Falling For Your Touch - Mira Tal - E-Book
SONDERANGEBOT

Falling For Your Touch E-Book

Mira Tal

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wenn eine Berührung alles verändert: Das verführerische Hot-Romance-Highlight »Falling For Your Touch« von Mira Tal jetzt als eBook bei venusbooks. Er ist ihre letzte Rettung – doch zu welchem Preis? Um den Familienfrieden zu wahren, braucht Gesa dringend einen Alibi-Mann. Leider kommt dafür nur einer infrage: der arrogante Womanizer Enver. Für den ist zwar allein die Vorstellung von Hochzeit die Hölle auf Erden, aber zu Gesas Erleichterung willigt er schließlich in den Deal ein. Doch schon bald ahnt sie, dass sich hinter Envers gleichgültiger Fassade etwas ganz anderes verbirgt: Hat sie etwa den Jagdinstinkt des dunklen Casanovas geweckt? Und auch wenn sie sich geschworen hat, dass alles nur ein Spiel bleibt, kann sie schon bald nicht mehr die leidenschaftlichen Gefühle leugnen, die der aufreizend provozierende Playboy bei ihr geweckt hat … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der aufregende Liebesroman »Falling For Your Touch« von Mira Tal ist der Auftakt der »Passion«-Trilogie – ein sinnliches Lesevergnügen voller Romantik und prickelnder Erotik für alle Fans von Sylvia Day und Vi Keeland! Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 671

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Er ist ihre letzte Rettung – doch zu welchem Preis? Um den Familienfrieden zu wahren, braucht Gesa dringend einen Alibi-Mann. Leider kommt dafür nur einer infrage: der arrogante Womanizer Enver. Für den ist zwar allein die Vorstellung von Hochzeit die Hölle auf Erden, aber zu Gesas Erleichterung willigt er schließlich in den Deal ein. Doch schon bald ahnt sie, dass sich hinter Envers gleichgültiger Fassade etwas ganz anderes verbirgt: Hat sie etwa den Jagdinstinkt des dunklen Casanovas geweckt? Und auch wenn sie sich geschworen hat, dass alles nur ein Spiel bleibt, kann sie schon bald nicht mehr die leidenschaftlichen Gefühle leugnen, die der aufreizend provozierende Playboy bei ihr geweckt hat …

Über die Autorin:

Mira Tal ist das Pseudonym einer Autorin, aus deren Feder bereits zahlreiche erfolgreiche Liebesromane geflossen sind. Die »Passion«-Trilogie gehört zu ihren sinnlichsten Werken. »Es hat mir riesige Freude gemacht, die aufregenden und romantischen Geschichten rund um Gesa, Enver und ihre Freunde zu schreiben.«

Bei venusbooks veröffentlichte die Autorin ihre »Passion«-Trilogie mit den Bänden »Falling For Your Touch«, »Falling For Your Kiss« und »Falling For Your Love«.

***

Aktualisierte eBook-Neuausgabe Juli 2023

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 2016 unter dem Titel »Venus & Faunus: Der Deal« bei Cupido.

Copyright © der Originalausgabe 2016 Cupido Books / Karin Struckmann

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2023 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-96898-242-7

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieses eBook gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Falling For Your Touch« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

Besuchen Sie uns im Internet:

www.venusbooks.de

www.facebook.com/venusbooks

www.instagram.com/venusbooks

Mira Tal

Falling For Your Touch

Roman

venusbooks

Hier im Wald mit dir zu liegen,

moosgebettet, windumatmet,

in das Flüstern, in das Rauschen

leise liebe Worte mischend,

öfter aber noch dem Schweigen

lange Küsse zugesellend,

unerschöpflich - unersättlich,

hingegebne, hingenommne,

ineinander aufgelöste,

zeitvergeßne, weltvergeßne.

Hier im Wald mit dir zu liegen,

mossgebettet, windumatmet …

Christian Morgenstern, 1871 – 1914, Liebesgedichte: Hier im Wald

Prolog

Dominics Gesicht verzog sich halb verächtlich, halb grinsend.

»Du has in den ganzen drei Monaten, die wir uns nich gesehn ham, noch keinen Vierer geschoben?!«, lallte er entsetzt.

»Nur ʼn Dreier mit zwei Tussen … wie gesagt.« Enver merkte, dass er bereits leicht schwankte. Dominic schüttelte fassungslos den Kopf und trank dann das Glas Wodka, das vor ihnen stand, selbst aus.

»Scheiße Mann, du bis dran!«

Enver schenkte sofort nach. Die Flüssigkeit quoll über den Rand und Dominics Finger. »Also …«, lallte er und sah eindringlich in die blitzenden grauen Augen seines Gegenübers. »Ich hab no nie …« Enver überlegte dieses Mal länger. Er musste etwas finden, dass sie beide schon getan, aber sich noch nicht erzählt hatten. Sonst musste er den Drink selbst kippen. »… auf der Toiette mit de Bahkeeberin gebumst.«

»Männerko oder Fauen…kllooo?«

»Wofür häls du mii? Natülii Fauenklo!«

»HA!«, rief Dominic und trank den Wodka auf ex.

»Fuck, was has du noch ohne mi getiebn …« Enver bekam einen Lachanfall und steckte Dominic damit an. Irgendwann, als sie bereits halb von den Hockern fielen, kamen zwei Securitymitarbeiter des Clubs und komplimentierten sie höflich Richtung Ausgang.

»Ja, ja, sin scho wech«, lallte Enver beschwichtigend. Auf dem Weg zum Ausgang riss Dominic an seinem Hemd.

»Wart ma … wart ma!«

»Was?!« Sie lachten hysterisch ohne ersichtlichen Grund.

»Du kanns nich ins Bett gehn, eh du keinen Vierer hattescht, mei Freund!« Enver schüttelte heftig mit dem Kopf.

»Ich muss moän Aben aufn Wohati … Wolltäihaisball!«, sagte er energisch.

»Dann kanns du ja auschafn! Los, i besteh dauf. I lad di ein!« Er legte einen Arm um Envers Schultern und zog ihn in einen Nebenraum des Clubs, in dem es ruhiger zuging. Eine Wand war komplett verspiegelt. Die beiden hochgewachsenen Models sahen nur kurz hinein. Ein grauäugiger Blonder und ein braunäugiger Schwarzhaariger grinsten ihnen entgegen. Ihre Blicke schweiften zu den Spiegelungen der Billardtische, die sich im Hintergrund befanden. Schwankend, aber entschlossen, wendeten sie und hielten auf einen Tisch zu, an dem zwei rockig gestylte Frauen in engen Jeans und ebenso engen schwarzen Tops standen. Sie musterten die gutaussehenden Männer interessiert. Eine kam ihnen auf endlosen High-Heels entgegen, mit einem Lächeln auf den Lippen, das Enver wie eine grelle Leuchtreklame in die Augen stach.

***

Gesa wusste, dass ihr Onkel die lange Fahrt von Istanbul nach München nicht ohne Grund auf sich genommen hatte. Dieses Mal würde er nicht nachgeben, und das wollte er ihr schonend und von Angesicht zu Angesicht klarmachen. Aber, auch wenn sie über sein unangemeldetes Erscheinen überrascht war und schockiert vor ihm saß, resigniert hatte sie noch nicht.

In Gedanken versunken sah sie an Onkel Ilja vorbei, zur anderen Seite des Wohnzimmers. Dort verdeckte das vollgestopfte Bücherregal die komplette Wand bis zur Decke. Sie hatte die vertrauten Bücher seit Monaten nicht angerührt, als wäre es ein Sakrileg. Der massive runde Holztisch davor und die gemütlichen schweren Polsterstühle wirkten stumpf und leblos, obwohl sie täglich wie besessen im gesamten Haus putzte. Sie würden dort nie wieder ihre Familienkonferenzen abhalten, lachen, Streitereien klären oder Karten spielen. Die Lieblingsweine ihrer Eltern würden im Keller und die schönen bauchigen Gläser in der Vitrine bleiben. Die Fachmagazine über Architektur und verschiedene Zeitungen stapelten sich unangetastet in einer Ecke. Sie hatte die Abonnements immer noch nicht gekündigt. Gesa ließ ihren Blick zu der gemütlichen Ledercouch vor dem Kamin schweifen. Oft waren ihre Eltern dort eng umschlungen eingeschlafen. Benommen richtete sie ihren Blick wieder auf ihr Gegenüber.

»Das könnt ihr nicht tun, Onkel Ilja.« Ihre Stimme klang merkwürdig hoch und weit weg. Ihr Onkel mied ihren Blick. Aus seiner Körperhaltung und seinem starren Gesicht war erkennbar, dass er anderer Meinung war.

»Eure Eltern haben es so in ihrem Testament verfügt. Ihr Kinder kommt nach Istanbul, zur Familie.« Er sah sich mit einem schmerzvollen Ausdruck in den Augen um. »Was wollt ihr denn zu zweit in diesem großen Haus?«

»Sami darf nicht aus München weg, er würde es nicht verkraften …«

»Er wird bei seinen Großeltern besser versorgt sein als hier. Mit fünfzehn kann er sich noch gut auf einen Wegzug einstellen. Du …« Er sah verlegen auf seine Hände. »Du musst nicht unbedingt mit, wenn du nicht willst, Gesa. Du bist schließlich 27, hast deine Pläne …«

»Ihr wollt uns trennen!«, rief sie vorwurfsvoll.

