Fantastic Reality - Matthias Weiß - E-Book

Fantastic Reality E-Book

Matthias Weiß

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Beschreibung

Multiversen? Was sind sie? Verschiedene Dimensionen im Raum-Zeit Gefüge die alles umspannen. Es gibt nicht nur die Welt die wir kennen, auch nicht nur die eine Galaxie oder das Universum, nein. Es geht darüber hinaus. Brücken bilden sich zwischen den Welten und die drei Freunde Thomas, Luccy und Simon müssen seit ihrer Kindheit beweisen, dass sie den Multiversen gewachsen sind. Seid dabei, wie sie seit ihrer Kindheit versuchen zu verstehen, was Multiversen sind und welche Gefahren sie mit sich bringen. Welten jenseits ihrer Vorstellungskraft und jenseits der Multiversen. Aber nicht nur die Gefahren außerhalb ihrer Dimension bereiten ihnen Sorgen, auch in ihrer Welt müssen sie sich mit Raufbolden, Depressionen und Streit auseinandersetzen. Nur dann können sie ihre schwerste Herausforderung meistern und begreifen was die Endlosigkeit des Multiversums ist.

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Seitenzahl: 394

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Fantastic Reality

Prolog Seltsame BegegnungKapitel 01 Im KrankenhausKapitel 02 LuccyKapitel 03 Aufstand der SpielzeugeKapitel 04 HalluzinationenKapitel 05 VerlustKapitel 06 RisseKapitel 07 InformationenKapitel 08 LabyrinthKapitel 09 Eisiges ÖdlandKapitel 10 Riss zu einer ApokalypseKapitel 11 Die PflanzeKapitel 12 Flucht nach HauseKapitel 13 ZwischenweltKapitel 14 GefangenKapitel 15 Simons SchicksalKapitel 16 Die DoktorarbeitKapitel 17 ParapsychologieKapitel 18 Doppelter VerratKapitel 19 Drei RingeKapitel 20 BürgerkriegKapitel 21 ManfredKapitel 22 Das ArtefaktKapitel 23 Ein neuer FeindKapitel 24 Vier MächteKapitel 25 RettungsaktionKapitel 26 Jede Ära hat ihr EndeImpressum

Prolog Seltsame Begegnung

Überall Bäume, wunderschön, mit prächtigen, leuchtenden Far­ben, grelles rot, helles Blau, umzogen von gelben Strei­fen. Ein rosa Him­mel, soweit das Auge reichte und eine Son­ne die nie­mals unterging. Es war ein wundervoller Ort. Tiere, sowie Fa­belwesen lebten alle harmonisch miteinan­der, es gab keine Streitigkeiten, denn alle tanz­ten zu wun­dervoller Musik. Der Wind blies durch die Blätter der Bäu­me und brachte der Musik ein angenehmes Rauschen. Der Boden war saftig grün, mit Kristallen in allen Farben, die hell leuch­teten. Keine Menschen waren hier, keine Autos, Fabriken und Waffen. Nur ein reines Reich der Tiere und Fabelwesen. Er wanderte durch diese himmlische Welt, die so perfekt war. Wie in einem Rausch folgte er einem sandigen Weg tiefer in einen Wald, die Tiere schmiegten sich an seinen Körper. Es war ein wundervolles Gefühl, so…

„Aufwachen Bursche!“

Thomas öffnete schlagartig die Augen und sah verwirrt vor seinem Tisch Herr Schwarz stehen. Mit seinem fast schon kahlen Kopf, Falten im Gesicht, dem altmodischen schwarzen Jackett und der beinahe schon uralten Bril­le, die er nach hinten ge­schoben hatte, wirkte er wie einer der altmo­dischen Lehrer aus den sehr frühen Vierzigern, die Schüler noch mit Rohrstöcken verprü­geln würden, wenn man es ihnen heute erlauben würde. Der alte Mann schien jeden Schüler und jedes Kind zu hassen.

Er wirkte zornig und Thomas reali­sierte noch nicht einmal, was überhaupt passiert war. Eben waren seine Gedanken noch in einem schönen, grünen Wald voller Tiere verloren und jetzt saß er in einem Klassenzimmer mit gleichaltrigen, die belustigt zu Thomas sahen und anscheinend schon wussten, was als nächstes passieren wurde, Thomas‘ Grund­schullehrer packte das Lehrbuch über Mathema­tik auf seinem Tisch und verpass­te ihm damit einen kräfti­gen Schlag auf den Schädel, der ihn wachrütteln sollte.

„Das sollte dich aufwecken, Junge.“

Immer noch verwirrt, rieb sich der junge Schüler Thomas mit klopfendem Herzen den Schädel und sah sich um. Alle Augen waren nun auf ihn gerich­tet, doch statt zu staunen oder zu pfeifen, lach­ten die anderen Schüler über ihn.

Herr Schwarz schlug kräftig auf Thomas' Tisch, sodass er wa­ckelte und rief laut: „Ruhe!“, ehe der Alte mit Thomas' Buch ihm ein weiteres Mal einen Schlag verpasste.

„Au!“, stieß Thomas erschrocken aus, bis Herr Schwarz mit voller Wucht seine große, faltige Faust auf den Tisch schlug und Thomas so fast von seinem Stuhl schleuderte.

Thomas rieb sich den Kopf und erfasste erst jetzt, was pas­siert war. Er hatte geschlafen, mitten im Unterricht.

Während die an­deren lach­ten, wurde er an seinem Tisch immer klei­ner, schlug das Buch auf und versuchte sich da­hinter zu ver­stecken. Vor sich sah er ein weißes Blatt Papier, auf dem eine kleine Geschichte geschrieben war. Von einem Jungen, der keine Lust auf den Unterricht hatte und einfach davonlief. Darunter waren schlecht gezeichnete Bäume zu sehen, die gekrakelt ein gut Viertel des Blattes bedeckten.

Thomas war es so peinlich im Unterricht geschlafen zu haben und seine Wangen wurde immer röter, bis er endgültig zusammensank und fast unter den Tisch gerutscht wäre.

„Du wirst dafür übrigens das Klassenzimmer aufräumen, wenn der Unterricht vorbei ist, verstanden, Thomas!“, rief der Lehrer gebiete­risch.

Dieser laute und aggressive Schrei von Herr Schwarz hallte durch das ganze Klassenzimmer, das es buchstäblich zum Wackeln brachte.

„Ja, Herr Schwarz“, flüsterte Thomas leise und beschämt. Er zitterte am ganzen Leib und wandte sich seinem Blatt mit den Bäumen zu. Noch ein letztes Mal gönnte er seiner fantastischen Welt einen schönen Gedanken, ehe er das Stück Papier beiseiteschob und sich seinen Aufgaben widmete.

„Gut, dann machen wir weiter“, sprach Herr Schwarz ungeduldig. „Und falls du wieder ein­schläfst, musst du nachsitzen, kapiert, Bursche?“

„Verstanden“, antwortete Thomas hastig und sah schnell noch einmal um. Er konnte praktisch spüren, wie sich die anderen Kinder in seiner Klasse bereits in Gedanken ihre Mäuler zerrissen und nach dem Unterricht ebenfalls.

Thomas sank immer tiefer, dass er dachte, er wäre von sei­nem Stuhl gerutscht, so peinlich war ihm das. Und er glau­bte zu hö­ren, wie die anderen Schüler in seiner Klasse schmun­zelten und kicherten. Er gab den Rest des Unter­richts keinen weiteren Ton von sich und seine Lip­pen zitter­ten vor Angst.

Der Unterricht ging weiter mit einfachem Multiplizieren ...

Am Ende der Stunde verließen alle Schüler so hastig sie konnten das Klassenzim­mer. Thomas packte ebenfalls schnell seine Sachen und versuchte leise in der Menge an Schülern unterzutauchen, damit er das Klassenzimmer nicht putzen musste, aber einer der größten Schüler in der Menge schubste ihn aus dieser heraus. Thomas stolperte und torkelte an den Türrahmen, an dem er sich festhielt. Er stand nun ganz allein da. Ohne Deckung, ohne Schutz.

„Haben wir nicht etwas vergessen?“, fragte Herr Schwarz belustigt, der Thomas bemerkte.

