Ethan Stark - Neue Verbündete - Jack Campbell - E-Book

Ethan Stark - Neue Verbündete E-Book

Jack Campbell

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Beschreibung

Ethan Stark hat die Truppen in einen Aufstand gegen die Befehlsgewalt der USA geführt. Unter seinem Kommando gehen die Rebellen eine Allianz mit den auf dem Mond lebenden Zivilisten ein und versprechen, sich für die Unabhängigkeit einzusetzen. Stark und seine Männer müssen jedoch nicht nur dem Feind auf dem Mond entgegenhalten, sondern sich auch den Konsequenzen ihres Aufstands stellen. Denn die übermächtigen US-Streitkräfte sind im Anmarsch, um mit aller Härte den Mond zurückzuerobern ...

»Ein militärischer SF-Thriller von großartigem Format. Aufgrund der intensiven Actionszenen und den sympathischen Charakteren liest sich diese temporeiche Geschichte, als wäre der Leser selbst dabei.« Midwest Book Review

Die spannungsgeladene Science-Fiction-Trilogie des Bestseller-Autors Jack Campbell - mit wahren Helden, die jeder Ungerechtigkeit den Krieg erklären:

Band 1: Ethan Stark - Ära des Aufruhrs
Band 2: Ethan Stark - Neue Verbündete
Band 3: Ethan Stark - Das letzte Gefecht

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.




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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelWidmungTeil eins – Im Sturm der SchlachtTeil zwei – Mut der zweiten ArtTeil drei – Aller Ruhm vergangenÜber den AutorWeitere Titel des AutorsImpressum

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Über dieses Buch

Ethan Stark hat die Truppen in einen Aufstand gegen die Befehlsgewalt der USA geführt. Unter seinem Kommando gehen die Rebellen eine Allianz mit den auf dem Mond lebenden Zivilisten ein und versprechen, sich für die Unabhängigkeit einzusetzen. Stark und seine Männer müssen jedoch nicht nur dem Feind auf dem Mond entgegenhalten, sondern sich auch den Konsequenzen ihres Aufstands stellen. Denn die übermächtigen US–Streitkräfte sind im Anmarsch, um mit aller Härte den Mond zurückzuerobern …

eBooks von beTHRILLED – mörderisch gute Unterhaltung.

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch vonRalph Sander

Für Paul Crabaugh, einen guten Freund, dessen eigene Geschichte viel zu früh endete.

Wie immer für S.

Teil eins – Im Sturm der Schlacht

Die organisierte Gewalt, die von den Menschen als Kriegführung bezeichnet wird, nimmt vielerlei Formen an. Ein Angriff kann beispielsweise so plötzlich erfolgen wie ein Erdbeben und auch genauso schnell wieder vorbei sein – ein überraschender, heftiger Wutausbruch, bei dem die Soldaten auf die gegnerische Verteidigung losgehen und sich gleich wieder zurückziehen. Ein Angriff kann aber auch gemächlicher stattfinden und sich langsam steigern. Etwa eine Attacke, bei der Soldaten vorsichtig vorrücken und nach Schwachstellen in der Abwehr suchen. Dabei gehen sie dann so anhaltend und beharrlich vor wie ein Ozean, der unbeirrt Druck auf die Barrieren ausübt, die ihn vom trockenen Land dahinter fernhalten sollen.

Und so begann der Angriff dann auch: langsam, aber beharrlich intensiver werdend. Wie bei der einsetzenden Flut wurde der Druck allmählich größer. Und das an einem Ort, an dem das einzige echte Wasser tief unter dem leblosen Gestein an der Oberfläche für alle Zeit zu Eis erstarrt war. Nach und nach stieg der Druck. Ein leichter Vorstoß hier, ein kurzes Vordringen dort, um Anzeichen für Schwäche festzustellen, um zu sehen, ob die Gegenwehr irgendwo ein wenig nachließ. Jedem Vortasten wurde eine stabile Barriere entgegengesetzt, jedes Vorrücken wurde mal mehr, mal weniger mühelos abgewehrt. Aber der Druck stieg, das Drängen wurde energischer. Von den Barrieren, die sich als zu stark erwiesen, wanderte dieser Druck ab zu Stellen, die weniger Widerstand leisteten. Zwar war es nicht erheblich weniger Widerstand, aber dort wirkten deshalb umso konzentriertere Kräfte ein. Der Widerstand ließ zuerst nur minimal nach, sodass es gar nicht zu bemerken war, doch dann beschleunigte sich der Vorgang angesichts steigenden Drucks, und mit einem Mal begann die scheinbar so stabile Front zu bröckeln.

»Ethan, wir bekommen hier Probleme.«

Sergeant Ethan Stark, stellvertretender Commander der aufständischen Soldaten, die nach wie vor die amerikanische Mondkolonie verteidigten, stieg in aller Eile in seine Gefechtsrüstung. »Ich ziehe mich gerade an, Vic. Was ist denn los?«

»Das Hauptquartier ist ein in sich geschlossener Komplex, da brauchst du keine Gefechtsrüstung«, beklagte sich Sergeant Vic Reynolds, Starks stellvertretende Stabschefin. »Ich brauche dich im Kommandozentrum, und zwar jetzt.«

»Okay, okay. Aber ich komme in Rüstung.« Stark verschloss die letzten Schnallen an seinem Anzug, griff nach dem Gewehr und stürmte aus dem Raum. Die Korridore, durch die er lief, kamen ihm immer noch unwirklich vor. Holzvertäfelungen an Stellen, an denen man das nackte Mondgestein hätte sehen sollen, waren nun mal ein seltsamer Anblick. An den Luxus hier im Hauptquartier werde ich mich nie gewöhnen. Vielleicht können wir den Kram ja verkaufen, um den Sold für unsere Truppen zu bezahlen.

Den größeren Teil des Personals an den Konsolen im Kommandozentrum kannte Stark nicht persönlich. Es handelte sich aber um erfahrene Unteroffiziere, die dafür sorgten, dass der konstante Strom aus Symbolen, Nachrichten und Videoverbindungen zu jedem einzelnen Soldaten nicht ins Stocken geriet. Alles lief an dieser Stelle zusammen, wo vor Kurzem noch Offiziere jedes Dienstgrads versucht hatten, ihren Untergebenen am liebsten jeden einzelnen Atemzug vorzuschreiben. Jetzt, da diese Offiziere inhaftiert worden waren und in Zellen saßen, konnte Stark in diese Rolle schlüpfen. Sofern er das gewollt hätte …

»Wow.« Stark blieb stehen und bewunderte das riesige Hauptdisplay, auf dem ein Frontabschnitt in hochaufgelöstem 3-D leuchtete. Grüne Symbole für die Amerikaner bildeten einen weiten Bogen mit leichten Einkerbungen, der die Verteidigungslinie darstellte. Die aus eigenen Soldaten bestehenden Gruppen scharten sich um mit schweren Waffen ausgestattete Befestigungen, deren Symbole für die starken Verteidigungspositionen standen. Vor diesen grünen Markierungen bewegten sich Ansammlungen aus roten Symbolen wie Ebbe und Flut immer wieder vor und zurück. Es war ein unablässiger Tanz, den die Sensoren von den feindlichen Soldaten auffingen, ein Tanz, darauf ausgerichtet, die amerikanische Verteidigungslinie zu durchbrechen.

»Sie werden energischer, nicht wahr?«

In den drei Tagen seit dem verheerenden Scheitern von General Meechams großangelegter Offensive hatten die Streitkräfte der gegnerischen Koalition mindestens ein dutzend Mal versucht, in der Frontlinie der Amerikaner eine Schwachstelle aufzuspüren, während Gerüchte über Aufstände und Rebellion langsam die Runde machten.

»Ja«, stimmte Vic ihm zu. Das eine knappe Wort sprach Bände. »Wir sollten aber in der Lage sein, sie zurückzuhalten.«

Wir sollten in der Lage sein … Mit finsterer Miene betrachtete Stark wieder das Display. »Warum kommen diese feindlichen Einheiten so nah an uns heran? Warum werden sie nicht weiter zurückgedrängt?«

»Ich weiß es nicht.« Vic versuchte, ihren Frust zu überspielen, doch es gelang ihr nicht so ganz. Immerhin war der Sergeant bemüht, weitaus mehr Soldaten zu dirigieren, als es ihre Ausbildung und ihre Erfahrung eigentlich hergaben.

»In einem Gefecht gefällt mir ein ›Ich weiß es nicht‹ überhaupt nicht, Vic.«

Sie verkniff sich eine bissige Retourkutsche und erklärte schließlich deutlich zurückhaltender: »Mir auch nicht. Aber ich bin mir nicht sicher, was sich da an der Front abspielt. Alles sieht für mich so aus, wie es aussehen sollte. Trotzdem scheint unsere Verteidigung nicht so stark zu sein, wie es eigentlich der Fall sein müsste.« Vic warf ihm einen mahnenden Blick zu. »Wir hätten nicht so früh damit anfangen sollen, die Einheiten rotieren zu lassen.«

»Vic, wir hatten keine andere Wahl. Die Einheiten an der Front waren wegen Meechams Offensive schon viel zu lange dort. Die Leute waren total mitgenommen.«

»Ein paar Tage oder eine Woche lang hätten sie schon noch durchgehalten. Wir haben aber verdammt noch mal mit dem Rotieren begonnen, gleich nachdem wir die Kontrolle übernommen hatten!«

»Jeder hat darauf bestanden«, hielt Stark ihr vor Augen. »Was hätten wir machen sollen?«

»Ihnen sagen, dass das noch nicht geht«, erwiderte sie und schob trotzig das Kinn vor.

