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Die Geschichte der Menschheit beginnt schon lange vor dem Auftritt der ersten zivilisierten Menschen. Auf der Suche nach einem für seine Heimat überlebenswichtigen Metall – Gold – landet Alalu, achter König von Nibiru, auf der Erde, ihm folgen weitere Siedler. Um das wichtige Edelmetall abzubauen nimmt Enki, Gelehrter von Nibiru, Eingriffe an den heimischen Menschenaffen vor, sodass ihnen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Doch dieses Experiment gerät aus dem Ruder und es kommt zum Brudermord sowie der Entwicklung eines Eigenlebens und primitiver Intelligenz unter den Arbeitern. Nach einer verheerenden Flut errichten die Menschen Siedlungen und Bauten, und auch die Siedler von Nibiru stehen sich bald mit unterschiedlichen Interessen und Ambitionen gegenüber.
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Seitenzahl: 443
Veröffentlichungsjahr: 2024
Impressum
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© 2024 novum publishing gmbh
Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt
ISBN Printausgabe: 978-3-99146-988-9
ISBN e-book: 978-3-99146-989-6
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Layout & Satz: novum Verlag
Innenabbildungen: Robert Binchy
www.novumverlag.com
Zitat
Der Bote wusste um die Wahrheit, doch sie auszusprechen, hätte den Tod bedeutet.
So nahm er die Laute und die Töne ließen den König begreifen, dass sein Kind tot war.
Und der König ließ siedendes Pech in den Schlund der Laute gießen,
so wie es dem Überbringer dieser Nachricht bestimmt war.
Prolog
Staub bedeckte seine Kleidung und seine Haut, die Hitze des Tages ließ langsam nach und er wollte diesen Grabungstag beenden. Ein Assistent und drei Einheimische halfen ihm hier, an diesem durch einen Erdrutsch entstandenen Hang, Mauern freizulegen. Sie fanden sehr wenige Tonscherben, keine Metalle. Er stand auf und merkte, wie der Boden unter ihm nachgab, schnell sprang er zur Seite. Die Erde war abgesackt und einer Intuition folgend kniete er sich nieder und fing an, mit bloßen Händen zu graben, wenig später ertastete er den Deckel einer Steinkiste. Als er aufsah, umringte ihn sein Team, der Tag hatte ein gutes Ende genommen. Sie trugen den Schatz in das nahe gelegene Zelt, die Truhe war klein, aber schwer und als zwei Arbeiter sie absetzten, gab der Tisch ein bedrohliches Knarzen von sich. Der Archäologe zog sich weiße Handschuhe über und schob vorsichtig einen Keil zwischen den seltsam festsitzenden Deckel und den Truhenrand. Ein ploppendes Geräusch befreite das Innere vom Unterdruck und als der Archäologe den Deckel langsam zur Seite schob, schnellten fünf Köpfe fast gleichzeitig nach vorn. Mit seinen durch die weißen Handschuhe fremd wirkenden Händen nahm der Archäologe eine Steinplatte nach der anderen heraus und legte jede sorgsam wie ein Neugeborenes auf den Tisch. Es waren vierzehn Tafeln aus grauem Gestein. Die in den Stein gemeißelte Schrift war klein, aber deutlich zu erkennen.
Er brachte die Tafeln in das nahe gelegene Museum, wo sie einen separaten Raum für die Funde und ihre Katalogisierung eingerichtet hatten. In der Mitte stand ein Tisch, der Archäologe zog einen zweiten, der an der Wand stand, daneben, um Platz für alle Tafeln zu schaffen. Die Sonne war bereits untergegangen, als er im Schein einer schwachen Lampe begann, ihre Reihenfolge zu bestimmen. Stunden später sah er erst wieder auf, der neue Tag kündigte sich am Horizont an. Seine Hände in weißen Handschuhen strichen zärtlich über die letzte Tafel. Sie endete mit einem Satz, mehr konnte er noch nicht sagen, aber auch ohne Übersetzung erkannte er das letzte Wort. Es war ein Name, den jeder Archäologe kannte:
„ENKI“
Teil 1 – Nibiru
Kapitel 1
Der Krieg
Dunkel und kalt birgt das Weltall die Ewigkeit ihn sich. Die Kugel, die diese Stille durchbricht, leuchtet rot und grau, ihre Bahn um die Sonne ist eine Ellipse. Wenn der Planet am entferntesten Punkt von ihr ist, ist es kühl. Am nächsten Punkt, eine Viertelumdrehung um die Sonne später, wird es warm. Es gibt keinen Tag und keine Nacht. Nur sehr langsam dreht er sich um die eigene Achse, wendet sein Antlitz über lange Zeit mal der Sonne und mal dem All zu. Vulkane brodeln auf ihm seit Anbeginn seiner Entstehung. Die Sedimente, die sie ausspucken, umhüllen den Planeten und schützen ihn. In der heißen Periode bewahrt dieser Mantel ihn vor der sengenden Sonne und die Wärme der Vulkane sorgt bei der Reise in die Fernen des Alls für ein erträgliches Klima. Eine Sonnenumrundung ist ein Schar. Ein Schar entspricht 3600 Erdenjahren. Der Name des Planeten ist Nibiru.
Vor unvorstellbar langer Zeit leuchtete hier der Himmel in warmen Rottönen, tiefgraue Wolken hingen unterhalb der Berggipfel, die sattgrün waren. Die Flora gedieh durch das Überangebot an Mineralien, die die Vulkane stetig aus der Tiefe an die Oberfläche brachten. Das Wasser durchlief seinen stetigen Kreislauf in der Atmosphäre. Es verdampfte in der warmen Zeit und kam zwischen der Sommer und Wintersonnenwende als Regen hinunter. Vierbeinige Wesen durchstreiften die Berge, Fische schwammen im Wasser. Über alles herrschte das Volk von Nibiru seit vielen, vielen Schar. Sie waren groß, das Haar dicht, fast drahtig in seiner Struktur und von leichten Wellen durchzogen, ihre Nasen waren dominant und gerade. Männer und Frauen trugen weite, schimmernde Gewänder in den Farben ihres Planeten: Grün, Rot und Grau. Sie verwebten Metallfäden und Pflanzen zu leichten Stoffen. In riesigen Gebäuden aus Stein, ausgestattet mit Nahrung und geistiger Fülle, wuchs ihre Zahl im Norden und im Süden. Die Häuser waren aus Steinquadern, die nahtlos aufgeschichtet waren. Das Volk hatte gelernt, die Energie der Kristalle zu einem Strahl zu bündeln und Steine zuzuschneiden. Diese Energie ermöglichte es ihnen ein vertikales Magnetfeld erzeugen, das ebenso stark wie das horizontale Magnetfeld des Planeten war und so dessen Wirkung aufhob. So konnten sie riesige Steine schweben lassen und Häuser und Paläste bauen. Die Städte waren schmale Gürtel in den engen Tälern, die sich über Terrassen bis in die Höhe der Berge erstreckten. In den engen Gassen der Städte eilten Kaufleute, Handwerker, Frauen, Kinder und Gelehrte in einer eigentümlichen Ordnung hin und her. Die Kunst der Akustik war weit gediehen und so wurden die Nachrichten über den Schall in den Städten verbreitet. Jede Stadt hatte einen Anführer und sie teilten den Planeten in den Norden und den Süden.
Als zu dieser Zeit die Worte durch die Gassen hallten, blieben fast alle stehen, nur die Kinder wollten den Gang der Dinge nicht unterbrechen.
„Volk von Nibiru! Es ist an der Zeit, den Rat der Weisen zu wählen. Er ist das Bindeglied zwischen euch aus dem Norden …“ Olivfarbene Gesichter mit dunkelgrünen Augen sahen einander an und nickten sich zu. „… und euch aus dem Süden.“ Frauen und Männer von gleicher Haut, aber mit längerem Haar hoben selbstbewusst ihre Köpfe. „Jeder von denen, die zur Wahl stehen, hat eine lange Ausbildung hinter sich. Sie währte viele Schar und nur die Besten unter ihnen gehen in die letzte Runde. Wie in den Annalen vermerkt, werden zwölf von ihnen im Palast am Äquator wohnen, je sechs aus dem Norden und sechs aus dem Süden.“
Stille trat ein und nach kurzem Zögern ging das Treiben in den Straßen weiter. Auch die Bauern auf den Feldern hatten die Nachricht gehört, denn dort, wo der sich an den Gebäuden reflektierende Schall die Laute nicht hintrug, flogen kleine silberne Kugeln und brachten die Worte in den letzten Winkel. Sie waren zufrieden, die Ernten waren gut und es bestand kein Mangel.