»So meine ich es nicht, bitte versteh doch!« Er sah sie voller Mitgefühl an. Es waren die gleichen dunkelblauen Augen wie die ihres Vaters … und die ihres in Depressionen verfallenen Bruders. »Glaubst du, wir vermissen Adem und Alexandra nicht? Glaubst du, wir sind nicht voller Trauer über ihren Verlust? Wir wollen euch beide bei uns haben, im Kreis der Familie!« Er erhob sich und ging auf und ab. Abrupt blieb er vor ihr stehen, in den dunkelblauen Augen nun die ihr bekannte Entschlossenheit, die sie allzu sehr an ihren Vater erinnerte. »So kann das nicht weitergehen. Du bist mit Samis Erziehung überfordert, Gesa. Er verlässt kaum das Haus.«

»Professor Martens sagt, dass er einen Wegzug nicht verkraften ‒«

»Es ist mir gleich, was diese Psychologin sagt! Sami braucht eine intakte Familie, Stabilität!«, unterbrach Ilja sie bestimmt. Gesa stand auf und sah ihm fest in die Augen.

»Die bekommt er auch. Ich bin verlobt!« Ilja sah sie verdutzt an. Dann schlich sich Misstrauen in seinen Blick.

»Wir haben uns in Oxford auf dem College kennengelernt.« Sie hielt seinem Blick stand, auch wenn ihr Herz wild pochte. »Er will mich heiraten, noch dieses Jahr. Sami wird eine richtige Familie haben!« Nach dieser Ankündigung sagte Ilja für einen langen Moment nichts. Seine Augen gaben nicht preis, was er dachte.

»Ruf ihn an und bitte ihn, hierherzukommen.«

»Das geht nicht …« Gesa schluckte. Ihr Onkel hob beide Augenbrauen, wartete. Sie fasste sich schnell wieder, das Kinn schoss trotzig vor. »Er ist in Istanbul.«

»In Istanbul? So ein Zufall. Vielleicht kenne ich ihn ja, wie heißt er doch gleich?«

»Wir besuchen euch bald, dann stelle ich ihn der Familie vor! Im Moment will ich mich um Sami kümmern, er …« Sie stockte bei dem Gedanken an ihren kleinen Bruder.

»Er hat sich wieder in sein Zimmer vergraben, wolltest du sagen«, gab Ilja ruhig zurück. Sein Blick wurde traurig, müde. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.« Er nahm seinen Mantel vom Sofa und Gesa half ihm hinein. Ilja drehte sich ein letztes Mal zu ihr um. Sie sah zu ihrem Onkel hinauf. Er war der jüngste von drei Brüdern und doch in seiner Seele der älteste. Als hütete er ein tief verborgenes Geheimnis, das ihn früher erwachsen gemacht hatte als seinen ältesten Bruder Adem und den drei Jahre älteren Yassin. Es war die gleiche dunkle Hülle, die auch Sami umgab, seit ihre Eltern bei einem Skiunfall im letzten September ums Leben gekommen waren.

Der Unfall. So entsetzlich. So zufällig. Nur zwei von sieben Leuten hatten die Lawine überlebt. Die Gruppe habe einfach Pech gehabt, hatte sie immer wieder gehört. Opfer der Folgen der maßlosen künstlichen Eingriffe des Menschen in die Natur, weil sie einen Skiort halten wollten, der schon lange keinen echten Schnee mehr gesehen hatte … Ihr schwirrte der Kopf bei der Erinnerung. Wut konnte sie keine mehr empfinden, der Schmerz hatte ihre Seele hinter feste Mauern verbannt, und sie war sogar dankbar für diesen Zustand. Nur so war sie imstande, für ihren Bruder zu sorgen, dem es ganz sicher weit schlechter ging als ihr.

Das Unglück war heute fünf Monate und vier Tage her. In Iljas Stimme schwang unnachgiebige Entschlossenheit mit, als er wieder sprach.

»Ich erwarte dich, Sami und deinen Verlobten in Istanbul. Sollte dieser Kerl aus irgendeinem Grund nicht auftauchen, wird Sami bei uns bleiben. Und du hoffentlich auch.« Er streckte beide Hände nach ihr aus. Sie legte ihre zierlichen in seine großen, schmalen. Es war, als wäre sie wieder elf und ihr Vater nähme sie an die Hand, um ihr auf ein Karussell zu helfen. Sie wollte weinen bei dem Gedanken. Aber sie musste Stärke zeigen, beweisen, dass sie Sami gut versorgen konnte. Sonst würde sie auch ihn verlieren. Und das würde sie keinesfalls ertragen können. Ihre smaragdgründen Augen glühten entschlossen.

Ilja lächelte milde. Sie hatte den Sturkopf der Kayas geerbt. Er beugte sich vor und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, so wie er es bei Adem immer gesehen hatte. Er legte all seine Liebe hinein.

»Ich erwarte euch zum Frühlingsbeginn. Auf bald«, verabschiedete er sich.

Sie blieb zu lange stehen, erstarrt durch die vertraute Geste und der Botschaft darin, die sie sehr wohl verstanden hatte. Er gab ihr einen Monat, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Einen Monat, um zur Vernunft zu kommen …

Ilja war bereits durch die Wohnzimmertür und die Haustür gegangen, in den Wagen gestiegen und aus der Einfahrt gefahren. Erst dann fiel sie auf das Sofa und blieb matt liegen, als hätte sie einen Kampf gefochten, der sie all ihre Kraft gekostet hatte.

***

»In zehn Minuten, Zimmer 1024«, flüsterte sie ihm im Vorbeigehen zu. Es hatte so ausgesehen, als würde sie eine Entschuldigung murmeln, während sie sich zwischen ein paar anderen Gästen durchschlängelte. Sie gesellte sich zu einer Blondine, die sie sofort in ein Gespräch hineinzog und verstohlen auf andere Gäste deutete. Sie hatte schulterlanges rotbraunes Haar, perfekt geglättet. Ihrem Akzent nach war sie Italienerin. Das lange blass-gelbe Galakleid und die cremeweißen Pumps passten gut zu ihrem leicht gebräunten Teint und den langen Beinen. Soweit er gesehen hatte, war sie mit der Blondine auf dem Wohltätigkeitsball erschienen und hatte keinen Ring am Finger. Enver entschied, ihr Angebot anzunehmen.

Sie riss ihn am Jackett ins Zimmer und zog ihn sofort zu ihrem pinkfarbenen Mund hinunter. Er sah sich im Augenwinkel in der Suite um, während sie seine Zunge verschlang und ihm das Hemd von seinen gut definierten Schultern riss. Der Sessel war am nächsten. Zu ungemütlich. Er griff ihre Handgelenke und schob sie mit dem Rücken gegen die Wand.

»So ganz allein in New York?«, fragte er nonchalant. Wenn sie etwas von einem Gatten auf Geschäftsreise erwähnte, würde er auf der Stelle verschwinden. Frauen in Beziehungen waren tabu.

»Ich mache mit einer Freundin eine Rundreise. Ein Geschenk meiner Eltern zu meinem 25. Geburtstag. Ich werde alt!« Sie rollte mit den Augen, als könnte sie nicht fassen, dass sie bereits Mitte zwanzig war. Die Sorte ,Prinzessin‘ also. Als er sich an sie drückte, vergaß sie sogleich den Ärger über das Älterwerden und stöhnte auf. Er fasste in ihr Haar und zog ihren Kopf leicht zur Seite, sodass ihr Hals freilag. Kaum waren seine Lippen auf ihrer Haut, griff sie zwischen seine Beine. Enver grinste. Da hat es jemand besonders nötig.

»Oh Gott, ist der groß!«, entfuhr es ihr. Hastig öffnete sie seine Hose und ließ ihre Hand hineingleiten.

»Spieß mich auf!«, verlangte sie heiser krächzend. Das kannst du haben! In der Zwischenzeit hatte er den Reißverschluss ihres Kleides gefunden und ließ den Stoff von ihrem Körper gleiten. Tanga und BH folgten umgehend. Er beugte sich erneut zu ihr hinunter, ließ seine Zunge um ihre Brustwarze kreisen und kniff in die andere. Sie stöhnte, wild geworden durch seine Spielerei. Als er sich wieder aufrichtete, schlang sie ein Bein um seine Hüfte und presste ihren Unterleib gegen seinen.

»Nicht, dass du dich erkältest, so ganz nackt«, raunte er.

»Ich fürchte, ich habe bereits Fieber«, entgegnete sie mit einem lasziven Lächeln.

»Du solltest dich ins Bett legen.« Sie folgte seinem Ratschlag. Während sie sich auf dem Weg dorthin zu seinem Bedauern aus den Pumps befreite, nahm er ein Kondom aus der Hosentasche und ließ die Hose dann mit den Shorts und der restlichen Kleidung fallen. In seiner selbstbewussten Art ging er lässig zum Bett. Sie starrte ihn an, mit bebender Brust und unverkennbarem Verlangen im Gesicht. Er grinste innerlich. Er wusste um seine Wirkung auf Frauen. Der Anblick seines athletischen Körpers, die Intensität des Blickes aus seinen tiefbraunen Augen und der Charme seines Lächelns griffen wie ein Uhrwerk ineinander. Zumindest solange er seine große Klappe hielt. Er stülpte das Kondom über und hockte sich mit einem Knie auf das Bett. Sie rutschte heran, strich mit den Fingerspitzen über die leicht gebräunte Haut seiner Arme und die glattrasierte Brust.

