Familie mit Herz 11 - Marion Alexi - E-Book

Familie mit Herz 11 E-Book

Marion Alexi

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Beschreibung

Die Schlacht ist gewonnen, der Backenzahn gefüllt. Angelo zupft am Papierlätzchen. Worauf wartet die Mami denn noch? Er ist doch fertig.
Da erhebt sich die junge Frau und lächelt den Zahnarzt an.

"Noch mal tausend Dank, dass Sie meinen Kleinen zwischendurch drangenommen haben", sagt sie mit seidenweicher Stimme.

In Angelo schrillt eine Alarmglocke. Er kennt diese Stimme seiner Mami nur zu gut! Der Sechsjährige blickt von einem zum anderen. Ja, auch der blöde Zahnarzt sieht seine Mami an wie ein verliebter Idiot.

Angelo seufzt. Okay, er wird also wieder in den Krieg ziehen müssen, um seine Mutter vor Rosen, Pralinen, Tanzabenden - und einem Ehemann zu retten ...

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Seitenzahl: 118

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Inhalt

Cover

Impressum

Ich allein bin Mamis Traummann!

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: luminaimages / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5814-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Ich allein bin Mamis Traummann!

Mitreißender Roman um einen eifersüchtigen kleinen Jungen

Von Marion Alexi

Die Schlacht ist gewonnen, der Backenzahn gefüllt. Angelo zupft am Papierlätzchen. Worauf wartet die Mami denn noch? Er ist doch fertig.

Da erhebt sich die junge Frau und lächelt den Zahnarzt an.

»Noch mal tausend Dank, dass Sie meinen Kleinen zwischendurch drangenommen haben«, sagt sie mit seidenweicher Stimme.

In Angelo schrillt eine Alarmglocke. Er kennt diese Stimme seiner Mami nur zu gut! Der Sechsjährige blickt von einem zum anderen. Ja, auch der blöde Zahnarzt sieht seine Mami an wie ein verliebter Idiot.

Angelo seufzt. Okay, er wird also wieder in den Krieg ziehen müssen, um seine Mutter vor Rosen, Pralinen, Tanzabenden – und einem Ehemann zu retten …

»Ach Gott!« Helene Prüssen-Cording seufzte entrüstet, als ihr Blick auf den großen Frisiertisch ihrer jüngeren Schwester fiel.

Der Seufzer galt weniger der stattlichen Batterie hochklassiger Kosmetika als der Art und Weise, wie sie auf dem italienischen Designer-Frisiertisch standen.

Der Blick verkündete Missbilligung und Missachtung des schwesterlichen Lebensstils. Was keinen wunderte, der die stattliche Helene Prüssen-Cording kannte, denn ihr Leben war erstens von ihr fabelhaft durchorganisiert worden und stand zweitens somit unerschütterlich auf gusseisernen Füßen.

»Du meine Güte, hier ist sicher seit Ewigkeiten keine Ordnung gemacht worden! Das ist ja das reinste Chaos!«

Für Helene Prüssen-Cording war Ordnung etwas Heiliges, sozusagen das A und O des Lebens. Und wenn die Ordnung in einem Leben nicht einmal mehr andeutungsweise zu finden war, dann konnte mit diesem Leben etwas nicht stimmen.

In diesem Fall handelte es sich um das Leben ihrer jüngeren Schwester Harriet, von der vornehmen Familie Cording überraschend sportlich Harry genannt. Auf eigenen Wunsch freilich und sehr zurückhaltend. Aber sonderlich entgegenkommend, geschweige denn spontan, war die Familie Cording ohnehin nicht, man verhielt sich abwartend und reserviert.

Harry Cording, mit fünfundzwanzig Jahren die jüngste der vier Schwestern Cording, entsprach leider sehr wenig der Familientradition. Sie hielt zum Bedauern ihrer Angehörigen so gar nichts vom Anpassen und Zurückhalten und hatte dafür schon eine Menge Lehrgeld zahlen müssen. Das Lehrgeld hatte sie allerdings behalten dürfen. Niemand war ernsthaft daran interessiert. Die Familie Cording hob sogar sämtliche Hände und Augenbrauen, wenn die Rede davon war, sich um die Folgen der kühnen Selbstverwirklichungsbestrebungen ihrer Jüngsten zu kümmern.