Thomas sah verzweifelt den anderen Schüler an, der ihn nur hämisch ansah und lachte.

„Ich glaube, ich hab‘ alle meine Sachen beisammen“, erwi­derte Tho­mas vorsichtig.

Der Lehrer schlug ihm ein weiteres Mal mit einem seiner Bücher auf den Kopf und schubste ihn in die Mitte des Raum­es.

„Scherzbold. Du sollst hier noch aufräumen. Und wenn du fertig bist, melde dich im Sekretariat, dass das das Klassen­zimmer abgeschlossen werden soll.“

„Gut.“

„Und noch etwas, wenn du noch einmal einschlafen soll­test, gehe ich zum Direktor, der wird noch schlimmere Din­ge mit dir machen, als ich!“

Der Lehrer verließ den Raum und schlug die Tür so fest zu, dass fast das ganze Klassenzimmer zu wackeln begann.

Er ließ Thomas al­lein im Klassenzimmer zurück, der erst einmal sei­nen schwarzen Ruck­sack beiseite stell­te. Er atmete einmal ein und wieder aus. Sein Herz klopfte immer noch wild und schmerzte. Er würde bestimmt den Bus verpassen, da er noch sau­bermachen musste.

Thomas stellte zuerst die restlichen Stühle auf die Tische, putzte sorgfältig die Tafel und passte auf, dass sich dort kei­ne Streifen bil­deten.

Danach sammelte er das ganze bunte Papier auf und warf es in den Müll. Bis auf eines. Er öffnete das Papierknäuel und erschrak, als er eine schlichte Zeichnung von sich selbst sah, ihm gegenüber der große Lehrer Herr Schwarz, der auf der Zeichnung nicht eins zu eins mit der Realität übereinstimmte, was bedeutete, dass der Alte gut fünf Meter größer war als Thomas. Mit langen Armen schlug der Lehrer Thomas ein Buch auf den Kopf und sah Sterne. Betrübt über diese Ereignisse, zerriss er das Blatt und warf die Einzelteile ebenfalls in den Papierkorb. Unter seinem Tisch fand er auch seine Zeichnung des Traumes, den er tief in seiner Hosentasche vergrub.

Gerade als er sich der Fenster­bank widmen wollte, spähte er hinunter auf den Pausenhof und sah dort etwas über den Rasen flitz­ten. Es war klein und bunt und sah aus wie ein Tier. Doch es war zu weit weg, als dass er er­kannte, was es war. Das Tier sprang aus dem Gebüsch heraus und Thomas traute seinen Au­gen nicht. Das Wesen blieb kurz stehen, ehe es wieder weiter rannte. Unter ei­ner Parkbank durch, direkt in einen weiteren Busch. Es sah aus wie ein Hase.

Er warf den restlichen Müll in den Papierkorb, packte sei­nen Ruck­sack und stürmte aus dem Zimmer heraus. Dabei stieß er aus Verse­hen gegen etwas Großes und fiel zu Boden. Schnell stand er auf und sah in die arroganten Augen eines älteren Schülers. Er trug einen Ohrring an seinem linken Ohr und einige Piercings an der Lippe. Thomas erkannte auch ein Tattoo an dem Hals des Jungen, das er aber nicht vollständig erkennen konnte. Es erinnerte etwas an einen Adler.

„Was soll das, du Grundschüler? Kannst du nicht aufpas­sen wohin du gehst? Verpiss dich, Kleiner!“

„J-ja. Tut-tut mir leid.“

„Das sollte es auch, also geh‘ hübsch mit deinen Murmeln spielen“, lachte der Schüler und stieß Thomas zu Boden.

Die beiden Begleiter des älteren Schülers, die Thomas erst jetzt bemerkte, lachten nur dar­über.

Als sie um die Ecke gebogen waren, stand Thomas schnell wieder auf, stürmte das Treppenhaus herunter in den Park.

Die Gänge der Schule waren überfüllt von Schülern und Lehrern, an denen er sich vorsichtig vorbeischlängelte. Einige Uhren hingen an den Wänden, die aber schon lange nicht mehr funktionierten, denn egal wann Thomas kam, die Zeit schien bei diesen Uhren still zu stehen.

Thomas woll­te unbedingt herausfinden, was das für ein Wesen war.

 Als er unten ankam und sich sorgfältig umsah, doch nichts, keine Schüler befanden sich hier. Kaputte Flaschen und Ziga­rettenkippen lagen herum. Eine der Schulhofwände war mit Spraydosen schlecht bearbeitet worden. Nur schwarze Schrift­züge in schlechter Grammatik und un­höflichen Wor­ten.

In der Mitte des Hofes stand ein großer Baum, in dem Vögel nisteten.

Thomas ging zum Gebüsch, in den der Hase so plötzlich verschwand. Langsam näherte er sich ihm und riss es in einem Ruck auseinander. Ein Hase saß da. Es hatte leuchtend blaues Fell. Es sah Thomas ängstlich an und zuckte mit sei­ner kleinen rot-leuchtenden Nase.

„Hallo, Kleiner“, sagte Thomas sanft. „Ich tue dir nichts. Hab‘ keine Angst.“

Der Hase neigte seinen Kopf zur Seite, als ob er ihn verste­hen wür­de. Er näherte sich langsam mit seinen kleinen Pfo­ten dem Men­schen.

„Kannst du mich verstehen?“, fragte Thomas und ging auf die Knie.

„Ja“, erwiderte der Hase zu Thomas' Überraschung. „Wie heißt du?“

„I- ich bin Thomas. Du kannst sprechen?“ Thomas stolperte nach hinten und landete auf seinem Hintern.

Thomas war immer noch hin und weg. Hasen konnten normalerweise nicht spre­chen. Oder gab es welche, die es konnten?

„Überrascht?“, fragte der Kleine sarkastisch. „Alle aus mei­ner Fa­milie können sprechen.“

Thomas näherte seine Hand vorsichtig dem Hasen, er wollte ihn streicheln. Doch dann überlegte er es sich anders und wich zurück.

„Was hast du?“, fragte das bunte Tier.

„Ich-ich habe noch nie einen Hasen gestreichelt.“

Der Hase schien zu grinsen und Thomas überwand seine Angst, er strich mit seiner Hand über das seltsam kühle Fell des kleinen bunten Hasen. „Woher kommst du?“

„Mit wem redest du da?“

Thomas schreckte auf. Schnell stand er auf, drehte sich und sah in die verwirrten Augen eines gleichaltrigen Schülers.

„Mit diesem Hasen. Er kann sprechen“, stotterte Thomas.

„Welcher Hase?“, fragte der Schüler verwirrt.

Thomas sah rasch dorthin, wo das kleine Wesen saß, doch es war nicht mehr da. Hatte er es sich eingebildet?

„Nun komm', gehen wir“, erwiderte der Schüler sichtlich verwirrt.

Thomas nickte. Immer noch verwirrt, sah er sich um. Doch anstatt zu gehen, blieb er erst einmal.

„Geh‘ du schon einmal vor, ich komme gleich nach. Ich glau­be, ich habe etwas verloren“, log Thomas.

„Na gut“, erwiderte der Junge sichtlich gelangweilt.

Thomas wartete, bis der Junge im Schulgebäude ver­schwand. Als dieser um die Ecke bog, sah er wieder zu dem Platz, wo der Hase saß. Das Gebüsch raschelte und Thomas hoffte, dass dieser seltsame Hase darin war, doch es flogen nur einige Spatzen heraus und verloren sich im Himmel.

Ver­wirrt beschloss Thomas nun erst einmal die Schule zu verlas­sen.

Er packte seinen Rucksack und schwang ihn nicht ge­rade ele­gant über seine Schulter. Danach folgte er den zahl­reichen Gängen bis zum Ausgang der Schule. Die Gänge waren wie leergefegt, nur noch einige Putzleute säuberten den Boden und beachteten Thomas nicht.

Draußen angekom­men folgte er den Park­plätzen zur Haltestelle der Bus­se.