»Wow, bist du Model?«

»Ja«, gab er knapp zurück. Bloß nicht mehr sagen als nötig.

»Ich wusste doch, dass ich dich kürzlich auf einem Magazincover gesehen habe. Ich dachte, das Bild wäre stark bearbeitet, aber du siehst wirklich so gut aus. Und dann tauchst du plötzlich auf dieser langweiligen Veranstaltung auf.« Sie fuhr mit dem Zeigefinger über sein Sixpack. Komm zur Sache, Tussi, ich hab nicht ewig Zeit.

»Leg dich hin«, befahl er heiser. Sie sah ihn für den Bruchteil einer Sekunde irritiert an, ehe sie ein – vermutlich perfekt einstudiertes – Kleines-Mädchen-Schmollgesicht machte.

»Findest du mich hübsch?«, piepte sie und sah ihn erwartungsvoll an. Fast hätte er sie gefragt, was der Kinderkram nun soll! Er würde ihr nicht sagen, sie wäre einmalig, er hätte auf dem Ball nur Augen für sie gehabt, oder – noch schlimmer – das obligatorische ‚Du bist mir sofort aufgefallen!‘. Er lächelte und hoffte, das würde ihr als Antwort genügen. Im gleichen Moment spürte er, dass er sie gerade einer Illusion beraubte: Es würde keinen gemeinsamen Morgen geben. Keine zukünftigen Freunde, die in ein paar Jahren anmerkten: ‚Unglaublich, dass ihr euch in New York auf einer Gala unter Hunderten Leuten gefunden habt. Und jetzt heiratet ihr! Hättet ihr das jemals gedacht ‒ nein, seid ehrlich!‘ Für eine Sekunde vereiste die Leidenschaft. Aber ihre Augen wanderten schon wieder seinen zur Perfektion trainierten Körper hinab. Und dann legte sie sich doch hin. Er mochte es, wenn eine Frau im Bett tat, was er befahl. Enver streichelte über ihre langen Beine und betrachtete das rot-braune Dreieck in ihrem Schritt mit wachsender Gier. Über ihren Bauch küssend wanderte sein Mund zu ihren Brüsten.

»Schön handlich, das mag ich.« Er umspielte ihre Nippel mit der Zunge, saugte an ihnen.

»Ja!«, rief sie entzückt.

»Spreiz die Beine.« Sie befolgte seine Aufforderung. In ihren Augen flackerte Aufregung, ihr Mund stand halb offen. Er nahm ihre Brüste wieder in die Hände, knetete sie, klemmte ihre Nippel zwischen Daumen und Zeigefinger, was sie vor Lust stöhnen und den Rücken vom Bett aufbäumen ließ. Sofort war er über ihr und drang mit einem Stoß ein. Sie krallte ihre Fingernägel in seinen Rücken. Er stieß sie zunächst langsam, steigerte sein Tempo fast ins treibende, verlangsamte es wieder. Mit einem leichten Ruck zog er ihren Kopf in den Nacken und hielt ihn dort. Mit einer weiteren Bewegung winkelte er eines ihrer Beine an. Er beugte sich nah zu ihrem Ohr und verzog das Gesicht. Ihr Parfüm stach ihm unangenehm in die Nase. Egal!

»Du wolltest doch aufgespießt werden«, flüsterte er mit rauer Stimme. Er spürte ihre Aufregung bei seinen Worten und genoss das Prickeln. Dann packte er zu und fickte sie hart und schnell. Fordernd rammte er seine Zunge in ihren offenen Mund, stieß unisono mit Zunge und Schwanz in sie hinein. Sie stöhnte in seinen Mund. Ein letzter Stoß und er kam mit einem Seufzer, hielt sie in die Matratze gepresst, bis das gespannte Vibrieren seiner Muskeln nach einigen Sekunden endete. Langsam löste er sich und blieb einen Moment mit geschlossenen Augen neben ihr liegen. Sobald sie sich bewegte, stand er auf, um ein Ankuscheln zu vermeiden. Er zog das Kondom ab und entsorgte es in der Toilette, wusch sich dann die Make-up-Spuren und ihr unmögliches Parfüm ab. Wieder im Zimmer erwiderte er ihr Lächeln zufrieden und sammelte seine Kleidung zusammen.

»Kommst du wieder ins Bett?«, flötete sie. Er zog sich an, ohne sie anzusehen. Ich verstehe diese Frauen nicht. Erst sprechen sie einen aus dem Nichts heraus an und fordern einen One-Night-Stand. Und wenn sie bekommen haben, was sie wollten, ist es plötzlich nicht mehr genug?

»Ich muss leider los«, log er.

»Sehen wir uns morgen beim Frühstück?«

»Ich verreise noch heute Abend.«

»Oooh, wie schade!«, rief sie mädchenhaft. Er hatte sich bereits fertig angezogen und schnürte die Schuhe zu.

»Wohin geht es?«, fragte sie interessiert.

»Istanbul.« Das war dieses Mal nicht gelogen. Allerdings ging sein Flug erst in einem Monat. Enver richtete seine 1,90 Meter wieder auf und sah sie aus sicherer Entfernung an.

»War nett. Goodbye.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, verließ er das Zimmer mit der Nummer 1024 und fühlte sich sogleich wie befreit.

***

Der Februar blieb so trist und dunkel wie ihr Innerstes. Jedes Mal, wenn es schien, als würde der restliche Schnee schmelzen, wurde es wieder kälter, und es fiel neuer Schnee, der sich manchmal in Schneeregen verwandelte. Die Vögel nahmen das Futter dankbar an, das Gesa im Garten an die kahlen Äste hängte. Seit dem Tod ihrer Eltern wanderte sie durch das Haus wie durch einen kalten, leblosen Traum. All den Schmerz und die Wut hatte sie im alten Jahr zurückgelassen. Und seit Samis Zusammenbruch an Neujahr hatte sie sich auferlegt zu funktionieren und alles zu tun, um ihren Bruder bei sich zu halten.

Sie saß unbeweglich auf dem Sofa, ohne zu wissen, wann sie sich dorthin gesetzt hatte oder wie lange sie schon dort saß. Ihre Füße waren bereits eiskalt, als sie sich erhob und in die Küche ging. Sie besah sich die Kräuter auf der Fensterbank. In Gedanken versunken fixierte sie ihren Blick auf eine Schar flatternder Punkte hinter der Glasscheibe auf der gegenüberliegenden Seite des Gartens. Sie wandte sich ab und ging weiter durch den offenen Zugang in den Flur, die breite Treppe hinauf, am Schlafzimmer ihrer Eltern und ihrem Zimmer vorbei. Vor der dritten Tür blieb sie stehen. Sie fühlte sich schwer, als würde ein Felsbrocken an ihren Füßen hängen und sie hinunterziehen. Gesa klopfte an, ging hinein, ohne auf eine Antwort zu warten, und schloss leise die Tür hinter sich. Sie durchquerte vorsichtig das abgedunkelte Zimmer, zog das Plissee hoch und kippte das Fenster. Die kalte Luft ließ sie frösteln. Langsam ging sie zum Bett, setzte sich an den Rand und wartete. Es dauerte eine Zeit, bis Sami sich zu ihr umdrehte. Sie legte ihre Hand auf seine und drückte sie sanft.

»Es ist bald Essenszeit. Weißt du noch, was du mir versprochen hast?«, fragte sie. Er nickte, und nach einer weiteren Weile löste er seine Hand aus ihrer, stand auf und ging zum angeschlossenen Badezimmer. Seine schlaksige Figur wirkte unbeholfen. Er war dieses Jahr schubartig gewachsen und überragte sie nun fast um einen Kopf.

Während Sami sich für ihren Spaziergang durch den anliegenden Wald fertig machte, bezog Gesa sein Bett neu. Eine kleine Holzpuppe mit einem bunt aufgemalten Gewand rollte aus der Decke. Sie nahm die Matrjoschka und fuhr zärtlich mit den Fingern über das winzige Gesicht. Sami hielt sie im Schlaf oft fest in der Hand. Gesa stellte sie in die Schublade des Nachtschränkchens, wo er sie stets finden würde, wenn er nicht schlafen konnte. Ihr Blick fiel auf das Foto darin, und der Schmerz drohte sie sofort in einer riesigen Welle zu überrollen. Nein, ich kann mir keine Schwächen mehr erlauben! Mit zittriger Hand schloss sie die Schublade und bezog das Bett fertig. Dabei atmete sie tief die eisige Luft ein, die sich im Zimmer ausbreitete. Sie sog die Kälte tief in ihre Lungen, ließ sie all den Schmerz in ihrem Herzen einfrieren. Angst und Trauer erstarrten mit ihm und verschont blieb nur ihr Trotz.

Um diese Jahreszeit begegneten sie in diesem Teil des Waldes nur selten anderen Menschen. Die meisten hielten sich auch im Sommer lieber auf der östlichen Waldseite auf, wo ein Restaurant und kleine Brücken, die über einen Bach schlugen, sowie ein großer Spielplatz eher zum Verweilen einluden als der dunklere westliche Teil an der alten Mühle. Meistens blieb Sami von der Schönheit des Waldes unberührt. Aber dann gab es auch Tage, an denen er zu einem Zwitschern in den Baumkronen hochsah, mit einem Anflug von Lebendigkeit in den Augen. Momente, in denen er seinen Schmerz vergaß und einfach nur ein fünfzehnjähriger Junge war. Für diese Momente wäre Gesa um die ganze Welt gewandert. Anders als vor dem Tod ihrer Eltern blieb er immer auf dem Pfad, folgte ihr schweigend oder ging neben ihr her. Onkel Ilja irrt sich. Samis Zuhause ist hier, bei mir und nirgendwo anders.

