Fantastisch gute Kindergeschichten Band 2 - Martina Meier - E-Book

Fantastisch gute Kindergeschichten Band 2 E-Book

Martina Meier

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Beschreibung

Im Rahmen eines internationalen Schreibwettbewerbs im Jahr 2008 entstand dieses Buch. Beteiligt haben sich Mädchen und Jungen im Alter zwischen 8 und 15 Jahren, die mit ihren Märchen, Erzählungen und Gedichten in eine fantastische Welt entführen. Lasst euch mitreißen von ihren Geschichten.

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Fantastisch gute Kindergeschichten

Band 2

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - papierfresserchen.de

© 2023 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2009.

Titelbild: Liza Dorogova, 15 Jahre, Russland

ISBN: 978-3-940367-39-6 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-99051-148-0 - E-Book

*

Inhalt

Die goldene Zauberkette

Feen

Eine außergewöhnliche Freundschaft

Wer zuletzt lacht

Elfennacht

Ausgebrochen

Das Spiegelbild

Myrias Traum

Der Zwerg

Etwas ganz Besonderes

Der böse Gott im Stein

Das Initiationsritual

Der große gute Herrscher

Feenland in der Truhe

Fantastische Fabelparty

Der Almgeist

Moor der Düsternis

Kleine Erbse – riesengroß

Hexenurteil

Das Feenfest

Das andere Elfenvolk

Das Böse

Nachtschwärmer

Befreiung aus Ägypten

In der wunderbaren Welt

Das Zaubermedaillon

Nixenbucht

Elfenglück und Hexenfluch

Immer Ärger mit den Menschen

Pst! Emilys Geheimnis

Traumschatten

Die Drachenbrüder

Das wundersame Tier

Die Geschichte des alten Drachenschatzes

Susi und das Zauberland

Die Zauberschuhe

Das Einhorn

Sirul der Drache

Das merkwürdige Bild

Die Prinzessin und der Hai

Roxanna

Die magischen Vögel

Die Mondfee und der kleine Kobold

Olympische Spiele der etwas anderen Art

Cindys Problem

Bühnenmagie

Der Schrecken im Wohnzimmer

Mein Geheimnis

Die Wesen der Zeitschriftenwelt

Der Drache Mali

Die Liebe ist stark

Elfenheimat

Der Zauberer aus Lexusland

Der Zaubertrank

Pakt mit dem Teufel

Im Turm des Bösen

Das magische Papierfresserchen

Die Prinzessin und das Land der Feen

Das Blut der Meerjungfrauen

Eine andere Sicht

Die Drachenprinzessin

Wie einst die Fledermaus entstand

Geschichte eines Drachen

Der mutige Julius und das Gespenst

Ein Freund für Cochili

Roxys Lektion

Die kleine Hexe Sophie

Mila die kleine Fee

Die elf Elfen

Wäre ich ...

Die Trollprüfung

Die Tränen der Erde

Feuerdrachen

Der Kampf zwischen Zauberer und Hexe

Elfen, Kobolde und Co.

12 Minuten nach 12

Nachtwanderer

Die Gefangenen der Nacht

Engel

Rettung der Kristalle

Tupsys magisches Erlebnis

Das Sonnenblumenkind

Ein unmögliches Ziel

Lotte aus dem Blumentopf

Entführung im Zauberland

Der Zauberspiegel

Der verwunschene Prinz

Die rettende Glocke

Der magische Pegasus

Das Diadem des Lichts

Bis der Mond im Zenit steht

Das Diamantschloss

*

Die goldene Zauberkette

Hi, ich heiße Lucy und bin 8 Jahre alt. Ich habe eine kleine Schwester, sie ist heißt Luna. Sie ist vier Jahre alt. Wir beide haben ein Geheimnis. Wir sind Hexen. Meine Eltern wissen nichts davon. Also es ging so: Luna und ich gingen wie normal zur Schule. Doch plötzlich kam eine alte Frau zu uns und gab uns zwei goldene Ketten, eine für Luna und eine für mich. Dann sagte sie: „Das sind Zauberketten.“ Nach einem Blick war sie verschwunden.

Ich fand es sehr seltsam. Natürlich Luna auch. Luna flüsterte: „Lucy, glaub das nicht.“ Ich antwortete nicht. Als ich nach einer Weile auf die Uhr guckte, war es schon spät. „Ich muss zur Schule!“, rief ich. Ich rannte wie ein Blitz zur Schule. Doch zu spät, Frau Müller war schon da. Ich bekam Ärger. Es war Pause. Ich ging raus. Ich saß auf der Bank und nahm die goldene Kette heraus. Ich dachte nach: „Vielleicht kann es auch echt sein, was die Oma gesagt hat.“ Ich wusste es nicht.

Plötzlich ging die Kette auf. Da sprach die Kette: „Du und deine Schwester, ihr könnt Hexen werden. Aber ihr müsst erst den Schatz des Drachen holen. Komm nach der Schule.“ Dann ging die Kette zu.

Nach der Schule nahm ich Luna bei der Hand und rannte los. Doch plötzlich flogen wir hoch.