»Diese Autorität besitze ich nicht, Vic.«

»Red keinen Unsinn. Sie haben dich schließlich zum Commander gewählt, oder hast du das schon vergessen?«

Stark zeigte mit dem Finger auf sie. »Nein, ich erinnere mich noch genau daran. Und du hast dazu beigetragen. Aber du weißt so gut wie ich, dass ich zwar behaupten kann, vollständige Autorität zu besitzen, dass das aber noch lange nicht bedeutet, von jetzt auf gleich Befehle erteilen zu können, die auch tatsächlich ausgeführt werden. Ich kann nicht einfach jedem nächstbesten Sergeant sagen, was er tun soll. Jedenfalls noch nicht. Vorläufig werden sie sich jedes Mal erst durch den Kopf gehen lassen, was ich mit einem Befehl erreichen will, bevor sie ihn in die Tat umsetzen.«

Sie ließ den Kopf sinken und nickte frustriert. »Vermutlich hast du ja recht. Nein, du hast recht. Aber es gefällt mir trotzdem nicht. Alles ist noch zu vage, und durch das Rotieren der Einheiten ist es nur noch unsicherer geworden. Ich habe für diesen Sektor die Bereitschaftsreserve aktiviert.«

»Gut gemacht. Wie viele Soldaten sind das?«

»Zwei Kompanien.«

»Wo setzt du sie ein?«

»Ich weiß es nicht.« Vics Tonfall war unüberhörbar ungehalten, während sie mit einer ausholenden Geste auf das Display zeigte. »Wo brauchen wir sie?«

»Wenn du es nicht weißt, woher soll ich es dann wissen?« Vic ist die beste taktische Denkerin, die ich je kennengelernt habe. Wenn sie in diesem Wirrwarr keinen Durchblick hat, dann hat den auch kein anderer. Stark sah sich das Display an, auf dem Hunderte von Symbolen aufeinanderprallten und sich dann wieder voneinander wegbewegten. Unablässig wurde ein ständig im Fluss befindlicher Datenstrom an den Rändern des Displays angezeigt, der die Darstellung des Terrains wie ein Rahmen umgab. Das Gelände wirkte so real, dass Stark das Gefühl bekam, er könnte hineinstürzen.

Vic schaute ihn kurz an, konzentrierte sich dann aber wieder auf das Display. »Ich glaube, es liegt daran, dass da einfach viel zu viel angezeigt wird, als dass man sich auf eine Sache konzentrieren könnte, Ethan. Die haben jede Information in dieses Display reingepackt, die sie von irgendwo herholen konnten. Jetzt ist das so überfrachtet, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Wir müssen ausmisten und das Ganze auf die wirklich wichtigen Daten reduzieren.«

»Das hört sich nach einer guten Idee an. Nur können wir das jetzt nicht machen.«

In einem Flüsterton, der so leise war, dass niemand außer Stark sie hören konnte, erwiderte sie: »Ich wünschte, ich wüsste, was wir überhaupt tun können.«

Die anderen Unteroffiziere schauten kurz herüber, ihre Mienen verrieten nichts. Stark lächelte angestrengt und hielt seinen Blick auf das Display gerichtet, um so zu tun, als sei ihm gar nicht aufgefallen, dass er beobachtet wurde. Es ist, als würde ich meinen Trupp führen. Nur ein paar Nummern größer. Die Leute müssen glauben, dass man von seinem eigenen Handeln überzeugt ist, selbst wenn man in dem Moment Todesängste aussteht und keine Ahnung hat, was man tun soll oder kann. Die kurzzeitige Ablenkung löste einen Instinkt aus, da etwas an Starks Verstand nagte. Angestrengt starrte er auf das Display, auf dem sich grüne und rote Symbole in Massen hin und her bewegten, während immer wieder abrupt Gefahrensymbole auftauchten und genauso schnell wieder verschwanden, die für schwere Geschosse standen. Es fühlte sich an wie dieses seltsame Kribbeln zwischen den Schulterblättern, wenn man ins Visier eines Scharfschützen geraten war. Es war, als versuchte das Display, ihm etwas zu sagen, was von seinem Bewusstsein einfach nicht erfasst werden wollte – was aber das Unterbewusstsein zu einem lautstarken Alarmruf veranlasste, da es in unzähligen Kämpfen auf etwas Derartiges gedrillt worden war.

»Was haben wir noch als Verstärkung? Welche Reserve ist unsere nächste?«

»Die nächste?« Vic legte die Stirn in Falten. »Zwei Bataillone, aber die sind nicht in Bereitschaft. Wir müssten sie erst aktivieren, damit sie in ihre Rüstungen steigen.«

»Dann tu das. Sag ihnen, sie sollen sich bereitmachen, um an die Front zu ziehen.«

»Ethan, es gibt im Moment wirklich keinen Grund, einen Haufen Soldaten durch die Gegend zu schicken, die wir später sicher noch in topfittem Zustand benötigen werden.«

Vernünftige Worte und ein vernünftiger Ratschlag. Vic spielte wieder ihre alte Rolle, mit der sie ihn bei seinen Entscheidungen schon oft auf den richtigen Weg gelenkt hatte. Stark sah auf das Display, wobei er mehr den Rhythmus der dargestellten Bewegungen als diese selbst wahrnahm. Das Gefühl, das sich dabei bei ihm einstellte, behagte ihm ganz und gar nicht. »Wir haben das Ganze nicht im Griff, Vic. Wir brauchen diese Truppen, wir müssen sie einsatzbereit haben.«

»Wenn wir sie zu lange in ihren Rüstungen lassen …«

»Ja, ja, ich weiß. Aktivier die Einheiten trotzdem.«

»Ethan, ich finde nicht …«

Das Kribbeln wurde stärker, trieb ihn zum Handeln an. »Ich sagte, du sollst sie aktivieren!«

Vic verstummte mitten im Satz, ihre Miene wie erstarrt. »Jawohl, Sir.«

Die schroffe Reaktion war für Stark wie ein Fausthieb in die Magengrube. Wir haben immer gleichberechtigt zusammengearbeitet, oder ich habe mich Vics Ansicht angeschlossen. Und nun soll ich allein bestimmen, was zu geschehen hat, und das gefällt mir genauso wenig wie ihr. Er zögerte, versuchte, sich nicht ansehen zu lassen, dass er die wütende Miene seiner Freundin bemerkt hatte, während die den Befehl an die beiden Bataillone weitergab. Irre ich mich? Oder führe ich mich bloß auf wie ein Idiot? Nein. Nein. Ich muss das Kommando haben, und jeder Instinkt sagt mir, dass ich diese Truppen brauche.

»Danke«, sagte Stark schließlich leise und ließ alles andere unausgesprochen.

Vic sah ihn an. Seine Bemerkung hatte sie stutzen lassen, auch wenn sie immer noch wütend war. »Gern geschehen. Das hier fällt mir nicht leicht.«

»Mir auch nicht. Lass uns später darüber reden, damit wir einen Weg finden, wie wir das besser geregelt bekommen. Ich will nach wie vor, dass du mir sagst, was du denkst.«

»Das werde ich aber nicht tun, wenn du mir über den Mund fährst, als wäre ich eine kleine dumme Rekrutin«, konterte sie, doch sie klang schon etwas besänftigter.

»Du hast recht.«

Stark staunte, als er sah, dass seine letzten Worte Vic zu einem Lächeln veranlassten. »Na, das habe ich ja noch nie erlebt. Ich habe nicht ein einziges Mal unter einem Commander gedient, der mir je sagte, dass ich recht habe.« Sie schaute Stark an und zog fragend eine Augenbraue hoch. »Warte, ich habe hier zwei Bataillonscommander, die wissen wollen, warum ihre Leute sich bereitmachen sollen.«

»Weil …« ›Weil ich das sage,‹ Nein, das ist eine ganz schlechte Antwort.›Weil der Feind einige heftige Vorstöße unternimmt und die Frontlinie zu sehr unter Druck gesetzt wird. Unsere Leute ganz vorn könnten Verstärkung gebrauchen.‹ Nein, das ist zu schwach. »Sag einfach, wir brauchen Verstärkung für die Front.«

»Okay.« Vic wiederholte Starks Befehl, der über ihre Komm-Einheit an die Bataillonscommander übermittelt wurde, dann nickte sie. »Sie gehen in Bereitschaft. Ethan, das ist ein ziemlich vages Argument, um so viele Soldaten zu aktivieren. Was hat dich so in Sorge versetzt?«

Noch während sie die Frage stellte, tauchte die Antwort vor ihnen auf. »Das da.« Stark zeigte auf die Stelle des Displays, an der eine kleine Gruppe eigener Soldaten auf einmal ihre Position verließ. »Die ziehen sich zurück. Dieser Trupp tritt den Rückzug an. Warum zum Teufel machen die das?«

»Der Bunkerstatus ist in Ordnung«, murmelte Vic. »Corporal Hamilton, was ist da los?«, fragte sie über den Kommunikationskanal des Hauptquartiers. »Warum hat Ihr Trupp den Bunker verlassen?«

Stark schaltete sich dazu, weil er die Antwort hören wollte. Hamilton redete hastig, getrieben von Angst und von dem Stress, den schnelle Bewegungen hervorriefen. »Es sind zu viele von ihnen. Zu großer Druck. Wir konnten nicht bleiben.«

»Hamilton«, herrschte Vic den Mann an, »vor Ihnen befindet sich nichts, was ein verschanzter Trupp nicht bewältigen könnte. Kehren Sie auf Ihren Posten zurück!«

»Negativ. Zu heiß. Wir ziehen uns zurück.«

Stark legte eine Hand auf Vics Schulter, um sie von einer Erwiderung abzuhalten. Mit der anderen zeigte er abermals auf das Display. »Sieh dir an, wie schnell sich die Symbole bewegen. Die ziehen sich nicht bloß zurück, die rennen davon.«

»Sie rennen«, wiederholte Vic in einem Tonfall, als hätte sie das Wort noch nie gehört und wüsste nicht, was es bedeutet. »O Gott!«, flüsterte sie erschrocken, als auch die Trupps zu beiden Seiten des Bunkers ihre Positionen verließen.

