Euphoria City - Anika Beer - E-Book

Euphoria City E-Book

Anika Beer

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Beschreibung

Gefangen in einem gefährlichen Spiel

Nora verbringt so viel Zeit in Euphoria wie nur möglich. Vor ein paar Jahren ist sie zum ersten Mal eingetaucht in die Welt zwischen Realität und Traum: ein Spiel, in dem alles möglich ist. Doch so golden die Welt dort glänzt, so gefährlich ist das Spiel. Seit sie ihren Bruder dadurch verloren hat, sucht Nora einen Weg, Euphoria abzuschalten. Ein rätselhafter Hinweis führt sie zu Sami, einem schmächtigen Jungen, der so gar nichts von lebensgefährlichen Abenteuern hält. Und Nora ist nicht die Einzige, die ihn entdeckt hat …

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Seitenzahl: 553

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ANIKA BEER

EUPHORIA

CITY

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Originalausgabe Juli 2021

© 2021 by Anika Beer

© 2021 cbj Kinder- und Jugendbuch Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Dieser Titel wurde vermittelt durch die Literarische Agentur

Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover,

Alle Rechte vorbehalten

Innenillustrationen: Larissa Burkhard

Umschlagillustration: Nele Schütz Design, München

unter Verwendung von Motiven von © Shutterstock (metamorworks, iurii)

kk · Herstellung: ik

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-26418-5V001

www.cbj-verlag.de

Für all die Samis,

Tatus und Krähenmädchen da draußen.

Ihr seid nicht allein.

Prolog

Nachtgedanken

Es ist dunkel auf dem Flur. Dunkel und still – der stillste Teil der Nacht. Sogar die Eltern sind ins Bett gegangen, der Fernseher schweigt längst und nur noch die große Standuhr unten in der Diele tickt.

Doch Nora ist wach. Kaum, dass aus dem Schlafzimmer ihrer Eltern nichts mehr zu hören war, ist sie wieder aufgestanden und auf den Flur geschlichen. Weil unter der Tür zu Mikas Zimmer immer noch Licht hindurchscheint, trotz der Ermahnung der Mutter, nicht mehr zu lange aufzubleiben. Und weil die Stille eine andere ist als sonst. Eine Stille, die gefährlich klingt.

Nora presst ihr Auge gegen das Schlüsselloch von Mikas Tür. Der Schlüssel steckt nicht, das ist ihr Glück, und so sieht sie ihren Bruder dort sitzen, wie sie ihn so oft in den letzten Wochen dort hat sitzen sehen. Auf seiner Bettkante, während er auf das Döschen mit den goldenen Pillen in seiner Hand starrt. Angeblich hat er sie nicht angerührt, seit das mit Jacko passiert ist. Wozu auch? Dieses »Große Ding«, von dem Mika immer so begeistert gesprochen hat, das Geheimprojekt, an dem sein bester Freund mitgearbeitet hat, gibt es doch angeblich nicht mehr. Und Jacko … Jacko liegt im Koma. Es wäre also kein Wunder, wenn auch Mika mit diesem Projekt und den Pillen nichts mehr zu tun haben wollte.

Aber Nora weiß es besser.

Weil sie ihn beobachtet, Nacht für Nacht, wie er auf das Döschen starrt, es hin und her dreht, einen fiebrigen Glanz in den Augen und ein verklärtes Lächeln auf den Lippen. Wie er die Pillen schluckt und dabei so beängstigend zufrieden und erfüllt aussieht. Jede Nacht.

Heute aber ist es anders. Mika sitzt da wie immer, das Döschen in der Hand. Doch im Gegensatz zu sonst ist seine Miene dabei nicht verzückt und auf diese unheimliche Art glücklich. Er ist blass, sein Gesicht verzerrt, und in den harten Linien um seine fest zusammengekniffenen Lippen sieht Nora frustrierte, verzweifelte Wut. Sie kann nur raten, was diese Wut hervorgerufen hat, aber sie reimt sich zusammen, dass auch das mit Jacko zu tun haben muss. Es ist Donnerstag. Mika besucht Jacko jeden Donnerstag im Krankenhaus. Seit sieben Monaten inzwischen, doch nach allem, was Nora weiß, ist sein Zustand bisher unverändert. Genau wie der der anderen jungen Programmierer, mit denen Jacko an diesem mysteriösen Geheimprojekt gearbeitet hat. Nora hat ihre Eltern darüber sprechen hören, an einem der vielen Abende, an denen sie in den letzten Monaten rastlos durchs Haus geschlichen ist, während ihre Familie glaubte, dass sie schliefe. Direkt erzählen sie ihr kaum etwas, weder ihre Eltern und schon gar nicht ihr Bruder – wahrscheinlich halten sie sie mit ihren elf Jahren für zu jung für solche Geschichten. Aber Nora hat es trotzdem gehört, und sie begreift bestens, dass ihre Eltern sich große Sorgen um Mika machen. Denn auch Nora macht sich Sorgen. Weil er ihr mit jedem Tag fremder wird. Immer weniger ihr geliebter, bewunderter großer Bruder, mit den lachenden Augen und dem Kopf voller Ideen und Pläne. Er wird immer blasser, die Schatten auf seinen Wangen immer tiefer, seine Hände immer zittriger.

Deshalb ist Nora wach und beobachtet ihn. Jeden Abend. Presst ihr Auge ans Schlüsselloch und verfolgt alles, was er tut – wie er dort sitzt, auf das Döschen starrt, lächelt. Üblicherweise nimmt er irgendwann zwei Pillen und blickt dann einige Sekunden lang verklärt vor sich hin, ehe er das Döschen wieder im Nachttisch versteckt. Danach legt er sich bloß noch hin und schläft, und auch Nora geht schlafen, wenn auch nicht ohne jedes Mal minutenlang mit sich zu ringen, ob sie ins Zimmer schleichen und eine der Pillen stehlen soll. Weil sie es wissen will. Begreifen will, was in Mika vorgeht, wenn er tut, was er tut. Aber am Ende hat sie sich nie getraut, obwohl sie inzwischen schon so viele Nächte hier Wache hält, dass sie sie nicht mal mehr zählen kann.

So wie heute hat sie Mika allerdings noch nie gesehen. Wenn er Jacko besucht hat, ist er hinterher jedes Mal in sich gekehrt und noch verschlossener als sonst. Aber nicht wütend. Nicht so.

»Warum hast du mich nicht mitgenommen?«

Nora zuckt zusammen, als seine Stimme dumpf durch das Holz der Tür zu ihr dringt. Die Worte klingen genau so fremd, wie sein Gesichtsausdruck aussieht, heiser und voll zorniger Bitterkeit.

»Warum lässt du mich nicht rein? Du hast es versprochen! Willst du mich verarschen, Jacko?!« Er springt auf, beide Hände zu Fäusten geballt, und starrt mit wildem Blick in die Schatten jenseits des kleinen Lichtkreises der Nachttischlampe.

Nora spürt, wie ihr ganzer Körper sich anspannt. Das ist nicht gut. Irgendetwas Furchtbares wird gleich passieren, da ist sie sich sicher. Sie muss jetzt dort reingehen, sie muss ihn aufhalten, was auch immer er vorhat. Aber sie ist wie gelähmt.

Mika wendet sich mit einer abgehackten Bewegung zurück zum Bett, beugt sich vor und beginnt im Nachttisch zu kramen. Nora beobachtet ihn atemlos, wie er Bücher und Taschentücher und allen möglichen Krempel achtlos auf den Boden wirft, bis er findet, was er sucht: einen Beutel aus schwarzem Stoff, der oben mit einem Zugband verschlossen ist. Als Mika ihn umdreht, fallen winzige goldene Pillen heraus, regnen auf die Bettdecke und hüpfen über den Boden. Noras Augen werden groß und sie schnappt nach Luft. Es müssen hundert oder mehr sein. Wo hat er die alle her?

»Siehst du das?« Mikas Stimme glüht jetzt vor Wut, er spuckt die Worte regelrecht aus. »Ich bin der beste User, den ihr je hattet. Ich mache alles! Ich kann alles! Ich weiß alles über euer beschissenes System. Reicht das nicht? Was soll ich denn noch tun, betteln?!« Zornig schleudert er den leeren Beutel in eine Ecke und das Metalldöschen hinterher, das aufspringt und noch mehr Pillen auf den Boden prasseln lässt. Dann hält er atemlos inne, den Blick wie gebannt auf den Pillenhaufen auf dem Bett gerichtet.

»Es reicht«, flüstert er. »Es muss reichen. Es reicht ganz bestimmt.«

Wie in Zeitlupe streckt er seine Hand nach den Pillen aus und greift, so viele er fassen kann. Schimmerndes Gold regnet zwischen seinen Fingern hervor. Kurz schließt er die Augen, wie um sich zu konzentrieren. Ein tiefer Atemzug fließt sichtbar in seinen Körper hinein und wieder heraus. Dann nimmt er mit der anderen Hand das Glas Wasser, das auf seinem Nachttisch steht.

Jetzt endlich kommt Leben in Nora. »Mika, nein!« Sie stößt die Tür auf und stürmt in den Raum.

