Erzähl dein Leben neu - Rebecca Vogels - E-Book

Erzähl dein Leben neu E-Book

Rebecca Vogels

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Beschreibung

Was ist unsere Story? Und wie würde die Geschichte unseres Lebens aussehen, wenn wir selbst ihre Autorin oder ihr Autor sein könnten? Rebecca Vogels, Unternehmerin, Keynote-Speakerin und Story-Consultant, hat in den USA gelernt, wie man die eigene Story kurz, prägnant und witzig mit anderen teilt - und obendrein offener und positiver auf das eigene Leben mit all seinen Chancen blickt. Doch Storytelling bringt noch mehr: Wenn wir uns mit unserer Geschichte auseinandersetzen, erkennen wir, was uns antreibt und was wir wirklich wollen, wir sehen rote Fäden, die vielleicht auf den ersten Blick nicht sichtbar waren, und wir können unser Leben mit diesem Wissen besser gestalten. Gemäß dem Motto "Story first" können wir unsere Geschichte planen, die Muster in unserem Leben erkennen und unser Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen. In diesem Buch lädt Rebecca Vogels uns ein nachzuforschen, was uns wirklich antreibt. Sie erklärt, wie wir unsere "Bewerbungsgesprächs-Motivationen" loslassen, wie wir großzügiger mit uns selbst werden und warum wir - genauso wie die neuen Netflix-Serien - unsere eigenen Gegensätze zelebrieren sollten. Denn die machen eine Geschichte ja erst interessant. Rebecca Vogels vermittelt einfache Strategien, die eigene Lebensgeschichte besser zu verstehen und zu erzählen. Und lädt uns darüber hinaus ein, an ihrer eigenen Story teilzuhaben. Die führt von Manhattan in die Provinz, von Netflix zu YouTube-Yoga, von Meeresschildkröten zu Schlangenherzen, von Croissants zu Anthony Bourdain und von ihrer eigenen Familie zu Jesus und dem American Dream. Ihr Beispiel zeigt, wieviel Spaß es machen kann, wenn man sich traut, nicht nur irgendeine Story zu leben, sondern die ganz eigene. Und das kann jeder lernen!

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Rebecca Vogels

Wie Storytelling dir zeigt, wer du wirklich bist

Knaur e-books

Über dieses Buch

Was ist unsere Story? Und wie würde die Geschichte unseres Lebens aussehen, wenn wir selbst ihre Autorin oder ihr Autor sein könnten?

Rebecca Vogels, Unternehmerin, Keynote-Speakerin und Story-Consultant, hat in den USA gelernt, wie man die eigene Story kurz, prägnant und witzig mit anderen teilt – und obendrein offener und positiver auf das eigene Leben mit all seinen Chancen blickt.

Doch Storytelling bringt noch mehr: Wenn wir uns mit unserer Geschichte auseinandersetzen, erkennen wir, was uns antreibt und was wir wirklich wollen, wir sehen rote Fäden, die vielleicht auf den ersten Blick nicht sichtbar waren, und wir können unser Leben mit diesem Wissen besser gestalten.

Gemäß dem Motto »Story first« können wir unsere Geschichte planen, die Muster in unserem Leben erkennen und unser Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen.

In diesem Buch lädt Rebecca Vogels uns ein nachzuforschen, was uns wirklich antreibt. Sie erklärt, wie wir unsere »Bewerbungsgesprächs-Motivationen« loslassen, wie wir großzügiger mit uns selbst werden und warum wir – genauso wie die neuen Netflix-Serien – unsere eigenen Gegensätze zelebrieren sollten. Denn die machen eine Geschichte ja erst interessant.

Rebecca Vogels vermittelt einfache Strategien, die eigene Lebensgeschichte besser zu verstehen und zu erzählen. Und lädt uns darüber hinaus ein, an ihrer eigenen Story teilzuhaben. Die führt von Manhattan in die Provinz, von Netflix zu YouTube-Yoga, von Meeresschildkröten zu Schlangenherzen, von Croissants zu Anthony Bourdain und von ihrer eigenen Familie zu Jesus und dem American Dream. Ihr Beispiel zeigt, wieviel Spaß es machen kann, wenn man sich traut, nicht nur irgendeine Story zu leben, sondern die ganz eigene. Und das kann jeder lernen.