„Wow“, riefen wir. „Das war keine Lüge!“, sagte ich.

Wir flogen sehr hoch. Langsam hatte ich Angst. Ich hörte Drachengeräusche. Auf einmal flogen wir runter. Wir landeten. Der Drache stand vor uns und folgte uns. Wir rannten blitzschnell weg.

Aber als ich aus der Puste war, dachte ich nach, dass wir lieber kämpfen sollten. Besser als weglaufen und aufgefressen werden. Da rief ich Luna zu: „Luna, geh hinter den Drachen!“

„Aber ... aber“, stotterte Luna.

„Los Luna!“

Luna lief los. Trotzdem folgte der Drache nur mich. Ich schrie: „Luna, beiß den Drachen in den Schwanz!“

Luna rannte los und dann biss sie. „Schmatz!“

„Ahhhhhh!!!!“, rief der Drache und fiel um. Da flitzte ich zu dem Drachen, trat ihn und biss ihn. Auf einmal flog eine Fee zu uns. Sie sagte: „Ihr seid die wahren Hexen. Jetzt könnt ihr zaubern, wann ihr wollt. Hier die goldene Kette.“

„Yippi! Wir haben es geschafft!“, rief ich voller Freude. Danach flog ich wieder fröhlich nach Hause.

Suan Jung (10) aus Seoul/Korea

*

Feen

Feen singen immer wieder ihre wunderschönen Lieder,

doch leider hören wir sie nicht.

Aber sie gleiten auch durch unsere Glieder!

Wir sehen auch nicht ihr Gesicht.

Feen singen uns in den Schlaf

und zähl`n für uns so lang die Schaf.

Doch am nächsten Morgen sind sie fort,

an einem anderen Ort der Welt

wo es ihnen gut gefällt.

So sind nun mal die Feen,

die immer alles sehn.

Gutes und Barmherzigkeit,

sie werden helfen bei Not und Leid.

Unsere Feen, unsere Feen …

Antonie Ende (10) aus Seoul/Korea

*

Eine außergewöhnliche Freundschaft

Eines Tages, als Melanie von der Schule nach Hause kam und gerade die Haustüre aufschließen wollte, quiekte es plötzlich unter ihr. Als sie jedoch ihren Fuß weghob, hörte das Quieken auf. Wie gebannt starrte Melanie auf den Schuhabstreifer vor ihren Füßen. Sie erschrak noch mehr, als plötzlich schriller und vergnügter Gesang ertönte. Und dann sah sie plötzlich ein winziges Wesen vor sich auf dem Schuhabstreifer, es schaute vergnügt zu ihr empor.

Jetzt traute Melanie sich, sich zu dem winzigen Wesen hinab zu bücken und es genauer zu betrachten. Es war klein und dick, es hatte kurze Arme und Biene und borstige Stoppelhaare, es hüpfte und tanzte auf dem Schuhabstreifer herum. Mit einem gewaltigen Satz hüpfte das Wesen auf Melanies Arm und klammerte sich an sie. Da blieb Melanie nichts anderes übrig, als es mit ins Haus zu nehmen.

Die Tage vergingen und das kleine Wesen lebte versteckt in Melanies Zimmer. Das Wesen hatte Melanie schon allerhand über sich erzählt: ,,Ich habe zwar keinen richtigen Namen, aber du kannst mir ja einen geben, Melalie.“ Es nannte Melanie immer Melalie, weil es ihren Namen nicht aussprechen konnte. Weil es alle schwereren Wörter nicht aussprechen konnte, gab ihm Melanie den Namen Bobby. Bobby erzählte Melanie auch, dass er eigentlich ein Fuchs sei und im Wald lebe. Doch im selben Wald treibe ein Zauberer sein Unwesen, diesem Zauberer war es langweilig gewesen, weil er niemand gefunden hatte, den er hatte ärgern können. Da habe er den Fuchs übermütig in einer Lichtung des Waldes herumtollen sehen und ihn für 25 Tage in dieses kleine Wesen, das er jetzt war, verwandelt und ihn vor die Haustüre von Melanie und ihrer Familie gezaubert habe.

Von den 25 Tagen waren nun bereits 12 vergangen und mit jedem Tag, der verging, wurde der Wunsch des Mädchens größer, ihren neuen Freund Bobby bei sich zu behalten. Denn zusammen mit Bobby wurde Melanie niemals langweilig, ihm fiel immer etwas ein, was sie spielen konnten. Und wenn Melanie Hausaufgaben machte, wusste der schlaue Fuchs immer sofort die richtigen Lösungen. Doch als der 25. Tag gekommen war, sagte Bobby Melanie einen Spruch, den ihm der Zauberer nachgerufen hatte. Er hatte gerufen: ,,Falls es dir in deiner jetzigen Gestalt und bei den Menschen gefallen würde, sage ihnen den Spruch und immer, wenn sie ihn aussprechen, kannst du für eine Stunde zu ihnen zurückkehren.“ Und dazu hatte er hämisch gelacht. Doch jetzt wurde der Spruch Bobby sogar noch nützlich.

