Endlich Nichtleser - Gion Mathias Cavelty - E-Book

Endlich Nichtleser E-Book

Gion Mathias Cavelty

4,7

Beschreibung

Mit jedem Buch, das der Protagonist in Gion Mathias Caveltys Bestseller "Endlich Nichtleser" verschlingt, wird er kränker und kränker, bis am Ende sein Leben völlig zerstört scheint. Doch bei der 1068. Lektüre des Buches "Und ewig singen die Wälder" überkommt ihn eine Vision: Er ist berufen, die Welt vom Laster des Lesens zu befreien! Zunächst sucht er die Lösung des Problems in Gewalt und Abenteuern, die ihn unter anderem ins Venedig des 15. Jahrhunderts und ins unterirdische Höhlensystem des Dr. St. Luna führen. Nach vielen Abenteuern zieht der Held mit einer zu allem entschlossenen Armee zur Frankfurter Buchmesse zum großen Showdown ... Mit "Endlich Nichtleser" erscheint Gion Mathias Caveltys großer Bestseller neu als E-Book. Lange vergriffen und längst Kult, wird dieses Buch Sie endlich vom großen Laster des Lesens befreien. Und zwar garantiert!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 96

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,7 (18 Bewertungen)
13
5
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gion Mathias Cavelty

Endlich Nichtleser

Die beste Methode, mit dem Lesen für immer aufzuhören

VORWORT

Ich bin glücklich, denn ich lese nicht mehr.

Genau so könnte es auch Ihnen gehen.

Besser gesagt: Genau so WIRD es Ihnen gehen, wenn Sie nämlich dieses Buch zu Ende gelesen haben. Sie werden keine Lust mehr haben, weitere Bücher anzufassen. Sie werden endlich frei sein.

FREI wie ein Vogel (Vögel lesen keine Bücher).

Bald werden auch Sie FREI sein. Vertrauen Sie mir. Sie brauchen nur meinen Anweisungen zu folgen. Nichts weiter. Sie werden sich von Ihrer Kette lösen und fliegen. Sie werden sich, nachdem Sie auf der letzten Seite dieses Buches angelangt sind, erstaunt fragen: »Wie konnte ich nur so viele Jahre lang lesen?«

Es ist nicht schwer, mit dem Lesen aufzuhören, glauben Sie mir. Alles, was Sie zu tun brauchen, ist, auf meine Anweisungen zu hören.

Dann werden auch Sie bald glücklich sein.

1. KAPITEL: ICH WAR SCHWERSTABHÄNGIG

Es gab Zeiten in meinem Leben, da las ich mehrere hundert Seiten täglich. Es waren schreckliche Zeiten. Ich rasierte mich nicht mehr. Ich wusch mich nicht mehr. Meine Augen wurden immer kränker. Ich bekam einen Ausschlag am ganzen Körper. Und ich hatte immer nur das eine im Kopf: Lesen. Das waren die Zeiten, als sich meine Eltern von mir abwandten. Und auch meine wenigen Freunde wollten nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich war allein. Ich … und die verfluchten Bücher. Zu tausenden lagen sie in meinem Zimmer herum und hatten nur den einen Wunsch: gelesen zu werden. Ich schmiss meinen Job hin. Ich verschuldete mich. Ich verließ mein Bett nicht mehr. Ich hatte mich auf kein spezielles Genre festgelegt. Ich las alles, was es gab. 328 Romane erscheinen weltweit Tag für Tag. Eine nicht zu bewältigende Menge. Doch ich wollte sie alle. Die dicken. Die dünnen. Die schweren. Die leichten. Das Aussehen spielte keine Rolle. Ja, ich war der Schlimmste von allen. Man hätte mich steinigen können, ich hätte nicht aufgehört zu lesen. Es wurde immer schlimmer. Die Schulden wurden größer. Ich hatte keine Chance, sie zurückzuzahlen. Ich landete im Gefängnis. Dort lernte ich Jokkmokk Robbenson kennen. Das war mein Glück. Als ich mich vor Schmerzen am Boden wand, weil ich keinen Stoff hatte, sagte er zu mir: »Du bist ein armes Schwein. Sieh mich an. Ich habe meine Großmutter harpuniert und aufgefressen. Ich habe nur noch drei Tage zu leben, dann hängen sie mich auf. Ich bin arm dran. Aber du, mein Freund, du bist noch einen ganzen verfluchten Zacken ärmer dran als ich.«

»Warum?«, stöhnte ich.

