Endlich ein Held! - Horst Pillau - E-Book

Endlich ein Held! E-Book

Horst Pillau

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Beschreibung

Der nicht mehr ganz junge Uniprofessor Alex ist krankhaft ängstlich geworden. Er nervt seine Frau Marlies, wenn sie nur einkaufen gehen will: Geh‘ vorsichtig über die Straße! Vergiss deine EC-Card nicht im Bankomaten! Schließ die Autotür von innen ab! Alex ist hypernervös und nachts schreit er manchmal auf, wenn die Albträume kommen. Denn während einer Germanistentagung in Bamberg hat nachts das alte Hotel im Fachwerkbau lichterloh gebrannt, und er ist gerade noch einmal so mit dem Leben davongekommen. Nun ist Alex feige geworden … Eine geplante Schiffsreise zum runden Geburtstag lehnt er heftig ab und zitiert alle Schiffsunglücke der letzten Jahre auswendig. Bis er, gegen seinen Willen, bei einer U-Bahnfahrt durch eine selbstlose Rettungstat doch zum Helden wird. Nun sagt er, kühn und locker geworden, er wollte an der Schiffsreise teilnehmen. Aber auch Schiffsreisen sind nicht immer ungefährlich ...

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Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Impressum

Copyright: © PIDAX 2020

Pidax Film- und Hörspielverlag GmbH

Platanenweg 3, 66292 Riegelsberg/Deutschland

www.pidax-film.de

Umschlag: bellanatella / 123rf.com

ISBN 978-3-948724-05-4

Über das Buch

Der nicht mehr ganz junge Uniprofessor Alex ist krankhaft ängstlich geworden. Er nervt seine Frau Marlies, wenn sie nur einkaufen gehen will: Geh‘ vorsichtig über die Straße! Vergiss deine EC-Card nicht im Bankomaten! Schließ die Autotür von innen ab! Alex ist hypernervös und nachts schreit er manchmal auf, wenn die Albträume kommen. Denn während einer Germanistentagung in Bamberg hat nachts das alte Hotel im Fachwerkbau lichterloh gebrannt, und er ist gerade noch einmal so mit dem Leben davongekommen. Nun ist Alex feige geworden …

Eine geplante Schiffsreise zum runden Geburtstag lehnt er heftig ab und zitiert alle Schiffsunglücke der letzten Jahre auswendig. Bis er, gegen seinen Willen, bei einer U-Bahnfahrt durch eine selbstlose Rettungstat doch zum Helden wird. Nun sagt er, kühn und locker geworden, er wollte an der Schiffsreise teilnehmen. Aber auch Schiffsreisen sind nicht immer ungefährlich ...

Über den Autor

Horst Pillau

ENDLICH EIN HELD!

1. WEN MAN HEIRATEN SOLLTE

Der Universitätsprofessor Alex Burggraf – seinen Namen fand er angemessen, ohne ihn sonderlich hochzuspielen – wollte sich vor acht Jahren verheiraten, aber er wusste noch nicht, mit wem. Er ließ sich während des Studiums durchaus ab und zu in einer Disco oder einer Bar sehen, ging gelegentlich mit einer Kommilitonin aus, aber er wollte keine Frau kennenlernen, die über kurz oder lang seine Ex werden würde.

Beziehungen für ein paar Tage, für eine Nacht oder gar eine Stunde, waren seine Sache nicht. Er sehnte sich, anachronistisch, nach einer langen, dauerhaften Partnerschaft, sozusagen einer ewigen. Zu Anfang ist immer alles ewig.

Alex ging die Liebe sehr vorsichtig an. Seine anfängliche Partnersuche über Dating-Agenturen verlief vielleicht anachronistisch, altmodisch, überholt, präpolyamorisch, aber er war primär ein bürgerlicher Typ, und er stand zu seiner Einstellung. Alex verzichtete lieber auf vermutlich lebensnotwendige Erfahrungen. Hatte nicht Immanuel Kant gesagt: Einmal versucht, scheußlich gefunden?

