Es sind nicht nur Gebäude. Was Anleger über Immobilienmärkte wissen müssen - Steffen Uttich - E-Book

Es sind nicht nur Gebäude. Was Anleger über Immobilienmärkte wissen müssen E-Book

Steffen Uttich

4,8

Beschreibung

Mieten oder kaufen – Lohnen sich Immobilien als Kapitalanlage? Immobilien prägen unser Stadtbild. Sie bieten aber nicht nur Wohn- und Arbeitsraum, sondern sind auch ein lukratives Investment: Denn sie gelten als sichere Geldanlage. Argumente wie der Inflationsschutz und die Bedeutung einer guten Lage sind ausschlaggebend. Die fachkundigen Autoren Just und Uttich stellen die Besonderheiten von Immobilien als Kapitalanlage vor. Leicht verständlich erklärt der Immobilienratgeber die größten Gefahren bei der Anlage. •Anlagevermögen für Laien und Profis •Mit vielen Praxisbezügen und lukrativen Tipps •Leicht und flott geschrieben Immobilienökonomie für den Nachttisch! Das Buch schließt eine Lücke zwischen schlichten Immobilienratgebern für Häuslebauer und wissenschaftlichen Fachbüchern für Spezialisten. Mit vielen Praxisbezügen und leicht verständlich geschrieben erhält der Leser einen umfassenden Überblick.

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Tobias Just/​Steffen Uttich

ES SIND NICHT NUR GEBÄUDE

Was Anleger über Immobilienmärkte wissen müssen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Tobias Just/​Steffen Uttich

Es sind nicht nur Gebäude

Was Anleger über Immobilienmärkte wissen müssen

Frankfurter Societäts-Medien GmbH

Frankenallee 71–81

60327 Frankfurt am Main

Geschäftsführung: Hans Homrighausen

1. Auflage

Frankfurt am Main 2015

ISBN 978-3-95601-061-3

Copyright

Frankfurter Societäts-Medien GmbH

Frankenallee 71–81

60327 Frankfurt am Main

Umschlag

Anja Desch, FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH –

Der F.A.Z.-Fachverlag, 60327 Frankfurt am Main

Titelbild

Satz

© thinkstock, Artwork: Anja Desch

Wolfgang Barus, Frankfurt am Main

E-Book-Herstellung:

Zeilenwert GmbH 2016

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Einführung

DIE MÄRKTE

1Der Nutzer steht im Mittelpunkt

2Die Rollen der Marktakteure

3Keine Immobilie ist eine Insel

4Vermietungs- und Investmentmärkte gehören zusammen

5Treibstoff Kredit

DIE HERAUSFORDERUNGEN

6Fehlende Transparenz

7Faktor Mensch

8Unterschiedliche Anlageziele

9Der Staat spielt immer mit

DIE VORURTEILE

10Lage, Lage, Lage

11Schützen Immobilien vor Inflation?

12Der Traum von der stabilen Geldanlage

13Die trügerische Macht der Trends

14Keine Blase in Deutschland – niemals?

Schlussbemerkung

Anhang zu Kapitel 4

Glossar

Empfohlene Literatur

Die Autoren

EINFÜHRUNG

Es gibt wohl keine Anlageklasse, die so direkt und umfassend unser Leben prägt, wie die weite Welt der Immobilien. Dies liegt zum einen am schieren Volumen der Objekte und zum anderen daran, dass Immobilien sehr grundlegende Bedürfnisse des Menschen befriedigen.

Immobilien sind der mit Abstand größte Teil des Anlagevermögens in einer Volkswirtschaft. Etwa 80 Prozent des gesamten Nettoanlagevermögens in Deutschland entfällt auf sie, rund die Hälfte allein auf Wohnimmobilien. Die Menschen in Deutschland leben auf etwa 3,5 Milliarden Quadratmetern in 37,5 Millionen Wohneinheiten. Sie arbeiten auf schätzungsweise 330 Millionen Quadratmetern Büromietfläche und versorgen sich mit einem großen Teil ihres täglichen Bedarfs an Konsumgütern auf den knapp 125 Millionen Quadratmetern Einzelhandelsfläche.