Mika erstarrt mitten in der Bewegung. Wortlos stehen sie voreinander. Mikas Augen sind verblüfft geweitet, während immer noch einzelne Pillen zwischen seinen Fingern hindurchfallen und über den Dielenboden davonhüpfen. Ein Schatten huscht über sein Gesicht, und kurz glaubt Nora, dass er sie jetzt wütend anfahren und hinauswerfen wird – und doch erkennt sie in seinem Blick und dem kleinen Seufzer, der kurz darauf über seine Lippen schlüpft, eine eigenartige Erleichterung. Ist er vielleicht sogar froh, dass sie ihn aufgehalten hat?

Dann aber verschließt sich sein Gesicht erneut, er schüttelt den Kopf, und nun sieht Nora in seinen Augen nur noch Traurigkeit. Weil er glaubt, dass Jacko ihn verraten hat. Mit Nora hat das hier nichts zu tun, und sie begreift, sie kann ihn gar nicht aufhalten. Nichts, was sie sagt oder tut, kann ihn stoppen.

»Hey«, flüstert Mika endlich. Tränen glitzern in seinen Augenwinkeln. »Was machst du denn hier? Geh wieder ins Bett, okay?«

Er weiß vermutlich, dass Nora das nicht tun wird. Aber er will nicht, dass sie sieht, was gleich passiert. Nora glaubt auch, dass sie selbst das nicht will. Aber noch weniger will sie einfach hinnehmen, dass er geht. Denn das wird er. So ist auch Jacko gegangen, und all die anderen, nachdem sie ihnen das Projekt weggenommen haben. Mika hat es gesagt, in seinen bitteren Zwiegesprächen auf dem Bett, die Nora belauscht hat. Und nun hat er selbst all diese Pillen in der Hand.

»Lass das.« Auch ihre Stimme ist gebrochen vor Tränen, dabei hat sie gar nicht gemerkt, dass sie weint. »Bitte. Tu sie wieder weg.«

Aber Mika schüttelt ein weiteres Mal bloß den Kopf. »Es ruft mich«, sagt er, und nun ist da wieder dieser fiebrige Glanz in seinen Augen. Dieses unheimliche Glück. »Ich muss gehen. Tut mir leid, kleiner Vogel.«

Und ehe Nora noch etwas sagen oder tun oder auch nur schreien kann, hat er die ganze Handvoll Pillen in seinen Mund geworfen und spült mit Wasser nach.

Sekundenlang passiert gar nichts. Sie stehen immer noch voreinander und starren sich an, und für einen Augenblick hat Nora die wilde Hoffnung, es hätte nicht funktioniert. Vielleicht wird er gleich einfach das Licht ausmachen und schlafen gehen, wie immer. Vielleicht wird er auch wütend werden, so wie eben, aber auch das wäre in Ordnung.

Doch dann geht ein Ruck durch Mikas Körper, ein Zucken, wie eine Welle vom Kopf bis hinunter in die Zehen.

»Ja!«, flüstert er und lächelt – ein wunderschönes, strahlendes, verboten seliges Lächeln. »Das ist es! Ich … Ich hab es geöffnet, ich … komme zu dir …«

Dann verdreht er die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen ist, und fällt einfach um.

Und Nora schreit.

1

Der Flug der Krähe

Sechs Jahre später.

Es begann als ein feines Zittern, irgendwo in dem Raum zwischen ihrem Magen und ihrem Herzen. Nora schloss die Augen und spürte den Beton der Dachkante unter ihren bloßen Füßen. Vor ihr, über ihr und unter ihr – nichts als Leere. Das höchste Dach der Stadt. Langsam breitete sie die Arme aus.

Komm.

Das Zittern setzte sich fort, ein feines Flüstern, und rann bis in ihre Fingerspitzen. Schwarze Federn, schattengleich. Sie schluckten das Licht, wo es golden hätte glänzen sollen.

Jetzt.

Sie ließ sich fallen.

Die Schwerkraft griff nach ihr, ein grelles Ziehen im Magen, als sie dem Boden entgegenraste, sekundenlang. Dann fing sich der Wind rauschend in ihrem Gefieder. Kräftige Schwingen schlugen, ein gellender Schrei brach aus ihrer Kehle.

Und sie flog.

Nora riss die Augen auf. Weit unter ihr breitete sich die Stadt aus, ein schillerndes Kunstwerk aus gläsernen Türmen und stählernen Brücken, aus Beton und Stein und Erde geformt, umarmt von wuchernden Ranken und den Ästen hoch aufragender Bäume. Euphoria City. Die Hauptstadt Euphorias. Strahlend und düster, wild und fragil.

Nein. Nicht hier. Such dort, wo ich wirklich bin.

Nora blinzelte. Einmal. Zweimal. Die Krähe schlug mit den Flügeln und glitt weiter über die warmen Luftströme dahin. Die Stadt unter ihr flackerte und wurde durchscheinend wie milchiges Glas, durch das die echte Welt hindurchschimmerte. Eine andere Stadt. Tristes Grau, rotbraun und gelb gefleckt vom Herbstlaub. Millionen Menschen. Echte Menschen, eingefroren im Blinzeln der Dämmerzeit, die nichts von dem Schatten ahnten, der über sie hinwegzog.

Wo bist du?

Die Puppe – jenes Enigma, das sie für ihre Mission so dringend brauchte; sie musste hier sein. Die Krähe hatte sie gefunden, und die Krähe irrte sich nie. Nun musste Nora ihr nur schnell genug folgen.

Mit einem weiteren gellenden Schrei landete der Vogel im Geäst eines fast kahlen Ahornbaumes. Unter dem Baum stand eine Bank, und auf der Bank saß … ein Junge?

Bist du es?

Ein Ruck durchfuhr Noras Körper. Ihren Menschenkörper, der zurückgeblieben war, dort auf dem Dach in Euphoria City. Ihre Sicht verschleierte sich.

Nein! Noch nicht!

Die Schwerkraft zerrte an ihren Beinen. Wind und Regen strichen empfindlich kühl über ihre nackten Arme, als wären dort kahle Stellen in ihrem Gefieder.

Warte! Ich habe sein Gesicht noch nicht gesehen …

In diesem Augenblick hob der Junge auf der Bank den Kopf und sah zu ihr hinauf. Mit klaren, wachen Augen, als wüsste er genau, dass sie dort war und ihn beobachtete. Dabei hätte er sich gar nicht bewegen dürfen.

Er war so fragil. Die Haut so glatt und ebenmäßig wie bemaltes Porzellan, die dunklen Locken umtanzten das schmale Gesicht in einem Wind, den es in der Dämmerzeit eigentlich nicht geben konnte.

Du bist es.

Der Junge starrte sie an. Fragend, die glatte Stirn kräuselte sich leicht dabei. »Wer bist du denn?«

Die Verbindung flackerte. Nora hustete und spürte es in ihrer menschlichen Kehle kratzen. Sie taumelte rückwärts, stolperte auf Menschenbeinen, die steif waren wie Stöcke. Bilder verschoben sich, ineinander, übereinander. Das Gesicht des Jungen verschwamm wie ein glatter See, in den jemand einen Stein geworfen hatte. Seine Lippen bewegten sich, aber Nora konnte ihn nicht mehr hören. Die Sinne der Krähe entglitten ihr.

Dann erstarrte die Zeit und zersprang in winzige Splitter.

Die Krähe war fort. Zurück blieb nur ein hustendes Mädchen auf dem höchsten Dach der Stadt.

Bis auch das sich in glitzernde Scherben auflöste.

Nora schlug die Augen auf. Fahles Neonlicht flackerte und stach direkt in ihren Kopf. Sie kniff die Lider wieder zusammen. Ihr Magen zog und schien sich zu dehnen, als wolle er sich verknoten. Ihre Glieder zitterten, und auf ihrer Stirn und im Nacken stand kalter Schweiß. Saures Brennen stieg ihr die Kehle hinauf.

»Scheiße.« Nora tastete über die klammen, zerknitterten Laken, hin zum Nachttisch. Zu fahrig. Zu unkontrolliert. Dann bekamen ihre bebenden Finger die halbe Zigarette zu fassen, die noch im Aschenbecher lag. Und das Feuerzeug.

Ein Klicken. Zwei tiefe Züge, der widerlich bittere, pelzige Geschmack, der sich auf ihrer Zunge ausbreitete. Und dann, endlich, Erleichterung.

Langsam verebbte das Zittern und ihr Magen hörte auf zu rebellieren. Nora nahm einen dritten Zug, wälzte sich auf die Seite und drückte die Kippe wieder aus. Ekelhaft.

Das ist Medizin. Die muss nicht schmecken, sondern dich nur auf den Beinen halten.

Sie drehte sich wieder auf den Rücken und atmete langsam aus und ein. Es wurde schlimmer. Jedes verdammte Mal.

Wenigstens hatte es sich diesmal gelohnt. Noch besser wäre allerdings gewesen, sie hätte gleich aufstehen und lossprinten können. Der Gedanke brachte sie zum Lachen und gleich darauf zum Husten.

In ihren Träumen vielleicht.

Nachdem sie noch zehn weitere langsame Atemzüge gemacht hatte, setzte sie sich vorsichtig auf. Die Welt blieb, wie sie war. So weit, so gut. Nora stand auf, schaltete den Wasserkocher ein und ging auf wackeligen Beinen zum Fenster. Blassgelbes Herbstlicht fiel durch einen Spalt zwischen den hässlichen braunen Vorhängen. Draußen hatte es endlich aufgehört zu regnen. Nora zog die Vorhänge zur Seite und schaltete die flackernde Neonröhre aus, die das wohl schäbigste Einzimmerapartment der Stadt beleuchtet hatte. Ein muffiges Hinterhofloch. Billig und der perfekte Ort, wenn man unentdeckt bleiben wollte.