Viele Kinder wurden geboren, zu viele. Und ein Kampf um Land begann. Armeen des Nordens und des Südens durchschritten das Land. In knielangen Hosen aus grünem Stoff und mit Oberteilen aus Metallplatten, fest und beweglich zugleich, zogen sie in den Kampf. Grausame Waffen des Donners und der Strahlung zerstörten die Felder und Städte über viele Schar. Das Leben welkte dahin, das Volk forderte ein Ende des Bruderkrieges.
Die Waffen ruhten und der Norden und der Süden sandten ihre Anführer zum Rat der Weisen. Das Zentrum des Palastes der Weisen war ein großer, schmuckloser Saal. Die Wände waren mit Hieroglyphen versehen. Sie erzählten in langer Reihe von der Geschichte des Planeten, deren Beginn in der Unendlichkeit zu liegen schien.
Mehrere hundert Kämpfer, unter ihnen auch Frauen, betraten den Saal. Ihnen voran die Stammesführer. Anders als die Krieger in knielangen Hosen trugen sie lange, dunkle Gewänder. Jeder hielt einen Stab in der Hand, der am oberen Ende wie eine Schlaufe geformt war. Nur die Farben Rot, Grün und Grau fanden sich in den Stoffen und Metallen, aber ihre Musterung war bei jedem Anführer verschieden. Ihre Schritte waren das einzige Geräusch im riesigen Saal, dessen Decke so hoch war, dass man sie nur erahnen konnte. In mehreren Reihen stellten sie sich am Rand des Saales gleichmäßig auf, sodass jeder einen Blick auf die Mitte hatte. Der Palast war neutraler Boden und als die zwölf Weisen ihn durch eine unscheinbare Tür betraten, begleiteten metallische Klänge aus den unsichtbaren Lautsprechern ihr Erscheinen.
Die Weisen trugen lange, helle Gewänder, große Kapuzen verhüllten ihre Gesichter. Sie formierten sich als Ellipse – gleich der Umlaufbahn ihres Planeten um die Sonne – in der Mitte des Saales. Als jeder auf seiner Position war, schlugen sie gleichzeitig die Kapuzen nach hinten, die Musik endete und es kehrte Stille ein.
Der Älteste der Weisen erhob seine Stimme. „Lange haben wir nachgedacht, wie wir Frieden finden können auf Nibiru, und wir sind zu einem Ergebnis gelangt.“ Die Spannung im Saal war spürbar und um seinen Worten Gewicht zu verleihen, zögerte er kurz, bevor er fortfuhr. „Es soll nur einen Thron geben, nur einen König, der herrscht auf Nibiru.“ Sein Blick richtete sich auf sein Gegenüber in der Runde. Die Weise nickte ihm zu und sprach nun weiter. „Möge das Los einen König aus dem Norden oder einen aus dem Süden wählen, einen König, der herrscht. Ist er aus dem Norden, soll eine Frau des Südens seine Gattin sein, um an seiner Seite Einfluss zu nehmen. Bestimmt das Los einen König aus dem Süden, so soll eine aus dem Norden stammende Frau an seiner Seite herrschen.“ Ihre Stimme hallte durch den Saal.
Die Abgesandten der Stämme nickten zustimmend, es tat sich eine Lösung auf. Die Weise, die das Urteil verkündet hatte, hatte helles Haar, was sehr selten war. Sie sah nun nach links zu einem sehr großen, jungen Mann, der mit klarer Stimme fortfuhr. „Sie sollen herrschen wie ein Fleisch und Blut. Ihr erstgeborener Sohn soll ihr Nachfolger sein. Eine Dynastie, gegründet aus dem Blut beider Seiten, soll ewigen Frieden für Nibiru bringen!“ Ein Raunen ging durch den Saal. Dem jungen Mann gegenüber stand eine Weise, sie hatte kupferrotes Haar, das zu einem Dutt zusammengebunden war. Sie rief: „Für diesen König lasst uns eine neue Stadt bauen, in der Mitte zwischen den Ländern. Ihr Name soll Agade, Einheit, sein.“
Die Umstehenden bewegten sich wie eine wabernde Masse, alle waren sehr zufrieden mit dem Urteil der zwölf Weisen, das den Krieg beendete. Sie strömten auseinander, um die Botschaft in das Land zu tragen. Die Entscheidung des Loses wurde vorbereitet.
Kapitel 2
Das Leben
Das Los wurde gezogen und der, der nun herrschte und eine neue Ordnung schuf, war ein Krieger des Nordens. Sein Name war An. Gouverneure wurden für jeden Teil des Landes ernannt, Gesetze und Verordnungen wurden erlassen. Der Wiederaufbau der zerstörten Städte begann. Die vom Krieg zerstörten Bergterrassen, die dem Anbau ihrer Pflanzen dienten, wurden erneuert. Die Bauern waren zurückgekehrt und reparierten auch die Kanäle, die das Wasser während der Regenzeit auf alle Abstufungen verteilten. Die Ernten waren wieder reich und die Bauern konnten Korn und Fleisch in die Städte liefern. Krieger wurden zu Handwerkern, die aus Metallen alles Notwendige herstellten, und die wenigen Künstlerseelen des Planeten verzierten die Wände der neu errichteten Häuser mit Bildern der Landschaft. Die Zeit des Wohlstandes und des Friedens war zurückgekehrt.
An die Seite von König An wurde An.Tu gestellt, eine starke Gattin in der Liebe und im Streit. Gemeinsam saßen sie auf dem Thron, der im Palast der neuen Hauptstadt Agade stand. Wie alle Gebäude auf Nibiru war er aus grauen Steinen erbaut. Riesige Quader türmten sich aufeinander. Der Hauptsaal war im Grundriss ein Quadrat und konnte durch mehrere Türen betreten werden. Die größte von ihnen führte zum Vorsaal, in dem Wachen standen. An der gegenüberliegenden Wand und an den Seiten führten kleine Türen in die privaten Gemächer des Königspaares. Zwei Stühle, gleich groß und aus Stein geformt, waren ihre Throne. An und An.Tu trugen lange Gewänder, die prachtvoll mit kleinen metallenen und glitzernden Steinen verziert waren. Der Stoff war von hauchdünnen Metallfäden durchzogen und schimmerte Silber. An den Ärmeln und Säumen waren Bordüren angebracht, die das Symbol der Macht, ein Kreuz mit einer Schlaufe am Ende des vertikalen Balkens, zeigten. Je abwechselnd gefärbt in den Farben des Planeten: Rot, Grün und Grau. Ihre Pracht hob sie von allen anderen ab.
Drei Söhne brachte An.Tu zur Welt und das Herrschergeschlecht tat seinen nächsten Schritt. Ihre Namen waren An.Ki, An.Ib und An.Hal.
Viele Schar vergingen und der älteste Sohn, An.Ki, nahm allein auf dem Thron Platz. Mit der Sanftmut des Vaters und der Schönheit seiner Mutter war er der erste König, der seine Frau frei wählen durfte. Vorschläge wurden ihm unterbreitet. Ein Schar nach dem anderen zog vorbei und in den Fluren des Palastes und der Stadt wurde getuschelt. Der Hausdiener war in die Küche gehuscht, wo er seine Freundin oft besuchte. „Warum verschiebt er die Heirat? Warum findet er Vorwände, die ihm zugedachte Frau nicht an seine Seite zu stellen?“, fragte er sie. Das Thema war allgegenwärtig. Sich umsehend, um heimliche Lauscher zu entdecken, antwortete die Küchenmagd: „Sie bringen Konkubinen in den Palast, sehr schöne Frauen. Es interessiert ihn nicht, er sieht nur das Essen, das wir zubereiten.“ Ihre Stimme wurde nun leiser. „Ein Mann, der kein Schwert trägt“, seufzte sie.