Wenn man sich das Zeitbudget eines Durchschnittsdeutschen betrachtet, wird deutlich, dass wir den größten Teil unseres Lebens in geschlossenen Räumen verbringen. Ein Blick in die Erhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2003 über die Zeitverwendung einer Vollzeiterwerbsperson – also eines durchschnittlichen Arbeitnehmers – offenbart Erstaunliches: Zehneinhalb Stunden eines Tages gehen für Schlafen, Essen und Körperpflege drauf, etwas mehr als fünfeinhalb Stunden werden für Erwerbstätigkeit, Bildung oder Weiterbildung eingesetzt, und in der Freizeit vergehen allein drei Stunden mit Fernsehen, vor dem Computer oder beim Lesen. All dies findet überwiegend innerhalb von Immobilien statt. Dass wir den allergrößten Teil unseres Lebens in oder in der Nähe von Gebäuden verbringen, gilt übrigens nicht nur für die drei Viertel der Leute, die in Deutschland in Städten leben. Auch die „Landbevölkerung“ arbeitet entgegen den gängigen Vorstellungen nur noch zu einem geringen Anteil im Freien.

Immobilien geben Schutz und Geborgenheit, ermöglichen Dienstleistungen und Handel, dienen der reibungslosen Warenproduktion. Mit ihnen lässt sich sogar unser Bedarf an spirituellen Erlebnissen und Gemeinschaftserfahrungen decken – durch den Besuch von Kirchen und Tempeln, von Fußballstadien oder Konzerthallen. Daher sind Immobilien weit mehr als „nur“ eine Anlageklasse. Denn mit ihnen lässt sich nicht nur eine monetäre Rendite erwirtschaften, sie stiften auch nicht-monetären Nutzen. So können angenehme Erinnerungen an das Elternhaus geknüpft sein. Wir besichtigen ehrfürchtig die alten und neuen architektonischen Meisterwerke als gebaute Zeitzeugen unserer Geschichte. Und manche von uns genießen einfach den ziellosen Bummel durch die bunte Lichterwelt der Einkaufsstraßen.

Sicherlich geht es bei der Wahl eines geeigneten Büroraums in erster Linie um funktionale Aspekte. Doch wir erlauben uns anzumerken, dass es einer der Autoren dieses Buches genießt, dass sein Büro in der Barocketage eines 900-jährigen Zisterzienserklosters liegt, während sich der andere Autor darüber freut, dass sein Arbeitgeber Büroflächen in einer umgebauten 100-jährigen Stilaltbauwohnung am Berliner Kurfürstendamm bezogen hat. Würden wir genauso gern ins Büro gehen, wenn wir einen technisch hochgerüsteten WiFi-Keller in der Bürovorstadt Frankfurt-Niederrad hätten? Wahrscheinlich nicht.

Die gebaute Umwelt prägt den Menschen

Die Redewendungen vom „trauten Heim“ oder von „my home is my castle“ zeugen davon, dass Häuser eben auch ein Zuhause sein können – und nicht nur ummauerter Mietertrag. Es gibt eine intensive Wechselwirkung zwischen den Immobilien und ihren Nutzern und Eigentümern: Wir prägen die Objekte nach unserem eigenen Geschmack, und gleichzeitig prägt die gebaute Umwelt auch uns. Daher besuchen wir gerne das Goethe-Haus in Weimar, das Buddenbrook-Haus in Lübeck oder das Haus, in dem Victor Hugo am Place des Vosges in Paris wohnte. Wir hegen die Hoffnung, dass wir über die Räume auch die Persönlichkeit ihrer Bewohner verstehen können. Oder wie Christian Morgenstern dies aphoristisch ausdrückte: „Zeig mir, wie du baust, und ich sage dir, wer du bist.“

All dies ist richtig und wichtig. Ökonomische Experten und Finanzmarktanalysten vernachlässigen diese Aspekte ihrer Erkenntnisobjekte auf den Immobilienmärkten mitunter sträflich. Doch genauso richtig ist es, dass die ökonomische Seite von Immobilien und die Macht der Immobilienmärkte nicht nur von privaten, sondern auch von institutionellen Marktakteuren und politischen Entscheidern allzu häufig fahrlässig vereinfacht wird. Jeder Mensch hat seine eigenen Erfahrungen mit Immobilien gemacht. Viele Menschen verallgemeinern ihre ureigenen ästhetischen Vorlieben und leiten daraus einfache Heuristiken ab, wie Immobilienmärkte zu funktionieren haben. Daraus resultieren Fehlentscheidungen. Und weil es bei der Immobilienanlage für die meisten Privatanleger um die größte Kaufentscheidung ihres Lebens geht, können solche Fehlentscheidungen erheblichen Schaden anrichten.