Inhaltsübersicht

WidmungMottoEinleitung: Was ist deine Story?Kapitel 1: Eisbären, New York oder Wie ich lernte, meine Story zu erzählenNew York, Juli 2007Warum in den USA schon Vierjährige lernen, ihre Story zu erzählenWie sollen wir unsere Geschichte erzählen können, wenn wir es nie gelernt haben?Wie Storytelling uns helfen kann, unser Leben zu planenBin ich in der falschen Story?Was ist deine Perspektive?Kapitel 2: Finde die Höhen, Tiefen und Wendepunkte in deinem LebenMache Mise en place für deine GeschichteTeile dein Leben in verschiedene Kapitel einÜberlege, was dir wichtig war, als du zehn Jahre alt warstWas sind deine Red Letter Days?Was sind die Höhepunkte in deinem Leben?Die Tiefpunkte im LebenFinde die unsichtbaren Wendepunkte in deinem LebenKapitel 3: Wie du herausfindest, was dich wirklich antreibtFinde dein persönliches Story-GPSWas sind deine Bewerbungsgespräch-Motivationen?Identifiziere die Motivationen in deinem LebenWelche Gemeinsamkeiten ergeben sich bei deinen Motivationen?Kapitel 4: Wie Schreiben dir helfen kann, dein Leben neu zu sortierenErkenne Zusammenhänge in deinem LebenSchreibe deine Story mit aller Komplexität und mit allen GegensätzenKapitel 5: Meeresschildkröten, einarmige Banditen und wie man Storys wieder loslässtKapitel 6: Wie erfindest du dein Leben neu?Bevor man neu anfängt, ändert man seine StoryDas Lunch-Talk-PrinzipVerschwende keinen TriggerErfinde dein Leben neuThink BigWarum man die besten Ideen hat, wenn man nicht damit rechnetFinde Zwischenmomente für neue InspirationKapitel 7: Probiere deine Story ausWoher weiß man, was man will?Schaffe einen Writers’ Room für dein LebenErzähle allen von deiner IdeeDas Ziel ist: Keinen Plan B mehr zu haben!Wenn eine Idee nicht funktioniert, lass sie losKapitel 8: Storys müssen gelebt werden – Vom Storytelling zum StorylivingSchreibe ein Mission Statement für dein LebenSchaffe neue ErinnerungenBeginne ein Magic-Moments-JournalSei großzügig zu FremdenMache Angst nicht zum Co-Autoren deines LebensWelche Bären gibt es in deinem Leben?Vom Mut, Dinge nur so halb gut zu machenGenieße den Prozess!#100 Micro-StorysKapitel 9: Wie Storytelling dir hilft, bessere Beziehungen zu führenJede Beziehung hat eine GeschichteDie Beziehungs-StoryWie kann Storytelling helfen, eine bessere Beziehung zu führen?Wie schafft man neue Storys?Die Freundschafts-Story: mehr Soulmates, weniger Wikipedia-GesprächeWie kommt man von der Wikipedia-Gesprächsebene runter?Die Familien-StoryDie Generations-StoryBoomer vs. MillennialsWelche Geschichte willst du erzählen?Unsere Geschichten sind wichtiger als unsere MeinungenDie Lose-Beziehungen-StoryMein Friseur und ichWie investiert man in die losen Beziehungen in seinem Leben?Die Beziehung zu uns selbstKapitel 10: Wenn deine Geschichte nicht so läuft wie geplantWenn einem die Decke auf den Kopf fälltIst das wirklich mein Problem?Gut oder schlecht – wer weiß das schon?Kapitel 11: Erzähl dein Leben neu!Warum man seine Story erzählen sollteVom Mut, die eigene Geschichte zu erzählenErzähle deine Geschichte nach dem Obama-PrinzipWie erzählt man Geschichten, die in Erinnerung bleiben?Die Core-Storys aus deinem LebenWas ich von einem Taxifahrer über Storytelling gelernt habeEine letzte GeschichteDanke
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Für meinen Vater Hans-Peter Vogels (1955–2020)

 

Danke, dass du dieses Buch gelesen und in inspirierenden Gesprächen mit mir diskutiert hast, als noch Zeit war.

It means the world to me.

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Sei die Heldin deines Lebens (…)

Nora Ephron

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Einleitung

Was ist deine Story

Jeder von uns hat eine Geschichte. Eine Geschichte, die erzählt, warum wir das machen, was wir machen. Warum wir das Leben haben, das wir haben. Eine Story, die beschreibt, warum wir den Job, den Partner, die Freunde, die Wohnung haben, die wir haben. Diese Geschichte können wir selbst gestalten. Denn jeder von uns ist die Autorin oder der Autor seiner ganz persönlichen Lebensgeschichte.

Zum ersten Mal habe ich über die Frage »Was ist meine Geschichte?« in New York nachgedacht. Ich war damals dreiundzwanzig und war, ohne jemanden zu kennen, alleine nach Manhattan gezogen. Ich wollte eigentlich nur drei Monate lang bleiben, aber ich habe mich so sehr in die Stadt verliebt, dass aus den drei Monaten mehrere Jahre wurden.

Was mir in New York sofort auffiel, war, dass hier jeder seine Lebensgeschichte kurz und prägnant und im besten Fall auch noch lustig erzählen konnte. Egal ob bei einer Fahrt im Taxi, beim Bäcker in der Schlange oder in der U-Bahn – überall erzählten mir Menschen ihre Story. Sie erzählten mir, was sie im Leben antrieb, welche Fragen sie bewegten, wen sie liebten, was ihre eigene, ganz persönliche Perspektive auf das Leben war.

Sie erzählten mir von den Höhen und Tiefpunkten in ihrem Leben und wie sie auf die Krisen in ihrem Leben und in unserer Zeit reagiert hatten.

Mir wurde damals, als ich diese Geschichten von Menschen in New York hörte, bewusst: Wir alle sind die Autoren unserer eigenen Lebensgeschichte. Und genauso wie eine Geschichte in einem Buch oder wie eine Netflix-Serie, so hat auch unsere Lebensgeschichte verschiedene Kapitel, Höhepunkte, Tiefpunkte und Wendepunkte. Es gibt verschiedene Charaktere in unserer Geschichte, große Lieben und Freunde, Soulmates und Nachbarn, Friseure und oberflächliche Bekanntschaften.

Und genauso wie Autoren oder Drehbuchautoren eine Geschichte planen, können wir auch unser Leben planen. Und die Autorin oder der Autor unserer eigenen Story werden. Wir können unser Leben selbst in die Hand nehmen und entscheiden, wer in unserer Geschichte mitspielt, welche Rolle wir in den Storys anderer Menschen einnehmen wollen, welche Motive es in unserem Leben gibt und wie wir das, was uns wirklich antreibt, umsetzen und leben können. Und genau darum geht es in diesem Buch.