Draußen trieb der Wind nasse gelbe Blätter über den dreckigen Hof. Einzelne Sonnenfinger brachen durch die Wolken. Auf einem fast kahlen Zweig der ausladenden Kastanie hockte die Krähe und sah mit starrem Blick zu ihr herüber. Nora grinste matt.

»Was sagst du dazu?«, fragte sie und wusste selbst nicht genau, wozu eigentlich.

Die Krähe, wie nicht anders zu erwarten, schwieg. Erst nach einer Weile schüttelte sie unwillig ihr pechschwarzes Gefieder und gab ein heiseres Krächzen von sich.

»Hast ja recht«, murmelte Nora. »Keine Zeit zu verlieren.«

Sie wandte sich vom Fenster ab und schlüpfte in den schwarzen Wollmantel, der neben der Tür hing. Ein automatischer Griff in die Tasche – Zigaretten, Feuerzeug. Und die verbeulte Pillendose. Nora brauchte nicht hineinzusehen, um zu wissen, wie viele Pillen noch darin waren. Sie tat es trotzdem.

Fünfzehn. Dreizehn golden. Zwei schwarz.

Und das Foto, das nach all den Jahren noch immer im Deckel klemmte und sie anlächelte.

Mika.

Nora schloss die Augen und unterdrückte das erneute Zittern, das sie überkommen wollte. Schon zuckten ihre Finger zu den Pillen.

Noch nicht.

Aber bald. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben.

Mit einem scharfen Knacken ließ sie das Döschen wieder zuschnappen und in der Manteltasche verschwinden. Eins nach dem anderen.

Der Wasserkocher brodelte inzwischen und schaltete sich kurz darauf aus. Nora wankte zurück zu der klapprigen Küchenzeile und schaufelte löslichen Kaffee in eine Blechtasse, füllte sie zur Hälfte mit heißem Wasser und Energydrink auf und stürzte die Brühe hinunter, ohne umzurühren. Der beißend saure Geschmack vertrieb das Zittern, obwohl sie sich am liebsten direkt übergeben hätte. Danach war es besser. Vorübergehend.

Wieder tasteten ihre Finger ganz von selbst nach dem Pillendöschen in ihrer Tasche. Wieder zwang sie sich, sie zurückzuziehen.

Noch. Nicht.

Nora schlug den Kragen ihres Mantels hoch und öffnete die Tür. Feuchtkalter Wind blies ihr ins Gesicht. Nein, definitiv noch nicht. Sie hatte etwas anderes zu erledigen, hier, in der echten Welt. Und dafür musste sie auf zwei Beinen stehen.

Die Stadt war grau und voller Menschen. Nora bewegte sich rasch mit dem Strom und genoss das Gefühl, in der Menge unterzugehen. Es war beruhigend, eine von vielen zu werden, ein Schatten unter Schatten. Die Augen des Prinzen waren überall. Drei Tage war es her, dass der Wind sie auf der Suche nach einem Puppen-Enigma in diese Stadt getragen hatte, mit ihren verwinkelten Häuserschluchten und vollgestopften Straßen. Es hätte einfach sein müssen, unbeobachtet zu bleiben. Doch seit gestern schon fühlte Nora immer wieder einen Blick, der ihr folgte, wie ein Kribbeln im Nacken. Auch die Krähe war ungewöhnlich unruhig, und das konnte nur eins bedeuten: Jemand hatte sie entdeckt. Jemand aus Euphoria.

Nora beschleunigte ihren Schritt und sah sich um. Irgendwo hier war es gewesen. Über diese Straße war sie mit der Krähe geflogen, sie war sich ganz sicher. Sie erkannte die Geschäfte, die mickrigen Bäume in der Mitte der Fußgängerzone und die U-Bahn-Station, deren Rolltreppenschacht unablässig einen dünnen Strom von Passanten ausspie. Drei Strahlen Sonne, und die Menschen kamen aus ihren Löchern. Darauf war immer Verlass. Und da drüben war auch die Bank, auf der der Junge gesessen hatte. Mit Blick auf das gigantische Einkaufszentrum CityCenter, in dessen vollverglaster Front sich das dramatische Himmelsschauspiel des Sonnenuntergangs hinter aufgebrochenen Regenwolken spiegelte. Kein Zweifel, dies war der richtige Ort.

Aber die Bank war jetzt leer.

Verdammt!

Ein Flattern vertrauter Schwingen rauschte über Nora hinweg. Die Krähe ließ sich auf der Lehne der Bank nieder und krächzte. Nora blieb stehen, verfluchte ihre Schwäche, die sie so lange aufgehalten hatte, und ließ unschlüssig den Blick schweifen. Keine große Überraschung, so gesehen. Wer würde hier schon lange sitzen wollen? Aber wohin war er gegangen? Grob überschlagen hatte sie etwa zwanzig Minuten gebraucht bis hierher. In der Zeit konnte man ziemlich weit in alle Richtungen laufen.

In diesem Moment krächzte die Krähe noch einmal, stieg mit heftigen Flügelschlägen von der Bank auf und segelte davon. Nora sah ihr überrascht nach.

Was …?

Und da sah sie ihn. Klein und zierlich, der Rucksack auf seinem Rücken zu wuchtig für seine Gestalt. Er strebte direkt auf das Einkaufszentrum zu.

Der Puppenjunge!

Nora rannte los. Noch einmal durfte sie ihn nicht verlieren! Schon drohte die große gläserne Drehkreuztür ihn mit einem großen Schwung Menschen zu verschlucken und in die anonyme Sicherheit der Menge zu schaufeln. Noras Herz raste. Im Laufen tasteten ihre Finger in der Tasche nach dem Pillendöschen, und ihr Puls beschleunigte sich, flatterte vor Freude auf das ersehnte Kribbeln, das gleich durch ihren Körper schießen würde.

Tu’s nicht!, schrie ihr Verstand. Zu früh! Zu schnell hintereinander!

Ach, scheiß drauf. Nur die eine.

Das Licht gefror.

Und Nora flog.

Als Nora vor inzwischen mehr als sechs Jahren zum ersten Mal Euphoria betreten hatte, um dort nach ihrem großen Bruder zu suchen, war ihr die erste Ebene die vertrauteste und zugleich erschreckendste von allen gewesen. Wie alles erstarrte und sich in Glas verwandelte, und dämmergoldenes Licht die Menschen zu reglosen Schatten werden ließ. Ein Licht, das die Sinne betäubte und sie schwindeln ließ, während eine überwältigende Leichtigkeit sie überschwemmte wie ein Rausch. Ihr Körper schien hier kein Gewicht zu haben. Keine Schmerzen. Kein Gefühl. Und so viel bizarre Schönheit in den vertrauten Dingen, die nichts mehr waren als Schemen ihrer selbst, gläsern und doch fließend. Sie hatte ewig gebraucht, um sich darin zurechtzufinden.

Gerade war sie allerdings ziemlich blind dafür. Nora rannte, ohne den Boden zu berühren. Ihr Körper glitt durch schillernde Wände, als wären sie gar nicht da.

Wo ist er? Hilf mir, Krähe!

Sie hatte die stumme Frage kaum zu Ende gedacht, da spürte sie das bekannte Kitzeln, als sich ihr Schatten von ihr löste, lichtlose Schwingen ausbreitete und hinaufstieg in die Luft. Das Krächzen der Schattenkrähe hallte weit in der goldenen Dämmerlandschaft. Immer höher schraubte sich der Vogel hinauf. Suchte. Spähte. Und fand, was Nora allein nicht hätte finden können.

Oder wen.

Den Puppenjungen.

Er war im Fahrstuhl. Dem Fahrstuhl mit der verglasten Front, der an der Fassade des CityCenters hinauffuhr bis in den siebten Stock. Allein.

Nora blieb stehen. Atmete tief durch, um ihr wild pochendes Herz zu beruhigen. Jetzt nichts überstürzen. Kräfte sparen. Er konnte ihr nicht mehr entwischen. In Euphoria, selbst auf der ersten Ebene, verlief die Zeit anders. Was für ihn nur ein Blinzeln war, verschaffte ihr in Euphoria eine ganze Stunde.

Nora rief die Krähe wieder zu sich und stieg langsamer die Treppe hinauf. Weiter hinauf, bis ganz nach oben, wo die Büros der Verwaltung lagen und um diese Zeit kaum noch Menschen die Flure kreuzten. Dort hockte sie sich hin und zog Ekaterinas Multitool aus der Tasche. Ein leichter Stich schmerzte in ihrer Brust. Nora biss die Zähne zusammen.

Das hätte dir gefallen, Kitty.

Sie drückte den Schlüssel in die kleine Vertiefung unterhalb des Fahrstuhlknopfes und drehte ihn zweimal herum. Dann wartete sie, dass die Welt zu blinzeln aufhörte.

Und der Fahrstuhl klingelte.