***

Enver ging mit beschwingten Schritten zum Fahrstuhl, drückte den Knopf für seine Etage. Die Tür sprang auf, und die Blondine fiel ihm fast in die Arme. Nach dem ersten Schrecken presste sie sich absichtlich enger an ihn, sodass ihr Busen in dem lachsfarbenen Paillettenkleid gegen seine Rippen gedrückt wurde.

»Oh, sorry!«, tönte sie. Ihr Mund blieb offen und ihre Augen wanderten von seinem engelsgleichen Gesicht abwärts bis zu seiner schmalen Taille und zurück. Er grinste innerlich, was nur im Ausdruck seiner ruhelosen braunen Augen sichtbar wurde, die so gar nicht zu seiner Unschuldsmiene passen wollten.

»War mir ein Vergnügen.« Lässig ging er an ihr vorbei und stellte sich in den Fahrstuhl. Sie musterte ihn immer noch und wippte mit der Glitzerhandtasche, die an ihrem Handgelenk hing. Enver drückte den Knopf für seine Etage und die Fahrstuhltür schloss sich langsam.

»Byyye!«, flötete sie in bedauerndem Tonfall. Er griff mit beiden Händen in die verbliebene Lücke und riss die Tür wieder auf. Mit schiefem Lächeln und gerunzelter Stirn lehnte er sich vor.

»Abschiede sind mir schon immer schwergefallen«, erklärte er. Sie grinste begeistert. »Vielleicht kannst du es mir etwas leichter machen. Wie wärs’s?«

»Ich hab zufällig ein Gegenmittel, gleich auf meinem Zimmer.« Sie schürzte die Lippen.

»Zimmernummer?« Nicht, dass ich wieder im Prinzessinnenzimmer lande. Es wäre nicht sein erster Dreier, aber dieses Klein-Mädchen-Getue nervte.

»1-0-0-6.« Die letzte Zahl sprach sie betont falsch aus und ließ dabei lasziv die Lider fallen.

»Perfekt.« Er folgte ihr. Sie ließ sich mit Vergnügen das Kleid über die Hüften schieben, das Höschen runterreißen und sich im Vierfüßlerstand auf das Bett positionieren. Unter ihren jauchzenden und stöhnenden Lauten zog er sich die Hose bis zu den Knien runter, holte seinen Schwanz raus und stülpte sich das letzte Kondom über.

»Es geht doch nichts über einen Abschiedsfick«, raunte er heiser. Er stieß in sie und entlockte ihr ein spitzes Aufstöhnen. Wild vögelte er sie, zog sie ruckartig an sich heran, wenn sie von der Kraft seiner Stöße nach vorne kippte.

»Ja! Ja!«, rief sie immer wieder verzückt. Er zog sie an ihrem Haar hoch.

»Ich will mich auch von deinen Titten verabschieden.« Er riss die Träger ihres Kleides und ihren BH runter und knetete ihre Brüste. »Sagt schön Goodbye«, raunte er vergnügt. Er presste ihre Brustwarzen zwischen den Fingern, zog an ihnen, bis sie hart abstanden. Die Blondine war ganz außer sich vor Geilheit. »Jetzt beug‘ dich schön wieder vor …« Er gab ihr einen Klaps auf den Hintern, und sie ging wieder in den Vierfüßlerstand. Enver stieß erneut zu, steigerte sein Tempo, bis sie von seinen Stößen vibrierte. Eine Hand ließ er wieder auf ihre Pobacke klatschen. Sie schrie verzückt auf. Er drückte sie mit seinem Gewicht auf den Bauch, stieß sie langsam und tief in die Matratze, bis er mit einem erstickten Keuchen kam. Einen Moment hielt er inne, zog dann raus und versetzte ihr einen letzten Klatsch auf den Hintern.

Fünf Minuten später hatte er das Kondom entsorgt, Lippenstift und Make-up-Spuren entfernt. Unter ihren wohlwollenden Blicken zog er sich an. Er richtete seinen Smoking auf dem Weg zur Tür. Vom Bett aus verfolgte sie ihn mit ihren Blicken, ein anzügliches Lächeln auf den verschmierten Lippen.

»Danke für die Abschiedsparty«, sagte er, bevor er die Tür hinter sich zuzog. Sie hatte sich nicht die Blöße gegeben, ihn um seine Nummer zu bitten. Und er hatte sie nicht nach ihrer gefragt.

***

Sami half ihr bei der Zubereitung des Abendessens. Ein neues Versprechen, das sie ihm kürzlich erst entlockt hatte. Sie gab ihm immer die Kräuter zum Zerhacken. Sie kannte die belebende Kraft von Rosmarin, Thymian, Basilikum … Die Öle strömten durch seine Fingerspitzen in ihn hinein. Er atmete unbewusst tiefer ein, sein Gesichtsausdruck entspannte sich. Später ließ sie ihn den Kamin im Wohnzimmer anfachen. Sami kuschelte sich mit einer Decke auf die rote Schaumstoffmatratze vor dem Kamin und starrte ins Feuer, bis seine Augen zufielen.

Gesa ging nach oben, in das Schlafzimmer ihrer Eltern. An diesem Wochenende würde sie ihre Kleidung aus dem Schrank herausnehmen. Sie würde das meiste davon verpacken und so schnell wie möglich in die Altkleidersammlung geben. Wenige Sachen würde sie fein säuberlich in die Truhen im Keller packen. Sie würde das Bett behalten, ihre eigenen Sachen in den Schubladen und auf den Bügeln des großen Kleiderschranks verteilen, versuchen, ihn auszufüllen. Ihr altes Zimmer würde sie zu ihrem Büro machen. Jetzt bin ich Vater und Mutter zugleich. Aber das wird nicht reichen … Ich brauche einen Mann im Haus. Einen starken, einen guten Mann, der die Menschen darin auf seinen Schultern tragen kann. Einen Helden. Sie hielt das Handy bereits in der Hand. Die Nummer war darin gespeichert, wie die aller ehemaligen Kommilitonen aus Oxford. Gesa wählte und wartete mit angehaltenem Atem.

»Gesa Kaya-Leonova!«, rief die Stimme lachend.

»Cemdur …« Mehr brachte sie nicht heraus. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

»Hallo? Hörst du mich? Gesa?«

»Ja …« Eine weitere Pause entstand, während sie krampfhaft schluckte.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte er besorgt.

»Ich brauche deine Unterstützung, Cem …« Sie fühlte die heißen Tränen ihre Wangen hinunterfließen. »Ich brauche ganz dringend deine Hilfe!«, schluchzte sie.

Ihr alter Freund wartete geduldig, hörte ihr zu, stellte vorsichtig Fragen zu der Verfügung in dem Testament, zu Samis Zustand. Er hatte Gesa nie so verstört und schwach erlebt. Es war, als wäre ein Fels ins Meer gestürzt.

Sie präsentierte ihm seine möglichen Perspektiven. Seine Stelle bei der Bank in Istanbul war keine Herausforderung, wie sie erfuhr. Er könnte ein paar Jahre Erfahrung im Ausland sammeln. Seine Deutschkenntnisse waren zwar lückenhaft, aber für seinen Beruf nur zweitrangig. Sami wäre in etwas mehr als zwei Jahren volljährig. Eine gute Zeitspanne, um sich weiterzubilden und beruflich zu verändern, bevor es zur obligatorischen Scheidung kam.

Er ließ sich ein paar Tage Bedenkzeit geben.

***

Eva sah Gesa besorgt an.

»Ist Sami da?«, fragte sie atemlos. Sie hatte sich beeilt, nachdem sie und Gesa ihr Telefonat beendet hatten.

»Er ist bei Professor Martens.« Gesa ließ die Freundin ein. Der eisige Wind wehte Schnee herein, der auf den warmen Fliesen schmolz. Eva schloss die Tür mit einer hastigen Bewegung hinter sich und stellte Gesa direkt zur Rede.

»Ich lasse nicht zu, dass du wegen dieses Testaments kriminell wirst!«

»Ich habe keine Wahl.«

»Diese Verfügung ist Auslegungssache! Eure Eltern haben doch nur vorsorgen wollen, falls ihr beide noch minderjährig seid!«

»Das habe ich dir schon am Telefon erklärt. Unser Familienanwalt hat die Verfügung wieder und wieder geprüft. Ich werde ihn verlieren, Eva, willst du das?«

»Natürlich nicht! Du könntest vor Gericht gehen …«

»Und meine eigene Familie verklagen?«

»Gibt es denn sonst keine direkten Verwandten, die auf deiner Seite sind?« Gesa sah ihre Freundin traurig an.

»Verzeih …« Eva umarmte sie fest.

»Schon gut. Ich kann mich auch nicht daran gewöhnen, dass Mama ein Heimkind war. Findest du das merkwürdig? Sie war immer so zufrieden … Aber jetzt wird mir alles so schmerzlich bewusst, Eva. Das Einzige, was unsere Mutter mitbrachte, war ein russisches Holzpüppchen. Mehr hatte sie nie. Mehr hatte sie nie …« Sie klammerte sich an ihre Freundin und unterdrückte den auflodernden Schmerz in ihrer Brust. Eva hatte ihre Jacke noch an, und die Kälte, die sie ausstrahlte, half Gesa, die brodelnde Verzweiflung zurückzudrängen.

