Falling Like Stars - Emma Scott - E-Book

Falling Like Stars E-Book

Emma Scott

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Beschreibung

Sie hielt ihr verletztes Herz fest verschlossen - bis sie es an den größten Star Hollywoods verlor

Rowan wollte immer schon Kostümdesignerin werden, doch nach einem Schicksalsschlag begrub sie ihre Träume unter einem Berg aus Schmerz und Schuldgefühlen. Bei einem Job als Produktionsassistentin trifft sie an einem Filmset den gefeierten Hollywood-Star Zackary Butler. Vom ersten Moment an spürt sie eine tiefe Verbindung zu ihm. Auch Zack trägt unsichtbare Narben mit sich herum, aber hinter der glamourösen Fassade des Schauspielers entdeckt sie einen Mann voller Herzenswärme und Aufrichtigkeit. Doch Rowan weiß, dass sie sich zuerst der Trauer stellen muss, die sie seit Jahren in einem selbstzerstörerischen Teufelskreis gefangen hält, wenn sie ihrer Liebe eine Chance geben will.

Der neue Einzelband von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Emma Scott

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Seitenzahl: 444

Veröffentlichungsjahr: 2025

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Playlist

Leser:innenhinweis

Widmung

Prolog

Teil eins

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

Teil zwei

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

Teil drei

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

Epilog

Anmerkung der Autorin

Danksagung

Die Autorin

Die Bücher von Emma Scott bei LYX

Impressum

EMMA SCOTT

Falling Like Stars

Roman

Ins Deutsche übertragen von Christin Ullmann

ZU DIESEM BUCH

Nach einem schweren Schicksalsschlag begrub Rowan ihren Traum, Kostümdesignerin zu werden, unter einem Berg aus Schmerz und Schuldgefühlen. Seit dem Tod ihrer ersten großen Liebe hält sie alle auf Abstand – bis sie bei ihrem Job als Produktionsassistentin auf den gefeierten Hollywoodstar Zachary Butler trifft. Vom ersten Moment an spürt sie eine tiefe Verbindung zu ihm, denn auch Zach trägt unsichtbare Narben mit sich herum und hat noch immer mit dem Ende seiner letzten Beziehung zu kämpfen. Als Rowan und Zach sich näherkommen, entdeckt sie hinter der glamourösen Fassade des Schauspielers einen Mann voller Herzenswärme und Aufrichtigkeit. Rowan weiß, dass sie sich zuerst der Trauer stellen muss, die sie seit Jahren in einem selbstzerstörerischen Teufelskreis gefangen hält, wenn sie ihrer Liebe eine Chance geben will. Und auch Zach lebt mit einer schweren Last, der er sich nicht länger entziehen kann. Können sie die Wunden ihrer Vergangenheit heilen, um eine gemeinsame Zukunft aufzubauen?

PLAYLIST

Wake Me Up When September Ends – Green Day

loml – Taylor Swift

Break My Heart Again – FINNEAS

Like Real People Do – Hozier

gold rush – Taylor Swift

Maybe This Time – aus dem Musical Cabaret

Hotel California – Eagles

Houdini – Dua Lipa

I Miss You, I’m Sorry – Gracie Abrams

Hollywood – Lewis Capaldi

To Love – Suki Waterhouse

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Contentwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle

das bestmögliche Leseerlebnis.

Eure Emma und euer LYX-Verlag

Für Terri, in Liebe

PROLOG

Rowan

Niemand glaubt, dass sich das Leben so schnell verändern kann – dass es in einem einzigen Augenblick in Millionen Teile zersplittern kann –, bis es geschieht. In einer Minute läuft dein Leben in eine Richtung, im Davor, und dann findest du dich plötzlich wieder im Danach, und du weißt nicht, wie du da hingekommen bist. Ein Schleudertrauma für die Seele kann man es nennen.

Als mein Dad starb, fühlte es sich so an. Wie eine Explosion, die meine Mom und mich durch die Luft wirbelte. In einer Sekunde war er hier, und in der nächsten war er fort. Meine Mutter ist, medizinisch gesehen, noch am Leben, aber sie hat den Aufprall nicht überlebt. Nicht wirklich. Sie ist zwar noch hier, aber meistens dort. Untot. Was mich betrifft, hat es mich hochgerissen über die Trümmer, und hier schwebe ich nun wie eine Astronautin im All, die ihre Verbindung zum Mutterschiff verloren hat. Vielleicht werde ich auf ewig so umhertreiben.

Davor und Danach. Hier und Dort.

Irgendwann, hoffe ich, werde ich wieder auf festem Boden landen. Und ich weiß, dass Josh dort sein wird, um mich aufzufangen.

* * *

»Du frierst«, sagt Josh.

»Mir geht’s gut. Hier, schau mal.« Ich tippe auf meine Zeichnung. »Du wirst eine rote Weste tragen, siehst du? Und Stiefel …«

»Warum sehen wir aus wie Zombies?«

»Untote.«

»Wo ist der Unterschied?«

»›Zombie‹ klingt platt. Untot ist eleganter.«

Josh lacht. »Wenn du das sagst.«

Es ist noch eine Woche bis Halloween. Josh und ich werden als Alice und der Märzhase aus Alice im Wunderland gehen, allerdings etwas abgewandelt.

»Jeder hat Alice im Wunderland schon hundertmal gesehen«, sage ich. »Wir müssen anders sein.«

Ich fröstele. Josh sieht mich wissend an, was ich ignoriere. Meine Cousinen in Michigan glauben, dass es in Los Angeles immer warm ist, aber die Nächte im späten Herbst und Winter können kalt werden, wie an diesem Abend. Und laut. Wir wohnen in Tarzana, und es ist, wie es in dem Song von Tom Petty heißt: Eine Autobahn verläuft mitten durch den Garten. Nicht buchstäblich, aber fast. Die 101 ist ganz in der Nähe, mit einer endlosen Reihe vorbeiziehender Autos.

Wir bemerken sie kaum noch. Ich bemerke ohnehin nicht viel, wenn Josh bei mir ist – weder den Lärm noch ob ich friere. Ich bin nur bei ihm. Sein Körper ist meinem ganz nah, während wir zusammen auf der Schaukelbank auf der Veranda meines Elternhauses sitzen.

Josh küsst mich auf die Schläfe. »Du bist ein Genie in so was. Und du zitterst.«

»Mir geht’s gut.«

»Ich hol dir meinen Hoodie.«

Er steht auf, aber ich halte ihn am Ärmel seines Flanellhemds fest. »Du kannst mich auch anders wärmen, weißt du?«

»Wie denn?«, fragt er, und seine blauen Augen funkeln. Er will mich nur ärgern, denn er weiß, dass ich solchen Kitschkram nicht leicht über die Lippen bekomme.

Ich blicke hinunter auf meine Zeichnung. »Mit gewissen Handlungen.«

»Willst du, dass ich meinen Arm um dich lege, Rowan Walsh?«

Ja, immer.

Ich zucke mit der Schulter, und er legt seine Finger unter mein Kinn, damit ich ihn ansehe. Er lächelt, natürlich. Sein Lächeln ist das beste. Sogar seine Augen lächeln, und mit diesen Augen sieht er mich immer an. Er legt einen Arm um meine schmalen Schultern und küsst mich sanft. Seine Küsse sind auch die besten, obwohl ich keinen Vergleich habe. Josh Bennett ist der Einzige, den ich geküsst habe und den ich jemals küssen will. Ich bin zwar erst fünfzehn, aber manche Dinge weiß man einfach.

Der Kuss wird tiefer, atemlos, dann zieht Josh sich zurück.

»Nicht, dass deine Mom uns sieht.« Sein Blick huscht zum Fenster hinter uns. Es ist dunkel. In unserem Haus ist es immer dunkel. Es brennt nur Licht, wenn ich es anschalte.

»Mom schläft«, sage ich, obwohl es erst kurz vor halb acht ist.

Josh drückt mich fest, denn er weiß, wie es ist. Seit mein Dad vor zwei Jahren gestorben ist, hat Mom mit dem Leben abgeschlossen. Sie ist hier und doch nicht hier.

Ein Zombie. Ohne jede Eleganz.

»Immerhin legt sie dir nicht jeden Tag die Klamotten für die Schule raus wie meine Mom«, sagt Josh.

»Tut sie das wirklich?«, frage ich lachend.