»Da drüben auch«, stellte Stark ungläubig fest. »Im Bereich einer ganz anderen Kompanie. Die Frontlinie zerfällt.« Noch mehr Symbole setzten sich in Bewegung, als weitere Soldaten in ungeordneten Gruppen die Front verließen, während die roten Markierungen der feindlichen Soldaten ihnen zwar folgten, sich dabei aber so zögerlich verhielten, als ob sie einen Hinterhalt erwarteten.

»Was ist da los?«, flüsterte Vic und sah dann zu Stark. »Warum rennen sie weg?« Sie schlug mit der Faust auf die Konsole vor ihr. »Warum zum Teufel rennen die weg?«

»Keine Ahnung. Fragen wir noch mal nach.« Stark tippte auf die ID eines Sergeants, der sich in einer der davoneilenden Gruppen befand. »Srijata, was ist da bei euch los? Warum haben Sie Ihren Bunker verlassen?«

Das wilde Durcheinander der Schlacht hallte nur leise in Srijatas Antwort mit. »Ich weiß es nicht! Alle sind auf einmal aufgesprungen und losgerannt!«

»Warum sind Sie losgerannt?«

»Ich kann einen Bunker nicht ganz allein verteidigen! Und ich habe gesehen, dass die Bunker links und rechts ebenfalls aufgegeben wurden.«

Stark wechselte auf einen anderen Kanal. »Private Shanahan, bleiben Sie auf Ihrem Posten!«

»Negativ. Negativ. Zu heiß, ich kann da nicht bleiben!«

»Sie stehen im Moment nicht unter Druck. Also gehen Sie zurück auf Ihren Posten!«

»Wieso? Ich werde nicht einfach sinnlos sterben!«

Vic starrte Stark sekundenlang an, dann wandte sie sich an den gleichen Soldaten: »Private Shanahan, melden Sie sich.« Schweigen. »Ich weiß, dass Ihr Komm funktioniert, Shanahan.«

»Scheren Sie sich zum Teufel!«, kam die von Keuchen unterbrochene Antwort.

»Bleiben Sie auf Ihrem Posten, Shanahan. Andere Soldaten verlassen sich auf Sie!«

»Keiner von denen riskiert seinen Arsch, um mich zu retten, oder? Die laufen auch alle weg.«

Stark lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Kommandozentrum, da ihm auf einmal bewusst wurde, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren.

Oh ja, genau wie als Truppführer, nur dass das hier ein echt großer Trupp ist. Er betätigte den allgemeinen Kanal, der ihn mit jedem Soldaten im gefährdeten Sektor verband. »Hören Sie alle her, hier spricht Stark. Bleiben Sie auf Ihren Positionen. Da bewegt sich nichts auf Sie zu, womit wir nicht fertigwerden könnten. Verstärkung ist zu Ihnen unterwegs. Bleiben Sie auf Ihren Positionen«, wiederholte er. Einige Symbole wurden etwas langsamer, als würden die Soldaten zögern, doch die Lücke in der Frontlinie wurde breiter und breiter, da weitere Einheiten die Flucht antraten. Der Damm war gebrochen, und die Bruchstücke wurden mitgerissen, da die feindliche Flut gegen die zerklüfteten Ränder der klaffenden Lücke drückte. Immer mehr Elemente der Verteidigung gaben nach, sodass das Loch im Damm immer breiter wurde.

Stark bemerkte Sergeant Jill Tanaka, die das Personal des Hauptquartiers unter sich hatte. »Wie weit wird das um sich greifen?«, fragte sie mit verzweifeltem Unterton. »Verlieren wir jetzt die gesamte Frontlinie?«

»Das werde ich Ihnen sagen, wenn ich es weiß.« Wie seltsam. Da stand ihm solche Macht zur Verfügung, und trotzdem war es ihm kaum möglich, Einfluss auf die Ereignisse zu nehmen.

»Verdammt«, fluchte Vic und öffnete einen Kanal. »Wo habe ich bloß meinen Verstand? Artillerie. Grace? Wir haben hier Probleme. Sie müssen den Durchbruch in der Frontlinie schließen.«

Weit weg vom Hauptquartier befand sich der Kontrollraum, der für die großen, von der Infanterie seit Jahrhunderten gefürchteten Kanonen zuständig war. Von dort meldete sich Sergeant Grace, der betont behutsam sprach: »Ich sehe die Stelle. Ich kann sie mit Sperrfeuer belegen, damit der Feind ein bisschen langsamer vorankommt. Aber ohne Bodentruppen, die sich denen dort in den Weg stellen, kann ich den Feind nicht aufhalten.«

»Wir werden jemanden in den Weg stellen. Die Verstärkung ist schon unterwegs. Nehmen Sie schon mal den Feind unter Beschuss.«

»Okay, einen Teil kann ich damit wie gesagt aufhalten, aber nicht die, die am weitesten vorgedrungen sind. Da würde ich Gefahr laufen, unsere eigenen Leute zu treffen. Die Trupps sind zu nah beieinander.«

Vic sah auf das Display, dann schaute sie zu Stark, der bedächtig nickte. »Dann geben Sie Ihr Bestes, Grace. Sie sind der Experte.«

»Wollen Sie denn nicht erst meinen Beschussplan sehen und absegnen?«

»Ganz bestimmt nicht. Von was reden Sie da überhaupt?«

»Standardvorgehensweise«, ratterte Grace runter. »Ich entwickele einen Beschussplan, den schicke ich durch die Befehlskette, damit jeder Offizier auf dem Weg nach ganz oben den Plan abzeichnen und Vorgaben machen kann, welche Kanone wann welches Ziel unter Beschuss nimmt. Danach bekomme ich ihn zurück.«

»Also nachdem die Schlacht schon längst vorbei ist, oder?«

»Hey, ich habe mir dieses System nicht ausgedacht. Also wollen Sie meinen Plan sehen?«

»Auf keinen Fall«, stellte Stark mit Nachdruck klar. »Grace, Sie sind der Experte für den Einsatz Schwerer Artillerie. Erledigen Sie einfach Ihren Job, und falls ich von hier aus irgendetwas Problematisches entdecke, spreche ich Sie darauf an.«

»Befehlen durch Verneinen?«, fragte Grace. »Stark, Sie sind ein Radikaler ganz nach meinem Geschmack. In ein paar Minuten werde ich das Feuer eröffnen.«

»Danke.« Stark drehte sich zu Vic um. »Was soll denn bitte ›Befehlen durch Verneinen‹ sein?«

Reynolds grinste, was angesichts ihrer Anspannung ein wenig beunruhigend wirkte. »Das heißt, du sagst jemandem, dass er eine Aufgabe erledigen soll, dann siehst du ihm zu, wie er sie erledigt. Dabei mischst du dich nicht ein, außer du bist der Ansicht, dass irgendetwas anders gemacht werden muss.«

»Gesunder Menschenverstand«, murmelte Stark. »Wie soll man denn bitte sonst …« Er verstummte, als sein Blick auf die linke Seite der Lücke fiel. »Da hat der Rückzug gestoppt. Genau da. Da sind alle noch auf ihrem Posten. Tanaka, nehmen Sie Kontakt mit diesem Bunker auf und sorgen Sie dafür, dass die Leute bleiben, wo sie sind.«

»Wieso ausgerechnet da?«, fragte sich Vic, während Tanaka zu einem Terminal lief. »Oh verdammt, sieh dir das Gelände an. Sie liegen auf einer Anhöhe, vor der es steil runtergeht. Und davor ist alles voller Felsbrocken.«

»Oh ja.« Stark musste lächeln, als ihm einfiel, um was es ging. »Die ›Burg‹. Wir sind da nie stationiert gewesen. Der beste Bunker, den man sich hier vorstellen kann. Das Gelände sorgt dafür, dass die Marschrichtung des Feindes umgeleitet wird und überhaupt kein Druck entstehen kann.« Er sah zur anderen Seite des durchbrochenen Abschnitts, wo eine Ansammlung von Symbolen der eigenen Leute an einer Stelle verharrte, die wie ein schräg liegendes Oval geformt war. »Vic, da drüben verharren auch noch ein paar auf ihrem Posten. Gott sei Dank.«

»Ja«, bestätigte sie. »Mango Hill wird noch gehalten.«

»Aber das ist doch eine minimale Erhebung. Die müssen vom Feind ganz schön bedrängt werden und halten dennoch aus.«

»Ethan, sieh dir mal die ID der Einheit an«, sagte sie in einem Tonfall, als wüsste sie, dass ihm die Information nicht gefallen würde, die er dort zu sehen bekommen würde.

Sie gefiel ihm tatsächlich nicht. »Oh, Himmel.« Dritter Trupp, Erster Zug, Kompanie Bravo, Zweites Bataillon, Erste Brigade. Sein vormaliger Trupp. Die zwölf Soldaten, die er persönlich ausgebildet und jahrelang angeführt hatte. Sein Trupp, bis die jahrzehntelange Führungsunfähigkeit ihrer Offiziere im gedankenlosen Gemetzel der von General Meecham befohlenen, aber gänzlich unüberlegten Offensive ihren unrühmlichen Höhepunkt erreichte. Eine Offensive, die die Senior-Unteroffiziere schließlich zu einer Meuterei und im Anschluss daran dazu veranlasste, Sergeant Ethan Stark zu ihrem neuen Befehlshaber zu wählen. Der war dadurch gezwungen gewesen, seinen Trupp zu verlassen, egal, wie sehr er ihm ans Herz gewachsen war.