Melanie benutzt den Spruch oft, wenn ihr langweilig ist, und ihr kleiner Freund freut sich jedes Mal, wenn er zu Melanie kommen darf, denn es hat ihm in der Zeit bei Melanie immer gut gefallen und sie hatten viel Spaß miteinander.

Katja Schmidberger (13) aus Häusern

*

Wer zuletzt lacht

Er hatte sich Rache geschworen.

Seine Hände ballten sich zu Fäusten, als das belustigte Gesicht auf ihn herabsah. Von hinten ertönte ein verächtliches Lachen. Die beiden hochgewachsenen Jungen beugten sich über ihn, um ihm in die vor Angst lodernden Augen sehen zu können. Die schmalen Lippen des Schwarzhaarigen, der von seinen Gangmitgliedern aufgrund seiner Statur Pitbull genannt wurde, verzogen sich zu einem fordernden Grinsen.

„Rück es raus, Simons. Du weißt, was sonst passiert.“

David schluckte. Es würde so oder so geschehen, wenn er ihnen das Geld sofort gab, würden die Tritte allenfalls etwas milder ausfallen, weil ihre Gier befriedigt war. Doch wonach dürsteten sie? War es wirklich das Geld? Oder der Gedanke, jemanden mithilfe von Gewalt unter Kontrolle halten zu können?

Bald war es soweit. Nur noch zwei Nächte. Solange musste er die Zähne zusammenbeißen, dann war der Zeitpunkt der Rache gekommen, der Moment, der sein Leiden wettmachen würde.

Diesmal genügten ihnen die Fußtritte und das Geld nicht. Kräftige Hände packten ihn am Unterarm und zogen ihn durch die Tür des Jungenwaschraums. Der Griff schmerzte. David öffnete den Mund zum Schreien, doch er brachte nichts als ein schwaches Winseln heraus. Pitbull knurrte und boxte seinem Kumpanen in die Seite.

„Simons hat Schiss! Taylor, wo bleibt dein Handy? Wär doch schade, wenn dieser bewegende Moment morgen nicht im Internet zu begutachten wäre.“

David wandte seinen Kopf, aber Pitbull fasste ihn grob am Kinn und drehte seinen Kopf zu Taylors Handy hin.

„Lächle, Simons, lächle in die Kamera.“ Mit den Worten stieß Pitbull David fest gegen die Wand. Die Wucht des Schlages ließ ihn zu Boden sinken. Eine rote Flüssigkeit rann die weißen Kacheln herunter.

Er würde an seinem Schwur festhalten.Er zählte die verbleibenden Stunden ab. Zweiundzwanzig, einundzwanzig, zwanzig … Nie wieder würde er diese Qualen durchstehen müssen. Das Blatt würde sich wenden.

„Hast du nicht gehört? Lächeln sollst du!“

Taylor hatte seine Stimme zu einem bedrohlichen Zischen gesenkt. „Lächle!“, bellte der Pitbull. Als David eine gepeinigte Grimasse zog, spürte er einen weiteren dumpfen Schlag. Er nahm seine Schmerzen kaum noch wahr. Bald würden sie ein Ende haben.

Der matte Schein des Mondes tauchte den Wald in silbernes Licht. Es war ruhig, zu ruhig. Ahnten die Tiere, was bevorstand? Seine zitternden Hände umschlossen das mächtige Medaillon, das gleichzeitig so zerbrechlich wirkte. Er hielt es in den Himmel, bis es den vollen Mond verdeckte.

„Dämon“, hauchte er.

Einen Herzschlag später vernahm er das leise Rascheln von Laub. Das Geräusch war nahe, direkt hinter ihm. Er wandte sich um und erblickte die Gestalt, die sich in raubkatzenartiger Haltung vor ihm erhob. Ein großes Gewand umhüllte die Kreatur. In dem blassen Licht war es schwierig, die Farbe der Kleidung auszumachen. Rot vielleicht, oder bräunlich. Die Gestalt sog gierig die Luft ein.

„Dämon“, wiederholte er.

David presste sich gegen die Wand und schloss die Augen, auf den nächsten Schlag wartend. Doch es folgte kein erneuter Schlag.

Die Blicke der drei Jungen huschten zur Tür, als sie sich lautlos öffnete und eine weitere Person eintrat. Sie war ganz in Braun gekleidet. Eine Kapuze verbarg ihre Augen.

David stieß ein kehliges Lachen aus. Pitbull und Taylor ließen von ihm ab und verschwanden schnell mit einem Murren durch die Tür.

Nicht schnell genug. Die verdeckte Person warf David einen triumphierenden Blick zu, bevor sie seinen Peinigern folgte.

Ein Brüllen hallte durch die Gänge.

Kiara Roth (14) aus Erpeldingen/Luxemburg

*

Elfennacht

Es war einmal ein Mädchen, das hieß Marie und lebte in einem Waisenhaus. Dort bekam es Schläge und zu wenig zu essen. Überhaupt war es ein schreckliches Waisenhaus.