Zum Glück aber begleitete er seinen Kollegen Prof. Skrotzki einmal in die nächste Kita, als der dort seinen kleinen Sohn abholen wollte. Die leitende Kindergärtnerin hieß Anne Oltmann und Alex wusste, dass sie bald nicht mehr Oltmann, sondern Burggraf heißen würde. Das Glück kam ganz schnell und leichtfüßig über sie. Sie konnten miteinander sprechen und würden endlos miteinander sprechen können – bis es dann passierte. Über Nacht wurden sie, schuldlos, zu einer Belastung füreinander, vor allem er für sie. Und dann wurden Tage und Nächte oft qualvoll.

2. WENN ES PASSIERT IST

Das zeigte sich nun täglich, bei scheinbar harmlosen Dialogen. Etwa: Anne nahm sich eines Vormittags die Freiheit, ihn bei der Arbeit zu stören.

»So, Alex, ich geh!«

Er nickte, ohne aufzublicken.

»Dann mach es gut, Anne«, sagte er. »Wohin willst du?«

Sie sagte es ihm. Sie wollte erst zum Supermarkt, dann ins Einkaufszentrum. Dann zur Reinigung und schließlich auf den Wochenmarkt. Denn sie hatte ihren freien Wochentag. Aber der freie Wochentag ist kein freier Tag.

»Ja, richtig. Fehlt uns was?«

Das hatte sie ihm erzählt. Sie seufzte. Heute Abend würden Peer und Christoph zum Essen kommen. Alex hörte nie zu, oder nur sehr selten.

Sie erklärte ihm seine Familie. »Dein Vater. Dein Bruder.«

Er antwortete hastig. »Natürlich. Das weiß ich doch.«

»Soll ich dir irgendetwas mitbringen??«

Ein bisschen was. Wenig. Nur Kleinigkeiten. Er brauche noch fünfhundert Blatt Druckerpapier, gute Qualität, das sich nicht welle, wenn es heiß werde, Ersatzkartusche schwarz, also, aber die richtige Seriennummer, 551BK, einen Tintenkugelschreiber, aber nur, wenn sie zufällig bei Sattmann vorbeikomme. Und einen dünnen weißen Stift für Glas, Metall und Plastik, mit dem man verblasste Buchstaben auf der Laptop-Tastatur nachziehen könne.

Ja, natürlich würde sie dort hinfahren, um ihm das alles mitzubringen.

»Soll ich es dir aufschreiben?«

»Nein, das merke ich mir.«

Er, zögernd: »Das alles?«

»Mühelos.«

»Also dann … vielleicht noch eine neue Krawatte?«

Die alte rote, quergestreifte habe er schon bei zu vielen Vorlesungen …

Allein die Suche nach der richtigen Krawatte wird Anne zwanzig Minuten kosten, aber sie nickte.

»Eine Krawatte.«

»Und du? Anne?«

Sie sagte, sie müsse zur Theaterkasse, Der Menschenfeind mit Ulrich Matthes, poetisch, die Urfassung, ohne fünf Liter Theaterblut. Dann zum Reisebüro und dann werde sie den Elefanten holen.

»Gut, gut!«

Aber ihre Auskunft beunruhigte ihn, er wusste nur nicht genau, warum.

»Theaterkasse?«

Und ängstlich: »Anne, du denkst daran: Außenplätze … nur außen. Seitlich also. Rechts oder links. Nie mittig.«

Sie versuchte, nicht ungeduldig zu werden.

»Nie mittig. Ich weiß, Alex. Ich weiß.«

»Ja, bitte.«

Dann aber horchte er wirklich auf.

»Und zum Reisebüro? Weshalb? Deine Monatskarte kann ich dir auch ausdrucken. Als Online-Ticket.«

Sie wich aus. Sie blättere so gern in Reiseprospekten. Na ja … für den Fall, dass sie doch einmal Urlaub machten. Er bot sich wieder an, einmal für sie einzukaufen. Das übernehme er gern … wenn sie ihm eine Liste machte. Sie schüttelte den Kopf.