Mit knapper Not war seinerzeit ein Skandal umschifft worden. Dass es dazu nicht gekommen war, sah ein Teil der Familie Cording noch immer als ein kleines Wunder an. Ein anderer Teil glaubte fest an ein Zeichen des Himmels – natürlich ein warnendes.

Doch die Gefahr eines Skandals war noch nicht gänzlich gebannt. Das war den Cordings schon klar, die sich vor einem Skandal gewiss hundertmal mehr fürchteten als der Teufel vor dem Weihwasser.

»So lange Harry nicht zur Vernunft kommt, können wir nachts nicht ruhig schlafen«, hieß es immer, wenn das »Problem« erörtert wurde, und es verging kein Tag, an dem es nicht besprochen, zumindest aber erwähnt wurde. Natürlich mit bedeutungsvollen Blicken, hochgezogenen Brauen und geschürzten Lippen.

Bei dem »Problem« handelte es sich, ob man es nun glauben mochte oder nicht, um den inzwischen sechsjährigen Angelo, einen munteren, ungemein aufgeweckten Knaben mit himmelblauen Augen, die von rabenschwarzen dichten Wimpern umkränzt waren. Entzückendes blondes Haar vervollständigte das romantische Aussehen. Ein hochbegabtes und außerordentliches listiges Bilderbuchkind mit dem unschuldigen seelenvollen Lächeln eines Engels.

In der Kunsthalle fanden sich in der Abteilung »Italienische Renaissance« und »Deutsche Romantik« unzählige Gemälde, auf denen viele liebliche Kinder porträtiert waren, die große Ähnlichkeit mit Angelo hatten.

Leider trog, wie so oft, auch hier der schöne Schein.

Angelo hatte ein interessantes, doch recht kompliziert angelegtes Wesen, sein süßes Lächeln täuschte, er war, um es mit den Worten der mütterlichen Verwandtschaft zu sagen, ein richtiges Teufelchen.

Aber hinterhältig oder gar bösartig war Angelo wirklich nicht, hier übertrieben seine gestrenge Großmama Johanna und die Tanten Helene, Heilgard und Heimke.

Großpapa John Morten Cording, ein noch immer hart arbeitender und trotz der internationalen Flaute in der Schifffahrt bemerkenswert erfolgreicher Reeder, Typ hanseatischer Gentlemen mit britischem Touch, äußerte sich selten, was den Enkel Angelo betraf.

Aber wenn das geschah, dann immer grollend und in Verbindung mit Harry, der Jüngsten des Herrn Konsuls, dem Enfant terrible der überaus vornehmen Familie Cording, die seit sieben Generationen in der weißen Säulenvilla an der Elbchaussee residierte.

Ein schwarzes Schaf konnte man Harry Cording freilich nicht mit gutem Gewissen nennen, denn sie war blond. Eine junge Frau mit viel Ausstrahlung und jenem aufregenden gewissen Etwas, das man viel zu selten in althanseatischen Familien antrifft.

Johanna und John Morton Cording waren dem Schicksal von Herzen dankbar, dass es »nur« ihre Jüngste erwischt hatte. Denn jenes sonderbare unerklärliche fiebrige Blut, das durch die Familiengeschichte geisterte, machte sich nur bei ihr bemerkbar. Sie führten es auf einen verwegen aussehenden, sportlichen, aber scheußlich verwahrlosten, sittlich verlotterten, von seiner empörten Familie verstoßenen französischen Offizier zurück. Der hatte es geschafft, eine bis dato fromme, zurückgezogen und keusch lebende Armgart Elisabeth Cording zu verführen. Doch das geschah vor knapp zweihundert Jahren.