Josh schaut breit grinsend zu seinem Elternhaus auf der anderen Straßenseite, in dem es warm ist und lebhaft zugeht und alle Lichter angeschaltet sind. »Wahrscheinlich drückt sie mir sogar Zahnpasta auf meine Zahnbürste.«

Ich stupse ihm den Ellbogen in die Seite, dankbar, dass er da ist und versucht, mich aufzumuntern, indem er es so darstellt, als würde seine Mom ihn zu sehr bemuttern, damit ich mich nicht so schlecht fühle, weil ich alles allein machen muss. Zum Bemuttern braucht es eine Mutter. Ein kleines bisschen würde ich das gern ab und zu spüren.

»Wir sind spät dran, also werden wir zu Goodwill gehen und nach so etwas für dich suchen«, sage ich, während ich die Hose des Märzhasen schraffiere. »Aber die Weste nähe ich selbst.«

»Du nähst das?« Josh schüttelt verblüfft den Kopf. »Nicht, dass mich das überraschen würde. Du bist echt gut darin.«

Er küsst mich wieder auf die Schläfe. Ich grinse meine Zeichnung an, und ein klitzekleines bisschen Stolz lässt meine Wangen warm werden. Für das aufwendige Kostüm würde ich eigentlich mehrere Wochen brauchen, aber die Herausforderung nehme ich an. Es ist meine Leidenschaft, wunderschöne Stücke aus einem Haufen Stoff zu kreieren, sodass sie eine Geschichte erzählen. Josh sagt immer, das sei eine besondere Gabe, aber für mich ist es einfach etwas, was ich liebe.

So wie ihn. Ich liebe ihn. Ich sollte mich bedanken für sein Kompliment oder ihn ebenfalls küssen, aber er sorgt dafür, dass meine Muskeln nutzlos werden und mein Gehirn aussetzt. Das gelingt nur ihm. Der Rest der Welt kann draußen bleiben – sie hat meinen Vater ohne jede Vorwarnung genommen und aus meiner Mutter eine Schlafwandlerin gemacht. Diesem Leben kann man nicht trauen. Nur Josh …

Ihm vertraue ich mein Leben an.

Wir waren immer schon die »Nachbarn gegenüber«. Seine und meine Eltern haben sich zu Barbecues und Dinnerpartys getroffen. Als Kleinkinder haben wir zusammen gespielt. Wir sind im Planschbecken in seinem Garten rumgehüpft und bei uns auf dem Trampolin gesprungen. Als wir elf waren, hat er mir einen Kuss gegeben und gesagt, dass er mich liebt. Ich habe ihn schockiert angesehen, weil ich am Abend zuvor das Gleiche in mein Tagebuch geschrieben hatte.

Ich liebe Josh, und zwar nicht wie einen Bruder. Es ist mehr. Ich liebe Josh von ganzem Herzen.

Ich habe es ihm umgekehrt nicht gesagt. Es ist eine Sache, es aufzuschreiben, aber eine andere, es jemandem von Angesicht zu Angesicht zu sagen. Doch Josh schien es nicht zu stören. Er hat gelächelt – immer lächelt er! – und gesagt: »Ist okay. Ich kenne dich, Rowan. Ich kann warten, bis du so weit bist.«

Richtig geküsst haben wir uns dann mit dreizehn Jahren, und wieder hat er mir gesagt, dass er mich liebt. Ich habe ihn fest umarmt und hätte es fast an seinem warmen Hals erwidert, doch mein Vater war gerade gestorben, und ich hatte so große Angst. Also habe ich geweint.

Josh hat meine Haare gestreichelt. »Wir haben Zeit. Du und ich, das ist für immer.«

Ich habe mich nur noch mehr an ihn geklammert, vor lauter Liebe und Dankbarkeit, etwas Echtes zu haben, woran ich mich festhalten konnte. Meine Welt lag in Trümmern nach dem Erdbeben, das der Herzinfarkt meines Vaters ausgelöst hatte, und die Nachbeben waren noch nicht vorbei.

Heute Abend, auf der Schaukel, zupft Josh an einer meiner blonden Locken. »Ich dachte, das sind Partnerkostüme. Ich wusste nicht, dass Alice und der Märzhase was am Laufen haben.«

»Haben sie auch nicht. Nicht so. Aber …«

»Aber Alice steht insgeheim auf Tiere? Sie will es mit dem Hasen tun?« Er tut so, als würde er ernsthaft darüber nachdenken. »Daran kann ich mich aus dem Englischunterricht nicht erinnern.«

Ich lache schnaubend, mit heißen Wangen trotz der kühlen Oktoberluft. Das ist noch so eine Sache, auf die Josh so rücksichtsvoll wartet: dass ich es mit ihm tun will. Manchmal sehne ich mich sehr danach, aber ich will zumindest warten, bis ich sechzehn bin. Sex scheint mir in emotionaler sowie körperlicher Hinsicht mit so viel Verantwortung verbunden zu sein, und ich kann nicht mit meiner Mom darüber reden oder sie um Hilfe bitten, damit ich die Pille bekomme.

Aber hier auf der Schaukel mit Joshs Arm um meinen Schultern füllt die Liebe zu ihm mich vollständig aus, und es fällt mir schwer, nicht schon jetzt alles mit ihm zu wollen. Ich bin bereit, meine Kindheit endgültig hinter mir zu lassen. Da Mom außer Dienst ist, bin ich ohnehin schon die Erwachsene im Haus, also ist es lächerlich, weiter so zu tun, als wäre es anders. Ich werde an die UCLA oder das Fashion Institute gehen, und dann werde ich in Hollywood arbeiten und Filmkostüme anfertigen. Josh wird Ingenieur, denn sein brillanter Kopf hat tausend Ideen, was er bauen will. Wir werden heiraten, Kinder bekommen, ein kleines Haus in einer ruhigen Straße. Es ist alles da, es ist nur noch nicht so weit. Wie eine Fata Morgana in der Wüste liegt alles in weiter Ferne vor uns.

»Ich will kein langweiliges, klischeehaftes Pärchenkostüm«, sage ich.

»Du meinst, du willst nicht als etwas Schnulziges und Romantisches gehen«, zieht Josh mich auf.

»Alle in der Schule werden sich als Bella und Edward verkleiden«, sage ich. »Oxford-Schuhe und Sweatshirts sind keine Herausforderung für mich.«

»Apropos Sweatshirt, du hast keins an, und du frierst. Ich geh und hol eins. Keine Widerrede.«

Er steht auf, und ich widerspreche nicht, denn mir ist kalt, und ich weiß, dass er seinen UCLA-Bruins-Hoodie holen wird, und dann kann ich darin schlafen, kuschlig eingehüllt und mit seinem Geruch in der Nase.

Josh beugt sich mit seinen breiten Schultern zur Schaukelbank herunter, stützt die Hände links und rechts von mir ab und küsst mich sanft und zärtlich. »Bin gleich zurück.«

Lächelnd sehe ich ihm hinterher. Er lässt ein Auto vorbeifahren, bevor er rüber zu seinem Haus joggt. Seine Eltern werden drinnen zusammen fernsehen. Carol wird Josh daran erinnern, dass morgen Schule ist und er nicht so lange draußen bleiben soll. Graham wird sie ruhig darauf hinweisen, dass er kein kleines Kind mehr ist und auf sich selbst aufpassen kann. Und sie werden sich anlächeln, weil sie weiß, dass er recht hat, und er weiß, dass sie es nicht lassen kann. Sie liebt ihn nun mal so sehr.

So geht es mir auch, denke ich und widme mich wieder meiner Zeichnung.

Im Hintergrund dröhnt die Autobahn, unsere Straße liegt direkt davor. Etwa zweihundert Meter entfernt fährt ein Auto mit quietschenden Reifen um die Kurve, als sich gegenüber die Haustür öffnet. Josh tritt – mit einem blauen Hoodie in der Hand – hinaus und schließt die Tür. Er sieht, dass ich ihn beobachte, winkt und grinst, bevor er losläuft. Eine Matheaufgabe leuchtet vor meinem geistigen Auge auf: zwei Punkte, die sich auf ihren Linien auf denselben Zielpunkt zubewegen, bis sie ihn exakt zur selben Zeit erreichen.