Diese Liste würde nichts nützen. Dann solle er etwa Joghurt kaufen und komme doch mit Buttermilch nach Hause. Ihr grause vor Buttermilch. Er gestand seine Ungeschicklichkeit ein. Das seien ja doch immer die gleichen blauen Plastikbecher. Plastik! Er werde das mal dem Geschäftsführer sagen.

»Alex. Einkaufen ist nun mal nicht deine Stärke. Bereite dich lieber auf dein Seminar vor.«

Er war erleichtert, denn das stimmte ja wirklich. Und warnte sie doch wieder vor dem Reisebüro: In nächster Zeit sei für ihn kein Urlaub möglich. Erholung. Kürzlich … diese Kur … danach … in der Reha … das sei kein Urlaub gewesen, Kuren sind Schwerstarbeit. Für ihn sogar die Hölle. Was hatte er durchmachen müssen! Das eine Mal reiche fürs ganze Leben: Frühstück um sechs Uhr dreißig. Die Anwendungen. Die Anordnungen. Die Untersuchungen. Der Ultraschall und die Röhre –

»Heute Nacht hast du wieder aufgeschrien.«

Er murmelte, das tue ihm leid.

»Ja, ich weiß ja«, sagte sie.

Er sprang jede Nacht.

Sie hatte gelernt, dass man Schlüsselerlebnisse nicht verdrängen kann. Nie. In vielen schlaflosen Nächten mit einem bestimmten Thema nahm man sich vor, endlich an etwas anderes zu denken, etwas ganz anderes, etwas Schönes, vielleicht an den eigenen Partner oder an andere, aber das war nicht zu erzwingen. Man wollte nicht daran denken, aber es wiederholte sich dauernd, sogar wörtlich.

Sie versuchte nun wieder, versöhnlich zu werden.

»Ja, Alex – es war ja auch …«

Sie könne sich das vorstellen.

»Wirklich?«, fragte er überrascht.

Auch zu zweit ist man häufig allein.

Sie beteuerte, sie versuche das wenigstens. Irgendwann würden sie das bewältigen. Gemeinsam. Zusammen. Und endgültig. Nur nicht bei einem Psychotherapeuten.

Aber dann blickte er doch auf.

»Und was war das – Anne … du willst einen Elefanten kaufen? Was für einen Elefanten?«

»Na, den Elefanten.«

»Was?«

»Alex! Natürlich will ich keinen Elefanten kaufen! Du hörst nie zu. Fast nie. Wer kauft schon einen Elefanten! Im Supermarkt. Er wäre zu groß für uns! Und zu teuer! Er passt in keinen Bungalow! Er zertrampelt deinen Garten! Er würde dich bei der Arbeit stören! Ich wüsste auch nicht, wo es einen zu kaufen gäbe!«

»Na bitte. Was meinst du also damit?«

»Alex! Wir brauchen keinen Elefanten. Das war nur ein Test! Ob du auch zuhörst.«

»Danke. Ein Test! Ich verstehe.«

»Ich hätte statt Elefant auch Segelboot sagen können. Oder Saurier … oder Gentomaten. Oder Schloss Miramare. Es interessiert dich nicht.«

Er hatte andere Sorgen. Er hatte es ihr gar nicht erzählt, absichtlich … weil er sie nicht beunruhigen, nicht ängstigen wollte.

Was nun sollte sie nicht ängstigen … außer allem anderen.

Ob sie wisse, wen er in diesem Semester als Hörer habe?

Nun?

Und er sagte besorgt:

»Einen Freigänger!«

»Einen was?«

Einen Strafgefangenen, aus der Justizvollzugsanstalt, der nur für die Zeit der Vorlesung frei bekam. Und für das Seminar. Der musste noch anderthalb Jahre abreißen. Im Gefängnis reißt man Monate ab. Oder Jahre. Hinter Gittern. Ein junger Mann. Ein Kraftpaket. Intelligent. Interessiert. Kennt Musil. Und sogar Kafka! Kann diskutieren. Sogar widersprechen. Aber eine halbe Stunde nach der Vorlesung muss er sich im Gefängnis zurückmelden.