Seit meiner Zeit in New York sind einige Jahre vergangen. Ich bin von New York nach Wien gezogen, von Wien nach Boston, nach San Francisco und schließlich wieder zurück nach Wien. Ich habe mein Studium abgeschlossen, habe meinen langjährigen Freund Benjamin geheiratet und mich selbstständig gemacht. Ich habe mich viel mit dem Thema Geschichten und Storytelling beschäftigt und bin mehr als zehn Jahre später Geschäftsführerin meines Unternehmens All of the Above. Mit diesem berate ich Firmen zum Thema Storytelling und helfe ihnen bei der Frage: »Wie kann ich meine Geschichte erzählen für Kunden, Mitarbeiter, Partner?«

Aber irgendwann wurde mir klar, dass Storytelling nicht nur für Unternehmen interessant ist, sondern für jeden von uns. Wir alle können Storytelling nutzen, um Ordnung in unser Leben zu bringen, die Ereignisse unseres Lebens in ein Narrativ zu fassen und mit Storytelling unsere Identität zu definieren und besser nach außen zu kommunizieren, wer wir sind. Ich selbst habe erlebt, wie mein Leben aufregender, voller, glücklicher wurde, als ich lernte, durch die Methode des Storytellings besser mit den Menschen in meinem Leben zu kommunizieren und intensivere Beziehungen zu führen.

Storytelling kann uns helfen, uns selbst besser zu verstehen und klarer zu sehen, was uns wichtig im Leben ist.

Inzwischen gebe ich Workshops und Seminare, in denen ich Menschen helfe, ihre eigene Geschichte zu definieren und zu erzählen. Die meisten finden das Thema »Lebensgeschichte« interessant, aber kommen oft mit gewissen Zweifeln oder einer Skepsis in meine Workshops. Oft höre ich Sätze wie:

»Ich habe überhaupt keine Geschichte.«

Oder: »Meine Lebensgeschichte ist nicht interessant genug.«

Oder auch: »Ich weiß nicht, wie ich meine Geschichte erzählen soll.«

Aber: Wir alle haben eine Geschichte. Wir haben bestimmte Erlebnisse, die uns zu der Person gemacht haben, die wir heute sind. Und wir alle können Storytelling nutzen, um unsere eigene Geschichte zu verstehen, zu leben und zu erzählen. Und genau diese Methode stelle ich in diesem Buch vor.

Ich erkläre, wie man die eigene Story definieren, planen, leben und erzählen kann. Denn Storytelling beginnt nicht erst mit dem Erzählen der eigenen Geschichte, sondern damit, dass wir uns mit den Höhen, Tiefen und Wendepunkten unserer Lebensgeschichte auseinandersetzen und überlegen, was uns in Zukunft wichtig ist. Und wie wir eine Struktur in unserem Leben schaffen können.

 

Als ich mit dreiundzwanzig alleine in New York lebte, wurde mir bewusst, was diese Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte bringt. Wir sehen klarer, was wir eigentlich wollen, welche Beziehungen uns wichtig sind, wie wir leben wollen und wie sich unser Leben in Zukunft entwickeln soll. Und das trifft auf jeden Aspekt unseres Lebens zu – im Berufsleben oder im Privaten. Bei Beziehungen, Freundschaften, Liebesbeziehungen.

Wenn wir uns mit unserer persönlichen Lebensgeschichte auseinandersetzen, dann geht es um Fragen wie: Nach welchen Überzeugungen und Werten will ich leben? Welches Leben will ich haben? Welche wiederkehrenden Muster gibt es in meinem Leben? Welche Motive? Was ist der rote Faden in meiner Lebensgeschichte? Was treibt mich an? Was ist meine Motivation? Was ist meine Perspektive auf das Leben? Was ist meine Story?

 

Bevor ich mich selbstständig machte, habe ich im Silicon Valley bei einem der größten Technologie-Unternehmen der Welt, beim Salesforce Incubator, gearbeitet. Und auch während dieser Zeit habe ich mich sehr viel mit Storytelling beschäftigt. Was ich dort gelernt habe, war das Prinzip »Story first, product second« – zuerst kommt die Story, als Zweites das Produkt.

Was bedeutet das? Für Unternehmen wie Google, Netflix oder auch Salesforce steht die »Story«, die Geschichte, an erster Stelle. Das heißt, dass viele dieser Unternehmen zuerst eine Geschichte entwickeln und danach erst das Produkt. Die Idee ist, wenn die Geschichte bei den Menschen ankommt, dann wird auch das Produkt ankommen.

In Europa ist es oft genau andersherum. Hier arbeitet man oft jahrelang an einem Produkt, ist dann irgendwann fertig und sagt: »Jetzt müssen wir jemanden finden, der uns eine Geschichte darum herum entwickeln kann!« Das kann klappen, tut es aber nicht immer – und hat möglicherweise zur Folge, dass Produkte entwickelt werden, die niemand kauft.

Ich finde dieses Prinzip »Story first« unglaublich spannend, und ich habe mich gefragt: Was wäre, wenn wir dieses Prinzip auch für unser Leben anwenden können? Wenn wir zuerst unsere Geschichte entwickeln und planen und danach umsetzen? Was wäre, wenn wir unsere Rolle, die wir in unserer Beziehungsgeschichte, »Familiengeschichte«, einer »Unternehmensgeschichte« einnehmen, aktiv planen und gestalten oder vielleicht auch verändern könnten? Was wäre, wenn wir unser Leben und unsere Idee, wer wir sein wollen, zuerst definieren und dann leben?

Was wäre, wenn wir mehr Höhepunkte oder Magic Moments in unser Leben lassen könnten? Und nicht zuletzt: Was wäre, wenn wir herausfinden, was uns im Leben wirklich antreibt? Was unser Motor ist und wie wir das, was uns antreibt, auch jeden Tag leben könnten, gemeinsam mit den Menschen, die uns wichtig sind?

 

Natürlich gibt es etliche Dinge im Leben, die nicht planbar sind: Unfälle, Krankheiten, Schicksalsschläge, ein Virus, der die gesamte Welt auf den Kopf stellt. Aber auch glückliche Zufälle, Bekanntschaften, Jobangebote. Selbst wenn viele Dinge in unserem Leben nicht planbar sind, können wir trotzdem entscheiden, wie wir darauf reagieren wollen und wer wir zum Beispiel in Krisensituationen sein wollen. Auch das bedeutet, unsere eigene ganz persönliche Geschichte zu leben. Und genau dabei kann uns Storytelling helfen.