Viel zu spät erfuhr die Familie von der ruchlosen Tat, als es nämlich offenbar wurde, dass diese ungewöhnliche, wenngleich schicksalhafte Begegnung nicht ohne Folgen bleiben würde.

Armgart Elisabeth wurde von ihren schockierten Angehörigen umgehend nach Amerika verbannt, in Begleitung einer älteren und moralisch zuverlässigen, wenn auch schrecklich humorlosen Tante.

Nach vielen Jahren, als gehörig Gras über die unerhörte Begebenheit gewachsen war, kehrte ein junger wohlgestalteter Mann nach Hamburg zurück, um sich der überraschten Familie Cording als Sohn der Armgart Elisabeth vorzustellen.

Der Großpapa schloss den jungen hoffnungsvollen Menschen hocherfreut und gerührt an seine Brust und hieß ihn in der Familie Cording willkommen. Das war schon eine erstaunliche Reaktion, wenn man sich erinnerte, wie eilig die arme Armgart Elisabeth seinerzeit aus dem Familienverband entfernt worden war.

Da es dem Großpapa an anderen passenden männlichen Nachkommen mangelte, wurde der junge Mann mit offenen Armen aufgenommen und durfte die geheiligte Familientradition weiterführen.

In der Familienchronik wurde John Abraham Cording als ordentlicher aufrechter und fleißiger Charakter beschrieben. Unter seiner Hand blühten die durch napoleonische Kriegswirren ermatteten Familienunternehmen wieder auf und gediehen so erfreulich, dass niemand wagte, ein kritisches Wort hinsichtlich seiner Herkunft zu äußern.

Der französische Offizier wurde mit keiner Silbe mehr erwähnt, es war, als wäre er nie in Erscheinung getreten.

Nur bisweilen, wenn es in einem Familienmitglied brodelte und rumorte, wenn das normalerweise ausgesprochen ruhig fließende hanseatische Blut unruhig wurde und gar zu sieden begann, erinnerte man sich ahnungsvoll an den französischen Offizier.

In der jüngsten Generation hatte »es« also den kleinen Angelo erwischt, den Sohn der Harry Cording, der blonden Familienrebellin.

Wenn Angelo mal wieder über die Stränge geschlagen hatte, was sehr oft vorkam, und wenn seine Schandtaten dem Großpapa zu Ohren kamen, dann nickte er nur und murmelte: »Jaja, das ist wohl der Geist von John Abraham, der nicht zur Ruhe kommen kann …«

***

Helene Prüssen-Cording, Harrys älteste und moralisch sehr gefestigte Schwester, eine energisch-gestrenge Mama von fünf blonden Kindern, war mit dem Lebensstil ihrer Schwester ganz und gar nicht einverstanden. Und weil sie eine echte Cording war, dachte sie nicht daran, ihre Meinung für sich zu behalten.

»Wie ist es nur möglich, dass es bei ihr immer so aussieht!«, äußerte sie aufgebracht und setzte ihr unvermeidliches: »Ogottogott« hinzu, als sie die vielen Parfümflakons betrachtete.

Wozu braucht Harry nur all diese Duftwässerchen? Helene war der Meinung, dass eine anständige Frau so etwas nicht nötig hatte.

Sie griff sich einen der Flakons und entstöpselte ihn. Ein üppig-mondäner Duft von Blumen, die in den geheimnisvollen Gärten der Verführung gepflückt wurden, entströmte dem Kristallflakon.

»Ogottogott«, wisperte Helene schockiert und schnupperte noch einmal.

Bis ein Räuspern sie jäh zur Besinnung brachte. Vor Schreck hätte sie den Flakon fast fallen gelassen.

Aber daran wäre natürlich nur wieder dieser Bengel schuld gewesen, dieser freche Angelo, der sie ja ständig aus dem Konzept brachte und diesmal sicher absichtlich erschreckt hatte. Diesem kleinen Teufelchen traute sie alles zu, da mochte er sie noch so unschuldig mit seinen himmelblauen Augen ansehen!

