirn ist neuroplastisch. Es ist, ohne dass Sie es wissen, der Sitz ständiger Veränderungen. Es gibt keinen Grund, warum Sie Ihre Ängste nicht beschwichtigen können sollten.

Das innere Kind entdecken

Wie ist der Begriff vom inneren Kind entstanden?

1990 haben wir die französische Gruppe Cœur d’enfant (auf Deutsch: Kinderherz) ins Leben gerufen, um jeden dabei zu begleiten, wieder Kontakt zu seinem inneren Kind aufzunehmen. Damals wurde diesem Vorgehen meist noch mit Unverständnis begegnet. Den meisten Menschen erschien der Gedanke des Kindes in ihnen albern oder, noch schlimmer, infantil und regressiv. Heute werden die Bedeutung und die Wirksamkeit dieses psychotherapeutischen Ansatzes durch neurowissenschaftliche Arbeiten validiert. Bestimmte neuronale Netze des menschlichen Gehirns funktionieren emotional, intuitiv, symbolisch, erfinderisch und losgelöst von Zeit und Raum. Die Metapher vom inneren Kind* mobilisiert sie und trägt dazu bei, zahlreiche Merkmale des verloren gegangenen Potenzials aus der Kindheit wieder zu integrieren.

Der Begriff vom inneren Kind stützt sich auf die Arbeiten des Schweizer Psychiaters Carl Gustav Jung über das »göttliche Kind«. Dieser Leitgedanke des kollektiven Unbewussten symbolisiert das Versprechen, das Selbst* werde sich erfüllen. Jung versicherte, dass das kleine Kind in einem Menschen die Quelle der Gnade sei.3 In seiner Nachfolge erinnerte der italienische Neuropsychiater Roberto Assagioli in den Prinzipien der Psychosynthese daran, dass das innere Kind das Herzstück des Ichs ist. In den 1960er- und 1970er-Jahren entwickelte sich der Begriff in den USA. Der amerikanische Psychiater Eric Berne etablierte mit der Transaktionsanalyse eine Theorie der Persönlichkeit und der Kommunikation, die sich auf die drei »Ich-Zustände« stützt: Erwachsenen-Ich, Eltern-Ich und Kind-Ich. 1979 übernahm es die Schweizerin Alice Miller, Doktor der Psychologie, mit ihrem grundlegenden Werk Das Drama des begabten Kindes, das Erlebte des Kindes, das man gewesen ist, zu verteidigen. In all ihren Werken erarbeitete sie wichtige Theorien, um dem verletzten inneren Kind Rechnung zu tragen. In den 1980er-Jahren brachten die Arbeiten der amerikanischen Psychotherapeuten Hal und Sidra Stone über die Teilpersönlichkeiten das innere Kind auch der Allgemeinheit nahe. 1990 wurde der berühmte amerikanische Psychologe John Bradshaw einer der Väter des Begriffs vom inneren Kind. Seine Arbeiten über die Familie, die schädliche Wirkung der Scham und die verschiedenen Altersstufen des inneren Kindes sind fundamental.

Heute unterscheiden wir bei unserer Forschung und unserer Praxis klar das angepasste Kind* vom inneren Kind. Diese Unterscheidung macht den Prozess der psychischen Heilung sehr viel effizienter. Das angepasste Kind ist ein falsches Ich*, das den Erwachsenen infiziert. Das kreative innere Kind lädt jeden dazu ein, seine natürlichen Eigenschaften wie Kreativität, Liebe, Spontaneität, Freude, Freiheit, Spiel, freier Ausdruck der Emotionen etc. auszuleben. Das verletzte innere Kind ist das kleine, fragile und verängstigte Wesen, das im Herzen jedes Menschen in der Verbannung lebt. Es ermahnt den Erwachsenen, ihm gegenüber empathisch und mitleidvoll zu werden. Die meisten unterschwelligen Ängste gehören zu dem angepassten Kind, das zu viel Platz einnimmt und das innere Kind unterdrückt.