Storytelling hilft uns:

Die Autorin oder der Autor unseres Lebens zu werden und unsere Geschichte zu planen, zu definieren und in die Hand zu nehmen.

Zu verstehen, was uns antreibt und wirklich wichtig ist.

Zu erkennen, welchen Beitrag wir in unserer Community haben können.

Intensivere Beziehungen mit den Menschen einzugehen, die uns am Herzen liegen, und neue Beziehungen in unser Leben zu lassen.

Soziale Verbindungen zu pflegen und mit Storytelling die vielen alltäglichen Begegnungen besser zu machen.

In Krisenmomenten anzuhalten und zu entscheiden, wie wir darauf reagieren wollen.

Ich habe selbst erlebt, welche positiven Veränderungen sich ergeben, wenn man sich mit der eigenen Story auseinandersetzt. Wenn wir ein Narrativ für unser Leben finden, hilft uns das, die Erlebnisse besser einzuordnen und zu verarbeiten. Wir können die Werte, die uns wichtig sind, jetzt und hier neu definieren und uns auf die Aspekte konzentrieren, die unser Leben glücklicher machen. Die Möglichkeit, die eigene Geschichte zu planen und die Autorin oder der Autor seiner eigenen Lebensgeschichte zu sein, gibt uns die Chance, eine gewisse Kontrolle über unser Leben zu erlangen. Storytelling ermöglicht es uns auch, auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren, indem es uns erlaubt, unsere Möglichkeiten zu formulieren, zu planen und unsere Geschichte selbst in Zeiten von Krisen und Einschränkungen zu leben.

Und das ist unglaublich wichtig und empowering. Wenn man seine eigene Story kennt, ist man selbstbewusster, freier und glücklicher, denn man hat das Leben – in beruflicher, aber auch privater Hinsicht – konstruiert, das zu einem passt.

Das Buch, das du hier liest, ist voll von meinen eigenen Storys und dem Versuch, meine eigene Geschichte zu finden, zu leben und zu erzählen. Vielleicht denkst du jetzt: Das klingt ja schön und gut, aber wie kann mir das helfen, meine eigene Story zu finden?« Oder: »Kann man dieses Storytelling und die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte überhaupt lernen?«

Absolut! In den USA habe ich jeden Tag gesehen: Storytelling ist kein Naturtalent, das man hat oder nicht, sondern etwas, das man lernen kann. Dieses »Lernen« beginnt in den USA oft schon im Kindergarten, wo schon Vierjährige lernen, ihre Story zu erzählen. Bereits in jungen Jahren setzen sich Kinder mit ihrer Geschichte in Kurzpräsentationen auseinander und stellen ihr Leben und ihre Story vor (mit Familie, Freunden und Haustieren). Auch in der Schule und im Studium ist Storytelling ein fester Bestandteil des Curriculums. Dahinter steckt die Überzeugung, dass Storytelling – zu großen Anteilen – auch ein Handwerk ist, das man lernen kann.

Diese Überzeugung teile ich: Jeder von uns kann Storytelling lernen und jeder kann seine eigene, ganz persönliche Story definieren, leben und erzählen.

Warum das jeder kann? Weil niemand von uns bei null anfängt, sondern wir alle bereits eine Geschichte haben. Es kommt nur darauf an, was man daraus macht.

 

Ich hoffe, dass dich dieses Buch inspiriert, deine eigene Story zu finden, ganz egal, wo du gerade bist: in Berlin, Köln, Frankfurt, im Himalaya, in New York oder Quadrath-Ichendorf.

Wenn du deine persönliche Geschichte definierst, wirst du klarer sehen, was dir im Leben insgesamt wichtig ist. Beruflich oder privat, romantisch, freundschaftlich, kreativ. Du wirst neue Möglichkeiten sehen und eine Big-Picture-Perspektive auf dein Leben bekommen. Du wirst neue Freundschaften schließen und dir einen Raum schaffen, in dem du dem nachgehen kannst, was dich glücklich macht.

Jeder kann die Strategien, die ich an mir selbst erprobt und in diesem Buch aufgeschrieben habe, nutzen. Wo auch immer du gerade bist, du bist am richtigen Punkt, um damit zu beginnen.

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Kapitel 1

Eisbären, New York oder Wie ich lernte, meine Story zu erzählen

New York, Juli 2007

Das erste Mal, dass mir bewusst wurde, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich meine eigene Geschichte erzählen sollte, war in einem Sammeltaxi. Gemeinsam mit zehn Touristen saß ich in einem klapprigen SuperShuttle-Bus, der Leute vom Flughafen zu ihren Hotels oder Wohnungen in New York brachte. Ich war dreiundzwanzig und in den letzten Wochen und Monaten hatte ich Hunderte Seiten Bewerbungsunterlagen geschrieben, Aufnahmegespräche für Stipendien geführt und Sprachtests gemacht. Alles, um hier zu sein. In New York.

»Was ist deine Story?«, hatte der gut gelaunte SuperShuttle-Fahrer mich gefragt. Und hinzugefügt: »Wie eine Touristin siehst du nicht aus!«

Was war meine Story? Ich überlegte. Normalerweise war ich selten um eine Antwort verlegen, aber jetzt fiel mir nichts ein. Ich hatte noch nie über diese Frage nachgedacht.

Der Bus ratterte und fuhr schwungvoll über ein Loch in der Straße. Hinter mir schrien die texanischen Touristen auf. Neben uns wurde gehupt. Hinter mir wurde gebetet. Der Fahrer, ein gut gelaunter Typ mit langen Dreadlocks, der in einem Wahnsinnstempo über die Autobahn hinwegpeste und Kurven nahm, ließ sich davon nicht beirren und wiederholte seine Frage noch mal: »Was ist deine Story?«

Was war meine Story? Ich hatte zum einen keine Ahnung und zum anderen hatte ich Todesangst. Bei diesem Fahrstil war ich sicher, niemals in Manhattan, in meinem neuen Zuhause anzukommen.