»Es tut mir so leid, du armes Ding!«, tröstete Eva und nahm die Freundin fest in den Arm. »Hör zu, Gesa …«, setzte sie hinzu und sah sie eindringlich an. »Ich bin bloß angehende Architektin, keine Rechtsanwältin. Aber dass Scheinehen unter Strafe stehen, weiß selbst ich. Das Risiko kann ich nicht akzeptieren. Und wenn ich dir nach Istanbul folgen und dich aus den Armen dieses Typen reißen muss!«

Gesa verstand, dass Eva sich ernsthaft Sorgen machte. Aber es gab nun mal keinen anderen Weg, um Samis Umzug zu verhindern. Stumm sah sie zum Flurschrank. Davor stand ihr kleiner Koffer mit dem Gänseblümchen-Muster, den sie so mochte. »Ich fliege morgen früh. Achte bitte auf Sami, ja?«

Eva sah sie verzweifelt an. »Was, wenn der Typ dir was tut? Oder wenn ihr erwischt werdet? Weiß Sami überhaupt davon?«

»Cemdur ist in Ordnung, keine Sorge. Ich bin angeblich beruflich unterwegs. Der Rückflug ist am gleichen Abend, wir wollen nur die wichtigsten Details besprechen. Im März fliege ich mit Sami rüber und stelle meiner Familie meinen Verlobten vor. Die Schule macht für ihn eine Ausnahme, wegen …« Sie sprach nicht weiter.

Spiel mit mir

»Was machst du denn hier?« Cem starrte ihn unwillig an. Enver holte die Hände aus den Taschen seiner gefütterten Fliegerjacke und öffnete die Arme.

»Willst du mich nicht hereinbitten?«

Cem drehte sich um und ließ ihn ohne ein weiteres Wort stehen. Irritiert über das ungewohnt kühle Verhalten seines besten Freundes, folgte Enver ihm in sein Apartment. Im Wohnzimmer saß eine zierliche Blondine.

»Merhaba.« Er blieb lässig stehen und grinste breit. Cem warf ihm einen warnenden Blick zu. Alles klar. Die Kleine verschwand sofort von seinem Radar.

»Eva, hallo. Ich verstehe leider kein Türkisch«, entgegnete sie auf Englisch. Sie schüttelten sich die Hände.

»Enver, freut mich. Kein Problem, ich spreche deutsch, englisch, französisch, italienisch, schwedisch, spanisch und bin schon relativ gut im Chinesischen. Such dir einfach was aus.«

»Ehm … sehr beeindruckend.« Sie sah ihn aus blauen Augen verdattert an, bevor sie angestrengt lächelte. Was für einen merkwürdigen Geschmack mein alter Freund doch hat. Enver sah Cem zweifelnd an. Sein bester Freund, der mit seinen geschmeidigen 1,77 Meter sonst immer flink und leichtfüßig erschien, wirkte ungewohnt eingesunken. Sein dichtes, schwarzes Haar stand zerzaust in alle Richtungen ab. Die kohlrabenschwarzen Augen wirkten müde und die sonst bronzefarbene Haut fahl. Misstrauisch beäugte Enver die Blondine. Hatte sie ihn etwa so zugerichtet? Sie sah selbst ziemlich unglücklich drein.

»Ihr seht aus wie Omi und Opi, die Silvester ohne die Enkel feiern müssen.« Er setzte sich in den Sessel ihnen gegenüber.

»Na, vielen Dank auch. Was führt dich überhaupt her?«, sagte Cem genervt.

»Ich bin die nächsten zwei Wochen beruflich in Istanbul und dachte, ich könnte dein Gästezimmer haben.«

»Im Klartext: Fotoshootings und danach Party ohne Ende und ich soll das Alibi für deine geplagten Eltern abgeben.«

Enver fixierte ihn überrascht. Seit wann hatte Cem ein Problem damit?

»Hab ich was verpasst?«, fragte er. Cem schob seine Hand in Evas und atmete tief durch.

»Ich muss heiraten«, deklamierte er mit düsterer Miene.

»Glückwunsch«, entgegnete Enver ohne Begeisterung. Eine Heirat kam ihm einem Todesurteil gleich, aber was kümmerte es ihn schon, was andere taten?

»Ich muss eine andere heiraten, Mann!«, rief Cem außer sich. Evas Schultern bebten, und sie fing tatsächlich an zu heulen. Unangenehm berührt rutschte Enver auf seinem Sitz herum.

»Gib der anderen doch den Laufpass. Easy.«

»Das geht nicht so easy!«

»Sorry, aber ich blick gerade null durch.« Enver lehnte sich vor und zog die Stirn kraus, den wieder zweifelnden Blick auf die müden Augen seines besten Freundes gerichtet. Cem lehnte sich ebenfalls vor und erklärte ihm die Situation.

Nachdem er Enver die Geschichte erzählt hatte, lehnte dieser sich zurück und starrte ihn kopfschüttelnd an. Mein bester Freund ‒ edler Ritter und hoffnungsloser Romantiker in einer Person! Cem streichelte der wieder weinenden Eva über die Wange und lächelte schwach. Sie wischte sich die Tränen weg und lächelte zurück. Enver konnte nicht anders, als die Augen zu verdrehen.

»Es war Liebe auf den ersten Blick«, sagte Eva mit gebrochener Stimme und weinte sofort wieder los. Oh, bitte verschont mich!

»Eva hat Gesa vor ein paar Tagen nach Istanbul begleitet, um sicherzugehen, dass sie nicht in falsche Hände gerät. Als sie vor mir stand und mich mit ihren blauen Augen ansah, da war es, als ob …« Cem blieb auf der Suche nach den passenden Worten im Satz stecken.

»Als ob die Welt still steht, und nur wir wüssten es«, schluchzte Eva und lehnte sich gegen seine Schulter.

»Tja …« Enver räusperte sich und sah von ihr zu Cem. »Also, wirst du dennoch diese Gesa aus Gefälligkeit heiraten«, stellte er fest.

»Als sie mich in ihrer Verzweiflung anrief, habe ich nicht lange gezögert. Ich war Single, und ein paar Jahre Auslandserfahrung klangen verlockend. Jetzt ist natürlich alles anders.«

»Das ist tragisch, wirklich tragisch, mein Freund.« Enver beugte sich vor und klopfte ihm auf die Schulter. Cem wirkte mit einem Mal noch schmaler als sonst und todunglücklich. Verdammt, sind das Tränen in seinen Augen? Warme Wellen schwappten durch Envers Brust. »Wenn ich dir irgendwas abnehmen kann, sag mir nur Bescheid, Kumpel.« Er drückte sanft seine Schulter.

»Danke, Mann.« Die Vertrautheit ihrer alten Freundschaft lag in Cems kurz aufblitzendem Lächeln.

»Ist doch selbstverständlich.«

Cems Gesichtsausdruck wurde plötzlich starr.

»Enver.« Er griff seine Hand und sah ihn mit großen Augen an. »Enver!« Seine Finger krallten sich geschmeidig, aber mit enormer Kraft, um sein Handgelenk.

»Was ist mit dir?«, fragte Enver besorgt.

»Nimm mir Gesa ab!« Er riss seine Hand aus Cems Schraubstockgriff. Zum ersten Mal in seinem Leben war er sprachlos. »Du bist Single und die meiste Zeit unterwegs! Heirate sie an meiner Stelle!«, rief Cem. Envers Sprachzentrum funktionierte daraufhin wieder.

»Eva, ruf einen Notarzt! Dein Lover steht unter schwerem Schock!«

»Es ist ja nur für zwei Jahre!«, rief nun Eva und beugte sich mit vor Begeisterung blitzenden Augen vor. Was?! Enver starrte ungläubig von ihr zu Cem. Wie von der Tarantel gestochen fuhr er plötzlich hoch und begann, sich rückwärts zur Tür zu bewegen.

»Auf keinen Fall! Cem, du weißt, was ich von der Ehe halte!«

»Denk mal nach, Mann! Es würde dir das Leben erheblich erleichtern!« Cem und Eva folgten ihm durch das kleine Wohnzimmer, wie zwei Füchse, die einen Leckerbissen entdeckt hatten.

»Scheiße! Das ist doch nicht euer Ernst!?«

»Es wäre die perfekte Tarnung für dein Junggesellenleben! Denk nur an deine Mutter!«, wandte Cem ein.

»Die Ehe ist die Hölle auf Erden! Wer will schon sein ganzes Leben mit immer der gleichen Frau …« Enver verzog das Gesicht. »Nein!«, rief er entschlossen.

Eva sah Cem empört an.

»Geht es dem Kerl gerade echt nur um Sex?!«

»Lass mich das regeln, Eva«, beruhigte Cem sie sanft. »Du könntest tun und lassen, was du willst, Enver. Ohne das ständige Gemecker darüber, dass du endlich heiraten sollst«, lockte er weiter.