Dieser Trupp, diese Soldaten waren in den letzten Tagen per Rotation an die Front zurückgekehrt und verteidigten nun eine Position, die von entscheidender Bedeutung für die gesamte amerikanische Seite war. Sie blieben genau dort auf ihrem Posten, wo der Feind mit aller Gewalt versuchen würde, den Zusammenbruch der Frontlinie weiter voranzutreiben. »Anita«, rief Stark.

»Sí, Sargento.« Corporal Gomez klang unpassend fröhlich angesichts der Situation.

Ein Blick auf Gomez’ Display zeigte Stark, dass die Gefechtssysteme des Bunkers in rascher Folge Geschosse auf feindliche Ziele abfeuerten, kaum dass die vom lokalen Sensornetz erfasst und angezeigt wurden. Zahlreiche dieser Ziele tasteten sich von verschiedenen Seiten an den Bunker heran und versuchten, sich so weit anzunähern, dass sie die Positionen der Sensoren und der Waffen erfassen konnten. In einer Ecke des Blickfelds, das Gomez von ihrem Platz aus hatte, konnte Stark den über seine Station gebeugten Private Mendoza sehen. Mit gelegentlichen knappen Gesten veränderte er die Prioritäten der Bunkersysteme, um sich auf wechselnde Ziele oder Sektoren zu konzentrieren. »Sie müssen durchhalten«, erklärte Stark. »Genau dort, wo Sie sind. Ich kann nicht darauf vertrauen, dass im Augenblick irgendwer sonst auf seinem Posten bleiben und kämpfen wird.«

»Wir werden kämpfen, Sargento. No problema.«

»Die werden Sie unter Beschuss nehmen, und zwar ganz massiv. Aber Sie müssen diese Position halten«, betonte er noch einmal.

»Si. Niemand verlässt diesen Hügel. Sie bedrängen uns jetzt ganz schön, aber wir teilen genauso ordentlich aus, müssen Sie wissen. Wir werden nicht einfach so wegrennen wie diese Erdwürmer.«

Stark rief eine andere direkte Vid-Verbindung auf und sah aus dem Blickwinkel eines anderen Mitglieds seines ehemaligen Trupps, wie Private Chen aus einer Grube außerhalb des Bunkers den Feind beschoss. Schattenhafte Konturen bewegten sich zwischen verstreut liegenden Felsbrocken hin und her, wanderten im massiv wirkenden schwarzen Schatten und in gleißend weißem Licht umher, das das tote Grau der Mondlandschaft überlagerte. Chen feuerte lässig und in gleichbleibendem Rhythmus auf die Ziele, die sein taktisches System ihm anzeigte. Sein Head-up-Display zitterte, als feindliche Störsender versuchten, die Zielauswahl und deren Erfassung zu verwirren. Die Symbole wechselten in rasendem Tempo ihre Farbe, da die Gefechtssysteme in aller Eile echte Ziele von vermeintlichen zu unterscheiden versuchten. Minimale Vibrationen verzerrten das taktische Display, als eine Kettenkanone ganz in der Nähe in einem rasenden Stakkato Projektile ausstieß.

Es war so leicht, sich dorthin zu versetzen und sich ganz auf diesen Moment zu konzentrieren, wieder in die vertraute Routine eines Truppführers zu schlüpfen, der nur für eine kleine Gruppe Soldaten verantwortlich war, die sich ein Ziel nach dem anderen vornahmen. Umso schwieriger war es, hierher in die Kommandozentrale zurückzukehren, wo er sich um tausende Soldaten sorgen musste.

»Geben Sie mir Bescheid, wenn es bei Ihnen zu heiß hergeht«, befahl Stark und beendete die Verbindung.

Vic sah ihn mit ernster Miene an. »Ethan, bei denen wird bald der Teufel los sein.«

»Ich weiß. Bei ihnen wird der Teufel los sein, weil ich auf sie zählen kann und weiß, dass sie die Position um jeden Preis halten werden. So läuft es immer, nicht wahr? Diejenigen, die eine Aufgabe wirklich erledigen können, auch wenn sie ihnen noch so viel abverlangt, bekommen diese Aufgabe letztlich auch übertragen.« Mit einer Hand fuhr er sich durchs Haar und starrte wieder auf das Display, das den Sektor zeigte, in dem die feindlichen Streitkräfte immer weiter hinter die Verteidigungslinie der Amerikaner vorrückten. »Das ist eine verdammt große Lücke.«

Neue Symbole tauchten auf, schwere Geschosse, die vom amerikanisch kontrollierten Bereich abgefeuert wurden und in hohem Bogen in Richtung Frontlinie rasten, um dort niederzugehen und zu detonieren, wo die gegnerischen Streitkräfte in Massen unterwegs waren und auf das Gelände der Amerikaner vorrückten. »Grace hat recht. Die Artillerie wird sie nicht aufhalten.«

»Dafür kann Grace aber nichts. Er muss ja fast raten, wo der Feind sein wird und sich unsere eigenen Truppen befinden werden. Er wird immer ein Stück weit danebenliegen, es sei denn, du befiehlst ihm, auf unsere Leute keine Rücksicht zu nehmen.«

»Was ich nicht machen werde. Und wie sollen wir diese verdammte Lücke gestopft bekommen, Vic?«

»Ich habe noch diese beiden Kompanien in Bereitschaft.« Sie deutete auf das Display. »Dann muss ich wenigstens nicht länger überlegen, wohin ich mit ihnen soll. Delta liegt weit links ab. Ich schicke sie zu einer Position dicht hinter der Burg, damit sie den Feind von der Flanke her angreifen können«, erklärte sie, wobei ihre Finger über die Kommandokonsole zu fliegen schienen, um die Befehle direkt an die taktischen Systeme der Kompanie Delta zu senden. »Die andere Kompanie steht fast genau vor dem Loch in der Front. Vielleicht können die das Vorrücken der feindlichen Truppen stoppen.« Sie hielt kurz inne. »Okay?«

»Was?«, gab Stark irritiert zurück. Oh, stimmt ja. Ich bin hier der Boss. »Ja. Guter Zug. Mach es so.«

»Das wird nicht genug sein, Ethan. Das war schon verdammt gut von dir, die beiden zusätzlichen Bataillone zu aktivieren.« Vic biss sich so fest auf die Unterlippe, dass etwas Blut austrat. »Kompanie Charlie, ich brauche Sie so schnell wie möglich am Einsatzort.« Noch während sie redete, aktualisierte Vic zügig die verschiedenen Positionen, um sie an die taktischen Systeme der Kompanie zu übermitteln. »Richten Sie eine Verteidigungslinie ein.«

»Das sollen wir ganz allein machen?«, fragte der stellvertretende Befehlshaber der Kompanie Charlie ungläubig. Noch ein Sergeant, der weit mehr Soldaten befehligen und erheblich mehr Verantwortung tragen musste als noch vor ein paar Tagen. »Von dort kommt aber einiges auf uns zu.« Der Feind hatte alle Vorsicht fahren lassen und damit begonnen, die auf dem Rückzug befindlichen amerikanischen Streitkräfte zu jagen. Gleichzeitig strömten immer mehr feindliche Soldaten durch die Bresche, obwohl der Artilleriebeschuss dieser Passage unverändert andauerte.

»Negativ«, besänftigte Vic ihn. »Es geht nur darum, ihr Vorankommen zu verlangsamen. Versuchen Sie nicht, sich ihnen in den Weg zu stellen. Zwei Bataillone sind auf dem Weg zu Ihnen. Haben Sie verstanden? Sie sind nicht allein.«

»Okay.« Obwohl es nur ein Wort war und lediglich über Komm zu hören, konnte man dem Sprecher seine Zweifel deutlich anmerken.

Stark trat unruhig von einem Bein aufs andere. Für den Augenblick waren ihm die Hände gebunden, da alle verfügbaren Streitkräfte in das Gefecht einbezogen worden waren. Die Linie aus Symbolen, die die Kompanie Charlie darstellte, wirkte viel zu klein und unbedeutend, wenn man sie ins Verhältnis zu der Masse an Symbolen aus eigenen und feindlichen Soldaten setzte, die jetzt auf sie zugestürmt kamen.

Die schmale Linie von Kompanie Charlie war gerade eben in Position gegangen, da tauchten auch schon die ersten verstreuten Symbole der auf der Flucht befindlichen Amerikaner auf, die zwischen den anderen Soldaten hindurchliefen. Mehr und mehr Symbole näherten sich, manche allein, andere in kleinen Gruppen. Sie erinnerten an das, was von einer Flutwelle mitgerissen und vor sich hergetragen wurde. »Ethan …«, begann Vic.