Marie schrak aus dem Schlaf. Schon wieder hatte sie diese Geräusche gehört. War es ein Traum oder war es Wirklichkeit? Es hatte sich angehört wie ... wie leise, aber doch sehr fröhliche Stimmen. Doch jetzt waren sie verstummt. Aufrecht und zitternd saß Marie in ihrem Bett. Dann schloss sie die Augen und schlief ein.

„Kommt, lasst uns tanzen und feiern“, hörte sie Stimmen von draußen. Aber sie schlief weiter.

Am nächsten Morgen sah sie wie immer aus dem Fenster. Marie erschrak: Der Rasen war voller Blütenblätter und die schönen Äpfel, die schon fast reif gewesen waren, lagen angefressen auf dem Boden. Schon hörte man die Erzieherin laut schimpfen: „Diese Vögel immer! Wieder alles angefressen!“

In der nächsten Nacht fuhr Marie durch ein leises, aber energisches Klopfen aus dem Schlaf. Draußen an der Fensterscheibe stand ein kleines Wesen, das aussah wie ein winziger Mensch. Es war eine Elfe.

„Nun mach schon das Fenster auf!“, piepste ein Stimmchen, das von der Elfe zu kommen schien. Marie rieb sich die Augen. Doch die Elfe verschwand nicht. Marie stand auf und öffnete vorsichtig das Fenster. Flink hüpfte die Elfe herein.

„Bi ... bi ... bist du eine Elfe?“, stotterte Marie.

„Ja, das bin ich!“, piepste sie. „Und ich heiße Melodia. Wie ist denn dein Name?“

„Ma ... Marie“, meinte Marie.

„Dann komm doch mit. Oder willst du nicht mitfeiern?“

„Mitfeiern? Wie soll ich denn mit euch mitfeiern?“ Nun war Marie völlig verwirrt. Wie sollte sie denn mit den viel kleineren Elfen mitfeiern?

Doch sogleich kam die Antwort: „Indem du das hier isst.“ Die Elfe hielt ihr eine winzig kleine Frucht hin.

„Was ist das?“, fragte Marie.

„Das ist eine Traube. Eine echte Zaubertraube. Eigene Züchtung“, erklärte Melodia stolz. „Und nun iss sie schon. Oder willst du etwa nicht mitfeiern?!?“

„Doch, doch, natürlich!“, beeilte sich Marie zu sagen. Gehorsam aß sie die Zaubertraube. Und schon fühlte sie, wie sie schrumpfte. Marie schloss die Augen. Es tat nicht weh, es war sogar angenehm.

Als sie die Augen wieder öffnete, stand hoch über ihr Melodia.

„Und wie soll ich da jetzt herauskommen?“, fragte Marie. Melodia schien nachzudenken. Dann schnallte sie sich ein Seil von dem reich bepackten Gürtel ihres Kleides und ließ das eine Ende zu Marie herunterfallen. Mit einigem Gestöhne zog Melodia Marie daran hoch. Dann sprangen sie zusammen vom Fensterbrett hinaus in den Garten.

Dort wimmelte es jetzt nur so von Elfen.

„Hört her und seht, wen ich euch mitgebracht habe!“, rief Melodia und das Geplapper verstummte. Alle Augen richteten sich auf Marie, die dunkelrot anlief. „Sie kommt von oben und ihr werdet doch sicher nichts dagegen haben, dass sie für heute unser Gast ist?“

Ein gewaltiges: „Nein, haben wir nicht, o Prinzessin“, kam aus der Menge.

„Du bist eine Prinzessin? Eine echte meine ich?“, fragte Marie.

„Natürlich, oder hast du schon einmal eine unechte Prinzessin gesehen?“

Dann wurde gefeiert und nun erfuhr Marie auch, weshalb die Äpfel immer angefressen waren: Sie dienten als Tische und Stühle. Je nachdem, wie hoch der Stuhl oder Tisch sein sollte, wurde ein Stück mit einem riesigen Messer abgeschnitten.

Sie aßen und tranken, tanzten und redeten bis zum Morgengrauen. Doch dann kam Melodia und meinte: „Marie, ich muss mich hier von dir verabschieden. Denn du musst wieder groß werden und zu deinen Wesen gehen.“

Marie machte große Augen. Sie hatte vergessen, dass sie auch wieder zurück musste. „Ach, kann ich denn nicht hier bleiben und mit euch in den Wiesen und Wälder und Bäumen leben?“, fragte sie zögernd.

„Du könntest schon, aber willst du nicht wieder zurück zu deinen Freunden und Freundinnen?“, fragte Melodia ihrerseits.

„Freunde? Freunde habe ich keine. Ich würde zu gerne bei euch bleiben“, antwortete Marie.

„Dann bleibe und ich will deine Freundin sein.“ Marie und Melodia umarmten sich. Doch inzwischen war die Sonne aufgegangen. „Wir müssen in den Apfelbaum zurück“, sagte Melodia.