Thomas überprüfte den Fahrplan und ärgerte sich. Der Bus war vor fünfzehn Minuten abgefahren. Innerlich verfluchte er sei­nen Lehrer und seine Neugierde. Hätte er nicht nach diesem seltsamen Hasen gesucht, würde er wahrscheinlich nicht in diesem Dilemma stecken. Also beschloss er zu warten. Es würde noch eine halbe Stun­de dau­ern, bis der Bus ankam. Während dieser Zeit dachte er dar­über nach, woher wohl der Hase kam. War er überhaupt echt?

Der Bus kam schließlich an. Es schien, als ob Thomas eine Ewigkeit auf ihn gewartet hätte. Er warf noch einmal einen Blick hinter sich, in der Hoffnung den sprechenden Hasen zu sehen, doch nichts. War es nur Einbildung? Der Fahrer sah ihn gelang­weilt an. Er trug eine blaue Schirmmütze und hatte langes, lockiges Haar darunter. Thomas zeigte ihm seine Mo­natskarte. Der Busfahrer winkte ihn nach hinten. Der Junge hoffte einen Platz zu finden, wo er sich ausruhen konn­te, doch der Bus war so voll, sodass er stehen musste und das hasste er.

Müde stellte er sich in die Mitte des Busses, da ihm da am wenigsten schlecht wurde und sah er durch ein Fenster. Dort sah plötzlich den Hasen, der ihn an­scheinend ansah. Er schien Thomas direkt in die Augen zu se­hen. Thomas rieb sich seine und dachte, dass er nicht richtig sah. Als er sie wieder öffnete, war der Hase verschwunden. Was war bloß los mit ihm? War er verrückt ge­worden?

Nach einer Viertelstunde Fahrt in den Wohnbezirk der Stadt, stieg Thomas aus und sah sich um. Der Hase war nir­gends zu sehen.

„Alles nur Einbildung“, flüsterte er und ging weiter.

Zuhause angekommen, öffnete er die Wohnungstür mit sei­nem Schlüssel und sah seine Mutter Klara, mit ihren langen braunen Haa­ren und der selbst gestrickten roten Jacke. Seine Mutter sah ihn von der Couch aus nicht gerade freundlich an.

„Wo warst du?“, fragte sie.

„Hab' den Bus verpasst“, erwiderte Thomas knapp und hing seinen Schlüssel an das silberne Schlüsselbrett.

Seine Mutter seufzte laut als Thomas müde in sein Zimmer ging. Er wollte ihr nicht unbedingt erzählen, dass er während des Unterrichts geschlafen hatte.

Er schloss die Tür hinter sich und schmiss sei­nen Rucksack in die Ecke, danach warf er sich auf das Bett und versuchte sich zu entspan­nen. Er sah sich in sein Zimmer um. Es wirkte für ihn ir­gendwie fremd und zugleich vertraut. An der einer Wand hing ein großes AC/DC Poster, darunter stand sein Compu­ter auf einem Schreibtisch. In der anderen Ecke sein Fernseher.

Zumindest würde morgen Wochenende sein.

Gerade als er die Augen schließen wollte, beschloss er zum Fenster zu gehen und hinauszuschauen. Er stand müde auf und ging zur Fensterbank. Gelangweilt spähte er hinab auf die Straße, wo viele Autos herumfuhren. Auch ein Trak­tor ratter­te über den schon sehr gebrauchten Asphalt.

Nachdenklich drehte er sich um, doch genau im gleichen Moment hörte er etwas, das sich nicht wie ein Auto anhörte, viel mehr wie ein Brüllen. Schnell sah er erneut her­aus.

Unten saß wieder der Hase am Straßenrand. Der Kleine sah vorsichtig nach links und rechts, ehe er auf die andere Seite hüpfte. Thomas starrte ihn konzen­triert an. Fast im gleichen Moment ver­sperrte ein vor­beifahrendes Auto die Sicht zwischen ihm und dem Hasen. Als es weiterfuhr, war der Hase erneut weg. Das konnte doch keine Einbildung sein, oder doch?

Er warf sich erneut auf das Bett und schlief erst einmal etwas.

Er träumte erst einmal, wie er bei Herr Schwarz nachsitzen musste. Thomas stand vor der Tafel und schrieb einige Wor­te. Und immer, wenn er sich verschrieb, bekam er einen Schlag mit einem Rohrstock auf den Rücken.

Während des Schlafens wälzte Thomas sich hastig hin und her.

Nach diesem Traum, träumte er von dem Hasen, der sich an sein Bein schmiegte und leise pfiff. Thomas wollte ihn strei­cheln, doch gerade als er das Fell berührte, schreckte er auf und hinter ihm stand Herr Schwarz, der mit seinem Stock ausholte.

Plötzlich spürte er Schmerzen an seinem Rücken und sah sich um. Er war von seinem Bett gefallen.

„Verdammt!“, fluchte der Junge und stöhnte.

Thomas sah auf. Sein Herz raste wie wild und er schwitzte am ganzen Leib. Schwer atmend versuchte er seine Nerven zu beruhi­gen. Sein Puls beruhigte sich und sein Keuchen wurde leiser und ebenfalls ruhiger.

Er beschloss sich erstmal auf den Weg in die Stadt zu machen. Viel­leicht würde ihn das ablenken und zu klaren Gedanken führen.

Thomas ging zur Wohnungstür und gerade als er sie öffnen wollte, hielt ihn seine Mutter an: „Wohin gehst du?“

„In die Stadt“, antwortete Thomas.

„Gut, komm' aber zurück, bevor es dunkel wird.“

Er verließ die Wohnung und ging Richtung Stadt. Er dachte darüber nach, wie besorgt seine Mutter jedes Mal klang, wenn er das Gebäude verließ und auf eigene Tour ging. Seinen Vater kannte er nicht, seine Mutter erzählte ihm, dass er bei einem Arbeitsunfall starb. Doch anscheinend schien er ein guter Mann zu sein, auch wenn seine Mutter nicht gerne darüber sprach.

Bevor er losging, lief erst einmal über die Straße, auf die der Hase herübergelau­fen war und folgte dem Weg. Er hoffte, dass er ihm wiedersehen würde, doch nichts. Bis er plötzlich gegen et­was stieß. Er dachte zuerst, es sei der Hase, doch es war nur ein älterer Mann mit Geh­stock, lan­gem, grauem Bart, Sonnenbrille und schwar­zer Jacke, der ihn mürrisch ansah.

„Was soll denn das, du Bengel?“, fragte er.

„Tut-tut mir leid.“

„Na immerhin.“

Thomas trat beiseite und beschloss, sich nicht mehr um den Hasen zu kümmern. Das war alles nur Einbildung. Er musste sich auf seinen Weg konzentrieren und nicht auf fantastische Wesen, die es ohnehin nicht gab.

Während der Alte langsam weiterging, in der Hoffnung Tho­mas nicht zu hören, hörte dieser dennoch die arroganten und zornigen Worte: “Verdammte Gören. Immer wieder dasselbe.“

Thomas beschloss, sich nicht mehr darum zu kümmern und folgte der Straße weiter Richtung Stadt. Es würde meh­rere Mi­nuten dauern, denn sein Wohnort war außerhalb der Stadt. So hoffte er, während dieser Wanderung den Hasen aus sei­nen Ge­danken zu verbannen, so sehr er ihm aber auch im Kopf herum hüpfte.

Es war ein langer Weg, mit einem Fahrradweg, Fußgänger­zone und mehreren Bäumen am Straßenrand. Autos in jeder erdenklichen Farbe fuhren schnell die Straße entlang.

Plötzlich hörte er hinter sich ein Klingeln und er drehte sich um. Ein Fahrrad kam ihm von hinten ent­gegen, der knapp an ihm vorbei saus­te. Plötzlich erschrak Thomas, als er dem Rad­fahrer hinter­her sah. In dem Korb, auf dem Rücksitz, wo sich eine leere Einkaufstasche befand, saß der Hase darin, der ihm anschei­nen zuzwinkerte. Der Fahrer hielt sein Rad an ei­ner Kreu­zung mit einer roten Ampel an und der Hase fing an, hä­misch zu grinsen. Thomas rieb sich die Augen.

Das ist alles bloß Fantasie. Dachte Thomas.

Als er seine Augen wieder öffnete, war der Hase auch schon wieder verschwunden. Nachdem sich das Licht der Ampel grün färb­te, fuhr der Fahrer auch schon weiter und wandte sich nach links, über einen weiteren Weg mit einer grünen Ampel und fuhr davon.

