Familie mit Herz 72 - Sabine Stephan - E-Book

Familie mit Herz 72 E-Book

Sabine Stephan

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Beschreibung

"Tom hätte das nie gemacht ... Tom wäre das nie passiert ..."
Jeder Satz, den Laura Bergmann spricht, erinnert an die Zeit vor dem schrecklichen Unglückstag. Sie ist wie versteinert vor Schmerz und will nicht akzeptieren, dass ihr Sohn Tom tot ist. Selbst der kleine Nepomuk, den alle nur Neps rufen, kann sie nicht aus ihrer Trauer reißen. Im Gegenteil. Laura verlangt von dem Fünfjährigen, dass er ihre Verzweiflung teilt. Kein fröhliches Lachen darf davon zeugen, dass das Leben weitergeht und dass Kinder schneller vergessen, als die Erwachsenen es nachvollziehen können.
Laura Bergmann will nicht erkennen, was sie ihrem Kind antut. Mit jedem Tag verletzt sie Neps zarte Seele mehr. Der Junge kann noch nicht wissen, was mit ihm geschieht. Er fühlt nur, dass er so nicht weiterleben möchte ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Seit mein Bruder im Himmel wohnt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Halfpoint / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9584-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Seit mein Bruder im Himmel wohnt

Eine Frau ist in Trauer erstarrt – und denkt nicht an ihr zweites Kind

Von Sabine Stephan

„Tom hätte das nie gemacht … Tom wäre das nie passiert …“

Jeder Satz, den Laura Bergmann spricht, erinnert an die Zeit vor dem schrecklichen Unglückstag. Sie ist wie versteinert vor Schmerz und will nicht akzeptieren, dass ihr Sohn Tom tot ist. Selbst der kleine Nepomuk, den alle nur Neps rufen, kann sie nicht aus ihrer Trauer reißen. Im Gegenteil. Laura verlangt von dem Fünfjährigen, dass er ihre Verzweiflung teilt. Kein fröhliches Lachen darf davon zeugen, dass das Leben weitergeht und dass Kinder schneller vergessen, als die Erwachsenen es nachvollziehen können.

Laura Bergmann will nicht erkennen, was sie ihrem Kind antut. Mit jedem Tag verletzt sie Neps zarte Seele mehr. Der Junge kann noch nicht wissen, was mit ihm geschieht. Er fühlt nur, dass er so nicht weiterleben möchte …

„Tom! Neps! Kommt bitte ins Haus! Eure Eltern werden gleich hier sein! Dann können wir zu Abend essen.“ Gisela Harder spähte angestrengt in den Garten. „Wo steckt ihr denn bloß wieder?“, rief sie, als sich nichts rührte.

Hinter einem der Rhododendronbüsche tauchte nun ein verwuschelter, blonder Schopf auf.

„Ich komm’ ja schon!“, tönte Neps.

„Wo ist dein Bruder?“, fragte Gisela, während sie Neps vor sich her in Richtung Badezimmer schob.

„Der ist wieder einmal die Straße hinunter zum Fußballplatz“, erklärte der Junge der Haushälterin. „Du weißt doch: Tom hat seit ein paar Wochen nur noch den blöden Ball im Kopf.“

Gisela seufzte. „Sei so lieb und beeile dich mit dem Händewaschen. Lauf dann gleich zum Moserhof und sag Tom, dass es Zeit zum Abendessen ist.“

Seit die Kinder aus der Nachbarschaft die unbebaute Wiese, den „Moserhof“, als Fußballfeld entdeckt hatten, war Tom täglich dort. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, im nächsten Schuljahr in der Jugendmannschaft seiner Schule mitzuspielen.

„Ist gut!“ Unbekümmert schnappte Neps sich das flauschige, zitronengelbe Handtuch und rubbelte sich damit Hände und Unterarme trocken. Dann rannte er wieselflink aus dem Haus.

Gisela Harder hängte mit einem gutmütigen Lächeln das Frottiertuch ordentlich an die Stange zurück, das der Kleine einfach ins Becken geschmissen hatte.

Kinder! So waren sie nun einmal!