Das Problem war für alle offensichtlich und da der Erhalt der gemeinsamen Dynastie einen Sohn brauchte, wurde der zweite Sohn, An.Ib, auf den Thron gehoben. Er war von gleichem Blut, aber so ganz anders als sein Bruder. Da Bärte die Gesichter der Männer verhüllten, waren es nur die Augen, die seine Offenheit und Entschlossenheit im Tun verrieten. Er wählte die Tochter seines jüngeren Bruders – An.Hal – zu seiner Frau und sie gebar einen Sohn.
Dieser Sohn war der dritte König in der Zeit nach dem großen Krieg, sein Name war An.Schar.Gal. Er war ein Mann der Wissenschaft. Das Schar teilte er in zehn Abschnitte und legte zwei Feiertage fest. Wenn sie der Sonne am nächsten waren, sollte es das Fest der Wärme sein, und wenn Nibiru weit in der Ferne des Alls war, so gab es an dem Wendepunkt das Fest der Kühle. Diese Tage ersetzten alle anderen verstreuten Feiertage des Nordens und des Südens und einten das Volk. Die Gebräuche der Stämme wurden nun in Gesetzen festgehalten. Durch den Krieg war die Zahl der Männer dezimiert und die Stämme erlaubten den Männern mehrere Frauen. Das Gesetz besagte, dass eine Frau als die erste Frau benannt werden musste. Der erstgeborene Sohn war Nachfolger des Vaters.
An.Schar.Gal wählte eine Halbschwester als Frau, ihr Name war Ki.Schargal. An.Schar.Gal hatte von seinem Vater die Liebe zu Frauen geerbt und Konkubinen lebten mit im Palast. Viele Söhne und Töchter zeugte er und sie wuchsen heran. Doch die Herrschaft von An.Schar.Gal brachte ein neues Problem mit sich. Der erstgeborene Sohn war der einer Konkubine. Und da keiner diesen Fall bedacht hatte, musste der Rat der Weisen einberufen werden, denn er hatte das Gesetz ausgerufen, dessen Regeln nun die Dynastie ins Wanken brachten.
Wieder standen sie in der Ellipse – zwölf Weise, Männer und Frauen. Ihre hellen Gewänder schimmerten prächtig und die Borten waren verziert mit glänzenden Steinen. Im neu errichteten Palast der Hauptstadt Agade erhellte der Schein der fernen Sonne, der durch die Kuppel in der Mitte des Saales fiel, den Raum. Um sie herum war der gesamte Hofstaat versammelt. An einem Ende stand die Königin Ki.Schargal – groß, prächtig und mit Kampfeslust in den Augen. Am entgegengesetzten Ende der Ellipse stand die Konkubine, umgeben von anderen Frauen. Sie trug leichtere Kleidung, ihr wunderschönes Haar fiel ihr über die Schultern. Sie wollte Gerechtigkeit für ihren Sohn. Der König saß auf seinem Thron zwischen ihnen, auf der Ellipse der Punkt der Sommersonnenwende.
Die metallische Musik verstummte, als die Weisen die Kapuzen abnahmen. Der Rat tagte.
Der älteste Weise eröffnete die Sitzung, es war der einst junge, große Mann, der das Ende des Krieges mitbesiegelt hatte.
Er sprach laut: „Der Palast, das Volk sind in Aufruhr. Eine Konkubine hat An.Schar.Gal den ersten Sohn geboren. Seine Frau Ki.Schargal gebar einen zweiten Sohn ein Schar danach. Vor dem Gesetz ist der Sohn der Konkubine der legale Erbe.“
Der nächste Weise sprach: „Unter seinesgleichen wächst der Erstgeborene auf, fernab der Bildung in den Gassen der Stadt.“
Nun erhob eine Weise die Stimme: „Es muss entschieden werden, ob er oder der erste Sohn der ersten Frau dem König folgen soll.“
Der nächste Weise in der Runde sprach: „An.Schar.Gal könnte sich scheiden lassen und die Konkubine heiraten. Dann wäre der Erstgeborene auch der Sohn der nun neuen ersten Frau.“
Die Weise mit hellem Haar war nun an der Reihe, aus ihr war eine alte Frau geworden. „Es wäre auch möglich, das Gesetz zu ändern und es dem Samen folgen zu lassen. Durch ihren Vater besitzen beide Söhne den Samen unseres Königs An.Schar.Gal, doch nur die Mutter des Zweitgeborenen ist königlicher Herkunft und so trägt nur ihr Sohn den doppelten königlichen Samen in sich.“
Ihre Stimme verklang. Der nächste Weise, ein junger Mann, sprach: „Der König soll entscheiden, ob er die Scheidung und erneute Heirat möchte oder das Gesetz des Samens neu etabliert werden soll.“ Die Köpfe der Weisen senkten sich, sie setzten ihre Kapuzen auf, der Rat hatte gesprochen.
An.Schar.Gal sah seine Frau zur Rechten und seine Konkubine zur Linken. Die Königin war eine starke Frau, sie hatte eine große Macht, in ihr floss das Blut der Herrscher. Sein Blick wanderte zu seiner Konkubine, deren Schönheit ihm dem Atem nahm. Er hatte bei ihr Liebe erfahren, in ihren Augen sah er Wärme und Zuneigung. Er senkte den Kopf, um nachzudenken. Seine erste Frau würde eine Scheidung unter keinen Umständen hinnehmen, sie würde kämpfen. Seine Konkubine war eine Frau des Nordens. Was würde der Süden sagen? Es fehlte der Ausgleich. Würde die Wahl einen neuen Krieg heraufbeschwören? Er wog ab und die Waage kippte schnell nach rechts. Als er den Kopf hob, verstummten die Gespräche. Ein Diener reichte ihm ein silbernes, zapfenförmiges Metallstück, das er mit einer Hand halten, aber nicht umfassen konnte. Er hielt es an die Brust und es verstärkte seine Stimme, sandte sie an die Lautsprecher in der Stadt und an die silbernen Kugeln, die die Nachricht in die Berge und in abgelegene Gebiete trugen. Und das leichte Vibrato in seiner Stimme verriet den Hauch von Unsicherheit, als er verkündete: „Von nun an soll das Gesetz des Samens herrschen.“
Die Konkubine sah An.Schar.Gal noch einmal an und wandte sich um. Sie lief durch den Palast und holte ihren Sohn aus dem Raum der Kinder. Mit dem Erstgeborenen an der Hand verschwand sie im Getümmel der Stadt, sie würde nicht zurückkehren.
Kapitel 3
Der Umbruch
Der Sohn des Königspaares wuchs heran und er folgte ihnen auf den Thron, sein Name war An.Schar. Er war der vierte König des geeinten Reiches. Stolz wie alle vor ihm trug er nun zum Zeichen der Macht einen erhöhten Turban aus leichtem Metall. Wie die sich stets fortentwickelnde Technik änderte sich auch die Mode auf Nibiru. Die großen Zapfen zur Verstärkung der Sprache waren kleineren, gut in der Hand liegenden Exemplaren gewichen. Zusätzlich besaß An.Schar einen Stab, durch dessen leichtes Klopfen er Diener zu sich rufen konnte. Sein Thron war noch der des ersten Königs, aber der Stein war nun überzogen mit Silber, an den Seiten hatte er das Symbol des Kreuzes mit der Schlaufe als Intarsie aus weißem Stein anbringen lassen.
Viele Schar vergingen nun in Frieden, König auf König folgte ihm auf den Thron. Und es geschah in der Zeit des siebten Königs, dass sich das Klima änderte. Von Umlauf zu Umlauf wurde die Sonne heißer, die Wintersonnenwende hingegen immer kälter. Aus Wärme wurde unvorstellbare Hitze und aus der einstigen Kühle wurde beißende Kälte. Die Felder verdorrten, Früchte und Korn konnten nicht mehr gedeihen. Das Vieh, das sie an den Berghängen hielten, starb. Es begann, Hunger zu herrschen.
Der Rat der Weisen wurde einberufen. Der König und seine Gattin thronten an einem Ende des Saales. Sie hatten ihren Glanz verloren, lässig hatte der neue König Du.Ru ein Bein über die Lehne des Thrones gelegt. Seine Kleidung war wenig prachtvoll, er trug keine Krone und sein Haar stand wirr vom Kopf ab. Wie auch der Planet befand sich das Königtum im sichtlichen Verfall. Seine Frau trug unscheinbare Kleidung, es war, als säße sie hinter ihm, obwohl beide Stühle auf gleicher Höhe standen.