Thomas atmete tief ein und aus und ging mit wackeligen Kni­en weiter. Er wurde langsam immer nervöser.

Diese Sache machte ihm sehr zu schaffen, zu sehr, für sei­nen Geschmack.

Er bog also nach rechts ab und sah bereits die hohen Ge­bäuden der Stadt in der Ferne. Weit hinten war der große Kirchturm zu er­kennen, dessen Uhr gerade 17:30 Uhr schlug. Es waren die üblichen beiden viertelstündlichen Glo­ckenschläge zu hören, die danach ver­stummten.

Als Thomas endlich die ersten Gebäude passierte, folgte er dem Weg nach links in eine Gasse. Es war der schnellste Weg in sein liebs­tes Geschäft, in dem Computerspiele angeboten wurden. Das würde ihn bestimmt auf andere Gedanken brin­gen.

Geschäftig gingen Leute hin und her und kauften ihre Lebensmittel an Ständen ein, die von Bauern aus der Umgebung betrieben wurden.

Andere Kindern stürmten durch die Ge­gend und es wurden auch farbenfrohe Luftballons ausge­hängt. Thomas erinnerte sich, dieses Wochenende fand der 101. Jahrestag der Stadt statt.  Morgen würde es losgehen und die ganzen zwei Tage andau­ern.

Thomas folgte der Gasse und kam nun im Stadtzentrum an. Eine große Plaza mit einem nicht sehr tiefen Becken befand sich in der Mitte, in des­sen Zentrum sich ein Brunnen befand, dessen Was­ser in das Becken floss und danach durch eine kleine Pumpe darun­ter wieder den Brunnen ge­pumpt wurde. Der Brunnen war zwei­stöckig und aus weiß glänzendem Stein.

An den Rändern der Plaza befanden sich die Geschäfte mit den großen bunten Schildern. Die Stadt war da­für bekannt, dass sich dort viele kleine Geschäfte dort nie­dergelassen hatten. Das bedeutete, dass wenige bekannte Verkäu­fer hier vertreten waren.

Thomas sah schon den Laden am anderen Ende des Plat­zes. Er machte einen Bogen um das Becken und den Brunnen, bis er vor dem Geschäft stand. Auf dem roten Schild waren ei­nige berühmte Computerspielfiguren abgebil­det. Darunter stand der Name des Ge­schäftes:  Her­berts Spieleladen.

Das Schaufenster stellte einige bekannte Spiele aus, auch waren dort Figuren und Andenken für Sammler und Nerds vertreten.

Thomas öffnete die Tür, die er zu sich ziehen musste und er hörte bereits das Klingeln der Türglocke und fand sich in einem großen Raum wieder.

Überall standen Regale mit al­len mögli­chen Spielen, sowohl bekannte, als auch unbekannt­e. Thomas ging zum Tresen des Geschäfts und wollte sich nach Spielen in seiner Altersklasse erkun­digen, doch der Verkäufer befand sich noch in einem Nebenzim­mer. Also wartete Thomas und trat aufgeregt von einem Bein auf das an­dere. Als der Mann her­auskam, erschrak er. Es war eine Maus. So groß und so geklei­det wie ein Mensch, auf zwei Beinen laufend. Er trug eine Bril­le, eine rote Weste und eine blaue Hose. Mehr konnte Thomas nicht erkennen.

„Was kann ich für dich tun?“, fragte die Maus.

Thomas ging entsetzt einige Schritte zurück, bis er rück­wärts aus der Tür stolperte, gegen etwas stieß und zu Boden fiel.

„Hast du dir etwas getan?“, fragte eine weibliche Stim­me.

Thomas stand auf und sah entsetzt einer Frau in Mausge­stalt und ihrem Sohn, der ebenfalls eine Maus war an.

„Du wirkst verwirrt, alles in Ordnung?“

„Wa-Was ist hier los?“, rief Thomas und drehte sich um. Überall gingen Mäuse über die Plaza, als ob es ganz normal wäre, ein Tier zu sein. Genauso wie der Verkäufer aus dem Ge­schäft waren alle in Kla­motten gehüllt. Thomas ver­schlug es die Sprache.

 Es war alles so bizarr, es konnte nur ein Traum sein. Er rieb sich die Augen, doch nichts änderte sich.

Die Kirchturmuhr schlug nun 17:45.

Doch plötzlich fand er sich wieder vor dem Geschäft vor. Ängstlich sah er hastig hin und her. Alles schien wieder völlig normal zu sein. Es war wirklich ein Traum. Er beschloss nun das Geschäft endgültig zu betreten, da kam ihm ein junger Mann mit einer roten Jacke entgegen und stieß ihn unsanft zur Seite.

Thomas sah auf einmal wieder diesen Hasen, mit seinem blauen Fell und der rot, leuchtenden Nase, der ihn anzugrinsen schien. Kurz darauf wurde es schwarz um Thomas und er fiel in Ohn­macht. Er sah vor seinem inneren Auge Mäuse, Hasen und einen seltsam, bunt gefärbten Himmel.

Kapitel 01 Im Krankenhaus

Thomas erwachte.

Wo war er? Er lag auf einem Bett in einem weißen Raum.

An sei­nen Fingern waren Kabel befestigt. Zudem war er in ein hellblaues Hemd gehüllt. Neben seinem Bett befand sich ein Tisch mit verschiedenen Instrumenten. Spritzen, Pinzetten und dergleichen.

Benommen setzte er sich auf und sah sich um. Er be­fand sich wohl in einem Krankenhaus.

Einige Männer mit weißen Mänteln liefen an einem Fenster vorbei, das bestätigte seine Vermutung, in einem Krankenhaus zu sein. Die Silhouette einer Person hinter einer gläsernen Tür ge­genüber von ihm erschien.

Die Person dahinter öffnete sie und eine Maus her­ein, in einem weißen Mantel gehüllt und einen Stetho­skop um den Hals gehängt.

„Na, wieder wach?“

Thomas rutschte vom Bett. Die Schläuche rissen heraus und er wurde ohnmächtig.

Thomas erwachte.

Was war passiert? Er sah sich um. Er lag auf dem einem Bett in ei­nem Krankenhaus. Sein Herz raste, er sah ne­ben ihm ein Gerät, das seinen Puls aufzeichnete, das immer schneller zu werden schien. An seinem Zeigefinger war ein Kabel befestigt. Außerdem trug er ein hellblau­es Hemd. Ver­wirrt sah er sich hastig um. Die Wände waren weiß ge­färbt und es roch nach nichts. Er war wohl wirklich in einem Kran­kenhaus in ei­nem der Zim­mer.

Er sah die Silhouette einer Person hinter einer Glastür ge­genüber von ihm, die sich öffnete. Sein Puls wurde schnel­ler, in Angst, dass erneut eine Maus hereinkam. Doch dies­mal kam ein älterer Arzt her­ein. Er trug ein Klemmbett in der einen Hand und einen Stift in der anderen. Er kritzelte einige Wörter darauf und sah Thomas, dessen Herzschlag sich lang­sam beru­higte.

Er Arzt hatte ein Stethoskop um den Hals gehängt und näherte sich Thomas, der instinktiv zu­rückwich.

„Du hattest einen Angstanfall, Junge.“

„Wer… wer sind Sie?“, brachte Thomas nur hervor. Er stand immer noch unter Schock.

„Ich bin Doktor Kraus. „Setze dich bitte auf. Ich muss dich untersu­chen.“ Er sah auf das Gerät, das den Puls an­zeigte, der sich immer mehr beruhigte. „Was war denn los?“

Thomas beschloss, erst einmal niemandem zu sagen, was er sah, denn wenn er es tat, würden sie ihn bestimmt in ein Ir­renhaus ste­cken. „Ich bin rückwärts gestolpert.“

„Eine Frau sagte, du hast unter Schock gestanden. Das hört sich wie ein Angstzustand an.“

Thomas hatte keine Ahnung, was das sei, doch erst einmal schwieg er.

Der Arzt setzte sein Stethoskop an und hob das Hemd des Jungen hoch. Danach legte er das Stethoskop an Tho­mas' Brust. Es war eiskalt.