2

Sami

Der Montag hatte es nicht gut mit Sami gemeint. Erst hatte er die Klausur im Mathe-LK gründlich vergeigt, dann war das Taekwondo-Training ausgefallen, wo er sich die nervigen Zahlen aus dem Kopf hätte prügeln können. Und sein bester Freund Tatu, mit dem er sich zum Ende dieses Scheißtages wenigstens zum Zocken hatte treffen wollen, hatte ihn auch noch versetzt.

Sorry Piezke, hatte er geschrieben. Wird heute nichts. Der Commander hat spontane Invasion angekündigt, kann nicht weg. Sehen uns morgen! PS: Schon süchtig?

Damit spielte er auf das Rätselgame an, das er Sami am Vormittag in der Schule untergejubelt hatte – falls du mal wieder ein bisschen Rage und Braintoast nötig hast, zwinkerzwinkergrins. Von Anfang an hatte Sami geahnt, dass das nichts Gutes bedeuten konnte, und er hatte recht behalten. Kreise und Kreuze klicken vor einem kitschigen Fantasy-Elfenhintergrund war ja an und für sich schon reichlich psychedelisch. Trotzdem hatte Sami den halben Nachmittag davorgehangen wie ein Cyberzombie – obwohl er es eigentlich nicht mal hatte ausprobieren wollen, aber es lenkte ihn zumindest irgendwie davon ab, dass sein bester Freund keine Zeit für ihn hatte, weil er mit seiner diktatorischen Tante abhängen musste. Bis es seinen Laptop zum Absturz gebracht hatte, der seitdem keinen Mucks mehr von sich gab. Sami war gründlich bedient. Frustriert hatte er den Rechner in den Rucksack gestopft und war mit dem Fahrrad in die Innenstadt gestrampelt. Im CityCenter gab es einen Laden namens Doctor PC. Hoffentlich hatten die was drauf.

Das CityCenter leuchtete schon im Abendlicht, als er ankam – was so spät im Herbst natürlich nicht viel hieß. Sami schloss sein Rad am Johannisplatz an und setzte sich für einen Moment auf die Bank neben der U-Bahn-Station. Er war schnell gefahren und in der dicken Jacke ziemlich durchgeschwitzt. Außerdem mochte er das riesige Einkaufszentrum zwar nicht besonders, aber er sah es sich trotzdem ganz gern an, wenn der Sonnenuntergang sich darin spiegelte. So wie jetzt. Manchmal hatte er dann das Gefühl, die Zeit würde für einen Moment den Atem anhalten. Still werden und in sich hineinlauschen. Es war irgendwie beruhigend, wenn auch auf eine ziemlich schräge Art – deswegen hatte Sami auch noch niemandem davon erzählt. Außer Tatu.

Eine Krähe krächzte ganz in der Nähe. Sami wandte den Kopf. Und tatsächlich, dort saß sie, auf dem Baum direkt neben der Bank, und starrte ihn aus glänzend schwarzen Knopfaugen an.

»Wer bist du denn?«, fragte Sami, und wieder überkam ihn dieses Gefühl. Als wäre er in einer Blase, in der es für einen langen Moment nur ihn gab und die Krähe. Er grinste schief.

»Du bist ja wohl hoffentlich kein schlechtes Zeichen für meinen Laptop.«

Der Vogel spreizte leicht die Flügel und krächzte noch einmal. Dann flog er auf und segelte in Richtung des CityCenters davon. Sami starrte ihm nach. Was für eine schräge Begegnung …

Er kramte sein Handy aus der Hosentasche und schrieb eine Nachricht an Tatu.

Rechner tot, sitze in der City und rede mit Vögeln. Alles deine Schuld.

Die Antwort kam postwendend. Ein Sticker, auf dem ein Männchen auf Knien um Vergebung flehte.

Sorryyyy …

Und dann, ein Teddy, der Herzchen-Glücksstrahlen auf ihn schoss.

Sami starrte auf die Nachricht. Eine Ewigkeit, wie ihm schien. Dann steckte er das Handy wieder weg, lehnte sich zurück und sah in den Himmel, an dem die Wolken sich in immer dramatischer werdender Beleuchtung übereinandertürmten.

Trottel.

Aber es half ja alles nichts.

Sami stand auf und schulterte seinen Rucksack. Bei seinem Glück machten die PC-Doktoren ihren Laden sonst noch direkt vor seiner Nase zu.

Das CityCenter hatte sieben Stockwerke. Damit war es nicht unbedingt das höchste Gebäude der Stadt, aber es ging trotzdem recht hoch hinaus. Das merkte man vor allem, wenn man sich mit einem lärmenden Haufen fremder – und aus Samis zu kurz geratener Perspektive leider fast immer ziemlich großer und massiger – Menschen in den sogenannten Panoramafahrstuhl zwängen musste, bewegungsunfähig gegen die Scheibe gepresst, und keine andere Wahl hatte, als zuzusehen, wie die Straße weit unten immer kleiner wurde. Sami war für gewöhnlich schon mit dem zweiten Stock mehr als bedient. Heute musste er bis in den vierten. Glücklicherweise stiegen die anderen Leute alle schon im ersten wieder aus – Fressmeile und Fastfoodtempel – und verschafften ihm so wenigstens etwas Luft zum Atmen. Von dem Platz, um sich ein paar Schritte von der Glasfront zu entfernen, ganz zu schweigen. Sami atmete erleichtert auf und drückte auf den Knopf, der die Türen schloss, damit bloß keine neuen Menschen hereinkamen, die ihn zurück gegen die Scheibe hätten drängen können.

In diesem Moment, gerade als der Fahrstuhl sich erneut in Bewegung setzte, geschah es schon wieder. Die Zeit blinzelte zu langsam, und die Welt um ihn herum schien zurückzuweichen. Sami schüttelte sich. Was war denn heute los? Wahrscheinlich war sein Gehirn irgendwie weich geworden von diesem blöden Spiel.

Wie zur Antwort auf seine Gedanken summte in seiner Hosentasche das Handy. Wieder Tatu. Garantiert. Automatisch tasteten seine Finger danach, um eine weitere missgelaunte Nachricht zurückzuschreiben.

Allerdings vergaß er dieses Vorhaben sehr schnell, als der Fahrstuhl in diesem Moment den vierten Stock erreichte – aber nicht dort anhielt. Das Licht leuchtete, die Klingel läutete leise. Doch die Kabine stieg unbeirrt weiter die gläserne Fassade hinauf.

Samis Herz begann zu flattern.

Ganz ruhig. Alles cool. Kein Grund zur Panik. Du hast nicht richtig gedrückt.

Er drückte den Knopf für das fünfte und sicherheitshalber auch noch für das sechste und siebte Stockwerk.

Nichts geschah.

Fünfter Stock, dann der sechste. Jetzt bekam Sami doch ziemliche Panik. Er hämmerte auf den Knopf mit der Glocke – nichts.

Kein Notruf?!

Scheiße. Scheißescheißescheiße …

Siebter Stock.

Ping.

Der Fahrstuhl hielt an. Mit leisem Surren glitten die Türen auseinander. Sami sah den Flur mit den ebenfalls vollverglasten Büros der Verwaltungsabteilung kaum. Endlos erleichtert wollte er aus dem Fahrstuhl stolpern, raus, bloß raus hier – als ein ausgestreckter Arm ihm wie eine Schranke den Weg versperrte.

»Hi.«

Sami starrte das Mädchen an. Sie war ein beachtliches Stück größer als er und ziemlich dürr, das sah er sogar unter dem abgetragenen schwarzen Wollmantel und der verwaschen-schwarzen Jeans, die sie trug. Ihr kurz gelocktes Haar wirkte ein wenig zerrupft, wie das struppige Gefieder eines nassen Vogels, und es hätte schwarz sein können, hätte nicht ein stumpfgrauer Schleier darauf gelegen, als sei es staubig. Die Haut des Mädchens war so hell, dass sie fast transparent schien, und unter den schiefergrauen Augen lagen Schatten wie dunkelviolette Blutergüsse.

»Ich bin Nora. Kann ich reinkommen?«

Sami kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf. »Äh«, sagte er, weil ihm etwas Schlaueres nicht einfiel. »Also, das würde ich nicht machen, ich habe gerade …«

Aber da war sie auch schon drin und drückte den Knopf für das zweite Untergeschoss. Samis Herz setzte einen Schlag aus. Er versuchte noch, sich an ihr vorbeizudrängeln, aber sie stand im Weg.

»He! Warte, der Fahrstuhl ist …«

Zu spät. Sie glitten schon abwärts.

»… kaputt. Ach scheiße.«

Er konnte einfach nicht aufhören, sie anzustarren. Sie kam ihm eigenartig bekannt vor. Aber woher?

Das Mädchen namens Nora schien sich inzwischen nicht besonders darüber zu bekümmern, dass sie gerade in einen womöglich defekten Fahrstuhl eingestiegen war. Tatsächlich bildete Sami sich sogar ein, so etwas wie Erleichterung auf ihrem Gesicht zu sehen. Sie sah sich mit schmalen Augen in der kleinen Kabine um, als wolle sie sichergehen, dass sonst niemand im Fahrstuhl war. Dann wandte sie sich wieder Sami zu.

»Wie heißt du?«

»Sami«, sagte Sami, ehe er Gelegenheit hatte, darüber nachzudenken, warum er eigentlich einer Fremden seinen Namen verraten sollte.