Viele Nachkommen waren nach sieben Generationen dem Geschlecht entsprungen, der Hofstaat um vieles größer als zu Beginn. Es gab Söhne und Töchter von Konkubinen und von Ehefrauen. In einem gesonderten Bereich standen die Gouverneure der Städte. Ihrem Status angemessen, waren sie mit Luftschiffen angereist, die immer mehr zum Standard wurden. Die Energie der Kristalle wurde wie bei den Steinen eingesetzt, sodass die Himmelsschiffe schwebten. Ihr Antrieb erfolgte durch eine pulsierende Verschiebung des eigenen Magnetfeldes, lautlos glitten sie dahin. Sie waren den obersten Herrschern der Gebiete vorbehalten, die diese aber bereitwillig für wichtige Angelegenheiten an andere Bewohner ihres Distrikts ausliehen. Das Volk war den Anblick gewohnt, kaum jemand hob den Kopf, als sich ein Geschwader von sieben Schiffen dem Palast näherte. Der Landeplatz war neu errichtet worden und den Schiffen entstiegen die Stammesführer. Es waren die letzten der Teilnehmer und ihr Kommen wurde bereits erwartet, als sie den Saal betraten. Sie sahen, dass sich jeweils sechs Weise sich links und rechts des Thrones auf Stühle gesetzt hatten. Wie in alten Zeiten trugen sie weite, helle Gewänder, deren Kapuzen ihre Gesichter bis zu Beginn des Konsiliums verbargen. Gegenüber dem Thron hatten sich die Gelehrten in kleinen Gruppen postiert, bereit, dem König und dem Rat über ihre Erkenntnisse zu berichten. Die letzten Stammesführer reihten sich in die umstehenden Nibiruianer ein.
Die Gelehrten unterschieden sich in der Kleidung von allen anderen: Weite Gewänder mit Bordüren waren ihnen vorbehalten. Jedes Fachgebiet trug eine andere Farbe, die Säume der Gewänder zierten mechanische Geräte, mathematische Formeln oder Modelle der kleinsten Teile des Kosmos. Metallische Klänge ließen den Raum vibrieren, die Mitglieder des Rates schlugen die Kapuzen zurück, die Sitzung war eröffnet.
Auf ein Nicken des Ältesten der Weisen hin trat ein Gelehrter in dunkelgrünem Gewand vor, die Bordüre geschmückt mit Abbildungen verschiedener Gesteinsarten. „Wir sind Geowissenschaftler und haben die Sedimente untersucht und gesehen, dass es schon früher auf Nibiru starke Klimaschwankungen gegeben hat.“
Der neben ihm Stehende war ein Gelehrter der Luft und der Wolken, grau war sein Gewand, Zeichen des Wetters zierten seinen Saum. Seine kraftvolle Stimme hallte durch den Saal. „Meine Gruppe hat die Zusammensetzung der Atmosphäre geprüft und wir haben Nibiru von außen betrachtet. Noch sieht man es nicht am Himmel, aber auf den Bildern, die wir aus den Weiten des Weltraumes aufgenommen haben, ist deutlich zu erkennen: Ein Bruch durchzieht unsere Atmosphäre, sie wird dünner.“
Die Weisen sahen besorgt aus und eine von ihnen fragte: „Woran liegt das? Konntet ihr eine Ursache finden?“
Der Gelehrte fuhr fort: „Die Vulkane um uns herum sind weniger tätig, sie haben über viele Schar eine Schutzhülle immer wieder neu aufgebaut, nun scheinen sie erschöpft.“ Stille trat ein, Ratlosigkeit spiegelte sich in den Augen aller Anwesenden wider.
Der älteste Weise fand Worte: „Gibt es eine Lösung, können wir etwas tun?“
Eine Gelehrte der kleinen Teile des Kosmos trat hervor, gekleidet war sie wie die Männer, nur der Stoff lag enger an ihrem Körper. „Wir suchen Wege, die Atmosphäre zu heilen. Eine Möglichkeit wäre, die Vulkane zum Leben zu erwecken. Ihre Sedimente haben uns ein Schild, solange wir sind, geschaffen.“
„Wie können wir das bewerkstelligen?“, fragte einer der Weisen. Woraufhin ein anderer Gelehrter antwortete: „Die Waffen des Donners, einst für den Krieg entwickelt, könnten in die Krater geschickt werden.“ Zustimmendes Brummen erfüllte den Saal, die Logik des Vorhabens war für alle sofort erkennbar.
Der Gelehrte der Luft sagte: „Es gibt eine weitere Möglichkeit, die Atmosphäre zu heilen. Gold, zu feinstem Staub gerieben, kann die Hülle wieder schließen. Aber wir benötigen mehr Gold, als wir seit Anbeginn der Aufzeichnungen je gefunden haben.“ Resigniert flachte seine Stimme ab.
„Nun dann“, sprach der Älteste der Weisen, „beginnt, die Vulkane aus ihrem Schlaf zu holen.“ Sie setzten die Kapuzen auf und die Sitzung war beendet. Der König sah erleichtert aus, da diese Zusammenkünfte sein sonst ruhiges Leben störten. Das Volk war wieder voller Hoffnung.
Ein Schar verging und explosive Stoffe wurden mit Luftschiffen über den Kratern der Vulkane abgeworfen. Donner und Beben erschütterten ganz Nibiru. Die erneuten Ausbrüche waren jedoch wenig intensiv und nur von kurzer Dauer. Das Leben verlagerte sich immer mehr in die Häuser. Die einst so lebhaften Straßen waren leergefegt. Nur wer es nicht vermeiden konnte, setzte sich der sengenden Hitze oder beißenden Kälte aus. Die Bauern hatten neue Gebäude errichtet mit Dächern aus durchsichtigem Material. Es konnte je nach Bedarf klar oder dunkel gedimmt werden, sodass die Pflanzen gut mit Licht versorgt wurden. Nur ihre Photosynthese und das noch vorhandene Wasser hielten die Luftatmosphäre des Planeten noch aufrecht. Vierbeinige Tiere mussten von den Hängen in Gebäude gebracht werden, einige davon unter der Erde. Doch es konnte viel weniger angebaut werden, viel weniger Fleisch stand zur Verfügung und der Mangel an Lebensmitteln so groß, dass nur noch wenige Kinder geboren wurden. Nibiru schien dem Tode geweiht.
Die Zeit der Sommersonnenwende war gekommen und erneut tagte der Rat der Weisen. Wie vor weniger als einem Schar saßen die Weisen zu beiden Seiten des Königspaares, den Gelehrten zugewandt. Der Hofstaat war um die Versammlung gruppiert, doch diesmal ohne die Stammesführer. Ein Knistern kündigte ihr Erscheinen an und Hologramme statt ihrer selbst reihten sich nebeneinander auf. Die Weisen nahmen es zur Kenntnis und schlugen die Kapuzen nach hinten, der Rat tagte. Der Älteste sprach: „Die Vulkane bringen keine Rettung. Der Bruch am Himmel wird beständig größer, der Regen bleibt aus. Das Land und seine Einwohner werden unfruchtbar. Wir sind zusammengekommen, um einen Ausweg zu finden.“ Hoffnungsvoll wandten sich alle in Richtung der Gelehrten.
Dunkel gekleidet war die Gruppe der Astronomen, Steine wie Sterne leuchteten auf ihren Gewändern. Ein Astronom trat nun hervor, seine Bordüre war mit Planeten geschmückt. „Mein Name ist En.Schar und ich studiere die Bahnen der Planeten unserer Sonnenfamilie. Lasst mich sie euch zeigen.“ En.Schar hatte eine Tafel in der Hand, auf die er eintippte, und ein Raunen ging durch den Saal, als auf der freien Fläche vor dem Königspaar ein Hologramm erschien.