Hatte ich überhaupt eine Geschichte? Ich war in Deutschland in einem kleinen Dorf aufgewachsen, hatte Abi gemacht, war von daheim ausgezogen, hatte angefangen zu studieren, mich verliebt, mich von meinem damaligen Freund getrennt. War das meine Story? Und war das schon eine Story, auch wenn Hunderttausende Leute genau das Gleiche erlebt haben?

Ich sagte irgendwas von »Studium«, »Deutschland« und »Für drei Monate hier«. Aber ich hatte das Gefühl, eine wirkliche »Story« war das, was ich erzählte, nicht.

Obwohl der Taxifahrer sehr geduldig war und versuchte, alle Informationen über meinen Aufenthalt aus mir herauszuholen, gelang es mir nicht, eine wirkliche Geschichte zu erzählen. Ich stammelte irgendwelche zusammenhanglosen Episoden, die den Taxifahrer mehr verwirrten, als dass sie erklärten, wer ich wirklich war.

 

Erst viel später wurde mir klar, dass unsere Geschichte viel mehr ist als lose aneinandergereihte Anekdoten aus unserem Leben. Im Prinzip besteht unsere Geschichte aus zwei wichtigen Bestandteilen:

 

Unserer Motivation. Unsere Geschichte erzählt, warum wir etwas machen. Sie erklärt unsere Motivation, unseren Antrieb im Leben.

Unserer Perspektive. Unsere Geschichte erzählt, wie wir die Welt sehen. Sehen wir das Glas halb voll, ganz voll oder nur noch mit einem Schlückchen im Glas? Welche Erlebnisse bringen wir mit, die unsere Perspektive beeinflusst haben?

 

Damals im Sammeltaxi war mir das noch nicht klar. Das lag daran, dass ich nie gelernt hatte, wie ich meine Geschichte erzählen konnte. Und mich noch nie auf diese Art mit meiner Lebensgeschichte auseinandergesetzt hatte.

Aber genau mit dieser Frage »Was ist deine Geschichte?« wurde ich damals in New York konfrontiert. Nicht nur bei der Höllenfahrt im Sammeltaxi, sondern auch in den nächsten Wochen und Monaten. Denn in meinem neuen Umfeld traf ich jeden Tag Dutzende Menschen, die mir ihre Lebensgeschichte, ihre Motivation und ihre Perspektive auf das Leben kurz und prägnant und oft auch noch lustig erzählen konnten: beim Bäcker, in der Bibliothek, bei Konzerten, im Central Park und sogar in der Kloschlange.

 

Ich bewunderte das sehr und fragte mich: Wie machen die Leute das? Ich merkte ziemlich schnell, dass dieses Storytelling hier völlig anders als in Deutschland funktionierte.

In Deutschland erzählen wir selbst auf Partys meistens nur die Abfolge unserer Lebensereignisse. Die Frage »Und, was machst du so?« triggert, selbst wenn wir ein Glas Wein in der Hand halten und im Hintergrund laut Musik läuft, immer eine relativ ähnliche Antwort. Wir erzählen, was wir gerade machen, was wir davor getan haben und welchen Abschluss wir wo geschafft haben. Im Prinzip ist unser Storytelling häufig so sachlich und faktengetrieben wie unsere Lebensläufe auf LinkedIn oder Xing.

Aber in New York und beim amerikanischen Storytelling war das anders: Hier ging es nicht so sehr darum, was ich gemacht hatte, sondern warum. Hier interessierte die Menschen meine Perspektive und meine Backstory, im Prinzip die Geschichte hinter der Geschichte. Die Leute wollten nicht wissen, was ich irgendwann einmal Großartiges geleistet hatte, sondern wer ich war. Welche Erlebnisse in meinem Leben mich zu der Person gemacht hatten, die jetzt vor ihnen stand.

 

Und ich merkte schnell, dass neben der Motivation und der Perspektive noch eine dritte Sache wichtig war, wenn es darum ging, die eigene Geschichte zu erzählen: Mut.

Es braucht Mut, die wirklichen Geschichten aus unserem Leben zu erzählen. Unsere Gefühle und Schwächen, Motivationen und Ängste zu formulieren und auch Storys zu erzählen, in denen wir vielleicht Mist gebaut haben. Aber auch das kann man lernen.

 

Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich mit dreiundzwanzig Jahren mit dieser neuen Art des Storytellings zu Beginn meiner Zeit in New York völlig überfordert war. Dazu kam, dass mich mein Schulenglisch regelmäßig im Stich ließ und ich schon froh war, wenn die Leute halbwegs verstanden, was ich überhaupt sagen wollte.

Aber ich erkannte auch ziemlich schnell den Vorteil dieser neuen Art des Erzählens: Es war so viel einfacher, emotionale Verbindungen selbst zu völlig fremden Menschen zu knüpfen. Und das fand ich großartig! Als ich einmal verstanden hatte, wie dieses Storytelling funktionierte, war es eigentlich recht einfach. Vor allem, wenn man dabei Deutsch reden konnte.

Mir wurde klar, dass es nahezu unmöglich ist, eine Beziehung zu einem anderen Menschen herzustellen, wenn man die Stationen seiner beruflichen Karriere herunterrattert. Aber wenn man von seinen eigenen Schwächen und Fehltritten erzählt, egal wie verrückt die sind, dann kann man – auch mit schlechten Englischkenntnissen – eine Brücke zu anderen Menschen bauen und auf einer viel persönlicheren Ebene kommunizieren. Und zwar bei allen möglichen Gelegenheiten: in Meetings, beim Familiendinner, in Bewerbungsgesprächen, bei Dates, in der Supermarktschlange, bei virtuellen Meetings in Google Hangouts oder Zoom-Treffen mit Freunden, in WhatsApp-Nachrichten oder Instagram-Posts. Überall können wir Storytelling verwenden.