Helene fragte sich einmal mehr, wer bloß der Vater dieses unglaublichen Kindes sein mochte. Darüber bewahrte Harry nämlich eisernes Stillschweigen, ihr Geheimnis hatte sie sich in den vergangenen sechs Jahren um keinen Preis entlocken lassen.

Die Familie Cording hatte selbstverständlich diesbezügliche Nachforschungen anstellen lassen, denn man war ungemein interessiert daran gewesen, herauszufinden, wer Angelos Vater war.

Helene überlegte auch jetzt angestrengt, wo sie diese unwahrscheinlich blauen Augen schon einmal gesehen hatte. Es war mit Sicherheit nicht das blasse Cording-Blau, sondern viel intensiver. Und diese Haare hatte es noch nie in der Familie gegeben. Wer also war Angelos Vater? Sie hätte viel dafür gegeben, endlich die Wahrheit über Angelos mysteriöse Herkunft herauszufinden.

Angelo, der dem forschenden Blick seiner Tante nicht auswich, weil er an Blicke dieser Art gewöhnt war, nahm eine entspannte Haltung ein. Er hatte seiner Tante bei ihrer Wohnungsinspektion zugeschaut, sich aber wohlweislich in gebührender Entfernung aufgehalten: Die Abneigung war gegenseitig.

Nun wurde er von ihr mit einem scheelen Blick bedacht.

»Warum starrst du mich so an?«, wollte sie wissen und drehte den Spieß einfach um.

»Du starrst mich an, ich starre dich an, Tante Helene«, sagte er mit einem entwaffnenden Grienen. »Damit sind wir quitt.«

Helene hatte mit dem Neffen seit jeher enorme Schwierigkeiten. Schrecklich viel hatte sie an ihm auszusetzen, vor allem war er ihr nicht ordentlich genug.

»Ach Gott, Angelo, deine Haare sehen ja grässlich unordentlich aus. Wann hast du sie dir zuletzt gekämmt?« Das war so ihre Art, aufmüpfige Kinder in die Schranken zu weisen.

»Gestern«, entgegnete Angelo prompt und ganz ungerührt.

»Ach Gott.« Sie seufzte angewidert. »Und das wagst du, mir zu sagen?«

»Du willst doch immer, dass ich die Wahrheit sage, Tante Helene. Warum schnüffelst du in Harrys Sachen rum?«

Helene schnappte nach Luft.

»Ich schnüffle nicht herum, merk dir das. Ich pflege niemals zu schnüffeln. Ach Gott!«

»Warum hast du denn eben an Harrys Parföng gerochen? Es ist ganz neu, sie hat’s von ihrem Freund geschenkt bekommen. Der ist auch ganz neu. Aber er riecht nicht so gut. Er reitet nämlich. Und wenn er Harry besucht, kommt er direkt aus dem Stall.«

»Du unverschämter kleiner Bengel, du!«

»Neulich hast du gesagt, dass man nicht fluchen soll.«

Helene lief purpurn an. »Ich bin nur ins Schlafzimmer gekommen, um hier zu lüften«, rechtfertigte sie mit der ihrer Meinung nach erforderlichen Schärfe in der ohnehin streng klingenden Stimme.

»Aber du hast auch in Harrys Schrank geschaut«, beharrte Angelo und sah seine Tante aufmerksam an. »Ich hab’s genau gesehen.«

So leicht war er nicht einzuschüchtern. Was auf die für ihn erfreuliche Tatsache zurückzuführen war, dass er der Sohn seiner Mama war und nicht ein Kind seiner Tante Helene. Deren fünf Sprösslinge hatten nämlich wenig zu lachen, wenn überhaupt.

Helene Prüssen-Cording, seit fünfzehn Jahren respektabel verheiratet mit einem renommierten Anwalt des Steuerrechts, fand es nun an der Zeit, Angelo mit einer Gegenoffensive zu verblüffen.

»Wieso bist du eigentlich in der Wohnung? An sich solltest du jetzt im Kindergarten sein, nicht wahr?«

»Ich bin in der Vorschule, Tante Helene«, sagte er sanft.