„Hmm“, machte der Arzt. „Dein Puls ist wieder ruhiger ge­wor­den.“ Er kritzelte erneut etwas auf sein Klemmbrett und verließ ohne wei­tere Worte den Raum, schloss die Tür hinter sich und ließ Thomas allein mit seinen Gedanken.

Thomas löste das Kabel von seinem Finger, erhob sich und sprang vorsichtig von dem Bett herunter. Immer noch wa­ckelig auf den Bei­nen stolperte er über den Boden und ver­suchte erst einmal wieder Halt zu finden. Also ging er zu ei­nem Tisch in der Ecke des Raumes, wo einige Pulsmesser lagen und hielt sich dar­an fest. Immer noch schwankend, woll­te gerade weitere Schritte gehen, als er zu Boden sank und erst einmal sitzen blieb. Der Boden war kalt und Thomas fror.

Im gleichen Moment kam wieder ein Arzt herein.

„Wie lange war ich bewusstlos?“, wollte Thomas wissen.

„Etwa fünf Stunden“, erklärte der Arzt. „Wie müssen dich aber noch einige Tage hierbehalten. Zur Untersuchung. Al­les deutet zwar auf einen Angstanfall hin, aber es könnte noch et­was anderes sein.“

„Was ist denn ein-ein ... “, stotterte Thomas.

 „Angstzustand?“, fragte der Arzt.

Thomas nickte langsam.

„Nun, wenn man verwirrt oder ängstlich ist, kann das zu er­höhtem Puls führen, mit dem weder das Herz noch das Hirn klarkommen. Das führt zu weiterer Angst, bis man schließ­lich ohnmächtig wird.“

Thomas dachte kurz über die Worte nach und verstand. Sein Gehirn war also überlastet.

„Wir haben dir noch Blut abgenommen. Wir müssen auch noch spä­ter ein EEG machen. Das ist eine Art Gehirntest. Wir müssen diesem Zustand auf den Grund gehen.“

Thomas sah sich seine Arme an und fand auf dem linken Arm ein Pflaster befestigt.

„Du darfst dich im Krankenhaus frei bewegen. Ich glaube deine Mutter wartet im Eingangsbereich.“

„Danke, Doktor.“

Thomas stand auf, verließ erst einmal das Zimmer und sah sich um. Ärzte und Patienten liefen in den Gängen her­um. Auch ein Lie­gewagen mit einem Patienten darauf, wur­de von einer Ärztin schnell durch die Gänge um eine Ecke ge­schoben.

Thomas folgte einigen Schildern und eine Treppe hinunter in die Eingangshalle.

In der Mitte befanden sich einige Sit­ze. Auf einem saß seine Mutter Klara, die ihn hoffnungsvoll an­sah. Sie sprang wie ein Blitz auf und umarmte Thomas.

„Zum Glück geht‘s dir gut, Junge. Ich hab‘ mir solche Sor­gen ge­macht.“

„Du erdrückst mich ja“, stöhnte Thomas und versuchte sich aus ih­rem Griff zu lösen.

Er versuchte ein Lächeln zu erzeugen, was ihm allerdings missglückte und ihn seine Mutter etwas traurig ansah. Sie ließ ihn los und ging einige Schritte zurück.

Wie geht’s dir?“, fragte Thomas.

„Ich war krank vor Sorge, Junge.

„Die Ärzte meinten, ich müsste noch einige Tage zur Unter­suchung hierbleiben. Sie wollen noch ein EE-EE ... “

„Ein EEG machen“, erklärte Klara. „Da werden mit eini­gen Halte­rungen, die man an deinem Kopf befestigt Kabel ange­schlossen. Sie wollen damit deine Gehirnaktivitäten testen, ob mit dir wirklich alles in Ordnung sei.“

„Verstehe.“ Thomas wusste aber, dass das nichts brachte. Es zwar Angst, aber vor seiner Fantasie. Und solange sie mit dem EEG keine Gedanken lesen konnten, würde dies auch niemand erfahren. „Man kann aber damit keine Ge­danken le­sen, oder?“

„Nein“, sagte seine Mutter.

„Danke, dass du dich um mich sorgst“, erwiderte Thomas froh und fing nun an, seine Mutter zu umarmen.

„Hoffentlich ist mit dir alles in Ordnung.“

„Thomas“, hörte er eine Stimme hinter sich. „Komm' bitte mit.“

Thomas drehte sich um und sah den Arzt der ihn untersucht­e wie­der.

„Am besten du schläfst erst einmal ein bisschen. „Morgen ma­chen wir das EEG.“

Thomas nickte und ging mit dem Arzt zu den Zimmern, wo die Pa­tienten schlafen durften. Er sah ein großes Bett, mit ei­nem Kissen und einer Decke. Was der Arzt nicht be­merkte war, dass Thomas die Kameras an der Decke sah. Wenn er also was anstellen sollte, würden die Ärzte es so­fort bemerk­ten.

„Dann wünsche ich dir eine schöne Nacht. Morgen Nach­mittag um Fünfzehn Uhr machen wir das EEG“

„Thomas nickte und legte sich in das Bett. Endlich konnte er schla­fen. Er hoffte es zumindest.

Ein großer, bunter Garten. Überall waren Blumen zu sehen, die im prächtigen Blau schnell aufblühten, starben und wie­der aufblühten. In der Ferne gingen der Mond und die Sonne gleichzeitig auf und ab, sodass es Tag und Nacht gleichzeitig war. Überall liefen wild Mäuse am Boden herum. Die Glo­cke eines weit entfernten Kirchturmes läu­tete, dann sah Tho­mas wieder den Hasen und plötz­lich standen die Mäuse auf. Kleider bildeten sich um ihre nackten Körper und eine Stadt bildete sich langsam ...

Thomas erwachte keuchend und schwitzend am ganzen Kör­per. Sein Puls beschleunigte sich.

Er sah zu dem Gerät, das seinen Puls maß. Seine Herzfrequenz schoss in die Höhe, doch sank so schnell, wie er stieg, bis er einen normalen Wert erreichte. Thomas atmete tief ein und aus und sah auf eine Uhr neben sich. Es war gera­de erst drei Uhr morgens.

Was für ein Alptraum. Dachte Thomas und atmete schwer.

Er nahm das Kabel von seinem Finger ab, setzte sich auf das Bett und wartete. Er wollte nicht mehr einschlafen, da er Angst hatte, wieder einen Alptraum zu bekommen.

Auf einmal war hörte er ein leises Piepen unter seinem Bett. Er sprang herunter und sah darunter nach. Da saß schon wie­der der Hase. Vor Schreck fiel er nach hinten auf den Boden und keuchte schwer.

Das ist nicht echt.

Er rieb sich die Augen, doch der Hase war immer noch da. Er kam auf ihn zu und Thomas kroch instinktiv rückwärts nach hinten, bis er gegen einen Tisch stieß. Einige Pulsmess­geräte und leere Spritzen fielen zu Boden, doch der Hase kam immer näher und gab seltsame Geräusche von sich.

Dann fing der Hase an wieder zu sprechen: „Du weichst mir aus. Was ist denn los?“

„D-du bist nicht echt“, stotterte Thomas.

„Doch, ich bin echt“, erwiderte der Hase freundlich und gelassener als er.

„Warum verfolgst du mich?“

„Ich bin dein Freund, Thomas. Ich will mit dir zusammen sein.“

„Du bist nicht echt.“

„Thomas, ich bin echt. Wir gehören zusammen, wir sind ein Team. Freunde. Kameraden“, lachte der Hase.

„Nicht e ... “

„Thomas?“

Thomas schreckte auf und sah eine Ärztin vor ihm stehen. Verwirrt sah er dorthin, wo der Hase saß, doch er war wieder nicht da.

„Äh, Hallo“, sagte Thomas.

„Was suchst du hier unten?“

„I-ich bin vom Bett gefallen“, versuchte Thomas sich aus der Situa­tion herauszureden.

„Natürlich“, sagte die Ärztin, nicht gerade überzeugt. Sie ahnte, dass Thomas log, aber ging nicht weiter darauf ein, stattdessen sagte sie etwas Anderes. „Jetzt leg' dich wieder ins Bett und schlaf' weiter.“

Thomas wollte aufstehen, stieß aber mit seinem Kopf gegen den Tisch, der erneut wackelte. Sein Kopf schmerzte und er hielt ihn sich.