Ich stehe auf, meine Beine wie Wackelpudding, kein Laut dringt aus meiner plötzlich trockenen Kehle. Das Auto fährt schnell, zu schnell, doch Motorenlärm ist für uns ein alltägliches Hintergrundgeräusch. Josh achtet immer auf die Straße, aber diesmal nicht … denn er hat nur Augen für mich.

Drei Dinge geschehen zur gleichen Zeit und alle zu spät: Ich schreie, Josh sieht das Auto, und der Fahrer bemerkt endlich auch ihn. Die Limousine sollte nicht in der Mitte der Straße fahren, wo Josh sich gerade befindet.

Die Reifen kreischen, und dann ist Josh nicht mehr mitten auf der Straße. Als hätte er sich in Luft aufgelöst. Da ist nur das Auto mit seiner zertrümmerten Windschutzscheibe, und einer von Joshs Schuhen liegt im Licht der Scheinwerfer auf der Straße.

Es hat ihn aus den Schuhen gerissen.

Der Schock senkt sich auf mich herab wie eine Glasglocke. Es gibt keine Luft, und ich kann nichts hören, nicht einmal Carol Bennett, die aus dem Haus rennt mit offenem Mund, denn sie schreit. Wir rennen beide zu Josh, mehr als zwanzig Meter sind es bis zu ihm.

Ich erreiche ihn zuerst.

Beinah rutsche ich im Blut auf dem Straßenbelag aus.

Ich halte seinen gebrochenen Schädel in meinem Schoß und drücke meine Lippen an sein Ohr.

»Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich«, wispere ich unentwegt. Ich flüstere es, bis die Sirenen da sind und jemand versucht, mich von ihm wegzuziehen. »Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich.«

Ich habe ihm diese Worte noch nie zuvor gesagt, und jetzt ist es zu spät, und ich weiß – schon in dem Moment –, dass ich sie nie wieder sagen werde.

TEIL EINS

Gegenwart, zehn Jahre später

Hollywood ist ein Ort, an dem sie dir tausend Dollar für einen Kuss bezahlen und fünfzig Cent für deine Seele.

Marylin Monroe

THESCANDALSHEET.COM

12. Februar

Breaking News: ZACHARYBUTLER & EVADEAN! Es ist offiziell aus … schon wieder!!!

Aufgepasst, Ladys! Amerikas beliebtester Schauspieler und Internet-Boyfriend ist wieder zu haben. Quellen aus seinem engsten Umfeld haben bestätigt, dass Zachary Butler und seine On-and-Off-Verlobte, Godsent-Kollegin Eva Dean, wieder einmal getrennter Wege gehen. Für diejenigen, die hinterm Mond leben: Godsent war die irrsinnig populäre TV-Serie um einen Dämon (sie) und einen Engel (er, klar), die einen Kampf um die Seelen der Menschen führen und sich dabei unsterblich ineinander verlieben. Kunst ahmt das Leben nach (oder andersrum?), denn so trafen sich die beiden Turteltäubchen. Aber es gab Ärger im Paradies, denn das Paar machte zahlreiche Trennungen und Neuversuche über die Jahre durch, und dieser Cut könnte der endgültige sein. (Wenn uns das mal nicht bekannt vorkommt???)

Doch die gleichen Quellen behaupten, Zachary fokussiere sich nun auf seine Karriere – er ist berüchtigt für seine intensiven Darstellungen und bereits tief in seine nächste Rolle eingetaucht –, und im Dezember erschien er solo bei der Premiere des Films Crazy 8, um den bereits Filmpreis-Gerüchte kursieren für seine hochgelobte Darstellung des liebenswerten, sprücheklopfenden Gangsters Felix Fleming. Unsere Herzen hat er damit gewonnen, und nun sieht es so aus, als könnte er dafür einen Oscar in die Finger kriegen – hier erfahrt ihr es zuerst!

Währenddessen postet Miss Eva Dean kryptische Botschaften auf Social Media und wurde letzte Woche mit Fashion-Mogul Laurent Moreau gesehen, was einige spekulieren lässt, ob sie bereits einen Neuen hat.

Ms Dean hat zum jetzigen Zeitpunkt keine aktuellen Film- oder TV-Projekte in Arbeit.

Es bleibt abzuwarten, ob unser liebstes Hollywood-Power-Couple sich wieder versöhnt – ein weiteres Mal –, aber für den Moment scheint es, als hätten sich ihre Wege getrennt. Ist es endgültig vorbei oder nur ein weiterer Stein auf ihrem holprigen Weg zum »Glücklich bis ans Lebensende«? Bleibt dran!

1. KAPITEL

Zachary

Sedona, Taos, Yosemite

Ich scrolle durch die Fotos auf meinem Telefon. Grinsend, lachend. Eva immer mit ihrem Arm um mich gelegt oder andersherum. Als könnten wir nicht damit aufhören, uns zu berühren. Wir haben alle diese Orte der Schönheit der Natur wegen besucht. Und auch Eva war von Natur aus schön, denke ich, als ich die Fotos von ihr sehe – sie mit aschblondem Haar, das wild unter ihrem Hut hervorragt. Ein breites Lächeln. Sie war glücklich. Wir waren glücklich.

Tahiti, Mallorca, Ibiza.

Jetzt sprudelt die Godsent-Geldquelle wie ein Geysir, und Eva will nur noch die angesagten Orte bereisen. Ihre Haare sind platinblond und perfekt frisiert. Sie präsentiert ihren Körper in winzigen und noch winzigeren Bikinis, ihr Lächeln ist hauptsächlich für die Paparazzi. Die folgen uns wie ein Taubenschwarm, den ich ständig wegscheuchen muss – dann fliegen sie auf und sind kurz danach wieder da.

Mein Daumen wischt weiter. Die Fotos von Eva und mir stammen jetzt nur noch von öffentlichen Auftritten: Filmpremieren, Partys, rote Teppiche. Wir stehen Seite an Seite, berühren uns nicht. Wenn wir Händchen halten oder einen Arm umeinander legen müssen, wirkt es steif und mechanisch, gestellt. Als die Ausstrahlung von Godsent nach sechs Jahren zum Ende gelangt, lächelt keiner von uns mehr.

Ich reibe mir die Augen und springe schnell zum Anfang zurück. Sie und ich in unserem winzigen Apartment in Canoga Park, völlig pleite, aber fröhlich. Mit der Fingerspitze berühre ich ihre Wange auf dem Bildschirm.

Ich hatte vor, dich zu heiraten.

In Hollywood träumt man groß, und ich schätze, ich war nicht anders. Für mich geht es immer weiter nach oben, und mein Managementteam hat Dollarzeichen in den Augen.

»In astronomischen Höhen, Zach«, sagt mein Agent Chase oft, »so weit oben bist du.«

Mein Blick fällt wieder auf Eva und mich, wie wir glücklich im Bett liegen, das Morgenlicht dringt durch die billigen Jalousien. Mein Hollywood-Traum: Sie und ich, wir tun das, was wir lieben, und lieben einander. Die eine Hälfte wird wahr, während die andere vergeht wie ein Traum in der Nacht, an den man sich nach dem Aufwachen kaum noch erinnert.

Ich werfe das Handy neben mir auf die Couch in meinem Trailer und fahre mir durch die dunklen Haare. Eva und ich, das ist nicht möglich. Nicht mehr. Etwas in ihr hat sich verändert. Der Hollywood-Ruhm hat ihre Moleküle verwandelt, und während wir vorher perfekt miteinander verschmolzen, sind wir jetzt inkompatibel. Leicht entflammbar.