„Ach bitte, lass uns noch ein wenig bleiben. Ich will doch noch mitkriegen, wie die Erzieherin mich weckt, oder eher wecken will.“

So warteten sie und schon bald hörte man den aufgebrachten Schrei der Erzieherin. „Marie! Wo steckt du? Na warte, das gibt Prügel!“

Prügel bekam jedoch keiner, und Marie blieb bei den Elfen, feierte mit ihnen ihre Feste und fand viele Freunde.

Sarah Kranz (11) aus Hamburg

*

Ausgebrochen

Plötzlich zerrissen Schreie und das Gellen der Alarmglocke das friedliche, fast schon gleichmäßige Tröpfeln des Regens, als sich eine Gestalt dem Galgen näherte. Sie war recht klein, kam aber in hohem Tempo auf die Raben zu, verfolgt von den Wachtposten des Galgenplatzes.

In Karim begann es zu prickeln, er hatte ein unbekanntes Gefühl. Irgendetwas sagte ihm, dass er diesem Jungen helfen musste. Der Junge, der über den sandigen Galgenplatz gerannt war, kam schliddernd vor dem Galgen, auf dem die Raben saßen, zum Stehen. Die Wachen hatten ihn in diesem Moment eingeholt. Einer der Torwachen warf sich auf den kleinen Burschen. Es entstand so ein heftiges Gewühl um den ausgebrochenen Knaben, dass die Galgenhocker vor lauter Staub, Armen, Beinen und Füßen nichts mehr scharf erkennen konnten.

Karim verfolgte das Schauspiel fasziniert, denn der Junge machte sich erst ganz klein, bis er schließlich unter dem Haufen hervorgekrochen kam. Das bemerkten die Soldaten nicht und waren daher immer noch im Glauben, der Gefangene läge ganz unten, was natürlich nicht stimmte, denn der Ausgebrochene machte sich schon an der Mauer zu schaffen. Erst als er oben war und die Ritter von der anderen Seite der Mauer ihren noch immer rangelnden Kollegen zuriefen, der Junge sei auf der Mauer, sie sollten helfen und jemand müsste den Henker holen, kapierten sie, dass etwas nicht stimmte.

Gekonnt ballancierte der Sprössling auf der Mauer. Die Raben feuerten ihn an, aber er verstand natürlich nichts weiter als Gekrächze und ihm lief es heiß und kalt den Rücken hinunter. Karim war viel zu aufgeregt, um auch nur den Schnabel einen Haaresbreitenspalt zu öffnen.

Währenddessen hatte sich der Ausreißer an die Höhe der steinernen Abgrenzung gewöhnt und rannte ein ganzes Stück, bis er auf einer übersehenen Nuss ausrutschte. Er klammerte sich nach Leibeskräften an der Mauer fest, doch die Wachen auf der anderen Seite der Mauer hatten ihn schon gepackt und hingen an ihm wie eine Eisenkugel, die jemanden in die Tiefen eines Sees ziehen würde.

Da sich der Junge wie ein Toter zu dem schon wartenden Henker schleppen lies, waren sie alle Sieben schon ganz schön aus der Puste. Die Torwachen zerrten ihn auf den Galgen, auf dem auch schon etwas länger die Raben saßen. Karim spürte auf einmal, dass er unglaublich viel Kraft in den Flügeln bekam, sodass er glaubte, Eisberge versetzen zu können.

Der Junge hatte schon die Schlaufe des Strickes um den Hals, als Karim sich nach vorne beugte um einen Sturzflug zu planen.

„Das ist meine Chance! Ich glaub, ich muss mich von euch verabschieden“, raunte er den anderen zu, die mit einem Mal ganz still wurden.

Dann ging alles ganz schnell, der Henker gebot den Soldaten zurückzutreten, er betätigte den Hebel, der die Klappe öffnen sollte, die sich unter den bloßen Füßen des Knaben befand. Doch kaum war der Schalter zur Hälfte nach unten gedrückt, stürzte sich Karim auf den Strick, biss mit seinem scharfen Schnabel in das Seil und fing mit seinen kräftigen Krallen den fallenden Verurteilten auf. Ehe sich einer der Beteiligten – sowohl Mensch als auch Tier – versahen, waren die beiden schon in den mausgrauen Regenwolken verschwunden und von der Ferne des Himmels verschluckt.

Jessica Esselberger (13) aus Kleukheim

*

Das Spiegelbild

Es war ein Wolken verhangener Tag gewesen. Zum Abend hin hatte es angefangen zu regnen. Ich saß am Fenster und sah hinaus. Die Regentropfen perlten an der Scheibe hinunter und sammelten sich auf dem Fensterbrett zu einer kleinen Pfütze. Mir war stinklangweilig. Ich hatte den Kopf auf die Hände gelegt und war kurz davor wegzudösen.

Ein paar Minuten driftete ich zwischen Traumwelt und Wirklichkeit herum, dann versuchte ich, die vertrauten Umrisse des Gartens zwischen den Regentropfen zu erkennen. Ich erkannte den alten Apfelbaum und direkt daneben machte ich die Umrisse des kleinen Geräteschuppens aus.