»Und warum bist du nicht dort, wenn ich fragen darf?«

»Du darfst«, erwiderte Angelo mit dem Lächeln eines Engels.

Helene schöpfte tief Luft. Und sie fragte sich, weshalb es dieses Kind immer wieder schaffte, sie an die Grenze ihrer Geduld zu bringen.

Sie rief harsch: »Warum?«

»Wir müssen heute nicht hingehen, wir haben frei.«

»Ach ja? Tatsächlich?«

Angelo lächelte abgeklärt.

Helene fand Angelos Lächeln impertinent.

»Natürlich, Tante Helene, ich lüge nie.«

Er hielt beide Arme auf dem Rücken verschränkt, kreuzte nun Mittel- und Zeigefinger beider Hände. Und dazu lächelte er unverändert liebreizend.

»Wer weiß«, erwiderte sie seufzend. »Ach Gott!«

»Warum sagst du das immer, Tante Helene?«

Sie sah ihn fragend und sehr gereizt an.

»Du sagst andauernd: Ach Gott. Warum?«, wiederholte er.

Sie versetzte ärgerlich: »Das ist gar nicht wahr, Angelo!«

»Jetzt lügst du, Tante Helene«, verkündete er höflich.

Sie hatte das Schlafzimmer ihrer jüngsten Schwester gerade verlassen wollen. Doch seine Feststellung traf sie wie ein Schuss zwischen die Schulterblätter. Sie war schon an der Tür, doch fuhr nun herum.

»Was war das eben?«

Angelo wich einen Schritt vor ihr zurück, wiederholte aber couragiert: »Du sagst andauernd: Ach Gott, Tante Helene. Ich hab mitgezählt. Siebzehnmal hast du …«

»Das reicht!«, rief sie mit schneidender Stimme. »Du bist wirklich und wahrhaftig ein ungezogenes und verlogenes und aufsässiges …«

»Teufelchen?«, half er verbindlich aus.

Helene hatte es die Sprache verschlagen, in ihrem Fall eine kleine Sensation. Ihrem Gatten, dem stadtbekannten erfolgreichen Anwalt Claus Prüssen, war es in den vergangenen fünfzehn Jahren nicht einmal gelungen, sie zum Verstummen zu bringen, obwohl er doch ungemein wortgewandt war. Schließlich musste er sich bei Gericht Gehör verschaffen. Doch bei Helene versagte ihm stets die Stimme.

Jetzt war sie es, die Angelo wortlos anstarrte. Claus Prüssen hätte ihr Anblick sicherlich viel Freude bereitet.

Angelo stand ganz lässig da, auf dem linken Fuß, das rechte Bein hatte er angewinkelt, die Fußspitze berührte kaum den Boden. Der Sechsjährige lehnte, beide Arme vor der Brust verschränkt, am Türrahmen. Eine Haltung, die seine Tante hasste, denn sie fand sie zu nachlässig, zu wenig respektvoll ihrer Person gegenüber.

Sie beschloss, das sonderbare Gespräch zu beenden. Sofort, denn irgendwie spürte sie, dass sie diesem sechsjährigen Knirps unterlegen war. So absurd das auch sein mochte.

»Ich werde deiner Mutter erzählen, wie frech du warst, Angelo. Ich glaube nicht, dass sie das sehr freuen wird.«

Die Drohung perlte an ihm ab wie der Hamburger Dauernieselregen an einem gutimprägnierten Trenchcoat.

»Harry wird das schon verstehen, Tante Helene.«

»Harry? Wieso sagst du eigentlich nicht Mami zu ihr!«

»Wir sind Freunde, Harry und ich«, verkündete Angelo stolz.

Freunde, ts! Helene Prüssen-Cording nahm ihre Handtasche aus dunkelblauem Leder von der Konsole im Vestibül der großzügig geschnittenen Wohnung ihrer jüngsten Schwester und nickte Angelo zu. Er hatte jede ihrer Bewegungen aufmerksam verfolgt.