Courtney, meine PR-Agentin, hat mich mal gewarnt, dass Eva Gift für mich sei. Die Worte schmerzten, aber langsam glaube ich, sie hat recht. Hässliche Erinnerungen kommen in mir hoch …

»Was ist mit dir passiert?«, fragt Eva mit einem säuerlichen Lächeln. »Es hat mal Spaß gemacht mit dir, und jetzt bist du so eine verdammte Pussy. Mein Gott, du bist sooo sensibel. Werd ein Mann, Zach, versteh doch mal Spaß.«

»Das ist nicht lustig, Eva«, sage ich leise, versuche ruhig zu bleiben. Damit die Situation nicht überkocht. Wieder einmal. »Das ist kein Spaß. Du zusammen mit Kenneth Black letzte Nacht und – wer weiß, verdammt – die Nacht davor auch …«

»Weil du nie irgendwo hingehen willst!« Sie explodiert. »Ist es ein Verbrechen, dass ich ausgehen will und du nicht? Darf ich das nicht? Ich bin nicht dafür verantwortlich, dass es dir gut geht, Zach.«

»Doch, irgendwie schon, Eva. Wir sollten füreinander sorgen. Wir sollten einander respektieren und lieben …«

»Respektieren?«, schreit sie ungläubig, und auf einmal füllen sich ihre Augen mit Tränen. »Niemand respektiert mich in dieser verfluchten Stadt, dich eingeschlossen. Ich muss tun, was ich kann, um zu überleben, während du ständig arbeitest und für alles Mögliche nominiert wirst, wenn du auch nur atmest.« Sie weint. »Und ich, Zach? Was ist mit mir?«

Ihr Kummer ist wie ein Stich in die Brust. Ich gehe zu ihr, halte sie, versuche über ihr Haar zu streichen, aber sie schiebt mich weg und verpasst mir eine Ohrfeige. Der Schmerz ist heiß und stechend. Wie glühende Nadeln, die in meinem Herzen mehr brennen als auf meiner Wange, denn dies muss das Ende sein. Es sollte das Ende sein …

Die Sonne hinter dem Fenster senkt sich, das Licht wird golden und gelb wie Bernstein. Um achtzehn Uhr muss ich aufs Set, es ist gleich so weit. Ich atme tief ein und schließe meine Augen, blende die Geräusche und Rufe der arbeitenden Crew aus, die Trucks, das Dröhnen eines Flugzeugs am Himmel. Diese Miniserie laugt mich bis auf die Seele aus, aber genau das will ich. Ich will alles fühlen. Ich will sämtliche menschliche Emotionen durchleben, in meine Zellen absorbieren und anschließend über die Worte, die das Skript mir vorgibt, herauslassen, als wären sie meine eigenen.

In Covet geht es um einen Mann, der besessen ist vom »perfekten« Leben seines Kollegen. Boyd – meine Rolle – will, was sein Boss – Hugo, ein Professor – hat: einen Posten an der Universität, Ansehen, Prestige, eine liebende Frau, zwei hübsche Kinder.

Das ist die andere Hälfte meines Hollywoodtraums: Heirat. Eine Familie. Eine Oase der Normalität in einer Welt der Hollywood-Illusionen.

Ich will das. Ich will das. Ich will das.

Wie ein Mantra wiederhole ich den Satz in Gedanken, lasse Gefühle aufsteigen. Das Leben, das Eva und ich hätten haben sollen, bevor alles vor die Hunde gegangen ist. Ich fühle es in meinen Muskeln, ein Gift, durch das sich meine Hände zu Fäusten ballen und mein Herz in der Brust wie eine Trommel schlägt. Ein stetiger Rhythmus der Sehnsucht. Meine Figur ist gestört, also menge ich das darunter. Die Wut auf Eva strömt durch mich hindurch und verwandelt sich in gefährliche Gedanken, selbstmitleidiges Klagen … Das Leben schuldet mir das, was ich will. All das steht mir zu.

Ein Klopfen an der Tür. »Mr Butler? Es sind alle bereit für Sie.«

Eine Produktionsassistentin wartet vor dem Trailer. Die Frau ist klein – fast einen Kopf kleiner als ich mit meinen ein Meter neunundachtzig – und trägt schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Sie hat hübsche Gesichtszüge, eingerahmt von schulterlangen blonden Haaren und einem geraden Pony. Ihre blauen Augen leuchten, und ihr stechender Blick trifft meinen. Sie wirkt weder eingeschüchtert noch im Geringsten beeindruckt. Eigentlich muss ich voll in meinen Charakter eintauchen, aber etwas an ihr holt mich zurück.

Konzentrier dich, Butler.

Wortlos hält die Assistentin mir eine Flasche Wasser hin.

Ich lächele zu ihr hinunter. »Nein, danke.«

Sie nickt – ganz geschäftsmäßig –, und wir gehen schweigend die ruhige Gasse entlang bis zum Set. Wir drehen am Rand des Angeles National Forest in einer privaten Wohnsiedlung, die das Zuhause des Professors an der fiktiven Universität von New England darstellt. Die Crewmitglieder, an denen wir vorbeilaufen, lächeln oder nicken mir zu, aber niemand spricht mich an. Alle wissen, dass heute Abend eine wichtige Szene ansteht und ich nicht ganz ich selbst bin. Meine Hände versteifen sich zu Fäusten, umklammern die widerlichen Emotionen, als würde ich gleich Schläge verteilen.

Die erste Regieassistentin wartet auf uns an dem Weg, der zur Haustür führt. »Danke, Rowan«, sagt sie und löst damit die Produktionsassistentin mit den schönen Augen ab, bevor sie sich zu mir umdreht. »Alle sind bereit. Wir machen eine kurze Stellprobe und legen dann direkt los, okay?«

Ich nicke. Das Innere des Hauses, sofern es nicht mit Filmequipment vollgestellt ist, ist luxuriös möbliert mit großen Sofas, geschmackvollen Gemälden und Kristallvasen, die das schwächer werdende Licht einfangen. Die Szenenbildner haben nicht viel verändert, nur die mit akademischer Literatur vollgestopften Mahagonibücherregale ergänzt. Der Raum wirkt aufgeräumt, aber lebendig. Hugo ist eine feste Größe an der Universität, ein ordentlicher Professor, verlässlich, Boyd hingegen eine neu angestellte Hilfskraft ohne jegliche Sicherheiten. Er ist auch sonst durch nichts gebunden. Boyd ist ein Mann wie ein Schweizer Käse, gebrochen und voller Löcher.

Ich will das alles hier, denke ich, als ich den Raum betrete.

Javier Paez, der Hugo spielt, steht neben dem Regisseur. Er kommt gerade vom Dreh einer überaus erfolgreichen Sci-Fi-Reihe, was man bei ihm aber nicht vermuten würde. Javier ist einer der nettesten Typen auf dem Planeten. »Nett« bekomme ich auch oft zu hören; Eva hat es mir verächtlich an den Kopf geworfen.

Der Regisseur, Sam Jenkins, gibt mir die Hand, und dann nehmen wir unsere Plätze ein – Javier als Hugo auf einem Ledersessel und ich, auf und ab gehend, davor, während ich mir das Leben vor Augen führe, wie es für mich sein sollte.

Eva …

Alle im Haus machen sich bereit. Jill, die fürs Make-up zuständig ist, benetzt Javiers Gesicht mit Wasser. Ich beobachte seine Verwandlung von einem älteren, gut aussehenden Hauptdarsteller – er ist 45, ich 28 – in einen gequälten, gepeinigten, zu Tode verängstigten Hugo, der in seinem eigenen Haus von einem Wahnsinnigen gefangen gehalten wird.

Die Tonleute nehmen ihre Positionen ein. Niemand läuft mehr herum, nur ich ziehe meine Kreise um Hugos Sessel. Der Requisiteur reicht mir ein Brecheisen aus Hartgummi. Ich nehme es in die Hand, als eine Verlängerung meines Arms. Wir haben die Stunts bis ins kleinste Detail geprobt, aber wohin mich der Dialog führen wird, ist auch für mich ein Rätsel, auf das ich gespannt bin. Der Regisseur sitzt hinter den Monitoren, während die erste Regieassistentin die Szene ansagt.

»Kamera – check«, ruft sie und blickt prüfend zur Kamera. »Läuft?«

»Läuft«, antwortet Hank.

Der zweite Kameraassistent tritt ins Wohnzimmer – mein verdammtes Wohnzimmer – und hält die Klappe hoch. »Zwei-sieben, erster Take.«

Die Klappe knallt, und ich zucke, sodass Hugo ebenfalls zusammenzuckt. Seine Augen sind nur auf mich gerichtet. Er weiß nicht, ob seine Frau und Kinder noch am Leben oder schon Boyds Gier zum Opfer gefallen sind.

Jetzt ist nur das Zischen meines Atems in meiner Nase zu hören, als das Ich-will an die Oberfläche dringt, aus meinen Gedärmen in meine Blutbahnen. Pulsierend, donnernd, füllt es mich mit einem so tiefen und so alten Sehnen, dass mir Tränen in die Augen steigen. Ich kann es nicht zurückhalten.

Warum war ich dir nicht genug, Eva?