Ziehen Sie eine Bilanz der Beziehung zu Ihrem inneren Kind

Antworten Sie auf die nachfolgenden Aussagen spontan mit Ja oder Nein. Zögern Sie nicht, sondern wählen Sie die Antwort, die sich Ihnen zuerst aufdrängt:

•Neuem gegenüber empfinde ich Angst oder Furcht.

•Ich versuche, anderen zu gefallen.

•Ich habe regelmäßig Konflikte mit anderen Menschen.

•Ich vermeide Konflikte – so gut es geht.

•Ich hebe alles auf und werfe zu Hause nichts weg.

•Ich bin ein(e) Ordnungs- und Sauberkeitsfanatiker(in).

•Ich fühle mich den Anforderungen selten gewachsen.

•Ich neige dazu, anderen meinen Wert beweisen zu wollen.

•Ich habe Angst vor anderen Menschen und bin lieber allein.

•Ich bin nicht gerne allein und brauche immer Leute um mich herum.

•Ich habe Angst, verlassen zu werden.

•Ich kenne meine Bedürfnisse nicht (oder nur sehr wenig).

•Es fällt mir schwer, mich zu entscheiden und eine Wahl zu treffen.

•Ich bin sehr ängstlich.

•Ich sage sehr oft Ja.

•Ich sage sehr oft Nein.

•Ich habe Angst davor, meine Emotionen und Gefühle zu spüren.

•Ich habe Angst, meine Emotionen und Gefühle auszudrücken.

•Ich möchte möglichst gut sein.

•Ich habe Angst davor, mich zu irren, einen Fehler zu machen.

•Ich verbringe viel Zeit damit zu analysieren, was andere sagen.

•Ich lüge regelmäßig, sogar bei unwichtigen Dingen.

•Ich habe Angst vor autoritären Menschen.

•Autoritäre Menschen ertrage ich nicht und gehe auf Konfrontation mit ihnen.

•Ich schäme mich oft: für meine Gedanken, für meine Gefühle oder meine Emotionen.

Nun wird Bilanz gezogen. Wenn Sie fünf (oder mehr) dieser Fragen mit Ja beantwortet haben, wird Ihr Verhalten von Ängsten bestimmt, die Ihnen nicht unbedingt bewusst sind. Ihr inneres Kind lebt schon viel zu lange in der Verbannung. Keine Sorge, das ist bei den meisten Menschen so. Sie werden entdecken, wie Sie Ihre Ängste überwinden und sich um Ihr inneres Kind kümmern können.

Wir wünschen Ihnen bei der Arbeit mit diesem Buch viele schöne Abenteuer.

ERSTER TEIL

Die Angst

und ihre Symptome

»Man lebt manchmal unter dem diffusen Einfluss einer übermäßigen Angst, deren Symptome (Phobien, Zwangsstörungen oder Furcht) lähmend wirken und einem Energie entziehen. Dahinter verbergen sich blockierende Ängste.«

TAG 1

Gibt es überhaupt einen Piloten im Flugzeug?