Was bei dieser Art des Storytellings passiert, ist, dass wir eine Verbindung zwischen unserem inneren Erleben und der Außenwelt herstellen. Und das hilft uns, andere an uns heranzulassen und die Beziehungen einzugehen, die unser Leben aufregend und großartig machen.

Dass Storytelling Verbindungen schafft, wurde mir während meiner Zeit in New York bewusst. In dieser Zeit, in der ich niemanden kannte, waren es diese Storys, die mir halfen, mich in dieser chaotischen, lebensfrohen, lauten, hektischen, reizvollen Stadt zu Hause zu fühlen, Freunde zu finden, mich zu verlieben in Menschen, Ideen, in New York, mich zu öffnen und andere nah an mich ranzulassen. Es waren Storys, die mir halfen, Beziehungen aufzubauen, die so wichtig für unser Glück sind wie die Luft, die wir brauchen, um zu atmen.

 

Jeden Tag lernte ich Leute mit ganz verschiedenen Lebensentwürfen kennen, die ihre Storys mit mir teilten: vom Deli-Verkäufer, der von Indien nach New York gezogen war und sich ein Leben abseits seiner traditionellen Familie aufbauen und mit dem Menschen zusammenleben wollte, den er liebte. Vom Hausmeister, der mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in der Bronx lebte und jeden Tag zwei Stunden in die Stadt pendelte, weil er sich eine näher gelegene Wohnung nicht leisten konnte, und die Zeit in der U-Bahn immer nutzte, um klassische Musik zu hören. Von meiner Mitbewohnerin, die an einer Schule in einem sozialen Brennpunkt arbeitete und die schrecklichsten Geschichten von Gewalt und Kriminalität dadurch verarbeitete, dass sie ihre gesamte Freizeit mit der Planung ihrer Traumhochzeit verbrachte.

All diese Storys erklärten mir etwas über die Motivation und Perspektive dieser Menschen, die ich traf. Und sie gaben mir eine Möglichkeit, über meine eigene Geschichte nachzudenken.

Wenn ich heute gefragt werde: »Was ist deine Geschichte?«, dann kann ich jetzt meine Story erzählen. Und hier ist sie:

 

Ich bin in meinem Leben oft umgezogen: vom Rheinland nach New York, von New York nach Wien, nach Boston, nach San Francisco und wieder nach Wien. Was mich mein ganzes Leben lang angetrieben hat, ist, neue Storys zu erleben und Menschen kennenzulernen, die mit ihren Storys meine eigene Welt größer machen. Das habe ich erreicht, indem ich an verschiedenen Orten der Welt für längere Zeit gelebt habe und mich so auch langfristig auf eine neue Kultur, eine neue Stadt und neue Begegnungen einließ.

Ich zog damals nach New York, weil dies für mich der Ort zu sein schien, wo alles passieren konnte. Und alles war genau das, was ich wollte. Ich wollte meine eigene Welt vergrößern, und New York schien mir der perfekte Ort dafür zu sein: Hier war alles neu und aufregend. Die Menschen, die ich traf, die Gespräche, die ich führte, die Themen, über die ich redete, die Partys. Ich hatte das Gefühl, man konnte sogar in der Supermarktschlange stehen oder auf der U-Bahn-Plattform, um jederzeit interessante neue Leute und im besten Fall die Liebe seines Lebens kennenzulernen. Jeder Moment schien alle Möglichkeiten in sich zu tragen.

Diese Vergrößerung meiner eigenen Welt war das, was New York für mich so spannend machte. Und genau deshalb war New York damals der Ort für mich, an dem ich völlig ich selbst sein konnte. Genauso wie ein Eisbär nicht im Kölner Zoo zu Hause ist, sondern in der Arktis, so schien mir damals New York mein natürlicher Lebensraum zu sein. Da, wo ich hingehörte. Meine Arktis.

 

In etlichen Filmen und Büchern gibt es die berühmten Coming-of-Age-Storys. Der Protagonist erlebt irgendetwas, ein signifikantes Erlebnis, das ihn erwachsen werden lässt. Aber weil das Leben kein Film ist, gibt es in unserem Leben nicht nur einen Moment, sondern viele dieser Momente.

In New York habe ich Dutzende dieser Coming-of-Age-Momente gehabt. Als ich mich bei brennender Hitze und ohne Handy auf einem Dach im East Village ausgesperrt hatte und über die Dächer klettern musste, um wieder runterzukommen. Der Moment, an dem ich mich auf einer U-Bahn-Plattform von meinem Freund trennte und wir (wie im Film) gleichzeitig in Züge einstiegen, die in gegensätzliche Richtungen fuhren. Der Moment, als ich um drei Uhr morgens in einen Supermarkt ging, um ein Bed Bug Spray zu kaufen, weil eine Google-Suche eine halbe Stunde zuvor ergeben hatte, dass es sich bei den schwarzen Punkten auf meinem Bett um diese Biester namens Bettwanzen handelte.

Mein Ziel war es damals, so viele Leute mit ganz verschiedenen Lebensentwürfen zu treffen wie möglich. Meine Freunde waren Schauspieler, Tänzer, Kellner, Fallschirmspringer und Menschen, die gerade zwischen verschiedenen Versionen ihrer selbst waren.

Der Versuch, meine eigene Welt größer zu machen und die Geschichten von anderen Menschen zu finden und zu erzählen, zieht sich durch mein ganzes Leben. Das ist meine Motivation.

In San Francisco, wo ich als Chief Marketing Officer eines Start-ups im Salesforce-Incubator arbeitete, interviewte ich Frauen in der Technologiebranche für eine Kolumne in der Huffington Post, weil ich diese Storys hören und aufschreiben wollte. In Wien organisierte ich mit einem Café einen Event, in dem Besucher aufgefordert wurden, ihre Story zu erzählen und diese für alle anderen sichtbar aufzuhängen.