Die Regieassistentin ruft hinter mir: »Action!«, und das einsame Gefühl, nicht genug zu sein, strömt mit dem Dialog aus mir heraus. Zachary Butler geht in Boyd Shelton auf, und der Schmerz, alles gehabt zu haben, was ich wollte, um es dann zu verlieren, darf endlich raus. Ich bin frei.

2. KAPITEL

Rowan

Das ganze Haus – ganz Südkalifornien – hält den Atem an. Es kommt selten vor, dass mich der Glanz des Showbusiness beeindruckt, aber diese beiden Typen sind der Hammer. Javier und Zachary sind nicht mehr da. Nur noch Hugo und Boyd. Ich spüre den Impuls, 911 anzurufen und den Professor vor diesem Irren, zu dem Zachary geworden ist, zu bewahren. Er umkreist Javier in seinem Sessel wie ein Hai, der gleich zum Todesbiss ansetzt. Seine haselnussbraunen Augen sind schwarz und leer. Da ist nichts außer Gier, die sich gleich entladen wird in einem Anfall von Wahnsinn. Obwohl ich das Skript kenne, habe ich keine Ahnung, was passieren wird.

»W-Was willst du?«, fragt Hugo flehend. Vor lauter Angst lässt er Boyd nicht aus den Augen – wie keiner von uns.

»Was ich will?«, sinniert Boyd fast beiläufig, und mir stellen sich die Haare im Nacken auf. Er lässt seine Gummi-Brechstange über den Boden schleifen. In der Nachproduktion wird der Geräuschemacher mit einem echten Brecheisen aus Metall über Holz kratzen. Aber ob echt oder nicht, es wirkt verdammt Furcht einflößend.

Boyd beugt sich über Hugo und stützt seine Hände auf den Armlehnen ab, sodass der ältere Mann sich zurücklehnen muss.

»Was ich will …« Die Intensität seiner Stimme steigt, sein Atem geht schnaufend wie der eines Stiers, kurz bevor er angreift. Die Venen an seinem Hals treten hervor, und er hebt das Brecheisen. »ALLES!«

* * *

Ich brauche ein paar Sekunden, um zu bemerken, dass es vorbei ist. Acht Takes, einer nach dem anderen, mit kurzen Pausen, in denen jeder wieder seine Ausgangsposition einnimmt, dann sind wir fertig für heute. Als ich einen Schritt nach hinten mache, stolpere ich fast über einen der Läufer, die den Teppich vor Kilometern von Kabeln schützen.

»Können wir etwas Wasser bekommen?«

Die erste Regieassistentin winkt mich heran. Ich habe schon zwei Flaschen aus der Kühlbox in der Ecke geholt und laufe rüber zu Javier in seinem Sessel, der nun wieder attraktiv wie eh und je aussieht, erst recht, wenn man bedenkt, dass Boyd ihn eigentlich gerade zu Brei geschlagen hat. (Die blutigen Details drehen sie morgen.) Er beugt sich zu Zachary vor, der vor ihm auf dem Boden sitzt, und legt ihm eine Hand auf die Schulter.

Zachary schüttelt den Kopf. »Nein, ich hab’s nicht, das war noch nicht ganz richtig. Das ist es noch nicht.«

»Das ist es nicht?« Javier schnauft und nimmt eine Flasche entgegen, die ich ihm wortlos hingehalten habe. »Verarschst du mich? Der letzte Take … Zach, du warst genau richtig.«

Auch Zach strecke ich das Wasser entgegen, aber er fährt sich mit den Händen über den Kopf.

»Sag’s ihm, Sam«, bittet Javier den Regisseur, der gerade zu uns tritt. »Sag ihm, dass wir’s haben.«

Ich bin zu nah am Geschehen, also stelle ich die Flasche neben Zach auf dem Boden ab und ziehe mich in den Hintergrund zurück. Während der Dreharbeiten der letzten sechs Wochen habe ich zugesehen, wie die Regisseur-Darsteller-Beziehung zwischen Sam Jenkins und Zachary Butler gewachsen ist. Sam weiß, was er an Zachary hat, und lässt ihm freie Hand. Ich fand, Zachary hat gerade den Laden fast abgerissen, aber wenn er sagt, das war es noch nicht ganz, dann werden sie es wiederholen.

Nicht, dass ich was davon verstehen würde. Ich bin nur eine kleine Produktionsassistentin. Wie eine Requisite – starr und leise, bis man mich ruft.

»Rowan!«

So wie jetzt.

Der zweite Regieassistent, Ted Grimms, winkt mich mit grimmigem Gesichtsausdruck zu sich in den Flur.

Shit. Ich hab zu nah bei den Darstellern herumgelungert.

Ich eile zu Ted und zwei anderen PAs hinüber. Sie stehen da wie Schulkinder, die gleich zum Direktor geschickt werden.

»Auf einmal weiß niemand, wo die Batterien für den Generator sind«, raunzt Ted. »Obwohl ich explizit gesagt habe …«

»Mark hat sie«, werfe ich ein. »Er hat gestern erwähnt, dass wir sie vielleicht brauchen.«

Ted seufzt erleichtert. »Gott sei Dank passt eine Person hier auf. Gehst du Mark suchen und bringst die Batterien her?«

»Kein Problem.«

Okay, ich bin zwar nur eine kleine PA, aber ich bin gut in meinem Job. Nicht, dass das schwer wäre. Man muss gut zuhören, Bedürfnisse antizipieren, bereit sein, viele, viele Überstunden zu machen. Drei Dinge, die superleicht zu bewerkstelligen sind, wenn man kein eigenes Leben hat, das der Rede wert wäre.

Ich finde Mark, der draußen gerade Kabel aufrollt. Ich bekomme die Batterien und bringe sie Ted. Er nimmt sie wortlos, vertieft in eine Unterhaltung mit dem Key Grip, nickt mir aber dankend zu.

Sam und Zachary unterhalten sich weiterhin im Wohnzimmer. Seine Wasserflasche steht noch auf dem Boden. Nicht gut für eine PA, ihr Zeug in der Gegend herumstehen zu lassen. Eine abtrünnige Wasserflasche ist nicht das gleiche Level von »Ach du Scheiße« wie 2019 das berühmte Starbucks-Becher-Game-of-Thrones-Fiasko, aber ich erledige meine Arbeit gewissenhaft. Unter meiner Aufsicht wäre so etwas nicht vorgekommen, und ich habe nicht vor, es heute dazu kommen zu lassen.

Ich nähere mich, warte auf einen günstigen Moment, um unauffällig nach der Wasserflasche zu greifen, aber mein Blick bleibt an Zachary hängen. Gegen meinen Willen werde ich von ihm angezogen, was absurd ist, denn er ist nicht mein Typ – und selbst wenn, ist es nicht so, dass ein Megastar wie er überhaupt je in meine Richtung sehen würde. Er ist ein Filmgott, und ich bin eine einfache Sterbliche, und wir zwei werden nie zusammenkommen.

Aber Zachary erinnert mich an Josh. Sie sehen sich kein bisschen ähnlich – Zach hat kräftiges schwarzes Haar, Josh hingegen war blond. Zach hat einen etwa ein Meter neunzig großen muskulösen Körper, während Josh lang und dünn wie eine Bohnenstange war …

Weil Josh nie die Gelegenheit hatte, in seinen Körper hineinzuwachsen. Dazu kam es nicht …

Ich verdränge den Gedanken. Beide sind gute Menschen; darin liegt die Ähnlichkeit. Ich kenne Zachary nicht, aber ich habe ihn bei der Arbeit beobachtet und sehe, wie er für jeden ein Lächeln hat, wenn er nicht gerade für eine Szene in Angst versinkt. Er plaudert mit der Crew und hört aufmerksam zu. Er ist aufrichtig und liebenswürdig und … nein, danke.

Ich habe meine Chance mit einem netten Jungen gehabt und hab’s vergeigt.

»Ich will den Drehplan nicht durcheinanderbringen, aber ich kann auch heute Abend nicht einfach aufgeben«, erklärt Zach Sam. »Das war es noch nicht.«

Der Regisseur runzelt die Stirn. »Wenn du das so siehst. Ich bin sehr zufrieden, so, wie es ist, aber wenn du einen weiteren Durchgang brauchst, dann können wir das machen.«

Natürlich können sie das. Sie haben Zachary Butler als Darsteller, was ihnen Zuschauerzahlen garantiert. Sie könnten die ganze Serie noch mal in irgendeiner Fantasiesprache neu drehen, und es würde trotzdem ein Erfolg werden.