Den Schleier der Angst heben

»Angst ist ein Empfindungsnebel.«

Jules Renard

Die Metapher vom fehlenden Piloten im Flugzeug

Sie sitzen bequem in einem Flugzeug. Sie genießen eine angenehme Reise, und die Flugbegleiterinnen lesen Ihnen jeden Wunsch von den Augen ab. Da es ein recht langer Flug ist, beschließen Sie, sich ein wenig die Beine zu vertreten. Sie gehen langsam in der Maschine nach vorne, da fällt Ihnen etwas auf. Die Tür zum Cockpit steht offen. Sie zögern einen Moment lang. Sie nähern sich, um einen Blick hineinzuwerfen. Es ist eine gute Gelegenheit, sagen Sie sich, einen Raum zu entdecken, zu dem Passagiere keinen Zutritt haben! Leider versetzt der Anblick Sie total in Panik. Im Cockpit ist niemand. Der Sitz des Piloten ist leer. Der Pilot ist nicht an seinem Platz! Zahlreiche Kontrolllampen blinken, und schrille akustische Signale erfüllen die Pilotenkabine. Sie haben sogar den Eindruck, als ginge die Maschine in einen Sinkflug. Ihr Körper verkrampft sich, und Sie haben Schweißtropfen auf der Stirn. Instinktiv wenden Sie den Blick ab. Ein Gedanke schießt Ihnen durch den Kopf: »Flüchten, ich muss flüchten.« Aber das Offensichtliche gewinnt die Oberhand: Sie sind in einem Flugzeug eingesperrt, und es gibt kein Entkommen. Ein Gefühl der Beklemmung überwältigt Sie. Mit einem Schlag bricht alles zusammen. Sie gehen zurück, setzen sich wieder, verstört, in sich versunken. Eine Stewardess lächelt Ihnen zu und murmelt ein paar Worte, die Sie nicht hören …

Diese Metapher beschreibt eine psychische Realität. Sie illustriert, was jeder mehr oder weniger ausgeprägt unter dem Einfluss übermäßiger Angst erleben kann.

Gesunde Angst ist lebenswichtig

Angst ist eine Emotion, die angesichts einer realen oder imaginären Gefahr empfunden wird. Diese Emotion ist universell, und es gibt sie bei allen Lebewesen. Bei anderen Emotionen wie Freude oder Trauer ist dies nicht der Fall. Angst hat primär eine Schutzfunktion. Gesunde Angst ist also sogar kostbar, denn sie schützt das Leben.

Der Psychologe Marc Spund unterstreicht: »Angst ist für den Geist das, was der Schmerz für den Körper ist.«1 Der Körper nimmt im emotionalen Prozess einen zentralen Platz ein. Die emotionale Kaskade, die durch einen Stimulus ausgelöst wird, erzeugt physiologische Reaktionen (Schwitzen, Zittern etc.) und eine körperliche Schockstarre sowie ein Flucht- oder Angriffsverhalten. Diese körperlichen Erschütterungen zeigen uns die Emotion. Der Flugpassagier glaubt, durch die Signale seines Körpers mitzubekommen, dass etwas nicht stimmt. Anders gesagt, dienen die körperlichen Symptome der Emotion dem Gehirn als Orientierung, um den Gefährdungsgrad abzuschätzen.

Angstsymptome können täuschen

Das Symptom ist tatsächlich vorhanden, aber es sagt nicht die Wahrheit. In der Metapher »Gibt es in diesem Flugzeug überhaupt einen Piloten?« ist sich der Passagier sicher, in Gefahr zu sein. Sein Körper scheint ihm zu bestätigen, dass er die Emotion Angst zu Recht empfindet. Seine Sinne sagen ihm, der Pilot sei abwesend. So ist es jedoch nicht.

Angst, die das Überleben sichert, ist allgegenwärtig. Sie wartet auf passende Gelegenheiten, um zu erwachen. Das archaische Überlebenssystem bleibt übrigens auch heute noch für bestimmte Situationen empfänglich. So empfindet dieses System beispielsweise das Fliegen nicht als normal. In einem Flugzeug befinden sich viele Menschen in einem Zustand übermäßiger Wachsamkeit, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.

Als der Passagier ins Innere des Cockpits blickt, ist seine unbewusste Angst bereits aktiv. Sie trübt seinen Blick und seine Wahrnehmung der Realität. Er ist davon überzeugt, in Gefahr zu sein, und wird taub und blind für seine Umgebung. Er hört nicht, wie die Stewardess zu ihm sagt: »Der Pilot ist kurz abwesend. Konnten Sie im Cockpit mit dem Kopiloten sprechen?« Hätte er diese Worte gehört, hätte er seinen Irrtum bemerken können.