Ein goldener Planet, die Sonne, war der Mittelpunkt, neun Planeten umrundeten sie, ein jeder in seiner eigenen Geschwindigkeit. En.Schar zeigte auf Nibiru, der als Einziger eine starke Ellipse zog, und fuhr nun fort: „Wir ihr seht, durchkreuzt unsere Bahn in großen Abständen die der vier äußeren Planeten.“ Dann tippte er wieder auf die Tafel und alle Sterne blieben stehen. „Der erste Planet sind wir.“ Er zeigte auf Nibiru, der sich nun etwa in der Mitte aller Planeten befand. „Wir sind zurzeit auf unserer ewigen Reise so nah an der Sonne, dass wir alle anderen Begleiter treffen.“ Nun tippte er wieder etwas ein und alle Planeten außer Nibiru setzten sich wieder in Bewegung und blieben einer nach dem anderen stehen. Wie eine Perlenschnur reihten sie sich nun nacheinander auf. Über dem äußersten Planeten erschien nun ein Schriftzug. „Seht, ganz außen, die Nummer zwei, das ist der kleine Gaga (Neptun), ihm folgt Anu (Uranus) und Anschar (Saturn) und Nummer fünf ist der riesige Kischar (Jupiter). Diese äußeren Planeten sind von den vier inneren durch ein dichtes Band aus Asteroiden getrennt.“ Jedes Mal, wenn der Gelehrte den Namen eines Planeten erwähnte, erschien der Schriftzug über diesem und alle folgten gebannt dieser Lehrstunde. Man sah, dass auch En.schar das Schauspiel genoss, und er hielt kurz inne, um in eine andächtige Stille hinein fortzufahren: „Jenseits des Asteroidengürtels finden wir Lahmu (Mars), dann der Zahl nach die Nummer sieben, die Erde, ihr folgen Lahamu (Venus) und Mummum (Merkur).“ En.Schar sah sich zufrieden um, der Saal war still, sie hingen an seinen Lippen. „Ich habe die Untersuchung aller Planeten veranlasst. Unsere neuen, unbemannten Schiffe haben aus der Ferne ihre Atmosphäre und Zusammensetzung geprüft. Was sie entdeckten, war verwirrend, so anders als die Beschaffenheit von Nibiru, der mit jeder Umlaufbahn in eine schlimmere Lage gerät.“
Die zweite Gruppe der Gelehrten war die der Analytiker von Stoffen. Ihr Gewand war türkis, Formeln und Zeichen wechselten sich auf den Bordüren ab. Ihr Sprecher trat nach vorn. „Wir wissen, unsere Atmosphäre kann mit Gold geheilt werden, es muss sehr fein zermahlen hoch zum Himmel befördert werden und einen neuen Mantel bilden. Das Metall ist selten. Wir müssen es finden und heben. Die Erkundungen haben gezeigt: Ein Planet jenseits des eisernen Bandes hat sehr viel Gold. Es ist die Erde. Es wäre klug, es von dort auf unseren Planeten zu schaffen.“
Alle wandten sich nun dem Königspaar zu. Entscheidungen von großer Tragweite waren notwendig, die letzten Kräfte mussten mobilisiert werden. Doch der siebente König nach dem Krieg hob nur langsam das Kinn, sah über den Saal und sagte: „Wie meine Frau denke ich, dass wir von höheren Sphären Hilfe erhalten werden. Wir sollten nur mehr darum bitten.“ Nun bequemte er sich, sein Bein von der Lehne zu schwingen, beugte sich nach vorn und sah einen Gelehrten in metallgrauem Gewand an – es war einer der Ingenieure. „Ist es überhaupt möglich, zum Planeten des Goldes zu gelangen?“
Der Ingenieur sah devot auf den Boden, dann sprach er: „Wir haben gute Schiffe, weit ist die Reise und das Band der Asteroiden ist eine große Gefahr. Viele unbemannte Fluggeräte sind an ihm gescheitert. Wir wissen nicht, wie wir sicher hindurchkommen.“
Die Stimmung im Saal begann, sich zu ändern. Viele Prinzen waren anwesend und nicht nur die Stammesführer, sondern fast das ganze Volk verfolgte auf virtuellen Schirmen die Versammlung der Mächtigsten ihres Planeten. Diese Bildschirme waren aus durchsichtigem Material und in den wichtigsten Gebäuden, die die Funktion der einstigen Märkte übernommen hatten, an für alle sichtbaren Stellen angebracht. Sie übermittelten sonst Informationen zu anstehenden Ereignissen. Die Schwäche des Königs war offensichtlich und vielen war klar, dass nur die Prinzen die Kraft hatten, eine Änderung herbeizuführen.
Da.Ru, der siebte König nach dem Krieg, hörte die Worte wohlwollend. „Nun, ich kann Flüge dorthin erst unterstützen, wenn die Sicherheit gewährleistet ist.“ Dann stand er auf und rief entgegen seiner sonstigen Lethargie kraftvoll in den Saal: „Die Versammlung ist beendet.“ Die Weisen schlugen die Kapuzen hoch und die Gelehrten fingen an, sich zu zerstreuen.
Wie fast alle Bewohner von Nibiru hatte auch Alalu die Versammlung verfolgt. Er trug königlichen Samen in sich, wenn auch verwässert. Aufgewachsen in den Straßen der Hauptstadt Agade, war er auffallend groß. Dominant im Auftreten, Augen so dunkel wie das All, sein Haar so kraftvoll wie seine Stimme. Wie alle Männer trug er einen Bart, dessen Länge ein Hinweis auf sein Alter war. Seiner war gut gestutzt und ließ sein markantes Gesicht erahnen. Er schritt stets voran und in aller Stille hatten er und andere Prinzen sich in einer kleinen Gruppe organisiert und Waffen zusammengetragen. In den neu geschaffenen Tunneln unter der Stadt, die durch ein kristallenes Licht erhellt wurden, war er mit drei Dutzend Männern versammelt. Fassungslos hatten sie den Worten des Königs gefolgt.
Alalus Worte befreiten sie aus der folgenden Starre, als er rief: „Die Zeit, zu den Waffen zu greifen, ist nun gekommen. Lasst uns zum Palast gehen, wir müssen uns dem Niedergang entgegenstellen. Mit Du.Ru wird es keine Änderung geben, Nibiru folgt seiner Schwäche.“ Ein Jubeln war zu hören, mit den Waffen klopften sie auf den Boden, in drei Formationen zu je zwölf gingen sie, die Macht an sich zu reißen.
Da.Ru ahnte die Revolte. Auch der Saal war ausgestattet mit durchsichtigen Bildschirmen, die er aktivieren ließ, nachdem alle ihn verlassen hatten. Die Schirme zeigten nicht nur die leeren Straßen der Städte, die dahindörrenden Felder der Bauern, das Sterben der Tiere. Heute zeigten sie ihm, wie Alalu mit seinen Männern nahte. Da.Ru stand auf, schwer atmend sah er sich um, er trug ein langes Gewand. Um besser laufen zu können, raffte er es mit den Händen und eilte in Richtung des Turmes des Palastes. Es war ein weiter Weg durch Gänge und Stockwerke, Da.Ru war zu langsam, der Klang seiner Schritte war noch nicht verhallt, als die Prinzen in seine Nähe gelangten. Stufe für Stufe lief Da.Ru mit gehetztem Gesicht den Turm hinauf. Alalu folgte ihm, während die anderen zurückblieben.
Alalu hatte viele Anhänger und sie hatten die Kunde des Aufstandes in die Stadt getragen. Das Volk um den Palast wusste, was sich tat. Sie hatten sich trotz der Hitze ins Freie begeben und warteten auf Nachrichten. Stolz erhob sich der Palast, erbaut aus riesigen Quadern des besten Gesteins. Riesige Vulkane waren die Kulisse ihrer Heimat, nur wenige von ihnen spien noch Rauch. Der Himmel war grau meliert. Am Eingang des Palastes stand Naja, erhöht auf einer Plattform. Sie war das Medium des Palastes, hielt den Kopf gesenkt, die Hände ineinander gefaltet. Sie stand an der Stelle, wo jedes Wort durch geschickte Akustik für alle zu hören war. Dann, es war, als durchzuckte sie ein Blitz, rief sie von oben zu ihren Leuten: „Schaut!“ Und ihr Finger zeigte auf den Turm. Einen Augenblick später fiel ein Körper herab, die Krone neben ihm. Es schien, als dehnte sich die Zeit, unendlich schien der Fall, denn der ganze Planet sah, wie Bestehendes endete und neue Möglichkeiten entstanden. Das Volk jubelte, es gab wieder Hoffnung.