»Hm.« Nora nickte. Dann musterte sie Sami mit eindringlichem Blick. »Hast du meine Nachricht bekommen?«

Ihre Stimme war ein bisschen heiser, und tiefer, als man es bei einem Mädchen in ihrem Alter vermutet hätte. Sie verursachte Sami eine Gänsehaut. Aber – Nachricht?

»Entschuldigung, ich glaube, du verwechselst mich gerade.«

Nora schüttelte den Kopf. »Nein. Ganz sicher nicht. Also sag schon. Hast du sie bekommen?«

Sami war drauf und dran, den Kopf zu schütteln. Aber dann fiel es ihm wieder ein. Sein Handy. Es hatte gesummt, kurz bevor … Unwillkürlich zuckte seine Hand zu seiner Hosentasche.

Ein schmales und irgendwie schiefes Lächeln erschien auf Noras Gesicht.

Das Krähenmädchen möchte dich nach Euphoria einladen, stand auf dem Display. Nur dieser eine Satz. Sonst nichts.

Das Krähenmädchen.

Noras Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen. »Das bin ich.«

Krähenmädchen. Krähe.

Ja, jetzt wusste er, woher sie ihm so bekannt vorkam. Die Krähe auf der Bank. Aber das war doch Quatsch. Völliger Unsinn …

»Kein Interesse.« Er schoss die Worte so schnell heraus, dass er selbst kaum wusste, sie vorher gedacht zu haben.

Nora hob eine Braue. »Du weißt doch noch nicht mal, worum es geht.«

»Will ich auch gar nicht.« Sami ließ seinen Blick zur Schalttafel des Fahrstuhls huschen. Dritter Stock, und das blöde Ding schien auch diesmal nicht anhalten zu wollen. Drückte denn da draußen niemand mal auf den Knopf?!

Nora runzelte die Stirn und schien nach Worten zu suchen. »Ich weiß nicht, ob du es gemerkt hast«, sagte sie, und in ihrer Stimme war jetzt ein Anklang von Ungeduld zu hören, »aber ich versuche gerade, dich um Hilfe zu bitten.«

Sami warf ihr einen verblüfften Blick zu. Ihr helfen? Nein, das hatte er bisher tatsächlich nicht rausgehört. Und Interesse hatte er trotzdem keins. »Danke«, sagte er bestimmt, »aber nein danke.«

Nora zog die Brauen noch dichter zusammen. »Jetzt hör mir doch wenigstens zu En-«

»Nein.«

Nora schwieg einen Moment. Sie schien eindeutig irritiert davon, dass Sami sie nicht mal hatte ausreden lassen – ein kleiner, wenn auch schäbiger Triumph.

Aber dann tat sie etwas, womit Sami nicht gerechnet hatte. Er hatte nicht gesehen, wie Nora sich bewegte, und trotzdem war sie plötzlich ganz nah, neigte sich dicht zu ihm hin und starrte ihm eindringlich ins Gesicht, sodass er jede einzelne der dichten, rabenschwarzen Wimpern sehen konnte, die ihre Augen umrahmten. Ihr Atem streifte seine Wangen, und Sami roch einen eigenartig kühlen Duft, wie nach Wind und feuchter Erde.

»Aber ich brauche dich«, flüsterte sie, und nun hörte er unter dem kühlen Hauch noch etwas anderes: Verzweiflung. Echte, tiefe und sehr, sehr dunkle Verzweiflung. »Bitte, Sami. Hilf mir!«

Obwohl sie ihn nicht einmal berührte, presste ihre Nähe Sami die Luft aus dem Brustkorb. Instinktiv wich er zurück, so weit er konnte. Der Handlauf vor der Scheibe drückte sich in seinen Rücken. »Ich …«

Der Fahrstuhl war inzwischen fast im Erdgeschoss angekommen. Sami nahm allen Mut zusammen, stieß Nora mit einem Ruck zur Seite und griff an ihr vorbei zur Schalttafel, um auf den Knopf mit dem E zu drücken. Er hatte nicht viel Hoffnung, dass der Fahrstuhl diesmal etwas anderes tun würde, als einfach immer weiter zu fahren, bis sie ganz unten in der Tiefgarage angekommen waren. Doch zu seiner Überraschung hielt der Fahrstuhl im nächsten Augenblick mit einem leichten Ruck an. Gerettet!

»Ich muss aussteigen.«

Als er sich an Nora vorbeidrängte, rechnete er fest damit, dass sie ihn aufhalten würde, und innerlich war er schon darauf vorbereitet, ihr ordentlich eine zu verpassen, wenn es sein musste – für irgendwas musste so ein blauer Gürtel im Taekwondo schließlich gut sein.

Aber nichts dergleichen geschah. Nora rührte nicht einen Finger.

Doch als Sami sich durch die gerade auseinandergleitenden Fahrstuhltüren zwängte und fast in eine kleine Gruppe von Menschen stolperte, die draußen vor dem Eingang wartete, konnte er ihre Verzweiflung ganz deutlich auf seiner Haut spüren.

»Wenn du’s dir überlegt hast«, sagte Nora leise, »schau in deiner Jackentasche nach.«

Sami drehte sich ruckartig um.

Nora lächelte schief, als würden gerade nicht etliche Menschen an ihr vorbei in den Fahrstuhl drängen. »Vielleicht brauchst du eines Tages eine Möglichkeit, weiter über dich hinauszuwachsen, als du es je für möglich gehalten hättest.Damit du endlich so stark sein kannst, wie du es dir immer gewünscht hast.« Sie hob leicht die Schultern, als wolle sie sagen, dass es jetzt nicht mehr in ihrer Hand lag. »Du hast meine Nummer. Du kannst mich jederzeit anrufen.«

Dann schlossen sich die Türen und Nora war fort.

3

So stark, wie du es dir immer gewünscht hast

Es war schon dunkel, als Sami zu Hause ankam. Schon im Flur wurde er von Todesschreien und dem Krachen von Schüssen begrüßt, die aus dem Wohnzimmer drangen. Sami kickte seine Schuhe unter die Heizung neben der Garderobe und steckte den Kopf durch die Tür. »Hallo, Mama!«

Seine Mutter saß mit angezogenen Beinen auf dem Sofa und starrte konzentriert auf den Fernseher, den Controller der Spielkonsole in den Händen. »Ah, der Rumtreiber ist wieder da!«, sagte sie, ohne sich umzudrehen, und jagte einer riesenhaften Kreatur eine Maschinengewehrsalve in die Brust – ohne nennenswerten Erfolg. Kaum eine Sekunde später röchelte ihre Spielfigur vor Schmerz und fiel, von einem gigantischen Tentakel getroffen, in einer dramatischen Pose zu Boden.

»Warum?! Warum musst du jetzt sterben?!« Sie schnaufte entnervt und schaltete das Spiel in den Pause-Modus. Dann drehte sie sich endlich zu Sami um und schenkte ihm ein breites Lächeln. »Hi, Schatz. Alles wieder gut mit deinem Laptop?«

Beim Anblick ihrer vor Aufregung geröteten Wangen und der funkelnden Augen konnte Sami sich nur ganz knapp ein Grinsen verkneifen. Seine Mutter war eine winzige Person mit wilden Locken und einem Faible für Ballerspiele, dem sie völlig ungeniert nachging, seit Sami und seine Schwester Sila in ihren Augen nicht mehr zu klein waren, um zu sehen, wie ab und zu auf dem Bildschirm Blut spritzte. Auf Fremde wirkte sie auch mit Mitte vierzig noch viel eher wie Samis ältere Schwester als wie seine Mutter, und es war überhaupt keine Frage, wessen Erbgut Sami es zu verdanken hatte, dass er – sehr zu seinem Leidwesen – mit sechzehn immer noch aussah wie höchstens zwölf. Ganz im Gegensatz zu seiner Schwester, die zwar die Locken ihrer Mutter, aber auch die beachtliche Körpergröße ihres Vaters mitbekommen hatte. Vielleicht war es das, was Sami in dieser Familie am meisten frustrierte: Er hätte durchaus auch 1,95 m groß werden können. War er aber nicht.

Er hob die Schultern. »Die im PC-Laden schauen sich das mal an.«

»Na hoffentlich kriegen die das hin. So teuer wie der war.« Seine Mutter verzog das Gesicht. Dann aber lächelte sie schon wieder – ihr neckendes Lächeln, das sie immer dann aufsetzte, wenn sie Sami ihre Liebe zeigte, indem sie ihn ärgerte. »Immerhin warst du so wenigstens mal vor der Tür. Du alter Stubenhocker bist ja schon ganz blass und dünn.«

Sami verdrehte die Augen. Als ob sein Tag nicht mies genug gewesen wäre, auch ohne, dass sie in offenen Wunden stocherte.

»Du brauchst gar nicht so zu gucken. Wer nicht vernünftig isst, bleibt klein. Ist doch total klar.« Sie zwinkerte ihm zu, was Sami nur deshalb nicht völlig auf die Palme brachte, weil sie selbst oft genug darüber klagte, dass sie zu kurz geraten war und auf der Stelle zu einem schlaffen Strich in der Landschaft wurde, wenn sie mal eine Mahlzeit ausließ. Erbgut blieb eben Erbgut, ob es Sami passte oder nicht. »Hast du dir wenigstens in der Stadt was geholt? Oder ist irgendwas Megaspannendes passiert, das dich vom Essen abgehalten hat?«

Sami seufzte. Ihm war nicht so besonders danach, seiner Mutter von der Begegnung im Fahrstuhl zu erzählen. Das musste er im Kopf erst mal für sich selbst ordnen, bevor er mit jemand anderem darüber sprach.