Der große Lappe lächelte.

»Ich werde dir drei Lektionen beibringen«, sagte er nach einer Weile. »An jedem verfluchten Tag, der mir noch bleibt, werde ich dir eine Lektion beibringen. Und wenn du hier wieder raus bist, wirst du DAS, WAS ICH DIR BEIGEBRACHT HABE, DER WELT VERKÜNDEN. Das musst du mir versprechen. Denn es gibt kein größeres Verbrechen auf der Welt als das Lesen. Ich habe dreiundsechzig Freunde durch Bücher verloren. Mit dem Lesen muss endlich Schluss sein!«

Und Jokkmokk Robbenson begann.

2. KAPITEL: DIE ERSTE LEKTION

»Ich bin am nördlichen Ende der lappischen Eiswüste aufgewachsen«, begann Jokkmokk die erste Lektion, »in einem kleinen Dorf. Ich war Hirte. Ich musste auf die Rentiere aufpassen. Ich war zufrieden. Die Jäger unseres Stammes jagten Walfische, und die Frauen brieten sie. Ich hatte vier Frauen. Eines Tages fand eine davon in einem Schneeloch ein komisches Ding, das war rot und hatte weiße Blätter. Es war ein Buch. Bei uns konnte niemand lesen. Niemand hatte eine Ahnung, was da geschrieben stand. Hanuta, meine Frau, nahm das Buch mit in den Iglu und legte es unter ihr Heizkissen. Am nächsten Tag war sie tot. Ihre Hand hielt noch das gottverdammte Buch umklammert. Unser Häuptling nahm es an sich. Wenige Stunden später war auch er tot, und am nächsten Morgen war der ganze Stamm ausgelöscht, vierunddreißig Leute, mit Hanuta fünfunddreißig. Nur meine Großmutter und ich waren noch am Leben. Für uns war klar: Das Buch trug Schuld an der Katastrophe. Meine Großmutter und ich flohen. DAS FAZIT DER ERSTEN LEKTION: REALISIERE, DASS ES DAS BUCH IST, DAS DEIN LEBEN ZUR HÖLLE MACHT.«

Dies erzählte mir Jokkmokk am ersten Tag. Mir ging es sehr schlecht. Ich lag in einer Ecke und winselte. Jedes Mal, wenn ein Wärter in die Zelle schaute, flehte ich: »Ein Buch! Ein Buch!«

Doch der Wärter grinste nur höhnisch.

Jokkmokk saß derweil gelassen auf seiner Pritsche, die Beine übereinandergeschlagen. Ruhig atmete er ein und aus. Ich wünschte mir, auch so zufrieden zu sein wie er.

3. KAPITEL: WIEDER DRAUSSEN – UND DOCH NICHT FREI

Am nächsten Tag, um Punkt elf Uhr vormittags, begann Jokkmokk mit der zweiten Lektion.

»Meine Großmutter und ich gelangten nach vielen Abenteuern nach Paris. Sie fand schnell Arbeit in einer Firma, die Porzellantassen herstellt. Sie arbeitete sehr hart, fünfzehn Stunden am Tag.«

Weiter kam Jokkmokk nicht, denn jetzt öffnete sich die Zellentür und zwei Wärter schleiften den großen Lappen nach draußen. Es war der Tag seiner Hinrichtung. Jokkmokk hatte sich verzählt. Ich hörte ihn noch sagen: »BEFREIE DIE MENSCHHEIT VOM LESEN! VERSPRICH MIR DAS!«

Die Tür schloss sich mit einem lauten Knall.

Da saß ich, allein, schwitzend.