Kapitel 4
Der Twist
Dem Tod des siebten Königs folgte tiefe Verwirrung. Der Rat der Weisen stritt. Wer sollte auf den Thron folgen? Alalu war nicht erstgeboren? War er ein Mörder? Wie könnte ein Mörder den Thron besteigen?
Sieben Richter berief der Rat der Weisen ein. Im Saal des Königs sollte entschieden werden. Die Richter, drei Männer und vier Frauen, gekleidet in die silbergrauen Gewänder der hohen Beamten, saßen an einer Tafel, die wie ein Bogen geformt war. Sie sahen auf Alalu, Licht drang durch die Kuppel in die Mitte des Saales, wo er stand. Er hatte sein Schicksal in der Hand.
„Bitte sprich, Alalu, warum sollen wir dich zu unserem König erwählen?“, sprach die Richterin, die genau in der Mitte saß, mit tiefer, durchdringender Stimme.
„Ich bin Nachfahre von Alam, dem Sohn der Konkubine des dritten Königs, er war ein Erstgeborener, er hätte der vierte König sein sollen. Das Gesetz des Samens wurde wegen ihm dem des Erstgeborenen vorangestellt, einzig um die eigene Macht zu sichern. In mir steckt der Samen An.Schargals, ich bin ein Abkömmling des Erstgeborenen.“
Ein Richter sah Alalu durchdringend an. „Die Annalen haben wir bereits studiert. Der Verbleib der Konkubine An.Schargals und ihres Sohnes ist nicht dokumentiert. Welche Beweise kannst du vorbringen?“
„Ich stamme von An.Schargal ab!“ Alalu hob die Stimme bedrohlich. „Ich schwöre es bei meinem Leben.“
Die Richter sahen einander an, unsicher, ob das ausreichen konnte. Die Frau in der Mitte nickte Alalu zu. „Lass uns beraten.“ Alalu verließ mit festen Schritten den Saal, seine ihm getreuen Prinzen folgten ihm. Die Luft war schwer, das Schicksal des Planeten lag in den Händen der Richter. Sollten sie eine Wahl dem Glauben nach treffen?
Die Tür öffnete sich und ein Beamter trat herein. „Ein junger Prinz steht bereit, er möchte zu euch sprechen.“ „Lasst ihn eintreten.“ Sie alle waren dankbar für eine Wendung.
Alle Prinzen waren einander sehr ähnlich, sie alle trugen das Haar zu einem Dutt gebunden und ihre dunklen Augen waren wachsam. Der, der vor ihnen stand, trug die Kleidung des Hofes, ein helltürkises Gewand. Durch die Farben teilte sich das Volk, wobei Verkleidung durchaus vorkam und so auch, dass die Farbe auch immer Täuschung sein konnte. „Was hast du vorzutragen?“, fragte ihn einer der Richter.
„Ich, der ich hier stehe, bin den Annalen nach Abkömmling des ersten Königs, wenn auch nicht Erstgeborener. Die Natur von An fließt in meinen Adern, unverwässert durch das Blut einer Konkubine. Mein Name ist Anu.“ Groß und dünn war er, er sprach schnell und war gewandt. „Ich bin eines Königs würdig.“ Die Richter waren erstaunt. „Lass uns die Annalen studieren, danach werden wir entscheiden.“
Die Richter zogen sich zurück und konnten in den Aufzeichnungen den Weg zu Anu finden, einer seiner Vorväter war der fünfte Sohn von An. Er war von reiner Abstammung und vor dem Gesetz vollkommen. „Er soll der neue König sein“, sprachen vier der sieben Richter. „Er hat nicht gekämpft, ihm fehlt die Energie. Kann er das Volk einigen und uns retten?“ Drei von ihnen waren unsicher. Die Entscheidung fiel der Mehrheit nach.
Sie riefen Anu und Alalu zu sich, sie traten zu zweit vor die Richter, die Mitte des Saales betrat keiner von ihnen. Die wortführende Richterin eröffnete die wichtige Sitzung. Das Volk wartete vor den Toren des Palastes, auf den großen Bildschirmen wurde alles übertragen, sie hörten jedes Wort.
„Alalu, neben dir steht Anu, wahrer Abkömmling des ersten Königs An. Die Annalen haben es uns gezeigt. Wir haben ihn und deinen Eid.“ Sie öffnete den Mund, um ihre Entscheidung zu verkünden, doch noch bevor sie sprach, breitete Alalu seine Arme zur Umarmung aus und tat einen Schritt auf Anu zu, nun stand er in der Mitte des Saales. Er zog ihn an sich und rief: „Ich bin voller Glück, dich hier neben mir zu sehen. Obwohl wir von unterschiedlichen Nachkommen sind, stammen wir von einem Vorfahren ab. Lasst uns in Frieden leben und Nibiru gemeinsam zum Wohlstand vergangener Zeiten führen.“ Alalu drückte Anu fest an sich.
Die Richterin schwieg, die Wendung war zu überraschend. Alalu schien den vorbestimmten Weg allein zu gehen.
Alalu sprach nun mit lauter Stimme, das Licht der Kuppel direkt über ihm: „Lasst mich den Thron besteigen und du wirst mein Nachfolger sein! Lasst seinen Sohn meine Tochter ehelichen, mögen die Nachfolger vereint sein!“ Seine Energie war stark.
Anu verbeugte sich nun vor den Richtern. „Ich sehe mich als erster Nachfolger in der Reihe nach Alalu. Einer meiner Söhne wird eine seiner Töchter zur Braut wählen.“
Die Richter waren überrascht und schwiegen, unsicher, ob dieser Weg der richtige war. Aber wie konnten sie ihre Entscheidung gegen die Beteiligten durchsetzen? Sie sahen einander in die Augen, jeder von ihnen tauschte sich mit dem anderen aus, sie waren in einer Frequenz und wussten, dass sie den Geschehnissen würden folgen müssen und sie nicht in der Hand hatten. Der Richter, der ganz links saß, sprach: „So soll es sein.“ Und alle anderen sahen ihn zustimmend an.
Der achte König wurde in die königlichen Annalen eingetragen, sein Name war Alalu.
Kapitel 5
Die Flucht
Die Herrschaft Alalus war von großer Dynamik. Die Waffen, die er bauen ließ, waren um vieles stärker als die seines Vorgängers. Sie wurden in die Vulkane gebracht, die Berge schwankten, die Täler erbebten, grelle Donner leuchteten am Himmel. Die Hoffnung des Volkes auf Besserung ging wie die Waffen in den Vulkanen in Rauch auf, denn sie ließen sich nicht zu neuem Leben erwecken.
Alalu sandte nun bemannte Schiffe ins All, um nach Gold zu suchen. Viele kehrten um, andere kehrten nicht zurück, waren gescheitert in den Weiten des Weltalls auf dem Weg zu anderen Welten. Anu saß ihm zur Seite gleich einem Mundschenk, er wartete auf seine Zeit. Alalu sah auf ihn hinab, für ihn war er einer seiner Diener.
Die Schar vergingen, von Umlauf zu Umlauf wurde das Klima schlimmer, die Atmosphäre immer dünner. Und Alalu war gefangen in seiner eigenen Herrlichkeit. Er sah den Tag des Kampfes wie einst sein Vorgänger nicht kommen.
Anu trat vor dem Thron auf ihn zu, größer und stärker schien er, Prinzenfreunde waren im Raum. In neuem Ton sprach er: „Alalu, ich fordere dich zum Kampf auf!“ Das Gewand zog er über den Kopf, mit nacktem Oberkörper stand er da, stark und angriffslustig. „Deine Zeit ist abgelaufen, du hast sie nicht genutzt, sieh dir Nibiru an.“
Auch Alalu entledigte sich seines Gewandes und in der Mitte des Saales rangen sie. Die Höflinge bildeten einen Ring, feuerten sie an und Anu gewann schließlich die Oberhand. Sein Gefolge jubelte, nach dem Rat der Weisen wurde gerufen, den neuen König zu ernennen und in den Annalen einzutragen.