»Wo ist denn Papa?«, fragte er stattdessen, um das Thema zu wechseln.

Seine Mutter fuhr sich durch die krausen Haare und machte ein leidendes Gesicht, das Sami nur allzu gut kannte. »Der kommt heute erst spät. Dabei dachte ich, er würde mir helfen, endlich diesen Leviathan zu töten. Wo wir doch morgen bestimmt den ganzen Nachmittag brauchen, um Omas Flur zu streichen.«

Sami seufzte. Sila und er hatten die Konsole im letzten Jahr als Gemeinschaftsgeschenk zu Weihnachten bekommen. Aber es war von Anfang an glasklar gewesen, wen ihre Mutter damit wirklich beschenkt hatte – und wer in der Familie die meiste Zeit mit dem Gerät verbringen würde. Vor allem, seit Sila neuerdings wieder einen Freund hatte. Im Gegensatz zu ihr hatte Sami sich allerdings bisher meist geweigert, mit seiner Mutter »auf die Jagd zu gehen«, wie sie es nannte.

»Und Sila?«

Seine Mutter zuckte die Schultern und griff wieder nach dem Controller. »Uniparty mit Moritz … Tja, was soll’s. Ich werde mich wohl allein durchschlagen müssen.«

Normalerweise wäre dies der Zeitpunkt gewesen, wo Sami etwas in sich hineinbrummte, die Schultern zuckte und sich auf sein Zimmer verzog. Heute allerdings war ihm irgendwie überhaupt nicht danach, allein in seiner Bude zu hocken. Was sollte er da auch groß anstellen – ohne Laptop? Er konnte sich ja nicht mal weiter über Tatus Spiel aufregen. Und den ganzen Abend am Handy rumzuhängen, wenn er sich eigentlich auf Sport eingestellt hatte, war auch nicht sein Ding. Vielleicht, dachte er und war selbst ein bisschen überrascht davon, war ja heute genau der richtige Tag, um mal eine Ausnahme zu machen. Also setzte er sich kurz entschlossen neben seine Mutter aufs Sofa und angelte den zweiten Controller unter dem Couchtisch hervor. »Wir können’s ja mal zusammen versuchen, wenn du willst.«

Das Gesicht seiner Mutter leuchtete auf. »Ja wirklich?«, strahlte sie. »Das ist mein Junge.«

»Ich bin aber erst Level 23«, warnte Sami. »Versprich dir nicht zu viel, okay?«

Aber seine Mutter lachte bloß und wuschelte ihm durch die Haare. »Ach, das macht doch nichts, Spätzchen. Alles wird gut. Du musst dich nur hinter dem Felsen verstecken und draufhalten, okay?«

Genau das tat Sami dann auch. Und zumindest für eine Weile hatte er die Begegnung mit dem Krähenmädchen völlig vergessen.

Nach dem Kampf mit dem Leviathan, aus dem sie geschlagene zwei Stunden später tatsächlich siegreich hervorgegangen waren, hatte Sami sich den Rat seiner Mutter doch noch zu Herzen genommen und sich ein Steak gebraten, dazu aß er Salat mit Käse und Hummus. Ganz unrecht hatte sie schließlich nicht, wenn sie ihn ständig ans Essen erinnerte, und er wollte wenigstens ordentlich Eiweiß zu sich nehmen, wo doch schon das Training ausgefallen war. Erst danach machte er sich auf den Weg in sein Zimmer. Im Gehen fischte er noch schnell das Handy aus seiner Jackentasche, in der er es hatte stecken lassen – was an und für sich schon an einen Ausnahmezustand grenzte. Nicht, dass er irgendwelche speziellen Mitteilungen erwartet hätte. Aber dass er den ganzen Abend nicht einmal aufs Handy gesehen hatte, das war selbst für ihn ungewöhnlich.

Vielleicht, dachte er, war es eine Art Fluchtreflex. Damit er bloß nicht zufällig wieder auf diese Nachricht stoßen konnte.

Das Krähenmädchen möchte dich nach Euphoria einladen.

Wer war sie? Und was wollte sie von ihm? Ausgerechnet von ihm? Woher hatte sie seine Nummer, verdammt noch mal? Und überhaupt, was sollte dieses Euphoria eigentlich sein?

Sami hatte gerade beschlossen, die Nachricht einfach zu löschen und den Vorfall so schnell wie möglich zu vergessen, als er es spürte: die kleine Box aus kühlem Metall, die neben seinem Handy in einer Falte seiner Jackentasche klemmte. Verwundert zog Sami sie heraus.

Wenn du’s dir überlegt hast, schau in deiner Jackentasche nach. Die Stimme des Mädchens klang ihm noch überdeutlich im Ohr. Vielleicht brauchst du eines Tages eine Möglichkeit, weiter über dich hinauszuwachsen, als du es je für möglich gehalten hättest.

Sami sah auf die kleine Box – nicht mal so groß wie seine Handfläche. Sie ließ sich problemlos zwischen den Fingern verstecken, wenn man das wollte. Hatte sie ihm die etwa in die Jacke gesteckt?

Sami öffnete die Schachtel. Sie war innen geteilt in zwei kleine Fächer. In jedem der Fächer lagen zehn winzige Pillen.

Zehn goldene.

Und zehn schwarze.

Pillen? Was sollte das denn jetzt wieder? War sie ein Dealer oder so was? Aber vor allem … woher zum Teufel konnte sie seine Gedanken lesen?

Sami stopfte das Döschen in die Tasche seines Hoodies und lief die Treppe hinauf in sein Zimmer, wo er die Tür hinter sich abschloss. Sein Herz raste, als wäre er auf der Flucht. Vor dem Schrank blieb er stehen, zerrte sich Pullover und Shirt über den Kopf und starrte sein Bild in dem großen Spiegel an der mittleren Tür an. So klein. So schmächtig. Sami hasste es, sich anzusehen, und tat es trotzdem ständig, weil er jeden Tag hoffte, es würde sich endlich etwas ändern. Egal, wie viel er trainierte, ob er morgens und abends fünfzig Liegestütze machte oder hundert, ob er fraß wie ein Scheunendrescher oder sich dreimal täglich Eiweißshakes reinpfiff – es blieb nichts hängen. Gar nichts. Und dieses Gesicht … dieses Milchbrötchengesicht mit den abnormal großen Augen konnte er ja sowieso nicht wegtrainieren. Wahrscheinlich würde ihm nie im Leben ein Bart wachsen.

Damit du endlich so stark sein kannst, wie du es dir immer gewünscht hast.

Sami ließ sich aufs Bett fallen und zog noch einmal das Handy hervor.

Du kannst mich jederzeit anrufen.

Sein Finger zitterte über dem Hörersymbol.

Dann drückte er den Knopf.

4

Einsamkeit

Nora stieg in der Tiefgarage aus. Die unterste Ebene war um diese Uhrzeit an einem Montagabend schon beinahe leer. Kein Mensch war zu sehen, und hier erlaubte sie sich endlich, hinter einem Pfeiler zusammenzubrechen. Ihre Knie zitterten. Ihr Herz raste und sie war völlig durchgeschwitzt. Sechs goldene Pillen innerhalb einer einzigen Stunde. Das war bestenfalls ungesund. Aber blieb ihr eine Wahl? Wohl kaum. Zumindest, dachte sie zynisch, konnte man sich das doch immer wieder erfolgreich einreden. Es gab immer einen Grund für den nächsten Schuss.

Aber dieser Junge … diese Puppe …

Nora lachte, rau und bitter. Wäre es nicht so wichtig gewesen, sie hätte vielleicht sogar Spaß gehabt an diesem kleinen Flirt. Um ihn zu überzeugen, würde sie ganz schön tief in die Trickkiste greifen müssen. Nur war ihr Charisma derzeit leider nicht gerade auf dem Höchststand.

Nora schloss die Augen und versuchte, ruhig zu atmen.

Ich schaff das. Ich schaff das.

Wie automatisch legten sich ihre Finger über ihr Handgelenk – dort, wo sich in Euphoria dieses pinke Ungetüm von einer Uhr befand. Ekaterinas Uhr.

Nora presste für einen Moment die brennenden Lider zusammen und tastete in ihrer Hosentasche nach ihrem Handy. Das Display leuchtete auf. Behutsam strich sie mit dem Daumen über den obersten Namen in ihrer Kontaktliste. Immer grau. Immer offline.

Kitty ist leider nicht erreichbar, meldete die App. In Noras Kopf hatten die Worte einen blechernen, geradezu höhnischen Klang. Möchtest du einen anderen Freund anrufen?

Nein, das wollte Nora nicht. Sie hatte keine anderen Freunde. Zumindest keine, die diese Bezeichnung wirklich verdienten.

In der Ferne meinte sie, ein vorwurfsvolles Krächzen zu hören. Die Krähe. Natürlich. Ihr Enigma war immer da, sogar hier draußen, in der realen Welt in einer Tiefgarage, und gab seinen Kommentar ab, als wollte es Nora daran erinnern, nicht in unnötige Schwermut zu verfallen. Nora seufzte gereizt und zog ihre Kopfhörer aus der Tasche.