„Hast du dir was getan?“, fragte die Ärztin besorgt.

„Nein, nein. Es ist nichts.“ Thomas kroch unter dem Tisch hervor und setzte sich wieder auf sein Bett.

„Gut. Dann bis später. Ich wecke dich um 8:30 Uhr. Gute Nacht.“

Thomas legte sich ins Bett und wartete, bis die Ärztin ver­schwand, dann erhob er sich wieder. Er wollte nicht schlafen. Er wollte nicht wieder so einen Traum. Nicht schon wieder. Er beschloss nun einfach sich hinzulegen und gegen den Schlaf anzukämpfen. Es forderte zwar viel Kraft von ihm, aber er schaffte es.

Am nächsten Morgen durfte Thomas noch ein bisschen durch das Kranken­haus wandern. Seine Sachen lagen neben ihm auf dem Bett, also zog er sich an und überprüfte noch, ob sein Geldbeutel da war.

Er war immer noch etwas müde und seine Augen schienen ab und zu zuzufallen.

Im Besucherraum des Krankenhauses, im Ess-Saal bestellte er sich erst einmal von einer jungen Frau eine Cola, die er ohne abzusetzen herunterschlang. Nach der zweiten brauchte er erst einmal was zu Es­sen. Also schob er noch ein Marmeladenbrot hinterher, ehe er sich langsam und müde wieder in sein Zimmer begab und versuchte, so­lange wach zu bleiben, wie er konnte.

Doch irgendwann holte ihn der Schlaf wieder ein. Nach ei­nem kurz­en Moment, so schien es ihm, wurde er auch schon wieder geweckt. Doktor Kraus stand vor.

„So, das EEG wartet“, sagte er. „Steh' auf und komm' mit.“

Thomas tat, wie ihm geheißen, stand auf und folgte Doktor Kraus durch mehrere Gänge, bis sie in einem Zimmer anka­men, wo seltsa­me Geräte standen. Darunter auch ein Gerät, das an den Pulsmesser erinnerte, an dem Thomas ange­schlossen war, wenn er schlief.

„Setz' dich hier auf das Bett“, sagte der Arzt. 

Kurz darauf wurde Thomas an ein EEG Gerät angeschlos­sen. Es war wie man es ihm erklärt hatte. Eine Art Halterung aus Gummi, die man an dem Kopf befestigte. Dort schloss man Kabel an, die Gehirn­aktivitäten scannen sollten.

Doktor Kraus war bei ihm, der die gan­zen Geräte anschloss. Zuerst wurde allerdings mit seltsamer Flüssig­keit seiner Haare be­feuchtet.

Dann begann es. Thomas konnte einen Blick auf ein Bild auf dem Bildschirm erhaschen. Linien und Wellen formten sich, die beinahe ruhig zu sein schienen. Thomas versuchte sich darauf zu konzentrie­ren, dass diese ganzen Wesen, die er gestern sah nur Einbildung wa­ren, ebenso der Hase von heute Morgen, damit die Wellen nicht zu sehr aus­brechen würden. Das gelang ihm auch einigerma­ßen. Die Wellen wurden zwar durch seine Konzentration et­was unru­higer, aber bestimmt wesentlich weniger, als wenn er seiner Fantasie frei Lauf ließe.

Nach einer Viertelstunde war es dann auch schon fertig. Doktor Kraus ließ sich die Werte ausdrucken, befestigte sie an seinem Klemmbrett und verließ den Raum durch die gläserne Tür, wieder nichtssagend. Kurz darauf kam eine Ärztin herein und entfernte die Geräte von Thomas' Kopf. Er berührte seine Haare, die im­mer noch etwas klebrig waren.

„Warte einen Augenblick hier“, sprach die Ärztin und schaltete das EEG-Gerät aus.

Thomas nickte und wartete, bis sie ebenfalls verschwand, ehe er aufstand und sich im Raum bewegte. Doch kurze Zeit später kam Doktor Kraus wieder herein und sprach mit Tho­mas: „Wir haben kei­ne außergewöhnlichen Aktivitäten be­merkt, doch den Daten zufolge, scheinst du dich auf irgend­was konzentriert zu haben. Darf ich erfah­ren, was es war?“

„Ich wollte nachhause“, log Thomas.

„Nun gut. Deine Mutter wartet im Besuchereingang. Ich habe ihr ein Rezept für Tabletten gegeben. Das soll­te deine Angstan­fälle eindämmen.“

„Hat es irgendwelche Nebenwirkungen?“, wollte Thomas wissen.

„Nein, keine.“

„Danke, Doktor. Ich hoffe, ich bekomme das in den Griff.“

„Bestimmt.“

Thomas wurde durch die Gänge geführt, bis zu seiner Mut­ter im Besuchereingang, die wartend einen Kaffee an einem Tisch trank.

Thomas setzte sich zu ihr, ihr gegenüber und wartete auf ihre ersten Worte, doch es herrschte irgendwie ein peinliches Schweigen.

Nach etwa drei Minuten begann Thomas das Schweigen zu brechen: „Die Ärzte sagten, ich soll Tabletten nehmen. Ist das wahr?“

„Ja.“, kam die knappe Antwort seiner Mutter. „Du musst wohl noch ein paar Tage hierbleiben, damit sie die Ta­bletten testen können. Sie müssen noch die genaue Dosis einstellen, also wie viele du täg­lich nehmen sollst.“

„Verstehe.“

„Wie fühlst du dich?“, wollte Klara wissen.

„Geht so. Etwas müde vielleicht. Ich konnte gefühlt die halbe Nacht kein Auge zuzumachen.“

„Das kann ich verstehen. So aufgewühlt wie du warst.“

„Ja, aufgewühlt ... “ Thomas sah betrübt zu Boden.

Doktor Kraus kam zu die Besucherhalle und sprach mit den beiden. Also, Frau Müller. Ihr Sohn muss noch bis morgen früh hierbleiben, um die Medikamente zu einzustellen.“

„Verstehe“, murmelte Klara. „Dann bis morgen, Schatz.“

Thomas nickte. Seine Mutter verließ das Krankenhaus durch den Eingang der Drehtür. Er sah ihr hinterher, bis sie um die Ecke bog. In genau diesem Moment erschien der Hase wieder. Der kleine Hase, wie er auf dem Sitz neben dem seiner Mutter saß. Er lächelte Thomas an, der sofort wegsah.

Alles Fantasie. Dachte er und schloss schlagartig seine Augen.

Als er seine Augen wieder öffnete, war der Hase auch schon wieder ver­schwunden.

„Ich bringe dich in dein Zimmer, Thomas“, sagte Doktor Kraus.

Thomas nickte und ging mit dem Arzt zurück in sein Zim­mer. Er sah einige Ärzte mit Wagen voller Spritzen und Medikamenten herum­fahren. Auch einige andere Patienten liefen nun durch die Gänge. Meist waren es alte Menschen.

Thomas betrat mit Doktor Kraus sein Zimmer und ließ sich auf dem Bett nieder. Sein Arzt stellte sich in eine Ecke des Raumes und war­tete.

Wenige Augenblicke später kam eine Ärztin herein, die einen Wa­gen schob, auf der zwei Arten von Medikamenten lagen. Einmal selt­same, weiße Tabletten und dann noch ein kleines Glas mit seltsamer, durch­sichtiger Flüssigkeit, die Thomas irgendwie suspekt vorkam.

„Was ist das für eine Flüssigkeit.“ Wollte Thomas wissen.

„Das ist eine Art extra Notfallmedikament“, erklärte Doktor Kraus. „Falls du merken solltest, dass wieder so ein Angstzu­stand kommt, trink' einen Schluck davon, das hilft.“

Thomas nickte. Aber er glaubte nicht, dass das gegen seine Fantasie helfen würde. Zudem würde er irgendwie lieber in Ohnmacht fallen, als solche Wesen noch einmal erleben zu müssen.