Sie alle liefen durcheinander und Alalu nutzte diese kurze Zeit der Verwirrung und rannte aus dem Palast. Halb nackt, wie er war, lediglich mit einer kurzen Hose bekleidet, führte ihn sein Weg zur Halle der Himmelsschiffe. Wie ein Sinnbild waren sie, denn er wollte dem Schicksal, das einst Da.Ru getroffen hatte, entfliehen. Kurz blieb er stehen und rief, um sich Mut zu machen: „Nicht fallen, steigen werde ich!“ Schnell erreichte er das größte der Schiffe, öffnete es, ging zum vorderen Teil und ließ sich auf dem Sitz des Piloten nieder. Sein Blick wanderte über die Apparaturen, sein Geist war flink, er konnte sie schnell kategorisieren und schloss zunächst alle Eingänge. Das Display vor ihm zeigte ihre Nachbarn, die Sterne standen günstig, er tippte auf den siebten Planeten ihrer Sonnenfamilie. Das System errechnete die Bahn und er drückte die Taste, die den Start einleitete. Das Volk vor dem Palast sah, wie das Schiff in der Weite des Himmels verschwand. Alalu hatte die Erde als Ziel gewählt.
Teil 2 – Gold
Kapitel 1
Die Landung
Nibiru wurde zum Ball, Alalu sah seinen rötlich schimmernden Mantel, uneinheitlich schlug er Wellen um seine Heimat herum. Der Bruch in der Mitte war deutlich zu sehen, es war eine dunkle Wunde. Seine Instrumente zeigten auch sein Ziel: die Erde. Ihre Kappen waren weiß vom Schnee.
Noch einmal sah er auf das Display des Kameraauges, das rückwärtsgewandt war. Nibiru schrumpfte zu einer kleinen Frucht. Alalu begriff nun, was er getan hatte. Schwer atmend erkannte er, dass er einem Tod zwar entronnen war, aber dem nächsten entgegenflog. Er studierte den künftigen Weg des Schiffes. Die Meilen zählten hoch, die Entfernung wuchs und immer weiter verlor er sich in der Unendlichkeit des Alls. Unendlich war auch die Einsamkeit. Er traf auf Gaga (Neptun), dessen Kreisbahn seine Reise bestimmte. Mal vor, mal hinter ihm zog es ihn weiter davon. Es führte ihn zum nächsten Planeten, dem gigantischen KiSchar (Jupiter). Alle Kraft des Antriebs brauchte er, um aus seinen Fängen zu entkommen, seine Anziehungskraft war sehr stark. Weiter flog er, viel Zeit verging, bis das eiserne Band vor ihm lag. Sein Gesicht spiegelte sich in den Displays, tiefe Furchen und einen gewachsenen Bart hatte die lange Reise bereits hinterlassen. Gesteinsbrocken bedrohten nun seinen Flug. Im Cockpit sah er sie auf sich zufliegen, einer der Asteroiden war auf Kollisionskurs. Hektisch suchte er nach den Strahlenwaffen, er schaffte es, sie im letzten Moment zu aktivieren, und sie zertrümmerten die Gefahr. Meilen um Meilen zogen in Zahlen auf dem Display an ihm vorbei. Ohne weitere Zwischenfälle durchquerte er das dichte Band der Asteroiden und dann sah er ihn: den ersten der beiden äußeren Zwillinge. Lahmu (Mars) war sein Name. Rotbraun und mit einer dünnen Atmosphäre umhüllt, flog er schnell an ihm vorbei, denn Alalu hatte ein faszinierendes Ziel vor Augen. Die Erde schien wie eine Wasserperle, Schneekappen fassten sie ein wie einen Diamanten, die Landmassen gaben ihr den Charakter. Sie war kleiner und mit geringerer Anziehungskraft als Nibiru, ihre Atmosphäre laut den Messungen ähnlich der seines Heimatplaneten. Wolken waren zu erkennen, viel weißer und heller als in seiner Heimat.
Alalu erreichte die Umlaufbahn, er richtete seine Scanner auf das Land und auf das Wasser. Interessiert analysierte er die Auswertung auf dem Bildschirm seines Cockpits. Balken in verschiedenen Farben zeigten ihm die Häufigkeit der Elemente an, deren Abkürzungen sich unter jeder Grafik befanden. Er warf den Kopf mit einem Lachen in den Nacken. „Gold!“, rief er zu sich selbst. „Gold im Wasser und auf dem Land.“ Er setzte zur Landung an, unschlüssig, ob er besser im Wasser landen sollte oder auf trockenem Land. Beides hatte seine Gefahren. Er wählte Landekoordinaten am Ufer eines Flusses und überließ dem System die Führung. Der Eintritt in die Atmosphäre ließ sein Schiff erzittern, es glühte und Alalu zog die Beine an, legte den Kopf auf die Knie und wartete auf sein Ende. Schweißperlen rannen über seine Stirn in den Bart. Er war zu schnell. Ein Knall und der Aufschlag – das alles hörte er und im Erinnern daran wusste er, dass er es überlebt hatte.
Freude durchfuhr seinen Körper, er hatte den Planeten des Goldes lebend erreicht.
Kapitel 2
Die Erkundung
Er öffnete die Blenden der seitlichen Luken und sah Land vor sich, die Sonne spiegelte sich im Wasser eines Flusses. Die grüne Vegetation war feiner als auf Nibiru, kleiner waren die Blätter, von wundervoller Farbenpracht die Blüten. Der Himmel war strahlend blau, es war so ganz anders, als er es kannte. Alalu ging in den hinteren Teil des Schiffes, noch immer trug er lediglich die kurze, enge Hose des Kampfes. Er öffnete Türen an den Wänden, bis er das Gesuchte fand. Ein Helm mit spitz zulaufendem Atemaufsatz und ein Schutzanzug ließen ihn zufrieden lächeln. Der Anzug war aus silbernem Material, obwohl hauchdünn, würde er ihn gegen Wärme und Kälte schützen. Beides zog er an und ging zur Schleuse. Als sich die innere Tür hinter ihm schloss und die äußere sich kurz darauf öffnete, strahlte die Sonne auf ihn, der so lange im Dunkeln gereist war. Alalu betrat mit festem Schritt den dunklen Boden. Da stand er allein auf einem fremden Planeten, fern seiner Familie und auf ewig verbannt. Eine Träne lief ihm über die Wange. Zunächst umrundete er sein Schiff, das groß und grau vor ihm lag. Schwere Platten bildeten die äußere Schutzhülle. Sie waren fast ausnahmslos quadratisch und exakt wie die Steine ihrer Häuser fest zusammengefügt. Die Triebwerke nur erkennbar durch die Öffnungen an der Seite. Er konnte keine schweren Schäden finden und kehrte zurück in das Cockpit. Sorgsam schloss er es und verdunkelte Fenster für Fenster, indem er das Display bediente. Dann verließ er das Cockpit und ging in den Raum, der für den Schlaf eingerichtet worden war. Dort legte er sich auf die schmucklose Liege, die grau war wie fast alles im Schiff. Schnell sank er in einen traumlosen Schlaf.
Die Sonne ging siebenmal auf und wieder unter. Als er erwachte, sah er an die Decke seines Schiffes, es dauerte einen Augenblick, bis er seine unfassbare Lage wieder realisierte. Dann sprang er auf und ging schnell ins Cockpit. Seine Systeme zählten die Zeit auf Nibiru, dort waren nur wenige Minuten vergangen. Alalu fragte sich, wie lange er geschlafen hatte. Er ging im Raumschiff umher, fand, was er gesucht hatte. Durch eine eigens konstruierte Öffnung schob er einen Teststab nach draußen. Die Anzeige der Sauerstoff- und Stickstoffwerte zeigte Grün an. Beschwingt sah er aus den wieder geöffneten Blenden. In der Ausrüstungskammer fand er einen Schutz für die Augen, geformt wie eine breite Sichel, ein Testgerät für Stoffe und eine handliche Waffe, deren Strahlen alles vernichten konnten, was lebte. Sie lag wie ein kleiner Stab in seiner Hand, das Testgerät war an einem Gürtel befestigt, den er sich um den noch halb nackten Körper schlang. Seine Suche hatte auch eine längere Hose zutage befördert. Sie gehörte nicht zur Ausrüstung des Schiffes und ein Pilot schien sie vergessen zu haben. Skeptisch hob er sie in die Luft, roch daran und hielt sie vor sich, um die Größe zu prüfen. In Anbetracht seiner Optionen zog er die fremde Kleidung an.