Der amerikanische Verhaltensforscher Dan Ariely beschreibt dies in seinem wunderbaren Buch „Predictably Irrational“ eindrucksvoll an seinem eigenen Fall: Wegen eines Umzugs musste er sein Haus verkaufen. Doch die Interessenten zeigten keine Wertschätzung gegenüber den baulichen Veränderungen, die ihm wiederum so wertvoll waren. Er musste schließlich diese Umbaumaßnahmen wieder rückgängig machen.

Dies könnte man als charmante Anekdote abtun, würde sie nicht in die schmerzhaften Jahre der Wohnungsmarktkrise in den USA fallen, in der Millionen US-Haushalte ihre Baufinanzierung nicht mehr bedienen konnten, weil sie die Marktentwicklungen falsch eingeschätzt hatten. Marcus Licinius Crassus, einem Politiker, der bereits vor mehr als 2000 Jahren unter dem Kaiser Julius Cäsar in der spätrömischen Republik lebte, wird das Zitat zugeschrieben: „Baulustige werden durch sich selbst zu Grunde gerichtet.“ Nun war Crassus kein armer Mensch. Vielmehr gehört er zu den reichsten Leuten, die jemals auf Erden gelebt haben. In Wirklichkeit haben ihn auch nicht seine Immobilien, sondern Menschen zu Grunde gerichtet. Der Spruch sollte wohl eher als Bonmot denn als Weisheit verstanden werden. Immobilien können nämlich durchaus ein Quell für Wohlstand und Reichtum sein – allerdings nicht grundsätzlich zu jeder Zeit und an jedem Ort. Ein besseres Verständnis der Marktmechanismen kann deshalb ausgesprochen hilfreich sein.

Immobilienökonomie für den Nachttisch

Das Ziel, das wir mit diesem Buch erreichen möchten, ist, einen Überblick über die Funktionsweise und die Besonderheiten von Immobilienmärkten zu geben. Ein paar dieser Besonderheiten wurden eingangs bereits erwähnt: Immobilien sind eine riesige Anlageklasse, und sie decken häufig sehr grundlegende menschliche Bedürfnisse ab. Sie sind standortgebunden und binden gleichzeitig sehr viel Kapital. Oft ist das so viel, dass ohne Fremdkapitalunterstützung nichts geht. Immobilien nutzen sich nur sehr langsam ab. Sie prägen häufig einen Markt über Jahrzehnte. Fehler auf Immobilienmärkten vererben sich über Generationen. Hinzu kommt, dass Immobilien sehr unterschiedlich sind. Jedes Objekt ist durch seine Lage, seine Ausstattung, die verwendeten Baumaterialien und natürlich seine Nutzerhistorie einzigartig. Einige dieser Punkte erfordern ein hohes Maß an regulatorischer Intervention. Der Staat greift auf vielfältige Weise auf Immobilienmärkten ein. Er regelt das Mietrecht, schafft Planungsrecht, legt Standards für Gebäude fest und greift mit zahlreichen Steuern und Abgaben in die Märkte ein. Viele dieser Eingriffe sind ordnungspolitisch nachvollziehbar, andere folgen wohl allein dem Diktum, dass Immobilien wichtig sind und nicht weglaufen können.

Das Buch dient ausdrücklich nicht der Anlageberatung. Es gibt aber Empfehlungen, was vor dem Kauf oder Verkauf als mögliche Fehlerquelle geprüft werden sollte. Wir haben das Buch unter dem Arbeitstitel „Immobilienökonomie für den Nachttisch“ konzipiert, um Lesern mit einem knappen Zeitbudget einen einführenden Überblick über zentrale Erkenntnisse der immobilienwirtschaftlichen Forschung zu geben. Dieses Buch erhebt nicht den Anspruch, dass die Leser nach der Lektüre alles über Immobilienmärkte wissen. Sie erhalten aber einen ersten Überblick, der im Idealfall das Interesse weckt, sich tiefergehend mit dieser Materie zu beschäftigen. Es ist also eher ein amuse-bouche als ein komplettes Menü. Feinschmecker, die das gesamte Menü der Immobilienökonomie suchen, werden am Ende weiterführende Literaturquellen finden.

Das Buch ist in drei Teile und insgesamt 14 Hauptkapitel gegliedert. Jedes Kapitel kann in einer knappen halben Stunde gelesen werden. Wenn man also jeden Abend vor dem Einschlafen noch eine halbe Stunde liest, hat man nach zwei Wochen einen ersten Überblick über die Funktionsweise von Immobilienmärkten.