Dann ging sie in die Küche und machte sich daran, die Salatsoße anzurühren.

Gisela Harder führte den Bergmanns schon seit über zehn Jahren den Haushalt und betreute nebenbei auch die beiden Söhne des Zahnarztehepaares. So konnten David und Laura Bergmann weiter in ihrer Praxis in der Innenstadt arbeiten.

Für den achtjährigen Tom und seinen jüngeren Bruder war Gisela Harder eher eine liebe Tante als eine Angestellte der Eltern. Sie betrachteten sie längst als Familienmitglied.

Gisela lächelte vor sich hin, als sie nun im Esszimmer den Tisch deckte.

Durch die weit geöffneten Fenster hörte sie Neps’ aufgebrachte Stimme: „Du sollst nicht immer ‚Karl‘ zu mir sagen!“

„Du bist aber auf den schönen Namen deines Großvaters getauft worden.“ Das war Tom, der es wieder einmal nicht lassen konnte, seinen kleinen Bruder aufzuziehen.

Gisela wäre fast das Glas aus der Hand gefallen, als die Haustür hinter den Jungen mit einem lauten Knall ins Schloss flog.

„Tom, wasch dir Gesicht und Hände! Und Neps, komm hierher und decke den Tisch fertig! Und bitte, bitte hört endlich auf, euch zu zanken!“

„Wenn der Dummkopf einfach nicht kapieren will, dass er Karl heißt.“ Tom ließ nicht davon ab.

Gisela drückte Neps das Besteck in die Hand und verließ das Esszimmer. Sie erwischte Tom am Zipfel seines T-Shirts, gerade bevor er in seinem Zimmer verschwinden konnte.

„Hör mal, wir alle nennen deinen Bruder ‚Neps‘ und haben uns dabei nicht die Zunge abgebrochen. Warum tust du ihm nicht den Gefallen und rufst ihn ebenfalls so? Du weißt doch, dass er den Namen Karl nicht ausstehen kann.“

Tom stampfte trotzig mit dem Fuß auf. „Der Blödmann heißt aber Karl!“

„Karl Nepomuk genau gesagt. Also ist es sicher nicht falsch, ihn Neps zu nennen. Oder würde es dir gefallen ‚Heini‘ gerufen zu werden?“

Tom senkte den Kopf. „Dass unsere Großväter aber auch so blöde Namen haben mussten“, murmelte er.

Gisela legte ihm die Hände auf die Schultern.

„Diese Vornamen waren früher sehr beliebt. Wie oft haben wir euch das bereits erklärt?“ Sie sah den Achtjährigen eindringlich an. Dann forderte sie ihn auf: „Zieh jetzt ein frisches T-Shirt an und komm dann ins Esszimmer. Ich glaube, ich höre den Wagen deines Vaters.“

Tom grinste vergnügt, als er im Schrank nach seinem Lieblingsshirt mit den blauen Streifen kramte.

„Ich bin trotzdem froh, dass ich den Namen von Opi Heinrich bekommen habe. Neps wird sein ganzes Leben lang nach Mamis Vater Karl Nepomuk heißen!“

♥♥♥

Minuten später stürzten Tom und Neps einträchtig auf die Eltern zu, kaum dass diese das Haus betreten hatten.

„Mami! Papi! Endlich!“

„Na, ihr Racker! Hattet ihr solche Sehnsucht nach uns?“ Lachend zog Laura Bergmann die Jungen an sich und begrüßte sie mit je einem zärtlichen Kuss auf die Wangen.

Tom wischte sich verlegen über die Stelle, an der sie ihn mit den Lippen berührt hatte.

„Ich bin doch kein Baby mehr, Mami“, maulte er, ließ es sich aber im nächsten Augenblick nur zu gern gefallen, vom Vater an die Brust gezogen zu werden.

Beim Abendessen mussten David und Laura sich zuerst anhören, wie schlecht die letzte Mathearbeit dieses Schuljahres in Toms Klasse ausgefallen war.

„Ich war aber der Beste! Eine glatte Zwei“, schloss der Junge stolz.