Plötzlich nahm ich rechts davon eine Bewegung wahr. „Vielleicht jemand auf der Straße oder ein Tier, das sich in unseren Garten verirrt hat“, überlegte ich laut. Der große Schatten war verschwunden und alles sah wieder ganz normal aus.

Dann erschrak ich fürchterlich, denn direkt an der Scheibe grinste mir ein Totenkopf entgegen. Ich sprang auf und zu meiner Überraschung stieg auch der Schädel in die Luft. Ich keuchte vor Entsetzen. Der Kopf schwebte. Keinen Hals und auch keinen Körper konnte ich im Regen ausmachen. Ich wich ein paar Schritte zurück. Doch der Schädel grinste mich weiter an.

„Mäuschen?“ Meine Oma kam in den Raum und sah mich verwundert an.

„Was?“ Ich drehte mich zu ihr um und blinzelte überrascht, als ich sie erkannte.

„Du bist ja total erschrocken! Was ist passiert?“ Meine Oma blickte mich forschend an. Ich sah zum Fenster und sah nur mich selbst, wie ich erstaunt die Stirn furchte. Kein grinsender Schädel, der mich hämisch an sah. Ich war immer noch geschockt, aber ich war mir sicher, dass es sich nur um eine verzerrte Spiegelung meiner selbst gehandelt hatte.

Ich wandte mich wieder meiner Oma zu und antwortete möglichst gelassen: „Nichts, ich hab nur geträumt!“ Ich lächelte halbherzig.

Meine Oma drehte sich beruhigt um und verschwand um die Ecke. Ich drehte mich dem Fenster zu und setzte mich wieder davor.

Nach einer Weile war ich wieder kurz davor, wegzudösen. Da schob sich ganz langsam ein grinsender Schädel auf das Fensterbrett ...

Julia Neumann (14) aus Berlin

*

Myrias Traum

Ein blasses Mädchen hockte auf dem kühlen Fußboden ihres Zimmers. Mit einem Stück Kohle zeichnete sie auf das makellose, weiße Papier. Plötzlich ging die Tür auf. Es war Havta, ihre Schwester.

„Ich soll dir von Mum ausrichten, dass du dich fertig fürs Bett machen sollst“, verkündete sie und trat näher heran. „Was malst du da?“, fragte sie in einem milderen Tonfall.

Ohne aufzusehen gab Myria Antwort „Das ist ein Pegasus.“

„Hat er auch einen Namen?“

„Nein. Noch nicht.“

„Die Flügel hast du wunderbar hingekriegt, aber er steht ein wenig steif da“, fand Havta.

Myria rappelte sich auf: „Ich kann es ja später noch ändern.“ Damit verließen beide das Zimmer.

Myria verschwand im Bad und zog sich um. Danach schritt sie zum Waschbecken. Das vollständige Make-up-Set ihrer Schwester war auf dem Sideboard unter dem Spiegel ausgebreitet.

„Ob ich auch so eitel werde, wenn ich sechzehn bin“, überlegte sie während sie Zahnpasta in die Hand nahm. „Wahrscheinlich.“

Sie fing an, ihre Zähne zu putzen, dabei blickte sie in den Badezimmerspiegel. Ein dreizehnjähriges Mädchen starrte aus tief dunkelblauen Augen zurück. Das schmale, blasse Gesicht mit den hohen Wangenknochen war von welligen blonden Haaren umrankt.

Auf dem Weg zurück in ihr Zimmer kam sie am Wohnzimmer vorbei. Havta und ihre Mum saßen auf der ledernen Couch und schauten einen altmodischen Liebesfilm. Eine Schale gefüllt mit Chips ruhte zwischen ihnen.

„Schlaf schön, Schatz“, murmelte ihre Mutter abwesend. Myria gab ihr einen Kuss auf die Wange und schlich davon „Gute Nacht.“

Als sie ihr Zimmer betrat, fiel ihr auf, dass das Pegasus-Bild noch immer unberührt auf dem Boden lag. Sie hob es auf, brachte es zu ihrem Nachttisch. Im Bett sah sie es sich noch einmal an, dann schlief sie ein.

Sie befand sich auf einer Wolke. Wohin sie auch schaute, überall waren buschig-flauschige Wolken. Es gab kleine, große, kugelrunde, zerzaust aussehende, poröse, federige und durchlöcherte. Aber alle waren Wolken. Sie spazierte darauf herum und tanzte und sprang. Es war ein wunderbar befreiendes Gefühl. So federig. Auf einmal konnte sie in der Ferne einen weißen Punkt ausmachen. Es war definitiv kein Stück einer Wolke. Dazu war es zu massiv.

Neugierig kam sie näher. Der Punkt wuchs und wuchs. Es war ein Pferd. Myria rannte darauf zu. Es war kein Pferd. Es war ein Pegasus. Das Mädchen riss die Augen auf. Ihre Gefühle wallten verwirrt durcheinander. Überraschung kam auf. Erstaunen. Aber auch Bewunderung. Der Pegasus wandte seinen edlen Kopf zu ihr. Zwei schwarze, funkelnde Augen, die an schwarze Seen erinnerten – dunkel und tiefgründig, sodass man darin versinken konnte – blinzelten sie an. Dabei glänzte sein blütenweißes Fell golden in dem Schein der Sonne. Die riesigen Flügel ruhten zusammengefaltet auf seinem Rücken. Eine leichte Brise erfasste ihn, der feine Schweif wehte sanft dabei.