Über die Schleuse gelangte er wieder nach draußen, diesmal ohne Atemgerät und Schutzanzug. Mit nacktem Oberkörper und einfachem Beinkleid stand er da und tat wie ein Neugeborenes seinen ersten Atemzug voller Hoffnung, Mut und Angst. Und die Luft war gut, sehr gut sogar. Er lachte laut auf, sang in seiner Sprache ein Lied der Freude und ging auf den Fluss zu. Hier und da blieb er stehen und richtete den Scanner auf den Boden. Am Fluss lagen kleine Steine, er hob sie auf und warf sie ins Wasser. Interessiert beobachtete er den Flug der Kieselsteine in dieser anderen Welt. Das Wasser bewegte sich, er lief in die Strömung des Flusses hinein und sah Fische über Fische. Begeistert wusste er: Er konnte hier überleben. Nun änderte er die Einstellungen des Scanners und richtete ihn auf das Wasser. Geduldig zog er ihn über die Wasseroberfläche und seine Strahlen erfassten alle Elemente bis in den Erdboden hinein. Das auf der Oberseite angebrachte Display zeigte sehr viele Balken und Alalu selektierte sehr schnell die wichtigen von den unwichtigen. Der Scanner erkannte Gold in verschiedener Konzentration – sowohl im Wasser als auch im Flusssand. Nun tippte er auf das Gerät und prüfte die biologische Zusammensetzung. Die Werte zeigten, dass er dieses Wasser nicht trinken konnte, es war durchsetzt von ihm nicht bekannten Organismen. Alalu musste sich auf die Suche nach nicht verunreinigtem Wasser machen. Das Nass umspielte seine Beine, die Sonne war hinter den Wolken verschwunden und die Vielfalt und Pracht all des Lebens um ihn herum erfüllte ihn mit einer ungeahnten inneren Freude. Nibiru hatte ihn die Schönheit der Natur vergessen lassen, denn dort fand sie sich nur noch in geschützten Bereichen. Lächelnd setzte er die Erkundung fort, denn dies alles war besser, schöner und mehr, als sich sein Volk vorstellen konnte, und er würde diese Nachricht überbringen.
Er sah Hügel, bewachsen mit kleinen Bäumen, und lief neugierig in ihre Richtung. Die Vegetation wurde immer dichter, Büsche und Sträucher überragten ihn nun deutlich. Mit dem Strahl seiner Waffe bahnte er sich den Weg. Der Boden unter seinen Füßen wurde feucht, dann sah er die Quelle. Der Tester zeigte auf Grün: bestes Wasser gegen seinen Durst. Mit den Händen schöpfte er es und trank, so viel es ging.
Ich habe Wasser, ich habe Fische, ich werde leben, dachte Alalu voller Zuversicht. Auf einer Lichtung blieb er stehen, verschiedene Früchte hingen an den für ihn fremden Bäumen. Er streckte sich nach ihnen aus und das, was sich dort bewegte, hielt er zunächst für einen Ast. Aber es zischte und schien nach seiner Hand zu schnappen. Alalu sprang zurück und zielte blitzschnell mit dem Strahl seiner Waffe auf das Geschöpf. Es war sofort tot. Wie ein Seil und ohne Arme oder Beine lag es nun auf dem Boden, eine gespaltene Zunge hing aus dem Maul. Nie hatte er etwas Derartiges gesehen, es schüttelte ihn vor Grauen. Nun war er aufmerksamer, betrachtete die kleinen Tiere um sich herum und pflückte Früchte vorsichtig ab. Er hatte lange nichts gegessen, sein Tester befand die Frucht für gut und als er hineinbiss, war er von der Süße überrascht. So viel er tragen konnte, brachte er zurück zu seinem Schiff. Euphorisch schaltete er die Systeme ein, die Verbindung würde nicht nur Worte, sondern auch sein Bild übertragen. Er saß im Cockpit und seine Hand schwebte über dem Displaybereich, der den Verbindungsruf aktivieren würde. Mit einem „Immer schön ruhig bleiben, Alalu“ ging er wieder in die hintere Kammer und suchte in den Wandfächern nach einem weiteren Raumanzug. Er streifte ihn sich über, das wilde Haar legte er mit den Händen an, den Bart strich er glatt. Er war bereit, seinen Triumph zu verkünden.
Kapitel 3
Der Bericht
Das Display zeigte den Weg seines Schiffes von Nibiru zu diesem Ort. Dies und all die Daten, die er schon gesammelt hatte, waren die Karten, die er ausspielen würde. Alalu tippte nun auf das Display und ein pulsierender Pfeil auf der Anzeige zeigte, dass ein Signal Richtung Nibiru gesendet wurde. Ungeduldig änderte er die Sitzhaltung, überprüfte die ausgehenden Daten und hatte Mühe, seine Erleichterung zu verbergen, als seine Anfrage Gehör fand. Ein Ton und das Verschwinden des Pfeiles verkündeten, dass der Adressat seine Kanäle geöffnet hatte. Die durchsichtige Front vor dem Pilotensitz war nun ein Monitor und er sah Anu und sein Gefolge vor sich als stände er vor ihnen im Palast.
Sie waren offensichtlich überrascht und schnell herbeigelaufen. Nur Anu saß würdevoll auf seinem Thron. Die Informationen wurden über einen portablen Turm übertragen, der an einer Seite von schwarzer, glatter Oberfläche war, die jeden Strahl und jeden Ton einfing.
„Ich bin es, euer einstiger König. Ich wurde bezwungen, aber ich bin stark genug, die Erde zu erreichen“, rief Alalu ihnen zu.
„Dir ist eine Reise gelungen, an der so viele Schiffe gescheitert sind?“, fragte Anu überrascht.
„Ich kenne die Bahnen der Sterne, sie wurden mir gelehrt, ich kenne ihre Kraft und Geschichte.“ Er sprach nun immer lauter. „Ich habe den Planeten des Goldes gefunden. Die Geräte sehen es überall: im Wasser und auf dem Land. Ich halte die Rettung von Nibiru in der Hand.“ Kurz zögerte er, um seinen Worten Gewicht zu verleihen. „Ich stelle die Bedingungen.“ Sein Blick war stolz und hart, sie konnten nicht an ihm vorbei.
„Das sind wirklich gute Neuigkeiten. Wir werden beraten, was zu tun ist.“ Anu war nicht überzeugt.
„Was wollt Ihr zögern? Baut Schiffe, eine Flotte, wir müssen es heben und zu uns schaffen.“
„Wir werden darüber beratschlagen“, sagte Anu, der Bildschirm wurde dunkel.
Alalu stand auf, trat hinaus und wunderte sich, dass die Sonne schon wieder untergegangen war. Der Wechsel von Tag und Nacht in dieser Geschwindigkeit war ihm fremd. Und dann sah er ihn: den freundlichen Begleiter der Erde, einen leuchtenden Ball am Himmel. Er lächelte. Was für eine schöne Welt. Im Raumschiff analysierte er die Daten des Scanners, kartierte seine Umgebung und notierte, wo Gold zu finden war. Als er damit fertig war und wieder nach draußen blickte, war es bereits wieder hell. Die schnelle Erdrotation irritierte ihn. Nun gut, ein Tag war vergangen und er wusste aus seinen Studien, dass es 365 dieser Drehungen bei einer vollständigen Umrundung der strahlenden Sonne gab. Ein Jahr war 3600 Mal weniger als ein Schar, und so wartete er eine Nacht und einen Tag auf Antwort aus Nibiru, wo man weniger als eine Stunde beraten hatte.
Uneinigkeit herrschte im Palast des Planeten Nibiru. Anu konnte es nicht glauben, er wollte Beweise. Der Rat der Weisen und die Gelehrten wurden eiligst herbeigerufen. „Prüft, ob die Worte tatsächlich von weit her gesprochen worden sind. Er könnte sich in den Bergen verstecken“, befahl er den Ingenieuren.