Aber, du meine Güte, sie wollen diese abscheuliche Szene wiederholen? Ich will’s mir gar nicht vorstellen, Zachary noch einmal so neben der Spur zu sehen … Als würde er etwas tief in ihm Verborgenes aus sich hervorholen. Mir wird das Herz schwer, als wäre es eifersüchtig. Als würde es sich auch nach Befreiung von dem Mist sehnen, den ich mit mir herumtrage.

Nein, verdammt.

Was ich mit mir herumtrage, ist der schwarze Abgrund. Ein Loch in meinem Herzen. Unter keinen Umständen werde ich dort hinabtauchen. Ich würde durchdrehen.

Sam klopft Zachary ein letztes Mal auf die Schulter und ruft: »Okay, alle auf Position, Leute. Wir fangen noch mal an.«

Die Crew macht sich bereit.

Ich laufe hinüber und schnappe mir die Wasserflasche. Zachary lehnt sich mit der Hüfte an die Couch, starrt geistesabwesend zu Boden, die Augenbrauen zusammen-, die Winkel seines breiten Mundes herabgezogen. Eins muss ich ihm lassen: dieser Typ sieht unnormal gut aus. Selbst als der widerliche Boyd Shelton, mit lächerlichem Haarschnitt, Khakihosen und rotbraunem Strickpulli, kommt seine angeborene Schönheit – kann man einen Kerl als Schönheit bezeichnen? – durch. Sie strahlt aus wie eine Aura. Oder Charisma. Das »gewisse Etwas« macht ihn als Filmstar so unwiderstehlich. Man kann einfach die Augen nicht von ihm lassen.

Wie ich, jetzt, in diesem Wohnzimmer.

Ich biete ihm das Wasser ein letztes Mal an. »Bevor es losgeht?«

Zachary reißt sich aus seinen Gedanken. »Sorry?«

»Genug Wasser zu trinken ist wichtig.«

»Oh, richtig. Danke.« Er zwingt sich zu einem Lächeln und nimmt die Flasche. »Rowan, oder?«

»Ja …« Ich runzele die Stirn. »Woher weißt du das?«

»Schätze, ich sollte wissen, wer meine Kolleginnen sind.«

Kolleginnen? Ich suche nach Anzeichen dafür, dass er mich auf den Arm nimmt – ich bin selbst ganz groß im Sarkasmus. Aber der Typ scheint es ernst zu meinen.

»Kollegen?«, frage ich. »Sind wir das?«

»Jap.« Er hält mir die Hand hin. »Zach Butler.«

Ich grinse. »Was du nicht sagst.«

Er lacht. »Ich sage es. Lass mich nicht hängen.«

Sanfte haselnussbraune Augen – wie zersplitterte Kristalle in Kupfer und Grün – schauen in meine, und ich nehme seine Hand.

»Schön, dich kennenzulernen, Rowan.«

Sein Händedruck ist gut. Er übt einen warmen, festen Druck aus, der mich völlig aus der Spur bringt, weil ich mir unweigerlich vorstelle, dass mich, falls ich stürze, diese Hand wieder hochziehen sollte.

Schnell ziehe ich die Hand zurück. Mit den Darstellern zu sprechen ist tabu, und Zachary Butler ist nicht irgendein Darsteller. Aber sein gehetzter Blick ist mir vertraut. Ich sehe ihn im Spiegel, jeden verdammten Tag meines Lebens.

»Wie kann es sein, dass wir uns bisher nicht begegnet sind?«, fragt er.

»Ich war bis letzte Woche dem zweiten Stab zugeteilt.« Und bevor ich mich zurückhalten kann, sage ich: »Das war ziemlich hart, was du heute gezeigt hast.«

»Ja, aber irgendwas stimmt nicht ganz«, sagt Zachary. »Mein Gehirn ist nur mit meinem eigenen und Boyds Mist beschäftigt, ich verliere dabei die Szene aus den Augen. Ich muss etwas mit Javier in dem Moment tun, sonst flippe ich da einfach nur für mich aus wie ein Irrer.« Er grinst beschämt. »Alle werden denken, ich bin eine Diva.«

Zachary ist zu authentisch dafür, und es wäre mir schon aufgefallen; ich habe in den letzten fünf Jahren an diversen Filmsets genug Diven gesehen.

Er schüttelt den Kopf. »Du kannst bestimmt drauf verzichten, dass ich meinen Müll bei dir ablade.«

Ich höre ihm nur halb zu. Mein Blick fällt auf den Garderobenständer in der Ecke. »Was, wenn …?« Ich halte inne und schüttele den Kopf. »Egal. Das geht mich nichts an.«

»Nein, sag schon«, bittet Zach. »Wenn du eine Idee hast, bitte. Ich bin verzweifelt.«

»Hugo trägt bei fast jeder Außenaufnahme denselben Schal. Es ist sein Markenzeichen. Von persönlicher Bedeutung für ihn.«

Über Kostüme zu reden – selbst wenn es nur ein Schal ist – verursacht mir einen Knoten im Magen, aber Zach nickt.

»Stimmt«, sagt er. »Kurz bevor Boyd ihn in den Sessel stößt, legt Hugo seinen Mantel und Schal ab.«

»Also, was, wenn er nicht dazu kommt, den Schal abzunehmen? Der Kern der Szene ist, dass Hugo realisiert, dass Boyd seiner Familie etwas Schlimmes angetan hat und er sterben wird, richtig? Es ist alles vorbei. Also könntest du vielleicht dem Publikum – und Hugo – zeigen, dass die Sache zu ihrem grausamen Abschluss kommt, indem Boyd ein Kleidungsstück von Hugo nimmt und … ich weiß nicht … etwas damit tut. Nicht zu auffällig oder klischeehaft, mehr ein Zach-Butler-Methoden-Ding.«

Damit habe ich vermutlich zum zweiten Mal eine Grenze überschritten, oder er glaubt, ich mache mich über ihn lustig. Mit Sicherheit werde ich gefeuert. Aber Zach nickt nachdenklich.

»Eine Verbindung schaffen zwischen Hugo und Boyd.« Er wendet mir seinen Blick zu, mit müden Augen, die nun aufleuchten. »Danke, Rowan. Ich glaube, du hast mir gerade den Arsch gerettet. Ich besprech es mit Javier und …«

»Kein Problem«, sage ich und bin schon auf dem Rückzug, mache mich unsichtbar und verschwinde im Hintergrund des Sets.

Zachary beratschlagt mit Sam und Javier. Für einen Moment scheint er nach mir Ausschau zu halten. Ich stehe verborgen hinter dem Technikequipment, wo ich Zach auf den Monitoren sehen kann, aber er mich nicht. Die anderen beiden Männer nicken aufgeregt. Meine Idee bedeutet den erneuten Dreh der Szene, angefangen beim Betreten des Hauses, aber offenbar sind sich alle einig, dass es das wert ist, denn Javier setzt sich nun mit seinem Schal um den Hals in den Sessel.

Am Set wird es leise. Die erste Regieassistentin macht ihre Checks, und der Regisseur ruft: »Action!«

Mein Herz pocht, während ich zusehe, abwarte, was Zach tun wird. Die Szene verläuft wie bisher, mit steigender Anspannung, bis Zach sie damit, dass er »ALLES« brüllt, zerreißt.

An der Stelle sollte die Szene enden, aber stattdessen neigt Zachary als Boyd den Kopf zur Seite, fasst seine Beute ins Auge. Javier als Hugo hat Zeit zu begreifen, was passiert ist: dieser Wahnsinnige hat höchstwahrscheinlich seine Frau und Kinder getötet. Er weint.

Boyd zieht langsam den Schal von Hugos Hals, Zentimeter für Zentimeter. »Sei doch nicht so«, sagt er – er improvisiert – und tupft Hugos Tränen damit ab. Sanft. Mit unheimlicher Ruhe. »Es ist fast vorbei.«

Hoffnung flackert in Hugos Augen auf. Vielleicht irrt er sich. Vielleicht gibt es noch eine Chance. Aber Boyd zieht weiter an dem Schal und wickelt ihn langsam um seinen eigenen Hals. Eine Übertragung. Ein symbolisches Werden.