Myria näherte sich dem Pegasus. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden, sie war fasziniert.

„Wie h-heißt du?“, stammelte sie.

„Eliel“, ertönte es. Woher das Wort kam, konnte sie nicht feststellen. Doch das kümmerte sie nicht.

„Eliel“, flüsterte sie vor sich hin, „ein schöner Name.“

Er faltete seine Flügel auseinander, für einen winzigen Moment verdeckten sie die Sonne. „Steig auf.“

„Ich-ich soll auf dir r-reiten?!“ Er bejahte.

Langsam und mit zittrigen Beinen kletterte sie den breiten Rücken hinauf. Geduldig wartete der Hengst, bis sie einigermaßen sicher saß. „Halt dich fest.“

Wortlos nickte sie und klammerte sich an ihn. Die Finger vergrub sie in der seidigen Mähne. „Es kann losgehen.“

Er galoppierte an. Myria lehnte den Kopf gegen seinen muskulösen Hals. Völlig gleichmäßig ritten sie daher. Eliels Hufe verursachten kein Geräusch auf der Wolkendecke. Die Zeit schien vergessen. Das Mädchen hatte die Augen zugekniffen und konzentrierte sich einzig auf dem Rhythmus des Pegasus’.

Nach einer stillen Ewigkeit verlangsamte Eliel das Tempo. „Du musst fort.“

„Schon?“, erkundigte sie sich enttäuscht. „Aber ich komme wieder, Eliel.“ Sie schwang sich herunter und streichelte ihn.

„Ich werde auf dich warten.“

Sie nickte und zog mutlos die Mundwinkel hoch. Ein letztes Mal strich sie ihm über die Nase.

Myria erwachte von dem Licht, das durch den Vorhang am Fenster fiel. Sie seufzte. Alles war nur ein Traum.

Das Bild auf dem Nachttisch streifte ihr Sichtfeld. Der Pegasus stand nicht mehr wie erstarrt da. Nein, nun zeigte das Bild ihn im vollen Galopp. Ihr stockte der Atem.

Ich erwarte dich, stand in verschlungener Schrift darunter.

Julia Larissa Becker (13) aus Insheim

*

Der Zwerg

Als ich eines Mittags in der Straßenbahn saß,

und wieder einmal meinem Lieblingsroman las,

da hörte ich plötzlich einen hohen Ton,

er war schrill, fast ein Quietschen schon.

Ich sah auf von meinem Buch, ich war auf Seite 104,

da sah ich dich – und da saß ein Zwerg neben dir.

Ich fragte mich, warum hatte ich dich vorher nicht gesehn?

Doch jetzt blieb mir keine Zeit, dies zu verstehn.

Verwirrt schaute ich, starrte ich den Zwerg an,

der alsbald wieder mit seinem Quietschen begann.

Doch plötzlich verstand ich, der sonderbare Klang

war gefühlvoller, liebevoller Zwergen-Gesang.

Der Zwerg sang von Liebe, Glück und Schmerz,

obwohl ich die Worte nicht verstand, rührten sie mein Herz,

als du meine Hand nahmst, sich unsre Blicke trafen,

glaubte ich zu träumen, glaubte, ich würde schlafen.

Ich folgte deinem Blick zu dem Platz neben mir,

dort saß ein kleines Wunder, ebenso wie neben dir,

eine Elfe, klein, zierlich und wunderschön,

bemühte sich, errötend, dem Zwerg in die Augen zu sehn.

Plötzlich sprang der Kleine von seinem Platz runter

und half seiner Geliebten von ihrem hinunter.

Er nahm ihre Hand und sie verließen die Bahn,

diese ist kurz darauf wieder losgefahrn.

Ich glaube, noch heute laufen sie durchs Land,

die beiden Verliebten, Hand in Hand.

Und wenn du einmal in der Bahn ein Quietschen hörst,

pass auf, dass du den Liebesgesang

... eines Zwerges nicht störst.

Lara Valeria Löw (14) aus Mainz

*

Etwas ganz Besonderes

Die wunderschöne weiße Stute stand abseits der Reitstallpferde und ließ den Kopf hängen. Sie schnaubte leise und kleine Dampfwölkchen stiegen aus ihren Nüstern empor. Genau zwölf Pferde standen auf der Koppel, ihre Silhouetten zeichneten sich schwach im Dunkel der Nacht ab. Sie kümmerten sich liebevoll um ihre Fohlen, die sie erst vor wenigen Tagen geboren hatten.

An diesem späten Abend hatte niemand auch nur einen Blick für die weiße Stute übrig. Ihr Fell glänzte in der Dunkelheit wunderschön, doch das war den übrigen Stuten scheinbar völlig gleichgültig. Verbittert wandte die Stute sich ab und schritt langsam den Zaun entlang. Niemand beachtete sie. Die Stute schnaubte erneut, diesmal lauter. Niemand nahm auch nur im Entferntesten Notiz von ihr.