»Nein und niemals!« Das Klingeln seines Handys erlöste Enver von der qualvollen Verfolgung. Er sah auf dem Display das strahlende Gesicht seiner Mutter. »Hallo, schöne Frau!« Erleichtert setzte er sich wieder. »Ich bleibe bei Cem.«

Er schielte zu Cem, der seine Ausrede mit düsterer Miene aufnahm. Vermutlich musste er in einem Hotel übernachten, jetzt, da der Romantiker eine Freundin hatte. Envers braune Augen verdunkelten sich bei dem Gedanken. Er würde höchstens zwei Tage in seinem Elternhaus aushalten. Grund waren die vielen Streitereien mit seiner Mutter, die sich stets um seinen – ihrer Meinung nach – respektlosen Umgang mit dem anderen Geschlecht drehten. Dabei konnte er doch nichts dafür, dass die Mädchen ihm gruppenweise nachliefen! Als sie eines Tages vor einer seiner unzähligen Eroberungen damit drohte, ihn zu einem Aidstest zu schicken, schob ihn seine Begleitung erschrocken von sich und raste mit einem Taxi davon. Das war der peinlichste Moment in seinem Leben gewesen, was er seiner Mutter in einem hitzigen Streit auch deutlich klargemacht hatte. Außer sich vor Wut, entschloss er sich damals zum Auszug. Zum Glück hielt sein Vater zu ihm, als er mit gerade mal siebzehn Jahren ins Ausland wollte ‒ auch wenn Halas dies lediglich im Hinblick auf das Sprachtalent seines Sohnes und den drohenden Militärdienst tat. Maja Zirek hatte ihr Verhalten ihrem mittlerweile erwachsenen Sohn gegenüber geändert – leider nicht in einer Weise, die dem mittlerweile Zweiunddreißigjährigen passte. Eigentlich verstanden sie sich ja ganz prima … solange sie das ewige Streitthema Beziehung mieden. Denn genau in einer solchen wollte Maja ihren Sohn gerne sehen. Er war als einziges ihrer drei Kinder noch nicht unter der Haube. Sie glaubte langsam, dass er sie absichtlich zum Wahnsinn trieb mit seiner unsteten Art. Und Enver dachte dasselbe über ihr permanentes Drängen.

»Wie geht es euch? Ist Baba von seiner Geschäftsreise zurück?« Eva und Cem nahmen wieder gegenüber Platz und sahen ihn hoffnungsvoll an. Nervös unter ihren Blicken, fuhr er sich mit der freien Hand durchs Haar. Eva sah auf die Uhr.

»Sie müsste bald hier sein«, bemerkte sie. Enver sprang auf und machte ihr ein Zeichen, dass sie leise sein sollte.

»Das war bloß der Fernseher«, sprach er schnell in den Hörer. Er sah im Augenwinkel, wie Cem Eva etwas zuflüsterte. Übersetzt er etwa, was ich mit meiner Mutter bespreche? Eva stand auf und legte den Zeigefinger nickend auf die Lippen. Enver nickte ebenfalls, dankbar, dass sie verstanden hatte. Sicherheitshalber wechselte er dennoch vom Türkischen ins Schwedische, als er weitersprach.

»Nein, keine Freundin«, sprach er routiniert in den Hörer. »Du bist doch schon vierfache Großmutter! Lass uns bitte nicht streiten, Mama.« Eva stand plötzlich dicht vor ihm.

»Bis später, Enver!«, rief sie. Er sprang vor Schreck auf, und Eva fiel mit einem spitzen Schrei nach hinten auf die Couch.

»Das … das war Cems Freundin!«, versuchte er sich zu retten und fiel im nächsten Moment wieder in den Sessel. »Er ist nur zwei Jahre jünger, Mama! Nicht fünf!«, verteidigte er sich. Wie angestachelt setzte er sich aufrecht. »Für eine Schwedin bist du verdammt hitzköpfig! Und rechnen kannst du wohl auch nicht mehr! Ich bin 32, nicht 35! Ja, ich rede so mit dir, auf Wiederhören!« Er legte auf, stopfte das Handy in seine Hemdtasche und funkelte Eva mit dunklen Augen an.

»Was sollte das?!«

»Hey, pass auf, wie du mit meiner Freundin sprichst!« Cem grinste ihn von oben herab an.

»Mami macht wohl wieder Druck, weil sie von ihrem einzigen Sohn noch kein Enkelkind bekommen hat«, bemerkte er süffisant.

»Halt die Klappe!«

»Ich frage mich, ob sie Ruhe geben wird, wenn du ihr eine Verlobte vorsetzt?«

»Schlag dir das aus dem Kopf, Mann! Ich geh wohl besser!« Wütend über diesen verrückten Plan, stand Enver auf und trotte zur Tür.

»Ja, tu das! Ein toller Freund bist du!«

Das tat weh. Aber was verlangte Cem eigentlich? Dass er an seiner Stelle einfach mal so eine Fremde heiratete? Wer war diese Gesa schon, dass ein Mann seine Freiheit ihretwegen opfern sollte? Ich werde so einen dummen Fehler mit Sicherheit nicht begehen. Falls ich – wenn überhaupt jemals! – heirate, dann nur die Göttin der Liebe persönlich! Enver war überzeugt, Venus würde zu gegebener Zeit aus dem Sternenhimmel herabsteigen ‒ direkt in seine Arme. Und sie würde alle Frauen dieser Welt verkörpern. Jede Nacht eine andere. Er knallte die Tür hinter sich zu, um seine Ungehaltenheit angesichts der Forderung eines solchen Opfers zu demonstrieren. Es war nur zu hoffen, dass sein bester Freund seinen Verstand bald wiederfand! Immerhin war er zugleich sein einziger Freund …

***

Kaum war Enver aus der Tür, atmete er tief durch. Für Mitte März war das Wetter wirklich schön. Frisch, aber sonnig. Er sah zum Himmel. Es war einer dieser Tage, an denen der Mond auch tagsüber sichtbar war. Wo mochte Venus sein? Er hatte keine Ahnung von Astronomie. Also küsste er die Fingerkuppen einer Hand, holte Luft und hauchte den Luftkuss in Richtung Mond. »Sag meiner Vollkommenen, dass ich auf sie warte.« Er freute sich bei dem Gedanken, wie Venus seine Liebesbotschaft vom Mond entgegennahm und an ihren lieblichen Busen drückte, auf den Lippen ein entzücktes Lächeln.

»Meine Schöne …«, sprach er leise in den Himmel. Dann setzte er seine Sonnenbrille auf und bog in die Seitenstraße ein, wo sein Mietwagen stand. Bei dem Anblick des klobigen Gefährts vermisste er seinen Mustang. Der stand in der Tiefgarage in Mailand, unter dem Gebäude, in dem er ein Apartment sein Eigen nennen durfte. Er wollte gerade aufschließen, da lachte ihm von der anderen Straßenseite der perfekteste Hintern zu, der ihm je unter die Augen gekommen war. Zwei feste Rundungen, eingefasst zwischen sinnlichen Hüften und getragen von schlanken Beinen. Die Besitzerin war tief in ihren Wagen gebeugt. Er nahm die Sonnenbrille ab und musterte ihr Gestell fasziniert. Die Absätze der Lederriemchen-Sandalen an ihren nackten Füßen hätten ruhig höher sein dürfen. Trotzdem: verdammt sexy. Zwischen ihren wohlgeformten Schenkeln hatte sich eine ovale Lücke aufgetan. Sie zog eine große, weiche Lederhandtasche hervor und drehte sich um. Bezaubernd! Enver leckte sich die Lippen. Sie war etwa 1,70 m groß, schlank und doch fraulich mit ihrer schmalen Taille und den sanften Kurven ihrer Hüften. Die feminin geschnittene Jeans und die weiße Westernbluse schmeichelten ihrer Figur, die sich nun wiegend in seine Richtung bewegte. Ihre Art zu gehen ließ ihn mit offenem Mund staunen. Es lag eine natürliche Sinnlichkeit in ihren Bewegungen, die er bei keiner seiner Modelkolleginnen je gesehen hatte. Ihre großen Haarwellen leuchteten in der Sonne in verschiedenen Spätsommertönen. Er kniff kurz die Augen zusammen, aber es gab keinen Zweifel. Je nachdem wie sie ihren Kopf wendete, dominierte ein rötliches Kastanienbraun oder ein Sonnengold, durchzogen von sattem Kupfer und schimmernder Bronze. Die schulterlangen, bunten Wellen umrahmten ein hübsches Gesicht mit elfenbeinweißer Haut und einem glänzenden kleinen Schmollmund. Jetzt war sie auf seiner Höhe.

»Merhaba aşkım.« Seine Stimme glich einem Knurren und klang ganz fremd in seinen Ohren. Sie blieb stehen und wandte sich ihm zu. Ihre Blicke durchdrangen ihn, raubten ihm den Atem. Das ungewöhnlich tiefe Smaragdgrün ihrer Augen zog ihn merkwürdig an, und für einen Moment wollte er sich vornüber beugen und in sie hineintauchen wie Tarzan in den tiefen Dschungel. Sie erschienen ihm so seltsam vertraut und geheimnisvoll zugleich ‒ wie etwas Altes, das man nach langer Zeit wiederfindet.

»Wie bitte?« fragte sie auf Englisch. Er brauchte einen langen Moment, um zu schalten. Unmerklich schüttelte er den Kopf, um sich aus dem Bann ihrer Augen zu befreien.

»Ich habe mich gefragt, ob ich dich auf einen Drink einladen darf«, entgegnete er und nahm wieder eine lässige Haltung an. »Oder andere Leckereien«, fügte er routiniert provokant hinzu. Sie musterte sein Gesicht und hob dabei eine zart geschwungene Augenbraue.