»Nur noch ein kleines bisschen«, sagt Boyd ruhig und hebt die Brechstange. »Nur noch ein kleines bisschen, und dann ist es vorbei.«

* * *

Im Raum ist es für einen Augenblick leise, bevor der Applaus ausbricht. Javier schüttelt seine Qual ab wie eine Maske und fällt Zachary um den Hals, klopft ihm auf den Rücken. Sam Jenkins schließt sich den beiden an. Lachende Gesichter beim Rest der Crew. Ich erlaube mir, mich innerlich zu freuen, bevor der altbekannte Stich im Herz jede Freude killt, die ich vielleicht verspüre. Dieser Stich, der sagt, dass ich zu mehr fähig bin, als jemandem Batterien und Wasserflaschen zu bringen.

Das war ein anderes Leben, rufe ich mir selbst in Erinnerung.

Ich hole tief Luft und konzentriere mich auf das, was ich zu erwarten habe. Mein tatsächliches Leben, so wie es ist. Der Rest der Crew wird in die Stadt, ins Hotel, zurückfahren, aber ich habe andere Pläne. Einer der anderen PAs spricht mich auf meinem Weg nach draußen an.

»Hey, Rowan, willst du bei mir mitfahren?« Jonathans Lächeln ist fröhlich und hoffnungsvoll. Aber er ist zu nett, ergo: nicht mein Typ.

»Shit, weißt du was«, sage ich, »ich habe vergessen, mich auszutragen.«

»Wir können warten.«

»Nee, fahrt ihr schon. Alles gut.«

Ich warte nicht auf seine Antwort, gehe wieder nach drinnen und drücke mich im Eingangsbereich herum, wo ich so tue, als wäre ich schwer mit meinem Handy beschäftigt. Ich habe eine neue Nachricht in der Dating-App erhalten.

Clay Davis: Zweite Runde?

Ich rolle mit den Augen. Wie wäre es mit einem Hallo oder einer höflichen Anrede, Clay?

Nicht heute, schreibe ich.

Die Antwort kommt sofort. Wann?

Meine Daumen fliegen. Verzweiflung ist nicht gerade attraktiv.

Kann nichts dafür. Langweile mich. Und bin horny. LOL

»Was für ein Poet«, murmele ich.

Nicht heute, tippe ich. Bin busy. Melde mich.

Ich stecke mein Telefon weg und schaue zum Wohnzimmer rüber. Zachary Butler unterhält sich immer noch mit Sam und Javier. Sein Gesicht erhellt sich, als er mich entdeckt, und er hebt eine Hand, um mich herüberzuwinken. Der Schmerz meldet sich mit Wucht zurück und kriecht jetzt in mein Herz.

Ich tue so, als würde ich ihn nicht sehen, stehle mich zur Vordertür raus und um das Haus herum zum Tor im hinteren Teil des Grundstücks. Laut der vertraglichen Vereinbarung ist dieser Teil für die Crew und die Darsteller tabu, aber ich habe an Tag eins der Dreharbeiten festgestellt, dass das Tor nicht verschlossen ist. Ich schlüpfe hindurch und schließe es leise wieder. Der kleine Pfad vor mir liegt im Dunkeln – das Anwesen ist so groß, dass es sogar einen kleinen Wald hat –, aber ich kenne den Weg.

Es ist riskant, ich könnte gefeuert werden, wenn mich jemand hier entdeckt, und mein Ruf als zuverlässige PA wäre dahin. Während ich über die mit Blättern bedeckten Trittsteine gehe, überlege ich. Mache ich mir deswegen Sorgen? Nicht wirklich. Ich muss mir alles zunutze machen, was mir Linderung verschafft.

Nur noch ein kleines bisschen, hat Boyd zu Hugo gesagt. Der Glückliche.

Für mich ist da viel mehr. Unendlich viel Trauer und Schuld, die kein Ende haben, bis zu meinem letzten Atemzug in … wie viel – vierzig Jahren? Fünfzig? Gott steh mir bei. Zehn Jahre sind es bislang, und jedes davon war eine Ewigkeit. Aber ich bin nicht mutig genug für etwas Unbedachtes oder Endgültiges. Wahrscheinlich, weil Josh mich dafür hassen würde. Er wäre so angepisst, wo auch immer er ist. Vermutlich ist er sowieso schon angepisst, weil ich nichts Richtiges mit meinem Leben anstelle. Nur auf eine Gelegenheit warte.

Tja, wie auch immer. Er ist derjenige, der mich verlassen hat.

Ich erreiche meinen kleinen Zufluchtsort. Das Gästehaus steht düster da, doch ich habe mich beim Whirlpool daneben häuslich eingerichtet. Die Beheizung des Pools hat jemand angelassen, wahrscheinlich die gleiche Person, die das Tor nicht abgeschlossen hat. Ich drücke auf den Knopf, der das Wasser zum Blubbern bringt, und hole meine Badesachen aus der Tasche, die ich in den Büschen versteckt habe. Dann ziehe ich meine schwarze Skinny Jeans und mein T-Shirt aus und den schwarzen Bikini an.

Kleine Lampen erleuchten den äußeren Teil des Grundstücks – gerade ausreichend für mich. Ich schnappe mir mein Buch, gieße den Rest des Cabernet von gestern Abend in ein Glas und gleite ins Wasser.

Die Hitze und das Sprudeln lindern den Schmerz. Etwas Wein lässt mich einen Schritt von der Realität zurücktreten, und das Buch wird mich in eine andere Welt entführen. Es ist bekloppt, dass ich hier draußen sitze statt einfach in der Badewanne in meinem Hotelzimmer. Aber ich setze gern meinen Handlangerjob aufs Spiel und gehe mit Losern ins Bett – solche Dinge tue ich jetzt eben. Ein feiges Davonrennen vor dem Leben, schätze ich.

Gerade, als ich richtig in mein Buch eintauche und der Wein mich von innen wärmt, höre ich Schritte auf dem trockenen Laub. Ich seufze. Das Spiel ist aus. Zu schade. Ich fand’s hier echt schön.

Aber anstelle des Sicherheitsdienstes, der kommt, um mich rauszuwerfen, tritt Zachary Butler aus der Dunkelheit ins silbrige Mondlicht. Die kleinen Lampen werfen ihr goldgelbes Licht auf ihn. Wie ein Spotlight und Bühnenlicht zugleich.

Der Star hat seinen Auftritt.

3. KAPITEL

Zachary

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, als ich mich in den abgelegenen Teil des Anwesens gewagt habe, aber eine entspannt im Whirlpool sitzende Rowan war es jedenfalls nicht. Sie hält ein Buch in einer Hand und ein Glas Rotwein in der anderen. Mit schief gelegtem Kopf und blauen Augen sieht sie mich unverwandt an. Nicht eingeschüchtert. Sie scheint nicht überrascht, mich zu sehen, aber auch nicht gerade begeistert.

»Du bist mir gefolgt.«

»Ich hab dich hier langgehen sehen und … ja. Ich wollte dir danken für …«

»Schon gut«, sagt sie entschieden und legt ihr Buch zur Seite. »Ich weiß. Ich darf hier nicht sein. Haftung der Produktionsfirma und so weiter.«

»Hey, keine Sorge. Ich werde nichts sagen.« Ich werfe einen Blick auf ihre Tasche, den Wein, das Buch. »Öfter hier?«

Ein halbes Lächeln erscheint kurz auf ihrem Gesicht. »Es ist ein guter Ort, um runterzukommen, wenn man Abend für Abend zusieht, wie jemand ein emotionales Blutbad spielt.«

»Dafür wollte ich dir danken …«

»Ich hab nichts gemacht«, sagt sie in hartem Ton. »Ich hab nur ›Schal‹ gesagt. Der Rest kam von dir.«

Ich will protestieren, aber das Licht des Whirlpools, das von oben auf ihre Haut fällt, sie leuchten lässt, lenkt mich ab. Aus ihren klaren blauen Augen unter dem schnurgeraden Pony sieht sie mich scharfsinnig an. Nicht zu vergessen, dass sie nur einen winzigen Bikini trägt, dessen schwarze Dreiecke ihre kleinen Brüste bedecken.

Und ich stehe hier komplett angezogen.

»Also gut.« Ich werfe einen Blick nach hinten. Eigentlich sollte ich gehen, aber ich will nicht. In einer Stadt voller Menschen, die mir zum größten Teil nur erzählen, was ich hören will, sticht Rowan heraus. Wenig Toleranz für Bullshit. So etwas mag ich. So etwas brauche ich.