Es gibt zahlreiche sehr gute Wissenschaftsbücher. Diese sind jedoch häufig recht unhandlich – sowohl mit Blick auf ihr Volumen als auch auf ihre Darstellungsform. Dies erschwert mitunter den Zugang zu wichtigen Aussagen und Erkenntnissen. Gleichzeitig gibt es ein breites Angebot an Beratungsliteratur, in denen es häufig ganz banal um Anlagetipps geht. Diese sind in der Regel handlicher und prägnanter formuliert. Allerdings fehlt dort üblicherweise die Einbettung der Empfehlungen in die Funktionsweise der Immobilienmärkte. Mit diesem Buch möchten wir die offensichtliche Lücke zwischen immobilienwirtschaftlicher Theorie und Anlagepraxis schließen.

Noch bevor uns der Arbeitstitel ans Herz wachsen konnte, haben wir uns freilich schon wieder von ihm verabschiedet. Dies lag keineswegs daran, dass wir feststellten, dass unser Buch irgendwann nicht mehr nachttischtauglich war, sondern vor allem daran, dass der Begriff der Immobilienökonomie im Deutschen viel weiter gefasst wird, als wir es in diesem Buch beabsichtigten. Auf den folgenden Seiten stehen die Märkte im Vordergrund. Das interdisziplinäre Konzept der Immobilienökonomie, wie es Karl-Werner Schulte mit seinem Haus der Immobilienwirtschaft illustriert, ist jedoch ungleich facettenreicher – und rechtfertigt eher 900 als 200 Seiten. Das wollten wir mit einem gnadenvollen Blick auf unseren eigenen Nachttisch weder den Lesern noch ihren Nachttischen zumuten.

Bleibt abschließend nur zu sagen, dass wir uns herzlich bei den folgenden Personen bedanken wollen, die für die Erstellung des Buches entweder durch inhaltliches Feedback oder organisatorische Unterstützung unerlässlich waren: Nicole Braun, Michael Heinrich, Markus Hesse, Mark Maurin, Claudia Orszullok und Philipp Schäfer.

DIE MÄRKTE

Die Wirtschaftsordnung in Deutschland ist durch die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft geprägt. Überwiegend sorgen also private Märkte für die Bereitstellung von Gütern. Diese Märkte bieten Unternehmen Gewinnmöglichkeiten. Das treibt nicht nur die Produktion an, sondern auch Innovationen. Märkte gelten daher sowohl kurz- als auch langfristig als effizient.

Doch Märkte können nicht alles. Es gibt Situationen, in denen sie versagen würden. Dies betrifft zum Beispiel die innere und äußere Sicherheit, das Rechtssystem oder teilweise die Bereitstellung von Infrastruktur sowie Sozialversicherungen. Die soziale Marktwirtschaft zielt deshalb auf den Ausgleich zwischen der Effizienz des Marktes und dem Korrektiv durch den Staat, um ein hohes Maß an privaten und öffentlichen Gütern bereitzustellen.

Das Konzept der sozialen Marktwirtschaft wirkt unmittelbar in die Immobilienwirtschaft hinein. Dies gilt nicht nur für die Wohnungswirtschaft. Baustandards, Arbeitsplatzrichtlinien oder die Regelung der Ladenöffnungszeiten setzen dem freien Wirken von Immobilienmärkten Grenzen.

Doch welche Märkte sind konkret gemeint, wenn von Immobilienmärkten die Rede ist? Die Vermietungsmärkte? Die Bau- und Investmentmärkte? Die Finanzierungsmärkte? Können diese Märkte getrennt voneinander betrachtet werden? Und wie funktionieren sie?

1. Der Nutzer steht im Mittelpunkt

Kein erfolgreiches Immobiliengeschäft ohne sinnvolle Nutzung.

Es muss Klarheit herrschen, welcher Nutzer eine Fläche an welchem Standort und für welche Aktivitäten benötigt. Die Fläche muss zum Nutzer passen. Für jede Immobilieninvestition ist das der Schlüssel zum Erfolg, denn erst die Nutzung macht eine Immobilie wertvoll.