Die Angstsymptome überfluten den Körper. Sie geben Aufschluss über die Art und die Stärke der Emotion. Sie versetzen unser Überlebenssystem in Alarmbereitschaft. Dennoch bedeuten die Symptome nicht unbedingt, dass tatsächlich eine Gefahr vorhanden ist.

Die unbewussten Wurzeln der Angst

Alle Ängste haben unbewusste Wurzeln. Übermäßige Angst entsteht aus einem unbewussten Kern, der an die Oberfläche steigt. Das Auftauchen dieses Kerns verstärkt die Wahrnehmung durch die Sinne, die wiederum selbst stark stimulierend wirken.

Angst erzeugt echte visuelle, auditive und sensitive Halluzinationen. Diese verstärken die Empfindungen und Wahrnehmungen oder schwächen sie im Gegenteil ab. Als der Flugpassagier die Wahrheit hört, ruft er aus: »Das ist ja unglaublich, ich habe den Kopiloten nicht gesehen! Dabei habe ich doch genau hingeschaut.« Jeder Mensch erlebt Situationen, in denen ihn seine Sinne täuschen. Diese Halluzinationen werden noch vor der Angst wahrgenommen und verstärken die Intensität und die vermeintliche Berechtigung dieser Emotion.

Viele Menschen leben unter dem Einfluss starker Ängste und bleiben in diesem Stadium gefangen. Das Hervorbrechen eines unbewussten psychischen Kerns ist typisch für die übermäßige Angst.

Angst ist in der Biografie verankert

Angst ist eine Aufforderung, die eigene Geschichte aufzuklären. Vergessen Sie nicht, dass Angst biografisch bedingt ist. Sie lässt sich von Ihren früheren Erlebnissen nicht trennen. Es ist erforderlich, dass Sie Ihre Symptome überwinden und Ihre Geschichte entdecken, die sich hinter der Angst verbirgt.

Wenn Symptome Sie darüber täuschen, ob eine Gefahr real ist oder nicht, denken Sie sofort, Ihre Angst sei lächerlich und unnötig. Das ist ein Irrtum. Die Angst ist eine Nachwirkung von Teilstücken Ihrer Geschichte, die im Dunkeln geblieben sind. Nicht ausgedrückte Gefühle, unerfüllte Bedürfnisse und unverdaute Situationen Ihrer Vergangenheit sind der Mutterboden der Angst. Sie schränkt Ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit ein.

Solange wir einen Teil unserer inneren Wahrheit nicht kennen, leben wir potenziell alle unter dem Einfluss stummer Ängste, die – abgesehen von ihren Symptomen – nicht gehört werden.

Catherines Geschichte

»Catherine, ledig, 40 Jahre alt, berichtet folgendermaßen über ihr Problem: »Ich möchte gerne zur Hochzeit meiner Schwester gehen, aber für mich ist alles sehr kompliziert. Ich habe große Angst, dort hinzugehen. Ich habe zahlreiche Ticks, die mich zu sehr stören. Ich würde so gerne gesund werden, aber das alles ist stärker, als ich es bin.«

Catherine leidet unter zahlreichen Zwangsstörungen, die sie im Alltag behindern. Zwangsstörungen sind Verhaltensstörungen, die mit Ängsten verbunden sind. Gekennzeichnet sind sie durch fixe Ideen, die das Denken beeinträchtigen und die erkrankte Person zu zwanghaften Handlungen nötigen. Catherine wäscht sich häufig die Hände. Im Eingangsbereich ihrer Wohnung hat sie eine kleine Schleuse eingerichtet, um ihre Kleidung zu wechseln und jeden Kontakt zwischen außen und innen zu unterbinden. Ihre Störungen sind geprägt von einer panischen Angst vor Schmutz und Ansteckung. Ihre Wertgegenstände sind in kleine Plastiktüten verpackt und werden regelmäßig desinfiziert. Ihre Probleme haben natürlich dramatische Auswirkungen auf ihre Beziehungen zu anderen Menschen. Auch wenn sie nur kurz außer Haus geht, wird dies von vielen Schutzritualen begleitet. Catherine lebt ständig unter dem Einfluss schwerer Symptome und irrationaler Ängste.