»Jokkmokk, ich werde dich nicht enttäuschen«, flüsterte ich langsam in die Dunkelheit. »Bei Gott, ich werde dich nicht enttäuschen!«

Am Nachmittag wurde ich freigelassen. Ich rannte sofort in den nächsten Buchladen, riss die erstbesten Schmöker an mich und floh. Es begann die dunkelste Zeit in meinem Leben. Meine Wohnung war weitervermietet worden. Alle meine Bücher waren weg. Ich hatte keine Freunde mehr und kein Geld. Ich lebte unter einer Brücke, mit den fünf Büchern, die ich gestohlen hatte. Ich las sie bestimmt tausend Mal, von vorn nach hinten und von hinten nach vorn. Bald konnte ich sie auswendig.

Doch immer, wenn ich eine Seite umblätterte, kam mir der Satz meines toten Freundes in den Sinn: »REALISIERE, DASS ES DAS BUCH IST, DAS DEIN LEBEN ZUR HÖLLE MACHT.«

4. KAPITEL: DIE FÜNF VERFLUCHTEN BÜCHER

Die fünf Bücher, die ich entwendet hatte, waren:

1. Trygve Gulbranssen: ›Und ewig singen die Wälder‹

2. Perikles Monioudis: ›Der Kettenrassler‹

3. Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: ›Der aquatische Affe‹

4. Kurt Pahlen: ›Das große Opernlexikon‹

5. S.O.S.: ›Rudelbums im Templerschloss – The Revenge‹

Ich wusste genau, als ich Kurt Pahlens Opernlexikon zum tausendundachtundsechzigsten Mal gelesen hatte: Dieses Buch ist scheiße. Doch ich wollte es mir nicht eingestehen. Ganz einfach, weil ich Angst hatte – Angst vor der Wahrheit. Tief in mir drin wusste ich: Ich würde auch ohne das verfluchte Opernlexikon ganz gut leben können, WENN ICH ES NUR WOLLTE. Doch nein. Ich belog mich selbst. Bei jedem neuen Mal sagte ich mir: »Es ist ganz bestimmt das letzte Mal. Dann werfe ich den ›aquatischen Affen‹ auf den Müll!«

Doch ich schaffte es nicht, aus dem Teufelskreis auszubrechen.

Ich verwahrloste vollständig. Ich hatte nur noch eine löchrige Unterhose, die meine Scham notdürftig bedeckte. Ich ernährte mich von stinkenden Abfällen. Ich vergaß die Worte Jokkmokks. Ich las. Ich las ›Und ewig singen die Wälder‹. Bis ich nicht mehr konnte. Bis mir vor Hunger, Durst und totaler Erschöpfung schwarz vor Augen wurde und ich in ein lebensgefährliches Koma fiel.

5. KAPITEL: DIE VISION

Als ich da so im Koma lag, hatte ich eine Vision, EINEN TRAUM VON EINER NEUEN, GLÜCKLICHEN MENSCHHEIT. Männer und Frauen tanzten nackt in einem unermesslich großen Garten, und auch alle Tiere tanzten, die Elefanten, die Eichhörnchen, die Insekten. Die Fische im Wasser ließen hohe Fontänen aus ihren Mäulern schießen. Auf goldenen Platten lagen Früchte in Hülle und Fülle: Birnen, Trauben, Äpfel, groß wie Melonen. Ich wusste: So könnte die Menschheit sein, wenn sie nur endlich mit dem Lesen aufhörte.

Plötzlich fühlte ich etwas in mir, ein Gefühl von Glück, so stark, wie ich es noch nie gefühlt hatte. Ich war mir mit einem Mal sicher: ICH WÜRDE DIE MENSCHHEIT VOM LESEN ERLÖSEN. In diesem Moment schwebte der Geist Jokkmokks über mir und sagte: »Jetzt weiß ich: Ich bin nicht grundlos gestorben.«

Zu meiner Linken stand plötzlich ein hässliches Monstrum, mit Warzen übersät, mit langen, schleimigen Tentakeln. Es stank entsetzlich. Mit zugeeiterten Augen sah es mich an. Aus seinem zahnlosen Mund drangen die Worte: »Gehe diesen Weg!« Es zeigte auf einen scheußlichen Schlammweg, der vor lauter Dornensträuchern fast nicht zu erkennen war.