»Ja, ich sehe es auch.« Einige Soldaten der Kompanie Charlie ließen sich ebenfalls zurückfallen, wurden mitgerissen von der Welle aus in Panik geratenen Truppen. Zuerst bröckelten die Ränder der Kompanie-Linie, dann wurden Lücken in die Mitte gerissen, und schließlich war es nur noch eine Frage der Zeit, dann gab auch der Rest seine Position auf und schloss sich den Flüchtenden an. »Wir haben ein großes Problem, Vic. Die Flanken können noch so lange auf ihren Posten verharren, aber das ist alles sinnlos, wenn in der Mitte nichts mehr steht.« Es passiert zu viel auf einmal. Wie kann man irgendetwas entscheiden, wenn man so viele Daten gleichzeitig vor sich hat und sich die Dinge schneller verändern als man zu denken vermag? Unentschlossenheit nagte an ihm, zu der sich noch wachsende Angst gesellte. Was sollen wir machen? Den Leuten vorschreiben, auf was sie zu schießen haben, so, wie es diese Offiziere taten? Damit erreichen wir überhaupt nichts. Vielleicht kann ich ja gar nichts machen. Vielleicht kann ich nur dastehen und zusehen und darauf hoffen, dass irgendetwas geschieht, was uns aus dieser Klemme rettet.

Blutiges Gras tauchte vor seinem geistigen Auge auf und verspottete ihn und seine Untätigkeit. Es war so wie damals, als Starks Befehlshaber unschlüssig waren und einfach abgewartet hatten, während ihre Truppen auf Patterson’s Knoll Soldat für Soldat starben, bis ein Punkt erreicht war, der keinerlei Handeln mehr erlaubte. Mein Gott, werde ich etwa zu meinem eigenen ärgsten Feind?

Erinnerungen überschwemmten ihn, als hätte der Gedanke an die aussichtslose Schlacht auf dem Hügel eine Schleuse geöffnet. Ein Bild stabilisierte sich und zeigte ihm mehrere Soldaten, die irgendwo in der Nähe eines namenlosen Schlachtfelds um eine glühende Wärmelampe beisammensaßen. Die Veteranen tauschten Kriegsanekdoten aus, während die weniger erfahrenen Kameraden zuhörten und von etwas erfüllt waren, das sich nahe an Ehrfurcht bewegte. Einer der unerfahrenen Soldaten, der damalige Private Ethan Stark, ließ seinem Frust freien Lauf und erklärte: Das geht einfach nicht. Es ist verdammt noch mal nicht möglich, diese Mission zu erledigen.

Corporal Kate Stein, seine selbsternannte »große Schwester«, erwiderte grinsend: Ich werde dir was sagen, Junge. Wenn du alles versucht hast, was dir in den Sinn kommt, und nichts davon hat funktioniert, dann versuch eben etwas anderes.

Was?, fragte Stark irritiert. Du hast doch gerade gesagt, dass ich alles versucht habe.

Nein, das habe ich nicht. Ich sagte, du hast alles versucht, was dir in den Sinn kommt. Dann versuch eben etwas anderes.

Stark schlug mit der gepanzerten Faust gegen sein Visier. Vic sah ihn überrascht an.

»Wofür war das jetzt gut?«, fragte sie.

»Ich habe nur versucht, ein paar eingeklemmte Hirnzellen zu lösen.«

»Ich hoffe, es funktioniert.« Einen Moment lang ließ Vic den Kopf hängen und stützte sich mit beiden Händen auf der Kommandokonsole ab. Dann hob sie den Kopf wieder und drehte sich erneut zu Stark um. »Ethan, ich weiß nicht, wie ich das aufhalten soll. Ich weiß ja nicht mal, warum es überhaupt geschieht.«

»Ich glaube, ich weiß es.« Er wusste es jetzt, irgendwo tief in seinem Inneren. Manche Menschen kämpfen für Gott, andere für den Ruhm, wieder andere für ihr Land. Für was können diese Soldaten jetzt noch kämpfen? Aber das war ein langfristiges Problem. Erst mal musste Stark hier jeden vor dem Untergang retten. Zu viel geschah gleichzeitig, ein zu großes Desaster bahnte sich an, und zu viel Verantwortung lastete auf ihm. Dennoch fühlte Stark eine sonderbare Ruhe. Überleg dir etwas anderes. Er stand genau vor dem Kartendisplay und zeigte darauf. »Wir versuchen das Vorrücken des Gegners zu stoppen, indem wir ihn mit allem Möglichen bewerfen.«

»So hält man den Gegner auf?«

»Das kommt drauf an. Vergiss mal für einen Moment, wo sich die gegnerischen Truppen jetzt genau befinden. Vergiss den Gedanken, so wenig Gelände wie möglich verlieren zu wollen. Wenn du die Wahl hättest, wo würdest du versuchen, das Vorrücken des Feindes zu stoppen? Zu stoppen im Sinne von ›zum kompletten Stillstand bringen‹.«

»Wenn ich die Wahl hätte? Du meinst, welches das beste Gelände dafür wäre?«

»Ja, eine beliebige Stelle weit genug von der Kolonie entfernt.«

»Genau da.« Sie hob die Stelle hervor, es war ein einsamer Felskamm, der nicht ganz genau in der Mitte der vorrückenden feindlichen Front lag. Vermutlich das Überbleibsel eines sehr alten Kraters, dessen übrige Wände längst durch nachfolgende kleinere Einschläge pulverisiert worden waren. »Das ideale Terrain. Nur liegt es viel zu weit von der Front entfernt. Wenn wir diese Position nicht halten können, gibt es keine andere Stelle mehr, an der wir sie vor der Kolonie noch aufhalten könnten.«

Stark kniff die Augen leicht zusammen und betrachtete die Stelle. »Genau das ist ihre Stärke, Vic. Das verschafft uns Zeit, eine vernünftige Verteidigung einzurichten, bevor der Feind dort ankommt.«

»Ethan, wenn wir diese Verteidigungslinie nicht halten, haben wir verloren.«

»Ja. Aber wenn wir sie nicht da stoppen können, dann können wir sie überhaupt nicht stoppen.« Er nickte kurz. »Okay. Bring die Bataillone da hin.«

»Beide?«, fragte Reynolds erschrocken.

»Wir müssen sie stoppen und dann zurückdrängen.«

»Aber nicht auf diese Weise«, beharrte sie. »Ein riesiger Pulk Soldaten gegen einen anderen riesigen Pulk Soldaten? Und was ist, wenn diese feindlichen Soldaten ein Bataillon genauso überrennen, wie sie es mit Kompanie Charlie gemacht haben? Überleg mal, Ethan. Du willst doch nicht alles auf eine Karte setzen.«

Jeder Nerv verlangte danach, dass Stark handelte, doch er zwang sich dazu, weiter vor dem Display zu stehen und nachzudenken. »Also gut, ein Bataillon wird den Hügelkamm verteidigen. Wo soll das andere Bataillon hin?«

Vic beschrieb mit einem Arm einen Bogen, und mit einem Mal war aus ihr eine aktive Strategin geworden, die die gerade noch empfundene Verzweiflung vergessen zu haben schien. »Bring sie seitlich in Stellung, dann kannst du die Flanke angreifen, sobald der Feind zum Stehen gekommen ist. Und falls uns das nicht gelingt, kann das zweite Bataillon so oder so die Flanke attackieren und auf diese Weise versuchen, sie aufzuhalten.«

»Gut. Sehr gut.« Er wandte sich zum Gehen. »Ich mache mich auf den Weg.«

»Was?«

»Ich mache mich auf den Weg«, wiederholte er und zeigte auf die im Rückzug befindlichen Symbole. »Diese Soldaten werden ihren Vormarsch nicht unterbrechen, nur weil da ein Bataillon im Weg steht. Das haben sie schon bei Kompanie Charlie nicht gemacht. Ich muss dorthin, um sie aufzuhalten.«

»Ethan, du bist der einzige Grund, der die gesamte Armee zusammenhält. Wenn du stirbst, wird alles aus den Fugen geraten.«

»Vic, es gerät längst alles aus den Fugen.« Er drehte sich weg und überließ sie ihrer krampfhaften Suche nach einer Erwiderung. »Sergeant Tanaka, ich muss an die Front gefahren werden. Wie schnell kann ich einen GTT bekommen?«

Sie nickte und gestikulierte gleichzeitig. »Einen gepanzerten Truppentransporter? Sie haben einen eigenen. Genau genommen sogar zwei. Das mobile Operationszentrum für den befehlshabenden General.«

Stark zog die Augenbrauen zusammen. »Ich sagte, ich will einen GTT.«

»Das sind GTTs. Sie sind bloß mit zusätzlicher Kommando- und Kontrollausrüstung ein wenig modifiziert.« Tanakas Finger tanzten über verschiedene Bildschirme. »Ich habe die Wegbeschreibung zum GTT-Dock auf Ihr taktisches System überspielt und die Fahrer alarmiert. Gute Fahrt.«

»Danke, Sarge.« Stark lief los. Er folgte dem Weg, den Sergeant Tanaka in das taktische Gefechtssystem seiner Rüstung überspielt hatte, doch nach ein paar Schritten zwang er sich dazu, deutlich langsamer zu werden. Die Leute sollten mich nicht wie irre davonsprinten sehen, sagte er sich.

Die geöffnete Ladeluke des GTT erwartete ihn. Sie war viel größer, als Stark es kannte, und seitlich in das Fahrzeug eingelassen, sodass er einfach eintreten konnte. Warum um alles in der Welt macht man Abstriche bei der Panzerung und der Tarnung des Fahrzeugs, indem da eine verdammte Tür eingebaut wird? Offenbar wollen Generäle nicht in ihre persönlichen Transporter hineinklettern müssen.