Es ist schon ein merkwürdiges Phänomen, mit dem die deutsche Immobilienwirtschaft Tag für Tag konfrontiert wird. Das Dach über dem Kopf befriedigt ähnlich wie Essen und Trinken ein elementares Grundbedürfnis des Menschen. Und doch ist das Verhältnis der Immobilienbranche, die schließlich das Dach über dem Kopf bereitstellt, zu ihrer Kundschaft und damit der breiten Öffentlichkeit von Vorurteilen und Missverständnissen geprägt. Für die Situation und die Bedürfnisse der jeweils anderen Seite Verständnis aufzubringen, ist eher die Ausnahme als die Regel.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Die Wahrnehmung des Nutzers von seiner Fläche, von dem Raum, der sie umgibt, ist immer subjektiv. Er sieht nur, wie er darin zurechtkommt, ob dort alles seinen Bedürfnissen und Ansprüchen entspricht. Stimmen die Lage und die Bauqualität? Lassen sich mit dem Zuschnitt und der Ausstattung der Fläche die ursprünglich beabsichtigten Vorstellungen und Aktivitäten umsetzen? Und dann noch die ganzen Detailfragen, dieses Klein-Klein des Alltags: Funktioniert die Heizung? Warum läuft das Wasser mit so wenig Druck? Was riecht hier eigentlich so komisch? Die grundsätzlichen und die alltäglichen Fragen können einen Nutzer schon auf Trab halten – egal, ob das Gebäude, in dem er sich befindet, ihm selbst gehört oder nur gemietet ist.

Kein Wunder also, dass der Gesamtzusammenhang, in dem diese einzelne Immobilie steht, den Nutzer im Normalfall überhaupt nicht interessiert. Es interessiert ihn nicht, wie der Immobilienmarkt funktioniert und wer die treibenden Kräfte in ihm sind. Er sieht, ob die Mieten oder Preise steigen oder fallen. Er sieht, dass die Hausverwaltung besser oder schlechter erreichbar ist. Gelegentlich sieht er als interessierter Zeitgenosse noch, dass man in diesem Geschäft offenbar viel Geld verdienen – und natürlich auch viel Geld verlieren kann. Doch schon die Kenntnis, dass es eine Unterscheidung zwischen Wohnimmobilien und Gewerbeimmobilien gibt, dass Wohnimmobilien und Gewerbeimmobilien als unterschiedliche Märkte zum Beispiel unterschiedlich stark gesetzlich reguliert sind, ist für den überwiegenden Teil der Bevölkerung nicht selbstverständlich.

Es ist vielleicht dieses Desinteresse an ihrem Tun, das wiederum die Akteure in der Immobilienbranche dazu verführt, dass sie in ihrem hektischen Geschäft den Nutzer zuweilen aus den Augen verlieren. Allerdings hat die Immobilienwirtschaft auch über Jahrzehnte auf einer Butterblumenwiese agiert, auf der sie es sich bequem machen und getrost über die Wünsche ihrer Kunden, die gelegentlich vorbeischauten, hinweggehen konnte. Nach 1945 herrschte überall Flächenknappheit im Lande. Egal, was man gebaut hat, es wurde vermietet. Erst in den späten 80er Jahren änderte sich dies. Seither muss die Branche viele Lehren ziehen, die andere Branchen schon früher hatten ziehen müssen. Sie muss sich insgesamt professionalisieren, ihre Mitarbeiter qualifizieren, ihre Prozesse automatisieren und alle Beteiligten besser informieren. Diese Umstellung ist bis heute nicht abgeschlossen.

Immobilien verlangen Improvisationstalent

Die Gefahr, den Nutzer mit seinen Bedürfnissen nicht genügend zu beachten, ist allerdings auch systembedingt. Es gibt wahrscheinlich keine andere Branche, in der so viel Improvisationstalent, so viel rasche Auffassungsgabe und so viel Empathie gefragt ist – alles Dinge, die sich nicht standardisieren lassen. Immobilien zu bauen, zu vermarkten und zu betreiben, bedeutet zuallererst, jeden Tag aufzustehen und neue Probleme lösen zu müssen; Probleme, die noch am Vorabend nicht einmal in Ansätzen zu erkennen waren.

Dies liegt nicht an mangelhaften Prozessen oder unfähigen Akteuren, sondern es lässt sich zu großen Teilen auf die Eigenschaften von Immobilien und ihrer Märkte zurückführen: Jede Immobilie ist ein einzigartiges Objekt. Sie steht für sich – kein Gebäude gleicht dem anderen. Klar mögen manche ähnlich aussehen. Doch allein schon Lage, Ausstattung und Bauqualität sorgen gleich zu Beginn für die ersten Differenzierungen. Über den Lebenszyklus weiten sich diese Unterschiede immer mehr aus. Wenn jedes Objekt besonders ist, lässt sich auch nicht alles standardisieren. Es gibt also ständig neue Probleme, für die neue Lösungen gefunden werden müssen.