»Ich habe keine Zeit zum Spielen«, antwortete sie kühl. Sie wandte sich bereits wieder ab. Er machte einen Schritt nach vorne und versperrte ihr den Weg. Nicht die feine Art, aber einen Versuch wollte er noch wagen.

»Und wenn ich dich freundlich bitte?« Zum Glück blieb sie wieder stehen.

»Um den Drink oder die Leckereien?«, gab sie nüchtern zurück. Enver beugte sich etwas hinunter und musterte ihr hübsches Gesicht.

»Dein Vorschlag gefällt mir besser. Spiel mit mir, Schätzchen«, raunte er. Sie stutzte, hielt seinem Blick aber stand. Sie waren wirklich schön, diese großen Smaragde mit den dichten Wimpern drumherum. Ein tiefes Glühen erschien jetzt in ihren Augen. Dann ging sie einfach um ihn herum und ließ ihn für einen Moment ungewohnt verdutzt hinter ihr herschauen.

»Darf ich wenigstens deinen Namen erfahren?«, rief er, als sie sich bereits einige Meter entfernt hatte. Sie drehte sich um und ging rückwärts weiter.

»Audrey!«, rief sie, wandte sich wieder ab und verschwand hinter der nächsten Ecke.

»Audrey …«, wiederholte er für sich und überlegte, ob er diesen wiegenden Hüften nachgehen sollte – was eigentlich nicht seine Art war. Genau genommen hatte er es bisher nie nötig gehabt, einer Frau hinterherzurennen, weil bis eben keine seinen Attributen widerstanden hatte. Deshalb stand er immer noch irritiert da und starrte in Richtung der Ecke, hinter der sie verschwunden war. Wenn er eine rumkriegen wollte, die nicht leicht zugänglich war – oder die so tat, um sich interessant zu machen – wendete er normalerweise kleine Tricks an, die sich über die Jahre etabliert hatten. Sein feingeschnittenes und doch kantiges Gesicht half ihm dabei natürlich sehr. Manchmal ließ er seine Lippen leicht offen stehen und sah das Objekt seiner Begierde betont nachdenklich an, bis sein Blick erwidert wurde. Dann grinste er glücklich über beide Ohren, als hätte er eine Freikarte nach Disneyland gewonnen. Die Frauen kamen sich besonders vor, weil er seine ganze Aufmerksamkeit auf sie richtete. Okay, nach dem Sex fielen sie auf den harten Boden der Realität zurück, weil die ganze Romantik einer merkwürdigen Aggression wich, die ihn befiel, sobald er realisierte, dass sie am nächsten Morgen immer noch neben ihm lagen. Er zog die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. Wieso, verdammt noch Mal, habe ich Trick siebzehn nicht bei diesem Prachtweib angewendet? Ärger machte sich in ihm breit. Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken.

»Bonjour, Miriam. Comment vas-tu?” Langsam ging er zum Wagen und plante die dritte Einladung für diese Woche ein. Eine Party in einem Istanbuler Nobelclub bedeutete neue Kontakte und jede Menge hübscher Frauen. Er musste natürlich seine Agentin Ceylan mitnehmen, denn die Frau, die ihn soeben eingeladen hatte, war keine Geringere als deren größte Konkurrentin. Miriam versuchte schon seit Jahren, Enver mit einem Agenturvertrag zu ködern. Auch wenn die Konditionen wirklich verlockend waren, hatte Enver aus Loyalität zu Ceylan immer abgelehnt.

***

Sie streckte ihren prallen Arsch in seine Richtung, obwohl sie genauso gut in die Hocke hätte gehen können, um die Puderquaste aufzuheben. Enver umfasste von hinten ihre Hüften.

»Streck ihn höher«, befahl er. Eigentlich stand er auf schlanke Frauen, aber hin und wieder betörten ihn ein paar Kurven. Sie stützte beide Hände auf der Kommode ab und stellte sich etwas breiter hin.

»Davon habe ich geträumt, seit ich diese Werbung mit dir in der Platinum Men gesehen habe«, sagte sie heiser. Die Kampagne für die Luxuskleiderserie lag vier Monate zurück. Er zog ihren zu kurzen Mini hoch, riss ihr Höschen runter und befingerte sie.

»Du bist ja mehr als bereit, Kleine«, raunte er. Ihre aufgestaute Geilheit ersparte ihm offenbar ein Vorspiel. Umso besser. Er stülpte ein Kondom über. Sie sah ihm dabei zu und stöhnte verlangend.

»Uuhh, ja. So mächtig habe ich mir dein Ding vorgestellt!«

»Jetzt gibt es eine Kostprobe. Umdrehen.« Nach einem Klaps auf ihren prallen Hintern stieß er in sie hinein. Sie legte ihre Unterarme ab, um seine härter werdenden Stöße abzufangen. Während er sie vögelte, betrachtete er im Spiegel seine schlanke Statur, seinen Sixpack und die Spannung in seinen Armmuskeln. Der große Spiegel bestand aus drei Flächen, wobei die beiden äußeren beweglich waren. Eine Linie verlief jetzt so, dass sein Spiegelbild zweigeteilt wurde. Für eine Sekunde war er irritiert, bevor er sich wieder auf sie konzentrierte. Er erhöhte sein Tempo und sorgte dafür, dass sie keuchte. Nach zwei letzten Stößen kam er und presste sie dabei noch tiefer in ihre Arbeitsutensilien. Für einen Moment hielt er inne, zog dann raus und knetete nochmal ihre Pobacken, bevor er in den Waschraum ging.

Er sah in den Spiegel über dem Waschbecken. Seine Lippen waren nicht wie üblich nach einer solchen Aktion zu einem schiefen Grinsen verzogen, und seine dunkelbraunen Augen hatten nicht den honigfarbenen Schimmer, der immer dann auftauchte, wenn er besonders entspannt war. Stattdessen waren sie dunkler, fast schwarz. Das kam selten vor und eigentlich nur, wenn er wütend war. Irritiert fixierte er seine Augen im Spiegel, schob dann eine dunkle Strähne aus seiner hohen Stirn und sah zur Tür. Hoffentlich will die Tussi jetzt kein romantisches Gesülze hören. Enver ging zurück ins Zimmer, wo sie am offenen Fenster stand und rauchte. Sobald er wieder in ihrem Sichtfeld war, drückte sie die Zigarette aus.

»Wir sind hinter dem Zeitplan«, tönte sie zufrieden.

»Du bist mal eine Tussi nach meinem Geschmack«, plapperte er unüberlegt. Entweder hatte sie es überhört oder sie ignorierte den Spruch. Glück gehabt. Und das nächste Mal: Klappe halten! Ein halbe Stunde später hatte sie seine rechte Gesichtshälfte kunstvoll in die einer Raubkatze verwandelt und er ging zum Set. Die Kamera sollte langsam um den Wagen schwenken, dann über seine ungeschminkte Gesichtshälfte zu seiner rechten, die seine animalische Seite darstellen sollte. Danach würde es absurde, sexuell aufgeladene Szenen geben, die sich mit Einblendungen des Wageninneren abwechselten. Der Slogan lautete: sexy, tierisch gefährlich und luxuriös. Enver war es gleich, solange er von den Jobs gut leben konnte. Der schwarze Maßanzug mit der schmalen Krawatte saß perfekt, und der Kontrast zum detailliert aufgemalten Raubkatzengesicht war wirklich gelungen.

»Wieso hat das so lange gedauert?«, fragte der Regisseur mit einem Blick auf die Uhr.

»Hat es doch gar nicht«, entgegnete Enver ungerührt und stellte sich neben den anthrazitfarbenen Luxuswagen. Zwei junge Assistentinnen, eine blondgefärbt und eine schwarzhaarig, begannen sofort damit, den Set zu optimieren, und schielten ständig zu ihm rüber. Er konnte ihre verhaltene Erregung spüren. Im Fenster des Luxusschlittens besah er sich die Kontaktlinse, die er im rechten Auge trug. Sie war moosgrün. Sofort musste er an die Schönheit mit den Smaragdaugen denken, die ihm gestern über den Weg gelaufen war. Sie hatte nicht nur diese ungewöhnlich tiefgrünen Augen … Die bunte Vielfalt ihrer Haarwellen ließ ihn nicht los. Sie waren wie ein goldener Spätsommer, wenn die Luft noch warm war, aber schon erdig angehaucht … ein ständig wechselnder Schimmer von Sonnengold, Bronze, Kastanie, einem Anflug von Kupfer … Er fragte sich unwillkürlich, welchen dieser Farbtöne ihr Schamhaar hatte.

»Das reicht, meine Damen! Und du, hör auf zu grinsen und sieh so hart wie möglich nach vorne!«, rief der Regisseur.

Sie wurden mit dem Spot dann doch fast eine Stunde früher fertig als geplant. Also hatte er jetzt etwas Zeit bis zu seiner Verabredung mit Ceylan. Enver fuhr ein wenig durch die Gegend, wie er es sonst gerne mit dem Mustang tat. Es war nicht das gleiche Gefühl, aber er konnte hinter dem Steuer wunderbar entspannen.

Erst als die Wagentür mit einem dumpfen Geräusch zufiel, merkte er es: Er stand in der Seitenstraße, die zu Cems Apartment führte. Dabei sprachen sie doch gar nicht mehr miteinander! Er sah sich um, starrte immer wieder zur anderen Straßenseite. Als ihm bewusst wurde, wonach er suchte, schüttelte er den Kopf, stieg wieder ein und fuhr davon.