Stark ließ sich auf den Sitz sinken, der vor den Kommandodisplays montiert war, und hantierte mit seinem Geschirr, bis ihm auffiel, dass diese Gurte viel dicker gepolstert waren als üblich. Leise fluchend schnallte er sich an, dann saß er da. Also. Auf geht’s. Los! Verärgert über diese Verzögerung betätigte er sein Komm. »Fahrer, warum bewegen wir uns nicht von der Stelle?«

»Ich warte auf Ihre Befehle, Sir.«

»Befehle?« Ach, zum Teufel. Seit Menschengedenken steige ich in diese Kisten ein, die dann dahin fahren, wohin sie jemand geschickt hat. Ich muss mich wohl von so einigen Angewohnheiten verabschieden. Stark zeigte auf den Felskamm auf seinem Display und schob ihn rüber auf die GTT-Systeme. »Hier haben Sie eine Position. Bringen Sie mich hin, so schnell Sie können.«

»Ja, Sir.« Der GTT erhob sich sanft gleitend, da war nichts von dem heftigen Rucken, dem Stark sonst stets ausgesetzt worden war, wenn er als einfacher Infanterist in diesen Fahrzeugen transportiert worden war. Dann beschleunigte das Fahrzeug zügig und schoss förmlich die breite Straße entlang, die über dem Hauptquartier auf der Mondoberfläche angelegt worden war. Doch kaum waren sie am Ende der ausgebauten Strecke angekommen, kroch der GTT fast im Schneckentempo weiter.

»Was ist los?«, wollte Stark wissen. »Warum schleichen Sie so?«

»Da draußen liegen jede Menge Gesteinsbrocken herum, Sir. Ich muss vorsichtig um sie herumfahren.«

»Jede Menge Gesteinsbrocken?« Stark schaltete auf ein Außenbild um und sah sich das Gelände an, in dem sie unterwegs waren. Felsbrocken, dazwischen ausgedehnte Staublachen. So tot, wie etwas nur tot sein konnte, das nie Leben gekannt hatte. Für eine leblose Landschaft auf dem Mond sah das Terrain gar nicht so schlimm aus. »Wie lange sind Sie schon als Fahrer hier oben?«

»Seit vier Jahren.«

»Seit vier Jahren? Wieso haben Sie dann nicht mehr Erfahrung damit, um diese Brocken herumzufahren?«

»Ich bin der Fahrer des Generals, Sir«, antwortete der Mann und klang ein wenig pikiert. »Ich bin immer in Bereitschaft, wenn der General ein Fahrzeug braucht.«

Und höchstwahrscheinlich hat sich der General nur innerhalb der Kolonie herumkutschieren lassen. Was für eine Vergeudung eines guten Soldaten und eines guten Fahrzeugs. Noch eine Sache, die er ändern musste, sofern er dazu noch Gelegenheit bekam. »Na gut, Mister. Jetzt fahren Sie aber mich, also bewegen Sie dieses Ding zügig von der Stelle. Mir ist egal, ob der GTT dabei einen Kratzer oder eine Beule abbekommt.«

»Ähm, der Standardbefehl lautet …«

»Der Standardbefehl wurde soeben geändert. Und jetzt fahren Sie schon!«

»Jawohl, Sir.« Der GTT beschleunigte wieder; zwar nicht auf das Tempo, das ein geübter Fahrer erreicht hätte, aber immerhin waren sie deutlich schneller als vorher unterwegs.

Stark widmete sich den Kontrollen vor seinem Platz und ließ sich auf dem Display den Sektor anzeigen. Er hielt inne, ein Finger schwebte über der Taste, mit der er sich in die Kamera der Gefechtsrüstung eines der Soldaten an der Front hätte einklinken können, aber dann ließ er die Hand wieder sinken. Es wäre zu leicht, mir die Schlacht aus der Perspektive eines einzelnen Soldaten anzusehen, anstatt meinen eigentlichen Job zu erledigen und den Gesamtüberblick über das Geschehen zu bewahren. Diese verdammte Kommando- und Kontrollausrüstung ist viel zu gut. Ohne es zu wollen, blendete Starks Gedächtnis zurück zum ursprünglichen Angriff auf den Mond.

Vor Jahren war das Kommando- und Kontroll-Vid erstmals mit minimaler Verzögerung als eine weitere Form von Unterhaltung für die Massen direkt an die Networks durchgestellt worden. Es war das erste Mal, dass das Pentagon dahintergekommen war, dass ein nach Blut und Gewalt lechzendes Publikum durchaus bereit war, dafür zu zahlen, eine echte Schlacht aus der Perspektive der Kämpfenden erleben zu können.

So etablierte sich eine geschickte Lösung, das Militärbudget aufzustocken und unverschämt teure Waffen zu finanzieren, ohne dafür den Steuerzahler bluten zu lassen. Was der durchschnittliche Soldat dabei empfand, interessierte natürlich niemanden, und ebenso wenig kümmerte irgendeinen Verantwortlichen die Tatsache, dass dadurch nur noch ein weiterer Keil zwischen Zivilisten und Militär getrieben wurde. Warum haben wir das bloß so lange mitgemacht? Und wie kriege ich meine Leute jetzt ans Kämpfen? Mit finsterer Miene betrachtete er den auf dem Display dargestellten Sektor. Die rennen immer noch. Sie rennen in Scharen. Aber die Flanken halten. Und von der Burg nimmt überhaupt keiner Notiz. Unwillkürlich zuckte er zusammen, als er sah, wie massiv die Position seines alten Trupps auf der anderen Flanke attackiert wurde. »Anita«, fragte er nach. »Wie sieht es aus?«

»Sah schon besser aus, Sargento.« Nur jemand, der sie wirklich gut kannte, war in der Lage, den besorgten Unterton aus ihren mürrischen Worten herauszuhören. »Die haben bei dem Versuch, uns schnell von hier zu vertreiben, eine Menge Leute verloren, und nun versuchen sie es auf die intelligente Tour. Bislang haben die aber noch nichts vorgebracht, dem wir wehrlos ausgeliefert wären. Doch im Moment ist hier ein bisschen zu viel los, um nebenbei zu reden.«

»Verstanden.« Er unterbrach die Verbindung und kämpfte gegen ein Angstgefühl an, das ihn zu überwältigen drohte. Um was ging es noch gleich in der Geschichte, die mein Freund Rash mir erzählt hat? Spartaner. Oh ja, Leute, die bis zum Tod ihren Posten verteidigen. Warum muss das ausgerechnet mein alter Trupp sein?

»Stark?« Der Mann hätte neben ihm sitzen können, so deutlich, laut und energisch erklang die Stimme. Doch das Kommandodisplay hob als Sprecher eine Position auf der anderen Seite des Frontverlaufs hervor. »Was ist los?«

Stark atmete einmal tief durch, um zur Ruhe zu kommen, dann antwortete er in einem gelassenen, selbstsicheren Tonfall: »Wir haben in einem Sektor Probleme. Ich bin jetzt auf dem Weg dorthin.«

»Probleme?«, warf ein anderer Sergeant ein. »Das sieht so aus, als wäre die Front eingebrochen.«

»Ja. Es sieht tatsächlich so aus, weil genau das passiert ist. Aber die Randbereiche halten, und wir haben ein paar Bataillone hingeschickt, um den Feind zurückzutreiben.«

»Wieso laufen die Soldaten denn weg, Stark?«, wunderte sich eine dritte Stimme.

Bis fünf zählen. Ganz langsam. Dann antworten. »Ich werde sie fragen, wenn ich da angekommen bin.«

»Wir werden hier auch unter Druck gesetzt«, warf ein vierter Sergeant ein. »Von vorn bedrängen sie uns, und die Jungs, die uns eigentlich Rückendeckung geben sollen, laufen davon. Wenn das so weitergeht, können wir unsere Position nicht mehr lange halten.«

Stark starrte mit ausdrucksloser Miene auf das Display. Er spürte, wie ihm von allen Seiten Unsicherheit entgegenschlug. Jedes kleine Zögern vervielfachte diese Unsicherheit noch. Obwohl jeder Rückschlag an sich bedeutungslos war, bauten sie sich zu einer Kraft auf, die geeignet war, aus den Verteidigern eine in Panik davonrennende Menschenmenge zu machen. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass wir diese Lücke schließen werden.«

»Vielleicht sollten wir uns wenigstens ein Stück weit zurückfallen lassen.«

»Nein!«, brüllte Stark nahezu. Wer jetzt ein Stück zurückweicht, wird nicht mehr aufhören zu laufen. »Halten Sie Ihre Position! Jeder hält seine Position!«

»Warum?«

Warum. Was für eine simple Frage. Ein Wort. Und nur sehr schwer zu beantworten. Warum sollte man sich für einen anderen umbringen lassen? Allein, dass diese Frage gestellt worden war, bedeutete schon Ärger, denn das »Warum« war eines von diesen Dingen, bei denen man es für selbstverständlich halten sollte, dass es jeder wusste. Das »Warum« war leichter zu beantworten gewesen, bevor die Dritte Division bei Meechams Offensive mit wiederholten Attacken gegen eine viel zu starke Verteidigungsstellung niedergemetzelt worden war. Und bevor die langjährige Gewohnheit des unbedingten Gehorsams zerschlagen worden war, nachdem eine Einheit nach der anderen in Starks eigener Ersten Division sich gegen ihre kommandierenden Offiziere gestellt hatte, um die Überreste der Dritten Division zu retten.