„Toll!“ David wandte sich an Neps. „Wenn du nächstes Jahr in die Schule kommst, kannst du dir ein Beispiel an deinem Bruder nehmen.“

„Ich will aber nicht in die Schule! Ich hab’ keine Lust, jeden Nachmittag über den Hausaufgaben zu hocken.“

Laura Bergmann meinte beschwichtigend: „Du hast noch über ein ganzes Jahr, Neps. Bis dahin sieht die Welt ganz anders aus.“

„Der wird bestimmt im ersten Schuljahr sitzenbleiben!“, warf Tom boshaft ein. „Er tobt lieber draußen herum, als dass er sich seine Schularbeiten vornimmt.“

„Na, na, na!“ Gisela Harder warf Tom einen strengen Blick zu. „Spielst du etwa nicht leidenschaftlich gern Fußball?“

Der Junge wich dem Blick der Haushälterin aus. Tante Gisela würde doch nicht verraten, dass sie ihm heute wieder bei einem der langweiligen Aufsätze geholfen hatte?

Doch David Bergmann widmete seine Aufmerksamkeit inzwischen Neps, der sich nicht entscheiden konnte, was er seiner Kindergartenfreundin Sina zur Geburtstagsfeier mitbringen sollte.

„Ich bringe morgen etwas aus der Stadt mit. Wie wäre es mit einer CD?“

„Super!“ Spontan schlang Neps die Arme um den Hals der Mutter. Dabei stieß er sein Limonadenglas um; der Inhalt ergoss sich auf Lauras weißen Leinenrock.

„Wann wirst du endlich lernen, dich zu beherrschen?“, seufzte David, lächelte jedoch dabei. Was hatte er als Fünfjähriger alles angestellt?

„Papi, spielst du nachher noch eine Partie ‚Mensch-ärgere-dich-nicht‘ mit uns?“ Bettelnd sah Neps zum Vater hinüber.

„Das kindische Spiel?“, empörte sich Tom.

„Was hast du denn vor? Doch nicht etwa, dich vor den Fernseher zu setzen?“ David kannte seinen älteren Sohn nur zu gut.

„Weißt du was? Papi und ich spielen mit dir hier im Esszimmer ‚Mensch-ärgere-dich-nicht‘, und Tom darf sich im Wohnzimmer bis acht Uhr vor den Fernseher setzen. Danach müsst ihr ohnehin ins Bett“, entschied Laura Bergmann diplomatisch.

„Gut, dass in drei Wochen die Ferien beginnen“, meinte Neps. „Dann dürfen wir schon mal länger aufbleiben.“

„In den Ferien meinetwegen. Ihr sollt ein paar schöne Wochen haben, wenn wir in diesem Jahr auch nicht verreisen“, versprach David seinen Söhnen.

„Aber im Winter fahren wir doch in die Berge zum Skilaufen?“

„Natürlich, Neps! Das haben wir euch fest versprochen.“

David lächelte etwas schuldbewusst. Die Sommerferien würden Tom und Neps diesmal daheim verbringen müssen. Teure Anschaffungen in der Praxis, die sie vor einigen Wochen gemacht hatten, ließen eine Reise nicht zu.

♥♥♥

Einen Tag nach Ferienbeginn fragte Neps seinen Bruder: „Du, könnten wir nicht ins Schwimmbad gehen? Es ist ideales Badewetter.“

„Meinetwegen, wenn Tante Gisela es erlaubt. Aber ich muss am frühen Nachmittag wieder zurück sein. Wir wollen im Herbst in die Jugendliga des Fußballvereins, und dafür müssen wir hart trainieren.“

„Du und das blöde Fußballspielen“, maulte Neps.

„Verstehst du denn nicht, wie wichtig regelmäßiges Training ist? Außerdem haben wir mit der Moserhof-Wiese einen idealen Fußballplatz gefunden. Dir würde es übrigens auch nicht schaden, wenn du dich für einen Sport entscheiden könntest.“ Tom grinste anzüglich.

„Mir macht es gar nichts aus, dass ich ein wenig pummelig bin“, verteidigte sich Neps. „So dürr wie du möchte ich gar nicht sein.“

„Ich bin nicht dürr, sondern sehnig“, gab Tom beleidigt zurück, doch sofort setzte er hinzu: „Was ist, fragen wir jetzt, ob wir ins Schwimmbad gehen dürfen?“

Wenig später trotteten die beiden Brüder einträchtig zur Bushaltestelle.