Lass mich doch nur einmal in Ruhe Trübsal blasen.

Sie schaltete die Musik ein. Wie immer, dasselbe Stück. Edward Elgars Enigma-Variationen – in all der Ironie, die der Titel für Nora besaß, denn Elgar hatte ganz bestimmt noch nichts von den Enigmen in Euphoria geahnt, als er das Stück komponierte, waren sie eine einigermaßen sichere Bank, wenn sie nicht mehr wusste, wie sie sonst runterkommen sollte. Sie lehnte den Kopf an den kalten, harten Beton des Pfeilers, schloss die Augen und lauschte dem An- und Abschwellen der Streicher, bis ihr Atem ruhig und gleichmäßig wurde und sie die Lider nicht mehr mit Gewalt geschlossen halten musste. Langsam, ganz langsam trieb sie davon. Ihr Kopf leerte sich, und schließlich versank sie ganz. Euphoria und die Realität waren nun beide weit fort, jenseits des Kokons, den die Musik um Nora spann, und konnten sie, wenigstens in diesem Moment, nicht mehr berühren.

Der einzige Frieden, den sie seit Jahren kannte.

Sechs Jahre zuvor.

Zitternd kauert Nora im verschneiten Unterholz des Winterwaldes. Es ist still hier. Sehr still. Keine User. Keine Drohnen. Keine Streams. Nicht mal der Dämmerhimmel ist hinter den tief hängenden Schneewolken zu sehen.

Hat sie ihre Verfolger abgehängt? Schwer zu sagen. Aber sie glaubt zumindest, dass sie nicht mitbekommen haben, wohin sie gereist ist. Sie ist allein.

Ein Krächzen erklingt leise aus den schneeblinden Schatten, ein wisperndes Rascheln schwarzer Federn. Nicht ganz allein. Der Gedanke ist zumindest ein bisschen tröstlich. Und Nora spreizt die Schattenschwingen, so weit sie kann, und hüllt sich darin ein wie in eine Decke, wickelt sie um sich, bis sie nichts mehr spürt außer Wärme und Dunkelheit. So bleibt sie hocken. Sekunden? Minuten? Es ist nicht so wichtig. Sie wartet bloß, dass die Pillen endlich zu wirken aufhören und sie nach Hause kann.

Auch heute wird sie Mika nicht finden. So wie an keinem Tag in den letzten Monaten. Sie ist zu schwach. Zu klein. Was soll ein gerade zwölfjähriges Mädchen gegen all die erfahrenen User ausrichten, die versuchen, ihr ihre kostbaren Pillen mit Gewalt abzunehmen? Sie kann nur weglaufen.

»Hey.«

Nora hebt erschrocken die Stirn von ihren Knien. Sie ist so in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hat, wie sich ihr jemand näherte. Wie unvorsichtig und dumm!

Vor ihr steht jetzt ein Mädchen – vielleicht auch eine junge Frau, es ist schwer zu beurteilen; sie sind ja nicht über eine Euphoria-Freundschaft verbunden, und Nora kann ihr Gesicht deshalb nicht sehen. Aber ihr Enigma zumindest erkennt sie, denn das Mädchen trägt das platinblonde, am Hinterkopf ausrasierte Haar streng zur Seite gekämmt, sodass die silbrigen Implantate an ihren Schläfen deutlich sichtbar sind. Eine Cyborg.

»Alles okay?« Das Mädchen geht vor Nora in die Hocke, als wolle sie sie aufmerksam mustern – und vielleicht kann sie das auch, vielleicht hat eine Cyborg wie sie einen Hack gefunden, mit dem sie auch die Gesichter nicht befreundeter User sehen kann.

Nora sieht zur Seite, weicht dem unsichtbaren Blick aus und auch der Frage. Natürlich ist gar nichts okay, aber selbst wenn sie gewusst hätte, wo sie mit einer Erklärung anfangen sollte, kann sie doch nichts davon einer Fremden erzählen. Nichts von ihrer Suche nach Mika. Nichts von dem Frust, so klein und hilflos zu sein. Nichts von der Angst, ihre Eltern könnten doch bald merken, was sie tut, und ihr alles wegnehmen – wahrscheinlich hätten sie sogar recht damit. Aber Nora kann nicht aufhören. Sie kann nicht.

»Entschuldige. Ich wollte dich nicht bedrängen. Aber du siehst aus, als ob du Hilfe brauchst.«

Nora runzelt die Stirn. »Wer bist du?«

Das Mädchen scheint einen Moment zu zögern, abzuwägen, wie viel sie preisgeben kann. Diese Art des Zögerns hat auch Nora während ihrer kurzen Zeit in Euphoria sehr schnell gelernt, es ist geradezu unverzichtbar. Niemals zu schnell vertrauen. Und vor allem niemals vergessen, dass Euphoria alles sieht. Es ist dieses Zögern, das Nora plötzlich eine seltsame Verbundenheit zu dem fremden Mädchen fühlen lässt und sie sogar dazu bringt, die Schattenflügel um ihre Schultern ein Stück weit zu öffnen.

»Ich nenne mich Kitty«, sagt das Mädchen schließlich. »Aber eigentlich heiße ich Ekaterina. Meine Freunde und ich versuchen, Euphoria zu einem sichereren Ort zu machen.« Sie streckt Nora die Hand entgegen. »Willst du dich uns anschließen? Deine Krähe scheint stark zu sein. Wir könnten deine Kräfte gut gebrauchen. Und du unsere vielleicht auch.«

Nora starrt sie an. Ein sichererer Ort? Die Stimme des Mädchens klingt freundlich. Und Nora hätte tatsächlich viel gegeben, um sich auf ihren Reisen durch Euphoria sicherer zu fühlen. Jemanden zu haben, der sie bei ihrer Suche unterstützt und ihr hilft, diese Welt und ihre eigene Rolle darin besser zu verstehen.

Nicht mehr so allein zu sein.

Trotzdem nimmt sie die angebotene Hand nicht sofort. »Woher weiß ich, dass ich dir trauen kann?«

Ekaterina sieht auf ihre Uhr – ein irritierend grellpinker Kunststoffklotz an ihrem Handgelenk – und nickt. »Du hast recht. Du solltest mir nicht ohne Grund vertrauen. Aber wir haben noch etwas Zeit. Komm mit mir zum Schrottplatz. Dann zeige ich dir mein größtes Geheimnis.«

»He. Hier wird nicht geschlafen.«

Nora schreckte auf. Über ihr ragten zwei Security-Angestellte des CityCenters auf, ein Mann und eine Frau, beide in dunkelblauer Uniform. Nora blinzelte und zog die Kopfhörer aus den Ohren. Die Musik musste schon vor einer Weile aufgehört haben. Ihr Hintern schmerzte vom langen Sitzen auf dem kalten Boden, und ihre Beine … hatte sie noch Beine?

»Na los, aufstehen.« Die Frau schien schlechte Laune zu haben. Oder keinen Bock auf Junkies und Obdachlose. Nora hätte fast gelacht. Wie sie da standen, mit ihren breiten Schultern und den Schlagstöcken. Die hatten ja keine Ahnung, dass man sich von so was nicht mehr beeindrucken lassen konnte, wenn man erst mal ein paar Stunden in Euphoria gewesen war. Tatsächlich wäre sie ganz gern aufgestanden, allein um Stress zu vermeiden. Aber ihre Beine erinnerten sich gerade erst daran, dass sie wohl doch zu ihr gehörten, und meldeten mit schmerzhaftem Prickeln, dass sie sie für die nächsten paar Sekunden definitiv noch nicht tragen würden.

»Hör mal, ich weiß, die Nächte sind schon ziemlich frisch.«

Der Mann machte eigentlich einen ganz netten Eindruck. Bestimmt ein Familienvater, der eine Tochter in Noras Alter hatte.

»Ich hab eine Tochter in deinem Alter und will echt nicht grob zu dir sein. Aber hier kannst du nicht bleiben. Das Center schließt bald. Die Bahnhofsmission …«

»Schon gut.« Nora winkte ab und starb innerlich vor Lachen, weil sie recht gehabt hatte. »Ich hab ein Zuhause. Ich häng hier nur ab, weil mein Freund Schluss gemacht hat und ich gerade keine Menschen ertrage, okay?« Mühsam rappelte sie sich auf. Ihr Kopf dröhnte. Wenn sie nur halb so fertig aussah, wie sie sich fühlte, würden die Wachleute ihr die Geschichte höchstwahrscheinlich sogar abkaufen. Zumindest hatte sie sich damit jetzt auch das Mitleid der Frau erschlichen, denn selbst die sah nicht mehr ganz so biestig aus. Sie lächelte sogar. Zumindest fast.

»Ach so, na dann. Aber jetzt trotzdem raus mit dir. Geh nach Hause und trink einen warmen Kakao. Das hilft.«

»Wenn Sie das sagen«, murmelte Nora und machte einen raschen Check-up ihrer körperlichen Verfassung. Sechs goldene so kurz hintereinander … das war wirklich eine richtig schlechte Idee gewesen. Aber bis nach Hause würde es wohl reichen.

Kakao. Sie hatte tatsächlich Lust auf Kakao.