***

»Schaaatziiiii!« Ceylan winkte Enver mit den Fingern, als würde sie ihre manikürten Nägel an einer Baumrinde ausprobieren – oder an einem unschuldigen Opfer. In dem schneeweißen Kostüm kam ihre bronzefarbene Haut gut zur Geltung. Sie tat einiges dafür, dass man ihr die 48 Jahre nicht ansah. Und wenn jemand es wagte, sie nach ihrem Alter zu fragen, redete sie entweder drumherum oder wurde garstig wie eine Wildkatze, die man in die Enge getrieben hatte. Ceylan bewegte sich wie ein Bollywoodstar durch die Menge, darauf bedacht, möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie küssten sich zur Begrüßung auf die Wangen und sie kommentierte laut etwas auf Französisch, was zwar keinen Sinn ergab, aber die Umstehenden dazu brachte, ihr Platz zu machen. Einige hielten sie beide vermutlich für Filmstars, denn sie zückten ihre Smartphones und schossen Fotos von ihnen.

Enver wäre lieber sofort reingegangen. Er genoss zwar große Auftritte und war zu jeder Zeit professionell. Auf der Straße angestarrt zu werden, ging ihm jedoch seit Kurzem auf die Nerven. Aber mit Ceylan unterwegs zu sein, bedeutete nun mal, Teil einer Inszenierung zu sein ‒ und die genoss sie sehr. Natürlich blieb sie stehen und lächelte in Richtung der Smartphones.

»Ich habe ein paar Suupiiiaufträge für dich, Schatzi. Einen hier in Istanbul und danach London! Außerdem hat Lloyd mir von einem Casting für eine amerikanische Krimiserie erzählt. Ich habe deine Unterlagen an die Produzenten geschickt«, flötete sie, immer noch breit lächelnd. Sie hakte sich bei ihm unter wie eine Grande Dame, und sie gingen an der langen Warteschlange vorbei, dem Türsteher zunickend. Enver hatte den Mann noch nie zuvor hier gesehen. Und tatsächlich ließ er sie warten. Enver wusste, dass es Ärger geben würde, als er sie zu lange fragend musterte, bevor er mit einem Wink der Hand zur Seite ging. Ceylan fuhr sofort die Krallen raus und der Türsteher zuckte regelrecht zusammen.

»Du Anfänger!«, kreischte sie.

»Verzeihung, ich …«, begann er. Ceylan unterbrach seinen Erklärungsversuch mit einem noch schrilleren Ton.

»Wie kann Gündogan bloß solche Waschlappen einstellen?!«

»Er macht doch nur seinen Job.« Beschwichtigend legte Enver eine Hand auf ihre Schulter. Sie fühlte sich knochig an und war ziemlich steif. Auf ein inszeniertes Drama kann ich nach dem langen Tag gerne verzichten. Sanft zog er sie in den dunklen Club, aus dem tiefe Bassklänge drangen. Kaum wurde Ceylan überschwänglich von einem Bekannten begrüßt, hatte sie den Ärger vor der Tür bereits vergessen. Enver wusste, dass das Thema deswegen noch nicht vom Tisch war – Ceylan konnte nicht nur ziemlich biestig sein, sondern war auch nachtragend. Sie stießen gerade mit ihren Gläsern an, als Miriam auftauchte. Die Konkurrentinnen knipsten sofort ihr breitestes Lächeln an.

»Hiii, Süüße!!«

»Miiiriaam!«

Sie tauschten geräuschvoll Küsschen, ohne sich zu berühren. Ceylan hasste die fünf Jahre jüngere, gertenschlanke Miriam wie die Pest und zog nach jeder Begegnung über deren angebliche Tablettensucht her. Manchmal war es auch Alkoholabhängigkeit, oder das weiß-blonde Haar war gefärbt. War es vermutlich wirklich. Der Hass beruhte auf Gegenseitigkeit, was ein offenes Geheimnis war. Aber in der Öffentlichkeit wollten beide stilvoll erscheinen, also blieb es beim Fauchen hinter dem Rücken der Rivalin. Neben Miriam stand eine hübsche Dunkelhaarige, die Enver hier ebenfalls noch nie gesehen hatte. Sie erwiderte sein Lächeln und glotzte mit großen Augen auf seine definierte Brust. Dass er schon allein mit seiner, je nach Laune, mal engelhaften, mal wilden Erscheinung die Frauen beindruckte, amüsierte Enver jedes Mal aufs Neue. Schon wieder kam ihm die gestrige Begegnung in den Sinn. Das Schätzchen muss ich von meiner Statistik abziehen. Er merkte, dass ihn das störte, ja sogar kränkte. Hätte er ihre Nummer bekommen, müsste er nicht ständig an sie denken. Gestern Nacht hatten ihn ihre Katzenaugen sogar im Schlaf verfolgt, und er war mit einer merkwürdigen Ruhelosigkeit erwacht. Und heute Nachmittag hatte er tatsächlich unbewusst die Straße in Richtung Cems Apartment angesteuert und sie gesucht. Audrey … Er würde einiges dafür geben, ihr die Jeans runterzuziehen und ihren verdammten, perfekten Arsch versohlen zu können! Okay, ich muss das Grinsen in meinem Gesicht abschalten. Die plötzliche Beule in seiner Hose konnte er unter dem Jackett und dank des schummrigen Lichts leicht verbergen. Während Miriam und Ceylan sich über den neuesten Tratsch austauschten und sich Honig ums Maul schmierten, unterhielt er zur eigenen Ablenkung die dunkle Schönheit mit ein paar netten Geschichten. Er fand sie langweilig, aber zumindest war es einfach, das Gespräch in die gewünschte Richtung zu lenken.

»Lola ist ein wirklich hübscher Name, so fraulich.« Sie starrte ihn für einen Moment an, wie ein Playboy-Häschen eine Schlange, bevor sie sich zurücklehnte und desinteressiert tat. Er hatte keine Lust auf lange Spielchen, also setzte er einen drauf. »Weißt du was, Lola? Ich glaube, es ist um mich geschehen.«

»Du bist mir ein Charmeur. Aber glaub ja nicht, dass ich mich so leicht abschleppen lasse«, flötete sie und beugte sich vor. Ihre Brüste in der locker sitzenden Bluse, die sie über einem schwarzen Minirock trug, wurden halb sichtbar. Dann war es also nicht unmöglich. Das war eine klare Einladung in ihr Höschen.

»Ich dachte mir schon, dass du nicht wie andere Frauen bist.« Er starrte in ihr Dekolleté und stellte seine leere Bierflasche zu den zwei anderen. Offenbar hatte er alleine getrunken, denn sie nippte noch an ihrem ersten Cocktail. Ceylan und Miriam waren auf der Jagd nach Stars, mit denen sie sich ablichten lassen konnten. Also stand seinem Vorhaben nichts im Weg.

»Lass uns frische Luft schnappen.« Mit einem Ruck holte er sie vom Sessel. Sie gingen einen Seitenflur entlang und steuerten auf eine Tür zu. Sie blieb abrupt davor stehen.

»Da steht No access.« Fragend blickte sie ihn an.

»Das geht schon in Ordnung.«

»Das ist verboten!« Sie entriss ihm ihre Hand. Er hatte schon oft ängstliche Häschen erlebt, aber Lola war echt nervig. Ging sie nie ein Risiko ein? Dabei konnte Sex auf dem Dach eines Nobelclubs so reizvoll sein.

»Ehm, der Clubbesitzer ist ein guter Freund von mir«, log er.

»So?« Sie sah ihn misstrauisch an.

»Glaubst du, ich würde sonst einfach durch Türen gehen, auf denen Kein Zutritt steht?«, gab er lässig zurück.

»Hm, vermutlich nicht.«

»Dann komm.« Er nahm ihre Hand und zog sie zur anderen Seite des Raumes. Dort öffnete er das Fenster und setzte einen Fuß auf die Außenseite.

»Was hast du vor?«, fragte Lola entsetzt. Er kletterte ganz raus und grinste sie an.

»Keine Angst, Kleine. Die Treppe führt zum Dach.«

»Du glaubst doch nicht, dass ich da rausklettere!«, fuhr sie ihn an. Okay, Zeit für Plan B.

»Aber ich will dir doch diesen besonderen Stern zeigen.« Er tat sehr enttäuscht und sah sie mit seinem Dackelblick an.

»Was für einen Stern?«

»Einen ganz besonderen Stern. Man sieht ihn nur einmal im Jahr, und heute ist genau diese Nacht. Sobald die Sonne aufgegangen ist, verschwindet er für lange Zeit. Deshalb nennt man ihn auch den Stern der Liebenden. Weil er so selten am Himmel zu finden ist, wie die wahre Liebe auf Erden.« Hey, nicht schlecht, die Story, muss ich mir unbedingt merken! Sie machte große Augen und sah ihn für Sekunden reglos an. Er reichte ihr seine Hand und setzte nochmal den Dackelblick ein.

Oben angekommen, musterte Enver sie unauffällig. Sie war etwas dünn, aber in dem Mini wirkte sie ganz okay, jedenfalls gut genug für einen One-Night-Stand. Er tastete unauffällig in seiner Hosentasche nach der Kondompackung. Zufrieden atmete er die frische Nachtluft ein, zog sein Jackett aus und legte es ihr, ganz Gentleman, um die Schultern.

»Sehr charmant«, säuselte sie. Enver schmachtete sie so übertrieben an, dass sie gespielt gleichgültig wegschaute.