Doch bei aller geistiger Beweglichkeit, die von den Immobilienmarktakteuren verlangt wird, gibt es eine Orientierungsgröße, die niemals aus dem Blick verloren werden darf: Die Nutzung einer Fläche – und damit deren Nutzer – ist der entscheidende Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg einer Immobilieninvestition. Völlig egal, ob die Fläche selbst genutzt oder vermietet ist, ob sie zum Wohnen oder zum Arbeiten genutzt wird. Ist die Nutzung der Fläche sinnvoll, entspricht sie den Vorstellungen des Nutzers, erfüllt sie einen Zweck – dann spricht nichts gegen einen wirtschaftlichen Erfolg des jeweiligen Objekts. Weder eine herausragende Bauqualität, noch eine besonders attraktive Architektur, noch besonders innovative Gebäudestrukturen sind Garanten für wirtschaftlichen Erfolg, sondern einzig und allein die Tatsache, dass ein Nutzer genau für diese Aspekte bereit ist, hinreichend zu bezahlen. Teure Objekte in den besten Lagen können sich einer genauso großen Nachfrage erfreuen wie günstige Objekte in den Randlagen.

Am besten zu verstehen ist dieses Grundprinzip bei einem Blick auf das Gegenteil eines Erfolgsmodells – der sogenannten Schrottimmobilie. Die Schrottimmobilie ist in den vergangenen Jahren zu einem geflügelten Wort geworden. Es wird immer dann genutzt, wenn sich ein Geldanlagemodell für Privatanleger als Fehlinvestition entpuppt. Wer dann erstmals vor einer solchen Schrottimmobilie steht, wird sich zunächst wundern, warum diese eigentlich auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich aussieht. Denn die Bezeichnung Schrott bezieht sich nicht auf die Bauqualität des erworbenen Eigentums. Es ist vielmehr so, dass die vorgesehene Nutzung des Objekts überhaupt nicht darstellbar ist.

Das können Wohnungen sein, die sich in Regionen befinden, die unter einer schrumpfenden Bevölkerungszahl leiden. Das können Büroimmobilien an Standorten sein, die durch hohe Arbeitslosigkeit und geringe wirtschaftliche Aktivitäten geprägt sind. Das kann ein Einzelhandelsobjekt in der Einöde oder ein Hotel direkt neben einer Hochgeschwindigkeitsstrecke der Bahn sein. Der gemeinsame Nenner von Schrottimmobilien besteht also darin, dass die vorgesehene Nutzung nicht zum Umfeld passt. Die Fläche ist fehlkonzipiert und steht folgerichtig leer – und der Eigentümer muss sich mit den ausbleibenden Einnahmen und den daraus resultierenden Verlusten herumschlagen.

Der uneingeschränkte Blick auf den Nutzer und seine Bedürfnisse hilft erfolgreichen Immobilienmarktakteuren dabei, auch in gelegentlich unübersichtlichen Momenten des Alltagsgeschäfts die Orientierung zu behalten. Das kommt nicht von ungefähr: Der Nutzer bezahlt schließlich den ganzen Spaß. Er bestimmt, welcher Preis letztlich gezahlt wird, wenn er ein Gebäude kauft – das ist dann der sogenannte Selbstnutzer. Oder er ist Mieter und bestimmt über seine regelmäßigen Zahlungen den Wert eines Gebäudes.

Es ist so ähnlich wie auf dem Aktienmarkt, wo der nachhaltig erzielbare Gewinn eines Unternehmens die entscheidende Orientierungsgröße ist. Er zeigt professionellen Marktakteuren an, ob der Kurs der jeweiligen Aktie aktuell eher günstig oder eher übertrieben ist. Wo auch immer die Marktstimmung die Aktienkurse gerade hintreibt, es ist der tatsächlich erwirtschaftete Gewinn eines Unternehmens, der den Wert des Anteilsscheins ausmacht – der Kurs kann sich davon gelegentlich entkoppeln, aber das wird immer ein vorübergehendes Phänomen bleiben. Der Überschuss ist das Geld, das zur Verteilung ansteht. Steigt der Unternehmensgewinn, hat der Aktienkurs ein belastbares Fundament, um ebenfalls zu steigen. Alles andere ist Spekulation.