Jetzt erschien ihm jede denkbare Erwiderung auf diese Frage zu langatmig. Alle Erklärungen waren zu ausschweifend, als dass sie für jemanden eine Bedeutung haben konnten, der sich mit einem herannahenden Feind konfrontiert sah, von dem er unter Beschuss genommen wurde. Stark sprach mit aufgesetzter Ruhe, obwohl sein Verstand sich überschlug und vergeblich nach einer halbwegs überzeugenden Antwort suchte. »Wenn sich irgendjemand zurückzieht, lässt er jeden an den Flanken und die Nachhut im Stich.«

»Wir werden ja jetzt schon im Stich gelassen, Stark.«

»Sie befinden sich in einer befestigten Position«, ging Vic dazwischen. »Wenn Sie loslaufen, werden Sie im Freien unterwegs sein und viel leichter zu treffende Ziele darstellen.«

»Stimmt schon. Aber Sie wären nach wie vor im Hauptquartier, und wir wären trotzdem tot. Warum sollten wir uns das antun?«

Stark verspürte einen Schmerz und sah nach unten, dabei stellte er fest, dass er die Faust so fest geballt hatte, dass die Panzerung einen Schraubstock bildete. Welches Argument sollte er diesen Sergeants liefern? Welchen Grund sollte er nennen, da ihnen zusammen mit der Autorität ihrer inhaftierten Offiziere so viel von dem entrissen worden war, woran sie geglaubt und worauf sie sich verlassen hatten? Aber möglicherweise war es in diesem Augenblick verkehrt, nach dem »Was« zu fragen. Vielleicht konnte er ihnen nur ein »Wer« liefern. Für Leute, die keinen überzeugenden Grund wussten, warum sie für sich selbst kämpfen sollten, war es manchmal einfacher, Gründe zu finden, warum es richtig war, für andere zu kämpfen.

Stark ließ seiner Wut und seinem Frust freien Lauf und spie jedes Wort so vorwurfsvoll aus, wie er nur konnte. »Okay, verdammt noch mal! Ihr Affen habt mich gewählt, damit ich diesen lausigen Job übernehme. Ich habe den Job nicht gewollt, aber ich habe auch gesagt, dass ich mein Bestes tun werde, weil ihr mir diese Aufgabe anvertraut habt!«

»Wir haben Ihnen vertraut …«

»Und ich habe euch allen vertraut! Und jetzt, wo ich versuche, genau diesen Job zu machen, wollt ihr mich einfach hängen lassen? Sehe ich das richtig?«

»Stark, wir riskieren hier unseren Arsch.«

»Und was zum Teufel glaubt ihr, was ich hier mache? Die verdammte Aussicht genießen? Ich komme raus zu euch, ich bin auf dem Weg zur Front. Und da werde ich bleiben und dafür sorgen, dass genau diese Front nicht weiter bröckelt. Denn ihr habt mir diesen Job gegeben, und ich werde ihn erledigen. Also, wer von euch wird mich dann im Stich lassen? Wer wird abhauen und meine Rückendeckung aufgeben? Sie, Carmen? Was ist mit Ihnen, Jones? Oder vielleicht Truen?«

Es schloss sich Stille an, während der GTT weitere Hindernisse umfuhr. Stark wurde auf seinem Platz hin und her geschaukelt, doch sein Blick war unverändert stur auf das Kommandodisplay gerichtet. »Wir werden Sie nicht im Stich lassen, Stark«, kam dann endlich eine Antwort. »Wir sind halt … na ja, Sie wissen schon …«

»Nein, das weiß ich nicht. Wir befinden uns in einer Schlacht. Der Feind steht vor euch. Tötet ihn einfach, sobald er auf euch zukommt, dann wird er damit schon aufhören. Ist das für irgendeinen von euch wirklich ein so komplizierter Vorgang, dass er ihn nicht umsetzen kann?« Wieder folgte Schweigen, vielleicht aus Verlegenheit, vielleicht auch aus Trotz. »Also? Werdet ihr kämpfen? Werdet ihr auf euren Posten bleiben? Habe ich euren Rückhalt?«, wollte Stark wissen.

»Ja. Wir haben Sie in die Lage gebracht, wir werden Ihnen Flankenschutz geben. Machen Sie ihnen Feuer unter dem Hintern, Stark.«

»Danke.« Das hatte zumindest mit einem sarkastischen Unterton über seine Lippen kommen sollen, aber übermächtige Erleichterung machte daraus einfach nur eine ehrliche Antwort.

Im nächsten Moment bremste der GTT sanft ab und kam ganz langsam zum Stehen. Stark wartete ab und ärgerte sich insgeheim über die Zeit, die dieses allzu behutsame Manöver kostete, dann löste er sein Geschirr und öffnete die Luke, um nach draußen zu gelangen. Mit einer Leichtigkeit, die auf langjähriger Übung beruhte, stieß er sich mit Händen und Füßen von allen verfügbaren Flächen ab, um den GTT zu verlassen und sich auf die Oberfläche zuzubewegen, anstatt darauf zu warten, dass die geringe Schwerkraft des Mondes ihn nach unten zog. »Setzen Sie den GTT ungefähr zehn Meter zurück«, wies er den Fahrer an. »Der Schütze soll den Felskamm anvisieren, aber gefeuert wird nur, wenn ich das sage.«

»Ähm … Sir … gepanzerte Personentransporter, die als mobile Kommandozentren konfiguriert sind, verfügen über keinerlei Bewaffnung.«

»Sie haben nicht mal eine Kanone? Gar nichts?«

»Nein, Sir. Die Kommando- und Kontrollanlagen nehmen dafür zu viel Platz in Anspruch.«

»Ach, zum … egal, vergessen Sie’s. Setzen Sie die verdammte Karre einfach zehn Meter zurück und versuchen Sie, irgendwie bedrohlich auszusehen.« Stark stand auf der Mondoberfläche, vor ihm erhob sich die Anhöhe, darüber spannte sich der endlose schwarze Himmel mit seinen Billionen von winzigen Lichtpunkten, die weder Trost noch Wärme spendeten. Auf der anderen Seite dieses Kamms strömten ihm von Panik erfüllte Soldaten entgegen, hinter ihm war ein Bataillon auf dem Weg hinaus, um ihm beizustehen. Doch in diesem Moment war alles noch still und verlassen.

Wenn er die hektischen Mitteilungen auf den Komm-Kanälen ausblendete, wenn er die Symbole der eigenen und der gegnerischen Einheiten auf seinem Head-up-Display vergaß, wenn er nicht an den GTT dachte, der ein paar Meter von ihm entfernt parkte, dann … Dann konnte Stark sich vorstellen, ganz allein hier zu sein, der einzige Mensch auf der ansonsten völlig toten Mondoberfläche zu sein.

So, wie der allererste Mensch hier oben, der diese Ansprache gehalten und davon geredet hat, dass alle zusammenarbeiten sollen, um sich den Mond zu teilen. Zu schade, dass uns alle anderen Länder beim Wort genommen haben und hergekommen sind, um sich ihren Anteil zu holen. Zu schade, dass unsere unersättlichen Konzerne sich nicht damit begnügen konnten, auf der Erde alles zu besitzen, und dass sie gekaufte Politiker dazu angehalten haben, uns herzuschicken, damit wir alles zurückerobern. Eine Aktion, die dazu geführt hat, dass wir hier einen unendlichen Krieg führen, den wir nicht gewinnen können und den wir nicht verloren geben wollen, auch wenn wir noch so sehr dafür bluten müssen. Oh ja, es ist zu schade, dass auf jeden Menschen, der kooperieren will, um etwas aufzubauen, immer zwei andere Menschen kommen, die kooperieren wollen, um genau das zunichtezumachen. Hoch über ihm hing die blau-weiße Murmel der Erde und betrachtete scheinbar gelassen die organisierte Gewalt, die ihre Kinder von daheim auf diesen Trabanten mitgenommen hatten. Hast du eigentlich manchmal ein schlechtes Gewissen, Mutter Erde? Dafür, dass du deine Kinder auf andere Welten loslässt? Das solltest du jedenfalls. Vielleicht wäre aus uns etwas Besseres geworden, wenn du uns netter behandelt hättest, als wir noch jung waren.

Stark hatte ursprünglich vorgehabt, oben auf dem Hügel in Position zu gehen, um die maximale Übersicht über das Geschehen zu bekommen und so seinen in Panik geratenen Soldaten besser helfen zu können. Doch irgendein Instinkt hielt ihn hier zurück, hier auf der abgewandten Hangseite. Sein Blick war auf die Symbole gerichtet, die sich ihm aus zwei Richtungen näherten. Rechts von ihm, wo die größte Lücke klaffte, war das Gelände von zerklüfteten Felsbrocken und Steinen übersät. Zu seiner Linken war die Lücke etwas kleiner, doch sie lag ein wenig abseits der schnurgeraden Marschrichtung seiner auf der Flucht befindlichen Truppen. Auf der Erde würden sie nach links oder rechts abbiegen, aber hier werden sie den Hang hinaufgehen, weil das bei der geringen Schwerkraft kein Problem darstellt. Also müssen wir diesen Hügelkamm verteidigen. Richtig? Falsch. Das wird nicht funktionieren. Uns bleibt nicht genug Zeit, um uns hier einzugraben. Außerdem ist jeder, der sich auf dem Kamm befindet, dem Beschuss durch feindliche Soldaten völlig schutzlos ausgeliefert. Und ich muss auch noch all diese Affen davon abhalten, wegzulaufen. Allerdings wird mein Reservebataillon erst eintreffen, wenn die ersten flüchtenden Soldaten längst da sind. Hier gibt’s erst mal nur mich und eine Menge verängstigter Soldaten. Eine ganze Menge verängstigter Soldaten. Hier kann ich sie mir besser vornehmen, wenn sie einer nach dem anderen über den Kamm kommen. Ja, die Chancen dafür stehen hier viel besser. Aber wie bringe ich sie zum Stehenbleiben? Mit einer mitreißenden Ansprache? Stark lachte spöttisch über sich selbst. Ich wüsste nicht, wie ich das anstellen sollte. Was weiß ich denn überhaupt? Ich weiß nur, wie ich Leuten sage, was sie tun sollen.