„Und die anderen Tabletten?“

„Nach meiner Einschätzung solltest du morgens und abends je­weils eine nehmen. Das werden wir aber noch tes­ten.“

„Danke, Doktor.“

„Ich lasse die Tabletten und das Wasser hier. Ab Zwanzig Uhr nimmst du die Tabletten. Die Flüssigkeit nur, wenn du noch einmal so einen Anfall hast, okay?“

„Ja.“

Der Arzt stellte beide Medikamente auf seinen Nachttisch und verließ den Raum ohne weitere Worte.

Thomas fragte sich, warum Doktor Kraus meist so schweigsam ist. Danach legte er sich in sein Bett und versuchte sich zu entspannen, bis plötz­lich, erneutes Pfeifen zu hören war. Thomas verwirrt um sich, doch nichts. Schnell stand er auf und ging zu dem Tisch mit den Medika­menten. Er nahm das Fläschchen einen der Löffel vom Tisch und ließ einige Tropfen langsam auf den Löffel niedergehen.

Im gleichen Moment, in dem er den Löffel in den Mund schob, hör­te er eine Stimme hinter sich: „Was machst du da?“

Thomas drehte sich langsam um und sah erneut den Hasen.

„Wie geht es dir?“, fragte der Hase.

Thomas schluckte das ekelige Zeug herunter und schüttelte sich, doch der Hase war immer noch da. Das Mittel schien wirklich nicht gegen seine Fantasie zu helfen.

Er wich einige Schritte zurück und hielt sich an dem Wagen fest, der nach hinten gegen die Wand fuhr und stehen blieb.

„M-mir geht es gut.“

„Lass uns etwas spielen. Komm, spiel' mit mir. Komm' schon.“

Der Hase hüpfte wild hin und her, sprang über das Bett, lan­dete auf dem Boden und kroch dort hinunter. Thomas war er­staunt, wie das kleine Wesen sich so schnell bewegen konn­te.

Thomas sank langsam zu Boden und lehnte sich mit dem Rücken an den Wagen.

Der Hase kam unter dem Bett hervor und sprang auf Thomas‘ Bauch. Er sah ihm direkt in die Au­gen und Thomas sah zu­rück.

„Streichle mich“, flüsterte der Hase.

Thomas bewegte seine Hand vorsichtig über das bunte und kühle Fell des Hasen und begann ihn zu streicheln.

Dabei murmelte die Worte: „Du bist nicht echt ...  aber du fühlst dich so echt an.“

Der Hase schien dies nicht gehört zu haben und schmiegte seinen Körper immer näher an Thomas' Bauch, während er sich von ihm streicheln ließ.

„Das ist keine Einbildung“, flüsterte Thomas. „Das ist echt. Real. Wirklich. Dich gibt es wirklich, aber wie ist das mög­lich?“

„Mach dir keine Sorgen um das Wie“, hörte Thomas die Stimme des Hasen in seinen Gedanken. Lass es einfach zu.

„Aber es fühlt sich so ...  so falsch an. Ist es richtig?“, erwi­derte Tho­mas gedanklich.

„Kümmere dich nicht darum, Thomas“, sagte der Hase.

„Wie-wie heißt du?“

„Ich? Mein Name ist Simon. Der kleine Simon“, erwiderte der Hase und schien dabei zu lächeln.

Thomas warf den Hasen von sich und stand auf. „Es ist falsch. Es ist nicht wirklich. Nichts davon. Alles nur Einbil­dung.“

Thomas ließ den Blick durch das Zimmer schweifen, doch er sah den Hasen nicht mehr. Erleichtert atmete er aus und ein und ließ sich auf dem Wagen nieder.

„Schau!“

Thomas erschrak plötzlich. Er stol­perte rück­wärts, konnte aber noch das Gleichgewicht halten. Er sah zu dem Wagen und beobachtete erneut den Ha­sen, der auf drauf saß und grinste.

Thomas ging einige Schritte zurück, er wollte weg hier. Doch dann stieß er gegen eine Wand. Er tastete mit seinen Händen hinter sich herum, doch es war nur solides, kaltes Gestein zu spüren. Er tastete immer schneller, doch er fand keinen Ausgang. Sein Herz schlug schneller.

Der Hase kam auf ihn zu, doch auf einmal erschienen noch mehr Hasen wie er, in vielen anderen Farben. Mit gelben Fell und blauen Nasen, welche mit bunten Blüten auf dem Rücken, andere hinterlie­ßen farbige Flecke dort, wo sie ihre kleinen Pfötchen setzten, die sich bis zu einer gewissen Flä­che ausbreiteten.

Es war sowohl fantastisch, als auch gruselig. Thomas stürmte an den Hasen vorbei, riss die Tür auf und stürmte heraus, ehe er die Tür hinter sich schloss.

Thomas atmete erst einmal tief ein und aus und versuchte sich zu beruhi­gen. Er sah zur Tür, die immer noch geschlossen war. So beschloss er, erst einmal wieder durch das Krankenhaus zu gehen, in der Hoffnung auf andere Gedanken zu kommen. Er sah sich die Menschen hier an, die schon etwas müde in ihre Zimmer gingen um sich zu Bett zu be­geben.

Doch auf einmal schien alles größer zu werden. Die Wände wurden größer, ebenso die Leute, Regale und Wagen. Ver­wirrt sah sich Tho­mas um. Plötzlich kam ein riesiger Fuß auf ihn zu. Thomas konnte gerade noch zur Seite weichen, ehe der Fuß auf dem Boden landete. Tho­mas konnte das Beben im Boden spüren. Vorsichtig ging er weiter, immer weiter durch den großen Gang. Mit rasendem Herzen fing er an zu rennen und stürmte durch den Gang, in der Hoffnung endlich hier herauszukommen.

„Thomas, was machst du denn hier?“

Thomas drehte sich um. Er stand Doktor Kraus gegenüber. Ängst­lich sah er hastig hin und her. Alles war wieder normal groß.

„Hallo ...  Doktor Kraus.“

„Was ist los?“, du wirkst etwas verstört.“

„Verstört ...  ja. Natürlich. Das muss es sein“, erwiderte Tho­mas langsam und vorsichtig.

„Es ist ja auch schon spät. Hast du deine Tabletten bereits genom­men?“

„Nein, noch nicht.“

„Das könnte der Grund sein. Komm' mit. Ich begleite dich in dein Zimmer“, sagte Doktor Kraus mit sanfter Stimme und berührte die Schulter von Thomas, der zusammenzuckte.

„Was ist? Hast du Angst vor mir?“

„Nein. Es ...  Sie haben mich nur überrascht.“

Der Doktor führte ihn in sein Zimmer und öffnete die Tür.

„Gehen Sie schon einmal vor“, flüsterte Thomas.

„Na gut ... “

Der Arzt ging als erster hinein und Thomas folgte ihm lang­sam und sah sich verwirrt um. Die Hasen waren alle weg, ebenso die bunten Flecke auf dem Boden.

„Ist auch wirklich alles in Ordnung?“, wollte Kraus wissen.

„Ja, ja. Sicher.“

„Dann nimm' erst einmal deine Tabletten und leg dich auf das Bett. Ich werde dir noch etwas Blut abnehmen. Für den Medikamenten­spiegel, in Ordnung?“

Thomas nickte und nahm eine der Tabletten, die in einer sil­bernen Verpackung eingeschweißt war und spülte sie mit et­was Wasser vom Waschbecken herunter, ehe er sich in das Bett legte und darauf wartete, dass Doktor Kraus ihm Blut ab­nahm.

Der Arzt holte eine Spritze und setzte sie langsam an den Arm des Jungen. „So, das wird jetzt etwas piksen.“

Thomas konzentrierte sich auf die Spritze, sodass er auf den Schmerz vorbereitet sei, dann stach der Arzt auch schon zu. Danach schloss er einige Phiolen aus Plastik an die Spritze an und füllte sie mit Thomas' Blut. Nach drei Stück entfernte er die Spritze und drück­te ein kleines Stück Stoff daran, ehe er es mit einem Pflaster zukleb­te.

„So, dann gute Nacht.“

Der Arzt entschwand erneut nichtssagend. Thomas beruhigte sich langsam und ver­suchte ein­zuschlafen. Die Tabletten und das Glas mit der Medizin schienen zu wirken, denn er wurde ruhiger und ent­spannter.