Aber nicht nur geografisch, sondern vor allem beruflich habe ich mich mehrmals im Leben neu erfunden, bis ich die Story leben konnte, von der ich das Gefühl hatte: »Das ist wirklich meine Story.«

Bevor ich mein eigenes Unternehmen gründete, studierte ich Musik und machte meinen PhD. Aber irgendwas fehlte mir. Ich machte einen Sommer MBA an der Harvard Business School und beschloss, ins Marketing zu gehen. Dann ging eigentlich alles ziemlich schnell: Ich arbeitete bei einem Start-up in der Software-Branche, ich ging ins Silicon Valley, ich lernte, wie große Unternehmen ihre Storys erzählten.

Ich liebte das Umfeld und die Geschichte des Silicon Valleys, die eine Geschichte des Neuen ist: davon, sich selbst ständig neu zu erfinden. Eine Story, die immer ein Ziel hat: die Zukunft. Aber irgendwie hatte ich hier das Gefühl, ich war zwar schon nahe dran an meiner Geschichte, aber eben noch nicht ganz da. Ein paar Monate nachdem ich aus dem Silicon Valley wieder zurück nach Wien gezogen war, kündigte ich meinen Job und machte mich selbstständig. Ein paar Wochen nachdem ich mich selbstständig gemacht hatte, wurde ich vom California Diversity Council zu einer der Top 50 Most Powerful Women in Tech gewählt.

 

Und meine Perspektive? In New York war ich erwachsen geworden. Und mir wurde bewusst, dass jedes Erwachsenwerden und jede Entwicklung, die wir durchmachen, gewissermaßen ein Ausbrechen ist. Ich bin immer wieder ausgebrochen aus einer Welt, die mir zu eng geworden war. Weil die Idee von der Person, die man sein könnte, größer wird.

Irgendwann wird das Küken zu groß für sein Ei und es schlüpft. Irgendwann wird die Welt, die man kennt, zu klein und man muss sich eine Welt suchen, die größer ist. Das ist ein Prozess, der immer wieder in unserem Leben stattfindet, unabhängig davon, wie alt wir sind. Und sich darauf einzulassen, erfordert Mut.

Auch wenn ich viele Dinge gemacht habe, die viele Menschen vielleicht als mutig beschreiben würden, habe ich mich selten mutig gefühlt. Aber meine Angst hatte nie das letzte Wort. Vielmehr war es etwas anderes, das mich antrieb: Neugier, Entdeckerfreude, Abenteuer. Selbst wenn ich Angst hatte, war meine Neugier meistens größer. Und irgendwie hatte ich dieses Gefühl, dass mich diese Erfahrungen zu der Person machen würden, die ich sein wollte. Mutig. Offen für neue Erfahrungen, Abenteuer, Storys.

Das ist meine Story.

Warum in den USA schon Vierjährige lernen, ihre Story zu erzählen

Während meiner Zeit in New York habe ich drei Dinge über Storytelling gelernt:

 

Jeder kann dir seine Lebensgeschichte in zwei Minuten erzählen (und es ist unterhaltsam!).

Storytelling ist ein Social Skill, das kein Nice-to-Have ist, sondern von jedem erwartet wird.

Schon Vierjährige lernen im Kindergarten, ihre Story zu erzählen.

 

Als ich damals in New York lebte, unterrichtete ich an einer deutschen Schule und lernte dort: Hier können schon die ganz Kleinen ihre Geschichte erzählen. Das liegt daran, dass in den USA Storytelling gesellschaftlich gelebt wird, und das beginnt nicht erst in der Schule oder im Studium, sondern schon im Kindergarten.

Die Idee ist: Wenn man seine Geschichte erzählen kann, kann man besser mit den Menschen um einen herum kommunizieren, und die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte hilft einem, klarer zu sehen, was man will. Und deshalb wird diese Fähigkeit in den USA von Anfang an mitunterrichtet.

 

Ich unterrichtete damals jede Woche samstags an einer deutschen Schule. Auch wenn ich ansonsten vollständig in der amerikanischen Kultur angekommen war, redete ich für ein paar Stunden in der Woche plötzlich wieder Deutsch, ich feierte Karneval, Oktoberfest, Nikolaus und den 3. Oktober. Ich unterhielt mich mit Leuten, die genauso große Angst vor Schimmel im Badezimmer hatten wie ich oder davor, dass es irgendwo »ziehen« könnte. Aber doch waren hier ein paar Dinge anders, und eines dieser Dinge war, dass hier schon Vierjährige ihre Story erzählen konnten.

»Ich wohne mit meinen Eltern, meinem Bruder und zwei Katzen zusammen«, erklärte mir eine Schülerin am ersten Tag. »Meine Eltern hatten schon immer Tiere, und vielleicht bekommen wir bald einen Hund aus dem Tierheim. Später will ich Tierärztin werden oder Tiere retten, die krank sind und ein neues Zuhause brauchen.« Viele dieser Kinder konnten mir in wenigen Sätzen ihre Motivation und ihre Perspektive auf das Leben erklären. Besser als in manchem Party-Small-Talk-Gespräch.

 

Zuerst glaubte ich, das wären Einzelfälle. Ein besonders begabtes Kind. Mit weiteren begabten Geschwistern. Eine sehr gute Klasse. Aber irgendwann war es so auffällig, dass ich eine Kollegin danach fragte.

»In den USA lernen schon die Kleinen im Kindergarten, ihre Story zu erzählen«, erklärte sie mir.

»Schon mit vier Jahren?«, fragte ich verwundert.