»Ja und? Wofür ist er verurteilt?«

Mehrfache schwere Körperverletzung. Einbruchsdiebstahl. Raubüberfall.

»Na und? Das ist doch günstig! Vielleicht veredelt ihn die Literatur!«

Er kam sich zu Recht verspottet vor.

Anne! Das war kein Spaß. Der Mann sei ja auch meist gutartig.

Aber?

Alex musste ihm jede Vorlesung testieren. Und wenn er, Alex, ihm das Testat verweigerte? Er hatte das vorige Mal gefehlt. Und wenn der Freigänger nun ausrastete? Alex zusammenschlug? Wenn Alex die nächsten Wochen auf Krücken in den Hörsaal sollte? Dann war das Semester für ihn gelaufen.

Seine Frau seufzte.

»Ach, Alex. Warum sollte dein Freigänger das tun? Du hast zu viel Fantasie! Du bist zu verkrampft.«

»Ich? Ich weiß … das ist kein Wunder, nach allem … aber stell dir einmal vor, was uns alles nicht passiert! Da muss man vorsorgen!«

Das war eine überraschende These. Das hatte er gut gesagt. Da gibt es vieles … tatsächlich. Er malte sich immer Katastrophen aus, die sich ereignen könnten. Vielleicht trafen einen Katastrophen dann weniger, wenn wieder eine da war. Man war dann ... irgendwie gewarnt. Und sie wunderte sich, was sie alles aushielt. Oder aushalten musste. Bis sie einmal ausrasten würde: endgültig, mit hastig gepacktem Koffer. Und erst einmal ohne Bücher, das würde ihn treffen.

Aber sie war versöhnlich. Wie fast immer.

»Verzeih, ich wollte dich nicht bevormunden. So, ich fahr los.«

Nun würde er antworten: Gut, gut, aber fahr vorsichtig. Und er sagte es. Und sie antwortete, schon gut, sie wisse das, sie habe noch nie einen Unfall … sie halte sich für erwachsen. Ja, schon.

»Aber weißt du, wer seiner Frau rät, vorsichtig zu fahren, der liebt sie. Immer noch. Das sagt eine repräsentative Erhebung.«

»Was sagst du nun noch?«

»Nichts. Es ist alles gesagt.«

Dabei hatte er Grund zu all seinen Warnungen. Die Autofahrer bretterten ja heutzutage auch noch bei Rot über die Kreuzung, oft bei dunkelrot. Und mit hundertachtzig km/h. Und die Elektroroller mit zwanzig, zu zweit gefahren! Auch das ist noch zu viel. Und die Raser ahnen nicht, dass sie ihr Leben und seines in einer Sekunde zerstören könnten, da sind sie nicht zimperlich, aber die Gerichte werden immer strenger, sogar mit lebenslänglich. Sie nickte und wollte gehen, aber nun rief er ihr auch noch nach, sie solle unbedingt ihre Autotür verriegeln.

»Warum, Alex?«

Sie solle sich vorstellen, da reiße einer die Wagentür auf, setze sich neben sie, halte ihr ein Messer an die Kehle. Und fordere sie auf, in den nächsten Wald zu fahren. In Krimis werden meist Messer an den Hals gehalten: knapp zehn Zentimeter lang, bis zehn sind Messer erlaubt.

Ob ihm das schon mal widerfahren sei? Ja. Als er noch den taxiähnlichen gelben Corsa fuhr. Da habe ein Mann seine Wagentür aufgerissen und gerufen: Zum Hauptbahnhof, aber schnell!

Und?

Da sagte er verschämt, er habe den Mann hingefahren.

Hat er ein Messer ...?

Nein, das nicht. Im Gegenteil, er wollte Alex ein Trinkgeld … mir!«

Sie verbarg ein Lächeln. So etwas konnte auch nur ihm passieren. Dafür liebte sie ihn dann doch wieder vorübergehend. Und ihm fiel noch ein, auf dem Markt solle sie auf ihre Handtasche achtgeben. Mit allem drin! Die Gauner brächten es fertig, den Henkel durchzuschneiden, ohne dass die Frauen das merkten.