Letztlich beschließt sie, zur Hochzeit ihrer Schwester zu gehen und sich ihren Ängsten zu stellen. Als sie heimkommt, hat sich die Situation verschlechtert. Ihr Körper und ihre Seele »heulen« wortwörtlich auf. Alle Beschwerden haben sich verschlimmert. Analog zum Bild der blinkenden Kontrolllampen und der akustischen Signale im Flugzeug sind Catherines Reaktionen eine Form des psychophysischen Alarms. Ihr Körper scheint ihr zu sagen, sie sei noch nie in einer so großen Gefahr gewesen. Sie ist völlig durcheinander und macht sich Sorgen um ihre Zukunft.

Verzweifelt probiert Catherine eine neue Strategie aus, die darin besteht, sich nicht mehr um ihre Symptome zu kümmern. Beim Auftreten einer Zwangsstörung lernt sie, laut zu sich selbst zu sagen: »Dieses Symptom hat sicher eine Daseinsberechtigung, die ich nicht kenne, aber ich entscheide mich dafür, mit der Angst selbst Kontakt aufzunehmen.«

Der amerikanische Psychiater Jeffrey M. Schwartz, der für seine Forschungen im Bereich der Neuroplastizität und deren Anwendung auf Zwangsstörungen bekannt ist, erinnert daran, dass ein Teil der Psyche die Wahrheit kennt, die über den zwanghaften Gedanken hinausreicht. Er hat nachgewiesen, dass Praktiken, die sich auf die Atmung konzentrieren, dabei helfen, die Gedanken besser zu ordnen und sich einem konstruktiveren Verhalten zuzuwenden. Diese Bereitschaft hat eine transformierende Kraft auf das Gehirn: Sie erzeugt neue neuronale Verbindungen, eine ›Neuverkabelung‹, die die Seele von der Angst, den Zwangsvorstellungen und Zwängen befreit.2

Durch die Konzentration auf ihre inneren Ressourcen konnte Catherine in der Therapie die Botschaften ihrer inneren Wahrheit hören und ihr Leiden als Kind erkennen. Ihre gesamte Kindheit hatte sie in Angst gelebt. Die schlechte Behandlung durch ihre Eltern hatte sie dauerhaft verletzt. Um diesem Leid zu entkommen, hatte sie eine Reihe von Mauern zwischen sich und den kindlichen Erfahrungen errichtet. Als sie ihre verschiedenen Ängste hinter den Symptomen durchlebte, löste sie innerhalb eines Jahres eine wahre emotionale Sturzflut aus Angst, Wut und Trauer aus.

Das Ergebnis war spektakulär. Nacheinander fielen ihre Zwangsstörungen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die Angstsymptome sind sehr real, aber sie verschwinden meist, wenn der Botschaft hinter der Angst Gehör geschenkt wird. Jeder kann den Schleier der Angst heben, wenn er das Symptom loslässt und es akzeptiert, Dinge, die in der Vergangenheit nicht verarbeitet wurden, aufzudecken, erneut zu durchleben und hinter sich zu lassen.«