So wie diese Zielgröße gelegentlich aus den Augen verloren wird – wenn sich etwa manche Börsianer hoffnungslos verrennen und Luftnummern, wie es viele Internetaktien zur Jahrtausendwende waren, als substanzielle Größe ansehen –, so gerät auch die entscheidende Zielgröße Flächennutzer auf dem Immobilienmarkt in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen aus dem Blick. Steigen etwa die Mieten dank einer robusten Nachfrage nach den jeweiligen Flächen und parallel die Immobilienpreise, so ist alles in bester Ordnung. Steigen aber nur die Preise und die Mieten indes nicht, beziehungsweise wird einfach mal auf Mietwachstum in der Zukunft spekuliert und in die Ankaufskalkulationen eingepreist, dann wird es im Immobiliengeschäft über kurz oder lang holprig.

Die Zuteilungsmentalität wirkt nach

Doch warum wird das immer mal wieder vergessen? Zunächst einmal ist die Vergesslichkeit historisch bedingt. Begleiterscheinungen der Industrialisierung hierzulande waren Urbanisierung und Bevölkerungswachstum. So wurden mehrere Generationen durch eine chronische Flächenknappheit geprägt, die sich mit den verheerenden Schäden des Zweiten Weltkriegs noch einmal zusätzlich verschärfte. Der Nutzer musste mit dem zurechtkommen, was ihm zur Verfügung gestellt wurde. Nimm, was Du bekommst, und halt ansonsten die Klappe, lautete mitunter das Motto. Der Eigentümer saß somit lange Zeit am längeren Hebel. Er bestimmte, wer auf seine Flächen kam und was er dort tun und lassen musste. Aus dieser Zeit stammt übrigens die Neigung vieler Mittelständler, bevorzugt auf eigenem Grund und Boden zu produzieren. Man wollte einfach nicht von den Launen eines „Immobilienhais“ das Kerngeschäft beeinträchtigt sehen.

Obwohl diese Knappheit in den Jahren des Wiederaufbaus schon bald einem Flächenüberschuss gerade im gewerblich genutzten Immobiliensegment wich, wirkt die Zuteilungsmentalität gelegentlich nach. Zu beobachten ist das zum Beispiel noch bei spekulativen Bauten von Büros in den besten Innenstadtlagen, wo es also zu Baubeginn noch keinen Nutzer gibt. Die Flächen entsprechen dann der gerade gängigen Ausstattungsmode und richten sich an vermeintlichen Standards aus, die sich aber schnell wieder ändern können. Der Erstbezug ist in solchen Lagen zunächst unproblematisch. Die üblichen Mieter wie Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer oder Beratungsfirmen finden sich wegen der Neubauqualität und der Lage damit ab, dass sie bei ihrer Mietfläche letztlich nur Massenware geliefert bekommen. Doch wie sieht es in der Nachvermietung aus? Dann ziehen die Erstmieter aus – und mit dem Leerstand kehrt die Einsicht ein, dass wohl nichts so schnell altert wie die gewerblich genutzte Fläche. Nur mit umfassenden Investitionen lassen sich die Flächen auffrischen und damit wieder marktgängig machen.

Allerdings nutzt auch die individuellste Immobilie nichts, wenn der Nutzer kein tragfähiges Geschäftsmodell vorweisen kann. Auch dann droht nachhaltiger Leerstand und dem Immobilieneigentümer Verlust. Entsprechende Denkmäler gibt es überall im Lande. Erinnert sei hier nur an verwaiste Rennstrecken in strukturschwachen Gegenden oder einen riesigen Hangar bei Berlin, aus dem das Lastenluftschiff Cargolifter nie abhob. Immobilienmarktakteure müssen also auch diesbezüglich ihre Nutzer ganz genau anschauen.

Für so manchen Immobilienmarktakteur ist es schlicht und einfach zu mühsam, sich mit den Wünschen und Anforderungen eines Mieters in all ihren Verästelungen auseinanderzusetzen. Viele Immobilienunternehmen sind allerdings auch zu klein, um den notwendigen Aufwand betreiben zu können. Dabei kann diese Mühe bares Geld wert sein. Und es ist gar nicht so schwer, die richtigen Fragen zu finden, um die notwendigen Antworten zu bekommen, die letztlich dafür sorgen, dass Nutzer und Fläche ideal zueinander passen – und damit eine Immobilie erst wertvoll machen.