Draußen auf der Straße nahm sie zwei Züge von einer ihrer Zigaretten, was gewohnt ekelhaft war, aber immerhin ein wenig half. Dann vergrub sie die Hände in den Taschen und die Nase im Kragen ihres Mantels und machte sich auf den Weg zurück in das Loch, das sie derzeit bewohnte. Die Sonne war untergegangen und die Stadt lag unter einer klammen Nebeldecke.

Sie war kaum hundert Meter weit gekommen, als in ihrer Hosentasche ihr Handy vibrierte. Nora blieb stehen.

Na, das ging jetzt aber doch ziemlich schnell.

»Hallo?«

»Hier ist Sami.«

Tatsächlich. Er war es. Nora sah sich um. Die Straßen hatten sich schon deutlich geleert, nur wenige Menschen waren noch mit raschen Schritten und gegen die feuchte Kälte hochgezogenen Schultern unterwegs, vermummt in dicke Schals, Mäntel und Mützen. Ob Euphoria-User unter ihnen waren? Wer wusste das schon. Es gab ja nicht so viele davon, aber sie konnten überall sein.

»Ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell anrufst.«

»Ich will nur wissen, was das für ein Zeug ist, das du mir untergejubelt hast.«

Nora schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Jetzt kam es auf jedes Wort an, wenn sie ihn überzeugen wollte. Und sie konnte es sich nicht leisten, die Suche nach einer Puppe von vorn zu beginnen. »Was glaubst du denn, was es ist?«

Sie konnte sein Stirnrunzeln geradezu hören. »Keine billigen Partydrogen, hoffe ich mal.«

Nora unterdrückte ein trockenes Lachen. »Nein.«

»Was dann?«

Nora legte den Kopf zurück und sah in den Himmel, der diesig im Licht der Straßenlampen leuchtete. Wo war eigentlich dieser Vogel geblieben? Der Gedanke hing wie Bleigewichte an ihren Händen und Füßen.

Warum muss ich so schwer sein? Ich will fliegen …

»Schwer zu erklären.« Sie bemerkte mit Unbehagen, dass ihre Stimme ein wenig schwankte. Automatisch tastete ihre Hand nach dem Pillendöschen. Allein zu wissen, dass es noch da war, beruhigte sie ein wenig. Die Pillen. Und Mikas Foto.

»Sagen wir, es ist eine Art Stimulans. Falls du dich jemals gefragt hast, wie stark du wirklich sein könntest – diese Pillen sind deine Chance, es rauszufinden.«

Am anderen Ende der Leitung war es eine Weile still. »Also doch Drogen«, sagte Sami endlich. Aber er klang nicht ganz so ablehnend, wie Nora befürchtet hatte.

»Die goldenen öffnen eine Tür«, erklärte sie, ohne darauf einzugehen, was er gesagt hatte. »Die schwarzen schließen sie wieder. So oder so wirst du danach mehr über dich wissen. Wer du bist. Und wer du sein könntest. Ob du es erreichst, liegt allein an dir.« Sie atmete einmal tief durch. »Wenn du es versuchen willst, sag Bescheid. Dann treffen wir uns. In Euphoria.«

Wieder schwieg Sami etliche Sekunden.

»So was von Nein«, sagte er dann und legte auf.

Nora blieb stehen, das stumme Handy in der Hand, und starrte auf das dunkle Display.

Verdammt.

Immerhin, er hatte ihr diesmal deutlich länger zugehört. Sogar über mehr als einen Satz hinaus. Wenn sie ganz optimistisch sein wollte, konnte sie sich vielleicht sogar einreden, Neugier in seiner Stimme gehört zu haben. Und noch etwas anderes. Ein Drängen, irgendwie verzweifelt. Als hätte er sie nur angerufen, weil er unbedingt wollte, dass sie ihm etwas versprach. Etwas, das Euphoria oder die Pillen ihm würden geben können.

Vielleicht …

Ein Krächzen weit über ihr riss sie aus ihren Gedanken. Nora grinste schwach, als ein schwarzer Schatten über ihren Kopf hinwegglitt und flatternd auf dem Vordach eines Schuhgeschäftes landete.

»Da bist du ja.«

Die Krähe krächzte noch einmal und schüttelte ihr Gefieder. Dann legte sie den Kopf schief und beäugte Nora missbilligend.

»Hast ja recht.« Nora schob das Handy zurück in die Tasche. »Zeit, nach Hause zu gehen.«

Die Krähe krächzte wieder, stieg mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft und segelte lautlos über ihr dahin.

»Was meinst du, findest du ihn wieder, falls er nicht noch mal anruft?«

Die Krähe antwortete nicht darauf.

Nora seufzte. »Nun sei doch nicht immer so schnell beleidigt.«

Dann sagte sie nichts mehr. Besser so. Sie musste ihre Kräfte sparen. Der Tag war ihr wirklich an die Substanz gegangen. Und jetzt, da sie endlich eine Puppe gefunden hatte, hatte Nora die finstere Vermutung, dass das erst der Anfang war.

5

Freakshow

Der nächste Morgen war ein Dienstag, aber er hätte ebenso gut ein zweiter Montag sein können. Er begann viel zu früh und war darüber hinaus auch noch dunkelgrau vor trübem, unermüdlichem Herbstregen. Außerdem war Sami ziemlich montagsmäßig spät dran und hatte es allen guten Vorsätze zum Trotz natürlich nicht geschafft, morgens im Bett noch die Deutschhausaufgaben zu machen, auf die er abends zuvor einfach keine Lust mehr gehabt hatte. So mussten es nun ein paar hastig im Bus hingeschmierte Zeilen tun, für den Fall, dass er kontrolliert wurde. Und selbst dieses Vorhaben gab er bereitwillig wieder auf, als der Bus nach einer Viertelstunde an der Osningstraße hielt, wo Tatu zustieg. Sami stopfte seine Hefte zurück in den Rucksack und rutschte ans Fenster, um den Platz freizumachen, den er für Tatu reserviert hatte. Wie jeden Morgen.

Schon von der Fahrertür aus zeigte Tatu mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger das Victory-Zeichen und grinste unter der Kapuze seines Hoodies das für ihn typische breite Grinsen. Natürlich hatte er keinen Schirm dabei und war klatschnass. Warum er nicht ständig todkrank war, war Sami seit Jahren ein absolutes Rätsel.

Tatus voller Name war Tae-Jun Fabian Peters – ein Konstrukt aus seinen koreanischen Wurzeln väterlicherseits und dem ebenfalls väterlich besorgten Wunsch, er möge mit einem zumindest größtenteils deutschen Namen weniger Probleme in der deutschen Gesellschaft haben. Vermutlich, so hatte Sami schon öfter gedacht, hatte Tatus Vater damit leider nicht einmal unrecht, aber dass der Junge sich konsequent mit beiden Namen vorstellen und damit für üble Knoten in den Zungen seiner Sandkastenfreunde sorgen würde, war sicher nicht Teil der Rechnung gewesen. Und so war aus ihren redlichen Bemühungen erst Tatufabi und schließlich Tatu geworden – und geblieben, obwohl sie aus dem Babysprech-Alter in der Tat schon eine Weile rausgewachsen waren. Tatu selbst störte die verbale Verstümmelung seines Namens kein Stück. Das lag vor allem daran, dass Tatu sich grundsätzlich nie an irgendetwas störte – und zwar mit erbarmungsloser Konsequenz, selbst wenn er innerlich vor Wut kochte. Tatu konnte wirklich enorm wütend werden und dabei immer noch der positivste, lustigste Mensch sein, den Sami kannte. Einfach aus Prinzip. An diesem Morgen allerdings war er einfach nur nass.

»Moin, Piet.« Tatu ließ sich mit vollem Gewicht in den Sitz fallen. »Alles klar bei dir?«

Sami zuckte die Schultern. »Erst Dienstag. Und regnet. Aber hilft ja nix.«

Tatu ächzte verständnisvoll, wischte sich die tropfenden Haare aus der Stirn und trat seine Umhängetasche unsanft unter den Sitz seines Vordermannes.

»Und du?«, fragte Sami zurück. »Invasion gut überstanden? Oder hat der Commander dich zu sehr gefoltert?«

Tatu gab einen gequälten Laut von sich. Der Commander, das war seine geradezu unerträglich deutsche Großtante mütterlicherseits, die sie so nannten, weil sie keinen Widerspruch im Regiment duldete, nicht mal wenn sie lachte. Diese Kommandantentante sah es offenbar als ihre Pflicht an, Tatus Mutter das Leben schwer zu machen, weil die es gewagt hatte, einen koreanischen Kunst-Restaurator zu heiraten anstelle eines ordentlichen deutschen Beamten. Natürlich hatte sie nichts gegen Ausländer. Aber. Und überhaupt – ein Künstler? Konnte man davon denn eine Familie ernähren? Tatu und Sami verachteten sie beide. Und Tatu sah es daher durchaus als seine Pflicht an, seiner Mutter bei Invasionen durch Commander Heidrun beizustehen, so gut er konnte.

»Frag nicht«, erklärte er jetzt und rollte mit den Augen. »Das übliche hochnotpeinliche Verhör, und sie war natürlich wie immer der Meinung, ich würde mich zu wenig um meine Zukunft kümmern, und wo ich bloß diese Faulheit herhätte? Wir Asiaten