Auf den inneren Piloten hören

»Den guten Steuermann lernt man erst im Sturm kennen.«

Seneca

Die Angst will reguliert werden

Die Psyche ist ein selbstregulierendes System, das sein Gleichgewicht ebenso hält wie der Körper.3 Psyche und Körper sind sehr ausgeklügelte Universen der Selbstheilung. Angst ist ein Teil dieses Systems. Die eingebildete Angst appelliert auch bei hinderlichen Symptomen an das innere System, sich zu regulieren. Die Angst gehört (ebenso wie die anderen Emotionen) zu einer Form präverbaler und vorbewusster Intelligenz. Was nun zählt, ist weniger die Heilung des Symptoms (auch wenn dieser Wunsch verständlich und legitim ist) als die Aufklärung der Beziehungen innerhalb des psychischen Systems, das wiederum mit äußeren Systemen wie der Familie, dem beruflichen Umfeld, dem Lebensrahmen etc. in Wechselbeziehung steht. In unserer psychotherapeutischen Praxis behandeln wir nie die Ängste direkt, sondern befassen uns mit dem gesamten System. Die Heilung des Symptoms (Zwangsstörung, Phobie, Stress etc.) ist nur das sichtbare Ergebnis einer zugrunde liegenden Systemveränderung. Alle hier im Buch zitierten Beispiele sind dafür ein lebendiger Beweis. Bei der Behandlung von Abhängigkeiten gehen wir ähnlich vor.

Die »Vivance« als Barometer der potenzierten Lebensenergie

Kommen wir noch einmal auf Catherine zurück. Als sie kürzlich über ihren Weg berichtete, war sie überrascht von den Bemerkungen ihrer Zuhörer: »Es ist ein Wunder, dass all deine Ängste verschwunden sind!«, »Ich dachte, es würde Jahre dauern, um von einer Zwangsstörung geheilt zu werden!« etc. Catherine wurde zum ersten Mal bewusst, dass sie sich verändert hatte. Sie freute sich, dass ihre Symptome verschwunden waren, aber das war für sie nicht das Wichtigste. Die radikale Veränderung bestand darin, dass sie ein dynamisches und natürliches Gleichgewicht wiedererlangt hatte, bei dem sie darauf achtete, auf ihre innere Wahrheit hinter den Ängsten zu hören.

Ist jemand von seiner Innenwelt und einem gesunden Beziehungskontext abgeschnitten, meidet er die Botschaften, die ihm seine Ängste übermitteln wollen, und konzentriert sich darauf, die Symptome zu bekämpfen. Diese Form des Kampfes gegen sich selbst führt selten zu einer tatsächlichen Heilung. Ängste und ganz allgemein alle Emotionen ermuntern dazu, bewusster und lebendiger zu leben. Daher ist die Angst ein Barometer der verstärkten Lebendigkeit, der sogenannten Vivance*, einer »Qualität des Seins, die uns bewohnt und die Lebensenergie potenziert, die in jedem Menschen steckt«.4

Im Übermaß auftretende Angst ist ein Zeichen für eine Verhärtung der inneren Landschaft. Die Symptome wirken dabei wie eine Art Ausgleich, da ein Pilot fehlt, der die ins Trudeln geratene »psychische Maschine« wieder ins Gleichgewicht bringen könnte.

Erste blockierende Angst: die Angst vor Kontrollverlust

Das Leben mit seinen vielfältigen Formen und zahllosen Erfahrungen macht Angst. Ja, das Leben macht Angst! Man nimmt sich nicht die Zeit, gründlich auf die Antworten aus dem Inneren zu hören, um den Unwägbarkeiten des Lebens zu begegnen. Man versucht, sein Leben zu kontrollieren. Der Wille, die Symptome zu bekämpfen, gehört zu dieser Logik. Es ist ein Versuch, wieder Macht über sich selbst zu bekommen. Dieser Wunsch ist zwar natürlich und legitim, kann jedoch die Illusion bestärken, die Angst könnte für immer verschwinden.

Stellt man sich die Psyche als ein vernetztes System vor, wird besser verständlich, dass die Angst ein Appell ist. Früher oder später tauchen vergessene Ereignisse, verborgenes Leid, verleugnete Bedürfnisse oder Wünsche wieder auf. Das alles macht Angst! Dann fürchtet man, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Angstsymptome sind ein Symbol für Machtlosigkeit und nähren die Angst vor Kontrollverlust.