Früh am nächsten Tag wachte Thomas auf, streckte sich und zog sich seine Sachen an, die in der Ecke des Zim­mers lagen. Er nahm noch kurz seine Tabletten und sah unter dem Bett nach, ob sich da irgendetwas befand. Doch nichts. Die Hasen waren wohl alle weg. Erleichtert atmete er durch.

Klara würde ihn gleich abholen, also begab er sich in die Besucher­halle. Auf halbem Weg wurde er von einer Ärztin angehalten.

„Guten Morgen, Thomas. Doktor Kraus will, dass du zu ihm in sein Büro gehst. Im dritten Stock, erste Tür links.“

„Danke“, erwiderte Thomas.

Er folgte also dem Gang bis zur Trep­pe, der er nach oben folgte. Oben bog er nach links ab und sah bereits die Tür. Am Schild daneben stand der Name des Doktors: Philipp Kraus.

Thomas klopfte, kurz darauf waren Schritte zu hören und die Tür wurde von Doktor Kraus geöffnet.

„Hallo Thomas. Ich hoffe dir geht es gut. Ich habe deine Er­gebnisse, dein Spiegel ist soweit in Ordnung. Morgens und abends eine Tablet­te nehmen, im Notfall die Medizin.“

„Danke, Doktor.“

„Ah, Doktor Kraus“, hörte er eine weibliche Stimme hinter sich.

Thomas drehte sich und sah seine Mutter hinter ihm, die ge­rade her­einkam.

„Guten Morgen, Frau Müller“, sagte Doktor Kraus.

„Ich hoffe, meinem Sohn geht es gut. Ist alles in Ordnung?“

„Ja, wir haben die Bluttests durchgeführt und es scheint al­les in Ordnung zu sein. Ich stelle Ihnen ein Rezept aus, die Medikamente können Sie dann bestellen.“

„Danke für alles, was Sie für meinen Sohn tun.“

„Keine Ursache.“ Der Arzt gab Thomas' Mutter das Rezept, das sie in ihre Handtasche packte.

„Komm' gehen wir nachhause“, sagte Klara und klopfte ihm auf die Schulter. „Du bist so ein tapfer Junge.“

Thomas wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Schweigend ging er mit ihr bis zum Parkplatz, wo Klaras Auto stand. Ein roter Kleinwagen, dessen linke, hintere Seite etwas mitgenommen aussah. Das Licht hatte man vor einiger Zeit ersetzt.

„Steig‘ ein und mach' es dir gemütlich. Heute gibt es erst einmal was Richtiges zu essen. Nicht dieses öde Krankenhau­sessen.“

Thomas war erleichtert, wieder aus dem Krankenhaus her­aus ge­kommen zu sein. Glücklich sah er aus dem Fenster des Wagens, als er auf der anderen Seite des Park­platzes plötz­lich vier bunte Hasen sah, die ihn anschauten. Thomas rieb sich die Augen, kurz darauf wa­ren sie wieder verschwunden.

Kapitel 02 Luccy

Thomas stürmte wild in das Schulgebäude, als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Die anderen Schüler starrten ihn alle an, einige schmunzelten sogar, doch das war Thomas heute egal, er kam näm­lich zu spät zum Unterricht.

Schwer atmend öffnete er die Tür zu seinem Klassenzim­mer, wo Herr Schwarz bereits hinter dem Pult stand. Der Lehrer sah ihn an und schüttelte nur den Kopf.

„Zu spät, wie?“, fragte Herr Schwarz.

„Ja“, stöhnte Thomas.

„Nicht besser als im Unterricht einzuschlafen. Du weißt was das be­deutet, ja? Klassenzimmer aufräumen. Wenn es nach mir ginge, hätte ich dich schon längst heraus geschmis­sen, Bursche. Nun gut, setz' dich, halt den Mund und hör‘ zu!“

Thomas gab keinen Laut von sich und sah erneut in die Au­gen der anderen Schüler, die wieder kicherten, als ob sie auf jeden Fehltritt den er machte, scharf wären.

Er setzte sich an seinen Tisch und sah auf die Tafel. Heute war Ge­schichte dran, also holte er aus seinem Rucksack das schwere Ge­schichtsbuch heraus und warf es auf den Tisch.

„Für die Schüler, die zu spät kommen: Selbst schuld, wenn ihr die Hälfte verpasst. Ich wiederhole den Scheiß nicht.“

Thomas nickte und lauschte Herr Schwarz, der etwas über Chri­stoph Columbus erzählte. Irgendetwas mit der Entde­ckung Amerikas.

„Amerika wurde von Christoph Columbus im Jahr 1492 entdeckt. Er fuhr mit den Schiffen, der Santa Maria, der Niña und der Pinta Richtung ... “

Herr Schwarz verstummte, als ein Klopfen an der Tür zu hören war.

„Herein!“; brüllte Herr Schwarz.

„Langsam öffnete sich die Tür und ein Mädchen kam zum Vorschein. Sie hatte eine schwarze Jeans mit einer schwarzen Weste an und ihre Haaren waren ebenfalls schwarz gefärbt. Sie wirkte sehr zurückhal­tend, zumindest gegenüber Herr Schwarz.

„Wer bist du?“, fragte der Lehrer harsch.

„Ich bin Anne Braun“, stellte sich das Mädchen vor.

„Die neue Schülerin? Du kommst spät.“

„Ich habe das Klassenzimmer nicht gefunden“, erwiderte Anne.

„Ja, ich kann mir selber Ausreden ausdenken, du musst mir nicht dabei helfen. Du wirst Thomas Gesellschaft leisten, wenn er das Klassenzimmer putzt.“

„Jetzt hören Sie mal, wenn Sie mir nicht glauben ist das eine Sache, aber aggressiv gegen Schüler vorzugehen ist eine andere.“

Ehe sie weitersprechen konnte, unterbrach Herr Schwarz sie harsch und fast schon beleidigend: „Jetzt hör‘ mal zu, jungen Dame, eigentlich will ich dich gar nicht hier im Unterricht, aber du bist hier, das sagt die Schulleitung, also hinsetzen und Klappe halten.“

„Wie Sie wünschen, mein Lord“, kam eine ebenso harsche Antwort zurück.

Herr Schwarz räusperte sich und warf Anne noch einen Blick hinterher, ehe er sich wieder der Tafel widmete.

Thomas hörte, wie ihrer Lehrer noch etwas flüsterte: „Früher hatte man diese Weiber dazu erzogen, Wäsche in ei­nem Becken zu waschen und heute dürfen sie an der Schule teilnehmen, schreck­lich.“

Anne schien das anscheinend ebenfalls zu hören, doch sie ging stolz weiter, denn die anderen Schüler schienen sie zu beobachten. Sie hatte sich mit Herr Schwarz angelegt und ihn beinahe aus dem Konzept gebracht. Danach ließ sie sich an einem Tisch hinter Thomas nieder und packte ihre Sachen aus.

Thomas drehte sich zu ihr und konnte ein selbstzufriedenes Lächeln erkennte

„Darf ich mich vorstellen?“, fragte Anne den Lehrer.

„Das hast du doch und jetzt sei still, ich unterrichte hier.“

„Ich meine, was meine Interessen sind. Das ist doch äußerst interessant, was ein Waschweib so alles erlebt hat, nicht wahr?“ Anne wurde immer provokanter, was Herr Schwarz gar nicht gefiel.

Aber den Schülern schon und ganz besonders Thomas. Endlich bot jemand diesem Drecksack von Lehrer die Stirn.

„Sind wir hier im Kindergarten? Außerdem ist es mir scheißegal, mit welchen Plüschtieren du spielst.“ Haben wir verstanden?“

„Sind wir etwas wissbegierig?“, führ Anne fort. „Aber ich glaube, dass Sie nicht das richtige Alter haben. Außer geht es Sie nichts an, was ich mit meinen Plüschtieren mache.

Alle in der Klasse fingen plötzlich an große Ohren zu machen. Auch wenn es den meisten nicht klar war, so machte sie eine sexuelle Anspielung, die scheinbar nur Thomas verstand, so sahen die verwirrten Gesichter der anderen Schüler aus.

„Was, bitte?“, rief Herr Schwarz. „So redet man nicht in meiner Klasse, Fräulein!“