»Das geht ganz spielerisch, dass hier Storytelling-Skills vermittelt werden. Aber Vierjährige lernen so Mini-Präsentationen über ihre Hobbys, ihre Haustiere, ihre Familie, ihr Leben zu halten. Die Kinder lernen jedenfalls schon sehr früh, ihre eigene Story zu erzählen.«

Genauso wie malen zu lernen oder den eigenen Namen zu schreiben gehört Storytelling in den USA zu einer Ausbildung dazu.

»Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist ins Schulsystem integriert: das fängt im Kindergarten an und zieht sich dann bis zur Schule und Universität«, erklärte meine Kollegin.

Aber noch eine Sache fiel mir auf, und die hing eng mit Storytelling und mit dem Mut, die eigene Story zu erzählen, zusammen.

»Wer will denn den Text vorlesen?«, fragte ich eine Klasse von Fünftklässlern an meinem ersten Unterrichtstag.

Ich kannte solche Fragen noch aus meiner eigenen Schulzeit. Fragen wie »Wer will seine Hausaufgabe zeigen?« oder »Wer will das kurz erklären?« führten mit ziemlicher Sicherheit zu vollständigem Schweigen oder gar Erstarren einer ganzen Schulklasse. Wenn man Glück hatte, meldeten sich dann irgendwann immer dieselben zwei Leute.

Aber hier war das anders. Auf meine Frage hin schossen alle Hände in die Höhe, was mich völlig verwirrte. War das ein Trick? Oder war das in dieser Klasse normal, dass man einen Text vorlesen wollte? Die Hausaufgaben vortragen wollte?

Zuerst dachte ich, mein Erlebnis wäre eine Ausnahme gewesen, aber in jeder anderen Klasse erlebte ich an diesem Morgen das gleiche Phänomen.

Als ich in der Pause mit einer anderen Kollegin darüber sprach, meinte die: »Die Kinder wollen sich präsentieren, dabei sein, zeigen, was sie gelernt haben.«

Die deutsche Zurückhaltung, die ich noch in meiner Schulzeit erlebt hatte, hatte es nicht über den Atlantik geschafft. Im Gegenteil: Hier hatten die Schüler das Erzählen gelernt, sie konnten ihre Story erzählen und wollten sich mitteilen. Sie wollten ihre Perspektive und Geschichte mit anderen teilen. Das war etwas, das ich bis dahin nicht kannte.

 

Bescheidenheit war mir und meiner Generation früher noch als Tugend verkauft worden. »Bloß nicht auffallen«, »Bloß nichts Besonderes sein wollen«, »Sich nicht zur Schau stellen« – das waren Grundsätze, die unsere Gesellschaft lange Zeit prägten und die dazu führten, dass sich niemand meldete, wenn es hieß: »Wer will den Text vorlesen?«

Wir müssen daher vielfach nicht nur lernen, wie wir unsere Geschichte erzählen können, sondern uns auch bewusst machen: Unsere eigene Geschichte ist wichtig. Das, was wir persönlich erleben, ist es wert, erzählt zu werden. Die Welt braucht unsere Geschichten.

Jeder von uns erlebt Geschichten im Leben, die uns zu der Person machen, die wir heute sind. Und die sind es wert, erzählt zu werden.

Das habe ich damals von den Vierjährigen an der German School gelernt.

Wie sollen wir unsere Geschichte erzählen können, wenn wir es nie gelernt haben?

Als ich in New York lebte, habe ich mich oft gefragt, warum es mir eigentlich so schwerfiel, meine eigene Story zu erzählen. »Woher sollst du denn wissen, wie du deine Geschichte erzählen sollst, wenn du es nie gelernt hast?«, meinte meine New Yorker Mitbewohnerin Janan damals, als ich mich mit ihr darüber unterhielt.

Das war ein guter Punkt. Und heute weiß ich: Die Fähigkeit, Geschichten und auch die persönliche Geschichte zu erzählen, ist etwas, das man lernen muss. Niemand würde auf die Idee kommen, dass man intuitiv Tennis spielen kann. Oder Schach. Aber Storytelling gilt immer noch als »Talent«, das man entweder hat oder nicht. Dabei muss man Storytelling genauso lernen wie alles andere.

Deutlich wurde mir das bewusst, als ich etliche Stunden am Küchentisch in meiner New Yorker WG saß, um meine Bewerbung für ein Studium in den USA zu schreiben. Denn hier ging es darum, meine eigene Geschichte zu erzählen. Der wichtigste Teil einer Bewerbung sind nämlich nicht die Zeugnisse oder Noten, sondern ein sogenannter »Personal Essay«. Wenn der gut ist, dann kann das jeden Notendurchschnitt retten oder auch im Umkehrschluss: Ist der Personal Essay schlecht, dann hilft auch ein Einser-Abschlusszeugnis nichts.

In diesem Essay geht es darum, die eigene Geschichte zu beschreiben und zu erklären: Wie bin ich zu der Person geworden, die ich jetzt bin? Welche Erlebnisse haben mich geprägt, was ist meine Sicht auf das Leben? Was ist meine Story?

Mir ist diese Bewerbung damals unglaublich schwergefallen, weil ich so etwas noch nie gemacht hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich auf zwei Seiten erklären sollte, wer ich bin und welche Ereignisse mich zu dem Menschen gemacht hatten, der ich war. Zuerst versuchte ich daher diese Aufgabe auf akademische Weise zu lösen. Das heißt, ich beschrieb, warum ich mein Studium gewählt hatte, welche Themen mich interessierten und welche Ideen. Aber darum ging es nicht. Es ging nicht darum, über die Themen zu sprechen, die mich interessierten. Es ging um mich. Um meine persönliche Story. Aber genau das war mein Problem.

In der Schule hatte ich nie gelernt, meine Story zu erzählen. Auch nicht an der Uni. Storytelling und die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte spielten damals keine Rolle. Im Gegenteil: Es ging immer darum, sich auf das Fachliche zu beschränken. Und daran scheiterte ich am US