Für den kleinen Neps verging die Zeit im Schwimmbad viel zu schnell. Dennoch schlüpfte er widerstandslos in seine Shorts, als Tom zum Aufbruch drängte. Vielleicht konnte er den Bruder ja noch öfter überreden, mit ihm hierherzufahren, wenn er tat, was Tom wollte. Neps wusste nämlich, dass ihm die Eltern und Tante Gisela niemals erlauben würden, ganz allein das Schwimmbad aufzusuchen.

Kaum daheim angekommen, griff sich Tom seinen Fußball und sauste davon. Neps hing unschlüssig bei Gisela in der Küche herum.

„Du hast doch nicht etwa Langeweile?“, erkundigte sie sich schmunzelnd.

„Doch! Was soll ich denn jetzt machen? Leon und Sina sind an der Nordsee. Michael ist bei den Großeltern im Harz! Und Tom hat ohnehin nie Zeit für mich.“

„Und wo war er heute? Mit dir zum Schwimmen!“ Gisela stupste ihm liebevoll auf die Nase. „Weißt du was, wir könnten zusammen ein paar Plätzchen backen“, schlug sie dann vor.

„Au ja!“, begeisterte sich Neps. „Mami mag die Vanilletaler so gern. Wir könnten ihr ein paar aufheben.“

Gisela lachte schallend. „Ein paar nur? Ich dachte, die Plätzchen könnte ich heute zum Nachtisch anbieten.“

„Dann backen wir eben die doppelte Menge.“ Damit war der Fall für Neps erledigt. Er machte sich am Küchenschrank zu schaffen. Waage, Schüsseln, Rührlöffel … Alles stellte er auf den Tisch.

„Wann kommt Niklas eigentlich wieder?“, fragte Neps, der Gisela beim Teigkneten zusah.

„Niklas? Er kommt nächste Woche von seiner Reise wieder.“ Gisela Harders Augen leuchteten auf.

Niklas, ihr Sohn, war alles, was ihr geblieben war, nachdem ihr Mann schon in jungen Jahren gestorben war. Wie dankbar war sie den Bergmanns gewesen, als diese ohne Zögern zugestimmt hatten, dass der damals dreizehnjährige Niklas zusammen mit seiner Mutter hier bei ihnen wohnen sollte!

„Fein! Dann ist wenigstens jemand da, der ab und zu mit mir Halma spielt.“ Hoffnungsvoll hob Neps den Kopf.

„Neps, Niklas bezieht eine eigene kleine Wohnung am anderen Ende der Stadt, in der Nikolaus-Lenau-Straße. Er hat dort in der Nähe eine Stelle gefunden.“

„Nikolausstraße?“ Neps lachte, doch dann meinte er: „Schade! Niemand kann so gut Halma spielen wie Niklas. Mami mag das Spiel nicht, Papi findet es doof, und Tom begreift die Strategie nicht …“

Gisela schmunzelte. „Du und ‚Strategie‘! Weißt du überhaupt, was das bedeutet?“

„Na klar! Strategie heißt: nach Plan vorgehen. Jedenfalls hat das die Kindergärtnerin behauptet.“

Nachdenklich nickte Gisela. Neps plante fast immer sorgfältig voraus.

„Wenn Niklas mich hier bei euch besucht, wird er sich bestimmt hin und wieder von dir zu einer Partie Halma überreden lassen“, meinte sie dann überzeugt. „Gleich am nächsten Dienstag oder Mittwoch will er hier vorbeikommen.“ Sie zwinkerte Neps vertraulich zu: „Er muss mir doch erzählen, wie es ihm in der Autowerkstatt gefällt.“

Niklas hatte vor war nach dem Abschluss seiner Ausbildung noch einmal auf großer Reise gewesen und trat nun eine neue Stelle in seinem Beruf als Mechaniker an.

Gisela schob ein mit Plätzchen belegtes Backblech ins Rohr.