Zu meiner Rechten stand eine blonde junge Frau. Sie war makellos schön. Ihre Haut war weiß wie Marmor. Sie war nackt, nur ein dünner Schleier bedeckte ihr Geschlecht. Unter ihren Arm hatte sie eine Adalbert-Stifter-Gesamtausgabe geklemmt. Sie sagte mit süßer Stimme: »Folge mir und gehe diesen Weg!« Sie zeigte auf eine Prachtstraße, die links und rechts gesäumt war mit den Büsten von Aischylos, Seneca, Dante, Shakespeare, W. Somerset Maugham, Ray Bradbury oder Mario Puzo, um nur ein paar zu nennen. Kleine Elfen streuten Blumenblüten auf den Straßenbelag, der aus purem Gold bestand.

WELCHEN WEG WÄREN SIE GEGANGEN?

6. KAPITEL: TU ES NICHT

Ich merkte natürlich schnell, dass es sich bei den zwei Wesen um Allegorien handelte. Glauben Sie mir: Ich zögerte keine Sekunde, wem ich den Vorzug zu geben hatte.

ICH WÄHLTE DEN BESCHWERLICHEN WEG.

Das Monster packte mich am Arm und zerrte mich durch das Dickicht. Dornen und spitze Steine taten mir weh. Von oben bis unten wurde ich zerkratzt. Kot besudelte mich. Wilde Bienen stachen mich wund. Auf einmal merkte ich, dass das Monstrum unter seinem schwarzen Schamhaarpelz einen goldenen Penis hatte. Da wusste ich: LASS DICH VON EINEM HÄSSLICHEN ÄUSSEREN NIE TÄUSCHEN!

Das Monster war plötzlich verschwunden. Ich lag allein in der Dunkelheit (es war inzwischen Nacht geworden). Einige Meter von mir entfernt sah ich ein Buch am Boden. ›Lies mich!‹, stand mit leuchtender Schrift auf dem Umschlag geschrieben. Ich wollte mich schon darauf stürzen, da hörte ich eine Stimme: »TU ES NICHT! Denk an deine Mission!«

Kalter Schweiß strömte aus all meinen Poren. Ich zitterte. Meine Kehle war vollkommen ausgetrocknet. Langsam streckte ich meinen Arm aus. Zehn, neun, acht Zentimeter trennten meine Fingerspitzen noch von dem Buch. Ich keuchte. Sieben, sechs, fünf. »TU ES NICHT!«, flehte die Stimme. Zack! Im nächsten Moment hatte ich das Buch geschnappt …

… UND MIT EINEM GEWALTIGEN WURF SCHLEUDERTE ICH ES WEIT IN DEN DSCHUNGEL.

Da ging die Sonne auf und verdrängte das Dunkel.

7. KAPITEL: NEIN! NEIN!

Vor mir stand ein Häuschen, aus dessen Kamin es fröhlich qualmte. Ein Zwerg stand auf der Veranda und fragte mich scharf: »Was willst du hier im Land der Zizis?«

»Muss eine Mission erfüllen«, gab ich zur Antwort.

»Dann komm rein«, sagte der Zwerg.

Im Innern des Häuschens stank es bestialisch.

»Das ist so, weil ich und meine Brüder Parfüm herstellen, und Moschusochsenkadaver sind ein wichtiger Bestandteil davon«, erklärte mir der Zwerg, der übrigens Samuel hieß. Dann stellte er mir seine Brüder vor: Seth, Samir, Saul, Sandro, Silla und Andreas. Andreas war der Kleinste von allen, er maß vielleicht eins zehn, doch er half seinen Brüdern bei der Parfümherstellung am Fließband wie ein Großer. Ich bekam rasch den Eindruck, dass es im Häuschen nicht so sehr wegen der Moschusochsenkadaver stank, sondern weil sich die Zwerge schon lange nicht mehr gewaschen hatten. Wie auch immer, sie waren sehr nett zu mir und ich durfte mich in der Stube ein bisschen hinlegen und das Sofa als Kopfkissen benutzen.

Ich erwachte erst wieder, als es Abend war. Die Zwerge tischten mir eine kräftige Hühnersuppe auf, dann musizierten sie gemeinsam. Schließlich setzten sie sich in ihre Ledersesselchen und jeder nahm ein Buch hervor und fing an zu lesen.