An erster Stelle sollte die Frage stehen, welcher Nutzer für die Fläche überhaupt in Frage kommt. Schon bei Wohnimmobilien ist das keine banale Frage. Der kalkulierte Preis beziehungsweise die kalkulierte Miete muss in das jeweilige lokale und regionale Muster passen. Luxuswohnungen in Magdeburg treffen auf eine überschaubare Gruppe von potentiellen Nachfragern. Umgekehrt kann es im einst weniger attraktiven Münchner Norden inzwischen ein lohnendes Geschäft sein, weil die Knappheit an Wohnraum in der bayerischen Landeshauptstadt die Preise treibt. Lohnt sich der Bau von Pendler-Reihenhäusern im Rodgau bei Frankfurt? So lange ist das ein schwieriges Geschäft, bis dann plötzlich das S-Bahn-Netz in die Region südöstlich der Finanzmetropole verlängert wird. Ein Ballungsraum reicht bis zur letzten S-Bahn-Station: Das Immobilienangebot Reihenhäuser trifft nun auf zahlreiche neue potentielle Nutzer, die den S-Bahn-Takt benötigen.

Im Geschäft mit Gewerbeimmobilien trennt sich schon an diesem grundsätzlichen Punkt der Nutzerauswahl die Spreu vom Weizen. Hält zum Beispiel der Vermieter einem Interessenten Vorträge, was er als Mieter so alles bekommt – oder hört er zu, was der potentielle Mieter benötigt? Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Interessent gewonnen werden kann, steigt bei der zweiten Variante sprunghaft an. Es ist in der Praxis immer wieder bemerkenswert, dass es von Mietern als Besonderheit herausgestellt wird, wenn man sich für ihr Geschäftsmodell und die daraus resultierenden Flächenanforderungen interessiert.

Die zweite wesentliche Frage ist, wo ein Nutzer die Fläche braucht. Muss er in der Innenstadt präsent sein, weil sich dort sein Zielpublikum befindet? Dann muss er sich auch ein höheres Mietniveau leisten können. Viele Unternehmen haben für ihre Mieten eine obere Grenze gezogen. Sie ziehen dann so nah an die Innenstadt heran, wie sie dieses Mietniveau trägt. „Gut und teuer“ versus „Gut und günstig“: Dann genügt schon ein Platz in der Peripherie einer Metropolregion, die für Mitarbeiter und Kunden gut erreichbar ist. Produzierende mittelständische Firmen wissen dies zu schätzen und wechseln von der Unternehmensimmobilie im Eigentum zur angemieteten Unternehmensimmobilie. Wurden sie einst weit vor die Stadttore geschoben, kehrt die inzwischen saubere Produktion in die Stadt zurück – unter der Voraussetzung, dass sie auf Immobilieneigentümer stoßen, die die Tugend des Zuhörens beherrschen.

Denn die Anforderungen können zuweilen komplex sein. Da sucht zum Beispiel eine internationale Produktprüfungsgesellschaft, deren Zertifikat für den Export in ein bestimmtes Land unerlässlich ist, nach Räumlichkeiten für ihre Deutschland-Niederlassung. Bei einer solchen Anfrage kann man nicht von den reinen Nutzungsarten ausgehen. Nur Büroflächen für die Verwaltung helfen hier nicht weiter. Nur Laborflächen für die Durchführung der Prüfverfahren auch nicht. Ein maßgeschneiderter Neubau ist angesichts der steigenden Baukosten sehr teuer. Bleibt die Suche nach passenden Flächen im Gebäudebestand einer Metropolregion. Viele Vermieter tun sich mit einer Mischnutzung jedoch schwer. Vermeintlich verkompliziert dies die Flächenverwaltung. Doch je genauer die Bedürfnisse des potentiellen Nutzers abgefragt und umgesetzt werden, je maßgeschneiderter die Fläche für ihn ist, je mehr Aufwand er auch selbst in die Ausgestaltung der Flächen steckt, umso geringer wird seine Neigung, nach einem Auslaufen des Mietvertrages umzuziehen. Wenn der Mantel passt, warum soll man ihn ablegen? Sprich: Wenn der Mietvertrag ausläuft, warum soll man ihn dann nicht verlängern?

Individualisierung im Immobiliengeschäft

Im konkreten Fall der Produktprüfungsgesellschaft wurde eine Etage in einem sanierungsbedürftigen Verwaltungsgebäude