»Vor allem in Paris …«

»Ja, ich weiß!«, gab sie zu.

Anne! Und wenn sie Glück habe, würden ihre Papiere einen Tag später in einem Papierkorb gefunden. Durchnässt. Und ohne das Geld.

Und beim Bankomaten solle sie aufpassen, dass ihr niemand beim Eingeben der PIN zusah, ja manche Spezialisten postierten sogar Mini-Kameras über der Tastatur oder lasen die Ziffern einfach an ihrer Handbewegung ab, sogar, wenn man ihnen den Rücken –

»Alex, ich muss nicht zum Bankomaten …«

Und dann schrie sie doch endlich:

»Passaufpassaufpassauf! Sei du lieber erwachsen!«

Sie richte weitaus weniger Unheil an als er, wenn sie unterwegs war.

Passaufpassaufpassauf: das erschreckte ihn. Das war sonst nicht Annes Art. Das gehört nicht zu ihrem Sprachschatz.

3. NICHTS IST MEHR, WIE ES WAR

Sie zeigte sich nun öfter gestresst und erbittert. Ihre Antwort klang besorgniserregend. Offenbar musste vieles heraus aus ihr.

»Gut? Gut? Glaubst Du, es ist die reine Freude, bei dem Personalmangel? An schlechten Tagen ist man bei dreikommafünf Arbeitsstellen für achtundzwanzig Kinder zuständig, davon eins schwerbehindert, zehn muss ich erst noch dazu bringen, Deutsch zu sprechen.«

»Ich weiß. In Deutschland sollen dreihunderttausend Fachkräfte fehlen.«

Sie lachte auf.

»Ja, aber ich kann leider nicht alle ersetzen.«

Das Deutsch ihrer nichtdeutschen Kinder war besser geworden, aber man brannte aus dabei, und dann kommen Eltern und wollen ein Kind verprügeln, das ihren Sohn verprügelt hat. Viele ihrer Kinder konnten anfangs kaum Deutsch und das soll man auch noch hinbekommen vor der Einschulung! Nur Schwäbisch war schwerer als Deutsch, das verstand sie selbst oft nicht. Das Wort Seidebacher aus der Werbung sollte angeblich Seitenbacher heißen.

»Kinder sind nicht immer die reine Freude, vor allem so viele, und dann verschwinden andere Erzieherinnen endgültig wegen ihres Burnouts oder verbringen zumindest Viertelstunden im Garten, um zu rauchen, dann habe ich aber zwölf Kinder zu betreuen statt dreikommafünf, auch Legastheniker oder Downsyndrom-Kinder, die eigentlich sehr lieb sind, aber soll das eine Dauereinrichtung werden?«

»Du liebst doch aber deinen Beruf –«

Sie war in Fahrt.

»Die schwierigen kosten mehr Zeit. Und in Kleinanzeigen versprechen hilflose Eltern bis zu fünftausend Euro, wenn ihnen erfolgreich ein Kitaplatz vermittelt würde, möglichst mit der Postleitzahl der Elternwohnung. Die Verwaltung als Kitaleiterin … das ist ein Beruf für sich. Und der ewige Wechsel im Personal … die Kinder können sich kaum an eine Betreuerin gewöhnen … höchstens an mich.«

Er wusste, dass seine Anne vor der Ehe in einem Waldkindergarten gearbeitet hatte. Wald! Pure Natur, nur Mischwald ringsum und ein löchriger Wohnwagen für Schnee, Regen und Unwetter. Dort waren ihre Kinder rundum glücklich, und sie allein war die Tagesmutter. Dort gab es keine rauchenden Kolleginnen. Die Kinder lernten Bäume zu umarmen, vorbeitrottende Rehe zu beobachten, Molche oder Kröten zu entdecken, keine Ameisen zu zertreten und keine Blumen auszureißen.