Eine Gestalt kam keuchend über den Hügelkamm, die Bewegungen waren vor Müdigkeit und Panik leicht unkoordiniert. Stark rief das Symbol des Soldaten auf, sofort wurde er identifiziert. »Corporal Watkins!« Der Mann zuckte überrascht zusammen und sah dorthin, wo Stark stand. »Gehen Sie da rechts in Position.« Stark deutete mit der gepanzerten Hand auf eine bestimmte Stelle.

»Was? Aber …«

»Watkins, schaffen Sie Ihren Hintern da rüber! Sofort!« Der Soldat rührte sich schließlich von der Stelle und gehorchte instinktiv dem Befehl, auch wenn das ein wenig zögerlich geschah. Gleich darauf tauchten zwei weitere Soldaten auf.

»Jurgen! Rodriguez! Nach links, zu dem Felsen da!«

»Dicht hinter uns befindet sich eine feindliche Armee! Die können wir nicht aufhalten!«

»Das haben Sie bislang ja noch nicht einmal versucht. In Position!«

»Wer zum Teufel sind … Stark? Sie sind Stark?«

»Ja, ich bin Stark. Werden Sie hierbleiben und an meiner Seite kämpfen, oder werden Sie mich im Stich lassen?«

Die beiden Privates gingen langsam los und begaben sich auf der Schräge auf die Position, zu der Stark sie geschickt hatte. Gleich hinter ihnen traf der nächste Soldat ein. »Steinberg! Rüber zu Corporal Watkins!«

»Ich werde nicht …«

»Klappe halten und da rüber mit Ihnen!« Stark hatte es kaum gesagt, da näherten sich auch schon die nächsten zwei Soldaten, die aber beide auf dem Kamm stehenblieben und sich in Richtung Verfolger umdrehten. »Sergeant Ulithi, Sergeant Van Buskirk! Runter da!«

»Wir werden sie stoppen«, beharrte Van Buskirk mit vor Wut und Frust bebender Stimme, während er äußerlich ganz ruhig dastand.

»Ja, das werden wir«, stimmte Stark ihm zu. »Aber das werden wir hier unten machen. Und zwar einen Mann nach dem anderen.« Er spürte etwas zu seiner Linken, wo Jurgen und Rodriguez bei dem Felsbrocken warteten. Beide strahlten Unschlüssigkeit aus, so als wollten sie doch noch jeden Moment die Flucht ergreifen. »Sergeant Ulithi, kommen Sie auf meine Linke, und kümmern Sie sich um die beiden Soldaten und um jeden weiteren, den ich zu Ihnen schicke. Van Buskirk, Sie machen das Gleiche auf meiner rechten Seite mit Corporal Watkins.«

»Roger. Keiner von ihnen wird das Weite suchen, Stark.« Die Sergeants nahmen ihre Position ein, und Starks kleine Verteidigungslinie wurde schon ein wenig standfester. Immer mehr amerikanische Soldaten kamen über den Hügel zu ihnen, bis es zu viele waren, als dass Stark sich noch an jeden Einzelnen hätte wenden können. Stark pickte sich ein paar heraus und sorgte dafür, dass mit ihnen auch deren Kameraden anhielten. Nach und nach kehrte Ruhe ein, da der Feind nicht länger im Blickfeld und jeder von Freunden umgeben war. Hinzu kamen mehr und mehr Sergeants, die ihren Soldaten abwechselnd Mut zuredeten oder sie zusammenstauchten. Allmählich wurde aus dem geprügelten Mob wieder eine bewaffnete Streitmacht.

»Commander Stark?« Eine weitere Stimme, die von schwerem Keuchen unterlegt war, ertönte von einem Symbol, das sich ihm von hinten näherte. »Viertes Bataillon. Befehlshaber Sergeant Milheim.«

Stark ließ die Situation vor seiner Front für einen Moment auf sich beruhen, wechselte zu anderen Scans und jonglierte in aller Hektik mit dem Wust an Zuständigkeiten, für die er Sorge trug. »Schön, Sie zu sehen. Sie haben Ihre Positionen in Ihrem taktischen System?«

»Ja, die gefallen mir aber gar nicht.«

»Was zu-« Stark unterbrach sich hastig, da er sich daran erinnerte, wie sehr sich Vic darüber geärgert hatte, von ihm wie ein Rekrut an seinem ersten Tag herumkommandiert zu werden. Er ist kein hirnloser Private, der noch feucht hinter den Ohren ist, sondern ein intelligenter Senior-Unteroffizier. Ich bin nicht vollkommen, und ich habe nicht die Zeit, alles bis ins letzte Detail zu durchdenken. So viel Zeit kann sich nur jemand nehmen, auf dem nicht solche Verantwortung lastet. Das sollte ich mir wirklich lieber merken. »Wo liegt das Problem?«, redete er kurz angebunden, aber respektvoll weiter.

Milheim zeigte auf den Hügelkamm. »Sie wollen mein Bataillon dritteln. Ein Drittel hier in der Mitte, die beiden anderen jeweils links und rechts. Ich möchte aber den Großteil meiner Leute hier in der Mitte haben und an beiden Flanken jeweils nur eine Kompanie aufstellen.«

Stark ließ sich die Worte durch den Kopf gehen. »Warum?«

»Weil der Feind sich nicht auf den Weg durch das raue Terrain da links machen wird«, argumentierte Milheim. »Das hält einfach viel zu sehr auf, selbst bei der geringen Schwerkraft. Und diese Lücke auf der rechten Seite ist zu weit von der Linie entfernt, auf der sie vorrücken. Nein, die werden genau in der Mitte durchmarschieren wollen, deshalb will ich hier genug Feuerkraft haben, um sie aufhalten zu können.«

»Könnte riskant werden, falls Sie sich irren«, stellte Stark fest. »Aber es klingt überzeugend.« Und auf der Ebene, auf der seine Instinkte angesprochen wurden, fühlte es sich genau richtig an. »Okay, machen Sie’s so, Milheim. Aktualisieren Sie die taktischen Systeme Ihres Bataillons, und dann verteilen Sie die Leute so, wie Sie es für richtig halten. Und beeilen Sie sich, uns bleibt nämlich nicht mehr viel Zeit.«

»Alles klar.« Obwohl die Antwort nur als Komm an Stark übermittelt wurde, war aus dem Tonfall deutlich Milheims erleichtertes Lächeln herauszuhören, ehe er auf andere Kanäle umschaltete, um seine Soldaten in Stellung zu bringen.

»Ethan?«

»Ja, Vic?«

»Was zum Teufel macht Milheim denn da?«

»Oh, tut mir leid, ich hatte dich der Unterhaltung nicht zugeschaltet.« Wen wunderte das in Anbetracht einer ganzen Schlacht, die er im Blick behalten musste. »Wir haben entschieden, sein Bataillon anders aufzuteilen als von dir vorgegeben.«

»Ah, verstehe. Du hast die Offiziere von ihren Posten gejagt, also musst du dich jetzt meinen Befehlen widersetzen.«

»Denkst du, dein ursprünglicher Plan war besser?«

»Woher soll ich das wissen? Ich weiß allerdings, dass ich keine Schlacht führen kann, wenn du improvisierst und mich dabei nicht auf dem Laufenden hältst.«

Stark zuckte leicht zusammen. Sie hatte völlig recht. »Von jetzt an lasse ich dich mithören.«

»Danke«, sagte Vic, klang aber kaum beschwichtigt. Er würde einiges an Wiedergutmachung leisten müssen, wenn diese Schlacht hinter ihnen lag. Vorausgesetzt, sie beide überlebten das hier. »Versteh mich nicht falsch, aber ich bin es nicht gewöhnt, solche Massen an Soldaten kontrollieren zu müssen. Ich brauche Informationen und Rückmeldungen.«

»Verstanden. Geht mir nicht anders.«

»Bist du dir wirklich sicher, dass das Bataillon auf dieser Seite des Hügels in Position gehen soll? Den Feind könnt ihr da am besten erwischen, wenn er den Hügel auf der anderen Seite hinaufklettert.«

»Stimmt schon, aber uns erwischen die am besten, wenn wir oben auf dem Hügel stehen und auf sie schießen wollen. Unsere Leute sind noch immer ziemlich aufgewühlt, Vic. Ich muss sie dort in Stellung gehen lassen, wo sie geschützt sind.«

»Du bist vor Ort, du musst entscheiden.«

Dieser schlichte Satz ließ Stark aufhorchen. Er war daran gewöhnt, dass die Offiziere sich weit hinter der Front aufhielten und mit ihrer Kommando- und Kontrollausrüstung versuchten, am liebsten über jeden einzelnen Schuss zu bestimmen, den er abfeuerte. Wenn wir das hier unbeschadet überstehen, dann möchte ich wetten, dass ich aus diesen Affen Soldaten machen kann, die zehnmal so gefährlich sind wie zu der Zeit, als ihnen jeder Schritt vorgeschrieben wurde. Ich muss nur die Chance dazu bekommen.

Für den Moment herrschte Ruhe, die Frontlinie links und rechts von ihm nahm weiter Gestalt an, während Milheims Bataillon den Soldaten das Rückgrat zurückgab, das ihnen beim Ansturm des Feindes abhandengekommen war. Wieder wechselte Stark den Kanal. »Anita, wie sieht’s aus?«

Ihr Atem ging schwer, die Anzeige der Körperfunktionen ergab Stress auf der gesamten Bandbreite der dargestellten Werte. »Die sind überall, Sargento. Allzu lange wird dieser Bunker nicht mehr durchhalten. Die haben unsere Position bestimmt und bewerfen uns jetzt mit dem schweren Zeugs.«