Sie verengt die Augen. »Warum tust du so komisch?«

»Tue ich das?« Ich lache nervös und fahre mit einer Hand durch meine Haare. »Tja, aus diversen Gründen, würde ich sagen.«

»Wie zum Beispiel?«

»Machtverhältnisse? Ungünstige Positionen?«

»Oh, ich verstehe.« Sie trinkt einen Schluck Wein. »Du hast Angst, dass ich mir eine Geschichte ausdenke, wie du deine Position als Star ausnutzt, um mich hier rauszulocken und mich zu missbrauchen.« Sie neigt ihren Kopf. »Wirst du das?«

»Werde ich was?«

»Mich missbrauchen.«

»Verdammt, nein.«

Rowan zuckt mit den Schultern. »Dann hast du nichts zu befürchten. Selbst wenn du böse Absichten hättest, bin ich nicht daran interessiert, deine Karriere zu ruinieren.«

Ich runzele die Stirn. »Wenn jemand böse Absichten in die Tat umsetzt, solltest du seine Karriere ruinieren.«

»Klingt nach viel Papierkram.« Sie seufzt, als ich ernst bleibe. »Hör zu, ich will nur meinen Job nicht verlieren. Wenn ich meinen Whirlpool abgeben muss, um nicht gefeuert zu werden, dann sei es so.«

»Nicht nötig«, sage ich. »Ich habe auch nicht die Absicht, deine Karriere zu ruinieren. Ich lass dich mal in Ruhe.«

Damit wende ich mich ab.

»Oder …«, sagt sie.

Ich drehe mich wieder um. »Oder?«

Sie presst ihre Lippen zusammen. »Nichts.«

Ich werfe ihr mein Megawatt-Lächeln zu, mein Markenzeichen, wie man mir sagt. »Spuck’s aus.«

»Emotionaler Ballast ist hart genug mit anzusehen«, sagt Rowan zögerlich, als würde sie mit sich kämpfen. »Wenn man selbst derjenige ist, der darin untergeht, muss es extrem anstrengend sein.«

»Dem kann ich nicht widersprechen.« Mein Telefon brummt in meiner hinteren Hosentasche, als eine Nachricht eingeht. Evas Kreischen ist darin laut und deutlich zu hören, auch ohne Ton.

Reden wir jetzt einfach nie mehr miteinander??? Nach allem, was wir durchgemacht haben? Ist das dein Plan????

»Apropos anstrengend.« Ich schalte mein Handy stumm und schiebe es zurück in meine Hosentasche. »Meine Ex.«

»Ah.«

»Eva.«

»Ich weiß.«

»Dachte ich mir«, sage ich. »Die meisten Leute lesen die Boulevardblätter und den Internet-Bullshit, aber ich tue gern so, als wäre es nicht so.«

»Das heißt?«

»Das heißt, dass ich Gespräche nicht beginne mit: Du hast sicher alles über mich gelesen, aber …«

»Verstehe«, sagt Rowan. »Es ist kein anständiges Gespräch, wenn du dein eigener Verteidiger sein musst, bevor es überhaupt begonnen hat.«

»Exakt«, sage ich. »Ja, danke dir.«

»Du hast Glück.« Rowan lächelt trocken. »Ich lese keine Klatschblätter. Und auch sonst nichts auf Social Media, ehrlich gesagt.«

Ich lehne mich an den Whirlpool. »So was hört man nicht jeden Tag. Erst recht nicht in diesem Business. Oder dieser Stadt.«

Sie zuckt mit den Schultern. »Die Leute reden. Ein paar Dinge hab ich natürlich gehört, aber du musst nichts erklären. Dieser Whirlpool ist eine bullshit-freie Zone.«

Ich habe das Gefühl, mit Rowan ist alles bullshit-frei. Allein durch ihre Gegenwart bin ich gerade schon weniger angespannt als zuvor.

»Das weiß ich zu schätzen«, sage ich.

»Ja, also, jetzt komm schon rein.«

Ich muss lachen. »Was für eine feinfühlige Einladung. Sicher?«

»Tu dir keinen Zwang an.«

»In Ordnung … wenn es dir wirklich nichts ausmacht.«

Ich ziehe mich bis auf meine dunkelblauen Boxershorts aus und steige hinein. Der Whirlpool ist groß – zwischen mir und Rowan sind es knapp anderthalb Meter Abstand –, und trotzdem komme ich mir vor, als wäre ich in ihren persönlichen Raum eingedrungen. Und obwohl sie mir versichert hat, dass sie keine Missbrauchsgeschichte erfinden will, kann ich ihr nicht vertrauen. Nach den Jahren mit Eva bin ich in höchstem Alarmzustand.

Ich spritze mir Wasser ins Gesicht und reibe über meine müden Augen. »Ich hätte dir einfach deine Ruhe lassen sollen.«

Rowans Augenbrauen ziehen sich zusammen. »Meine Güte, Batman. Du bist gerade erst angekommen. Ich glaube, du brauchst das mehr als ich.«

Sie gleitet durchs Wasser in meine Richtung, streckt mir den Arm mit dem Weinglas entgegen. Ich zögere, und sie sieht mich schief an.

»Soll ich eine Verschwiegenheitserklärung für dich unterzeichnen? Ich werde keinen falschen Alarm schlagen, und du wirst mich nicht feuern lassen. Okay?«

Mit einem zerknirschten Lachen nehme ich ihr den Wein ab. »Danke.« Der erste Schluck macht sich angenehm bemerkbar, löst die Knoten in meinem Bauch. »Ich möchte drauf hinweisen, dass ich einer Frau, die von einem Vorfall mit irgendeinem Arschloch aus diesem Business erzählt, instinktiv glaube.«

Rowan zieht eine Augenbraue hoch. »Mein Held.«

Ich muss laut loslachen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das zuletzt getan habe.

»Ich meinte nur, ich bin nicht deswegen so vorsichtig hier mit dir, weil ich glaube, dass Frauen sich solche Sachen ausdenken. Es liegt eher an …«

Eva. Sie hat mir restlos jedes Vertrauen ausgetrieben.

»Meinem eigenen Kram«, sage ich. »Mit Eva ist es kompliziert seit … tja, seit einer Weile halt.« Ich nehme einen weiteren Schluck und reiche ihr das Glas zurück. »Weil ich ihr jeden Raum nehme, wenn ich ihre Nähe suche, und wenn ich mich zurückhalte, bin ich ein Arschloch, das sie nicht genug liebt.«

Rowan nickt. Sie hat sich nicht in ihre Hälfte des Pools zurückgezogen, sondern steht nur einen halben Meter von mir entfernt. Aus der Nähe sind ihre Augen erstaunlich: ein klares Hellblau, umringt von Dunkelblau.

»So weißt du nie, woran du bei ihr bist«, stellt sie fest.

»Ich weiß genau, woran ich bei ihr bin«, sage ich verbittert. »Es ist wie mit rohen Eiern oder Treibsand. Wenn du lange genug so lebst, macht das was mit deinem Verstand. Du hinterfragst jede noch so kleine Sache. Wie, ob ich den Pool verlassen sollte, in den ich gerade gestiegen bin.«

Rowan betrachtet das Weinglas. »Deshalb vermeide ich Beziehungen.«

Ich grinse. »Zu viel Papierkram?«

»Schmerz.« Sie räuspert sich. »Stress. Zu viel Stress.«

»Ich hab mal gehört, wenn man das mit der Beziehung richtig macht, fühlt es sich nicht wie Stress an. Aber das ist nur Hörensagen.« Neugierig sehe ich Rowan an. »Was an dir bringt mich dazu, immer wieder meine Probleme bei dir abzuladen?«

»Ich bin eine PA. Für Probleme sind wir da.«

»Hast du schon bei vielen Produktionen mitgearbeitet?«

»Ein Dutzend ungefähr.«

»Was machst du sonst?«

Sie kraust die Stirn. »Was meinst du?«

»Ich nehme an, dass das vielleicht nur ein Gelegenheitsjob ist.«

»Du weißt, was man sagt über solche Annahmen«, sagt sie jetzt mit einem Unterton in der Stimme.

»Nimm’s mir nicht übel, aber alle PAs, die ich kenne, machen das nur nebenbei oder um sich einzuarbeiten und dann woanders weiterzumachen.«