Plötzlich glühte die Luft auf. Ein großer, gleißend schimmernder Fleck breitete sich neben ihrem Kopf aus. Die Stute wich erschrocken zurück und floh quer über die Koppel.

„Warte!“ Die Stimme klang sanft, freundlich und dennoch verzerrt.

Die Stute hielt an und sah argwöhnisch zu dem schimmernden Fleck hinüber, bereit, jederzeit wieder zu fliehen. Ein kleines, leuchtendes Wesen schwebte heran, kaum so groß wie ihr Huf!

Die Stute wurde neugierig. „Wer bist du?“, fragte sie.

„Ich bin eine Fee“, antwortete das winzige Geschöpf, „ich bin gekommen, um dir einen Wunsch zu erfüllen!“

„Mir?“

„Ja. Wir Feen spüren, wenn jemand besonders traurig ist! Sprich deinen Wunsch aus und ich werde ihn dir erfüllen!“ Die Stute tänzelte unruhig auf der Stelle, während sie überlegte. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Ich möchte etwas Besonderes sein!“, sagte sie.

Die Fee neigte den Kopf. „Wie du meinst!“ Sie schnippte mit den Fingern und löste sich in Luft auf.

Die Stute nahm keine Veränderung an sich wahr und wurde wütend. Die Fee hatte sie betrogen! Enttäuscht trottete sie zu den Anderen zurück. Doch die wichen vor ihr zurück!

„Was habt ihr denn?“, wunderte sie sich.

„Meisterin, wie können wir Euch dienen?“

Die Stute sah ihre Artgenossen erstaunt an. „Was ist denn passiert?“

„Meisterin, wir erwarten Eure Befehle!“, sprach eine hellbraune Stute ehrfürchtig und verneigte sich.

Die Stute wich zurück. Wasser umspielte ihre Fesseln und sie sah hinab. Sie erschrak. Ein imponierendes, schneeweißes Horn ragte aus ihrer Stirn empor! Sie war etwas Besonderes, ein Einhorn!

„Lasst uns spielen!“, rief sie vergnügt und sprang los, die übrigen Pferde aber blieben stehen.

„Aber Meisterin!“, rief die Rappstute da. „Ihr verlangt Unmögliches!“

Die Stute erschrak noch heftiger. „Aber nein! Ich bin eure Freundin!“

„Wo denkt Ihr hin, Herrin?“, fragte die Rappstute entsetzt. „Wir sind Eure Sklaven, Herrin!“

„Nein!“, rief die weiße Stute verzweifelt, „Fee! Bitte, liebe Fee! Hilf miiiiiiir!“

Mit einem leisen, harfenähnlichen Geräusch tauchte die kleine Fee auf. „Ja?“

„Verwandle mich zurück!“, schluchzte die Stute. „Bitte, bitte! Ich will nichts Besonderes sein! Ich will einfach wieder Ich sein, bitte! “

„Wie du meinst!“ Die Fee lächelte. „Schließe deine Augen!“, befahl sie. Die Stute gehorchte …

Sie öffnete langsam die Augen und sah sich um. Alles war schneeweiß: die Wände des Zimmers, in dem sie lag, das Bett und die Geräte. Sogar die Frau, die jetzt ins Zimmer eilte, war in einen weißen Kittel gekleidet. Sie sah besorgt zu dem Mädchen hinüber.

„Das Schlafmittel lässt nach“, stellte sie mit leiser Stimme fest und ging wieder.

Der Blick des Mädchens fiel auf ein Foto in einem roten Rahmen, der mit Herzchen verziert war. Sie strich sich über den kahlen Kopf und spürte, wie ihr eine Träne die Nase hinabrollte.

„Sternchen!“, flüsterte sie der weißen Stute zu, die auf dem Foto zu sehen war. „Heute Nacht besuche ich dich wieder in meinen Träumen …“

Laura Willemsen (14) aus Minden

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Der böse Gott im Stein

Xaro war in der alten Zeit ein böser Gott. Er hatte einen gigantischen Körper, rote Augen und er war über und über metallgepanzert. Seine riesigen Hände passten gar nicht zu seinem winzigen Gesicht. Er trug Hörner, und seine Füße waren so hässlich wie Krötenbeine. Er quälte Hexen und Zauberer mit Lavendelduft, wenn sie ihn nicht genug verehrten und ihm Opfer brachten. Das war für sie die grausamste Strafe. Immer, wenn die Hexen und Zauberer am Strand lagen, ließ er eine Wolke über ihnen platzen, aus der Federn herunter regneten. Wenn es aufhörte, kratzten sich alle und sahen aus wie Schneemänner und ärgerten sich über den verdorbenen Tag.

Xaro wollte das Zauberbuch ergattern, das von einem goldenen Drachen bewacht wurde. Wenn er es hätte, wäre er Herrscher über die ganze Welt.

Der kleine, freche Zauberer Malix war noch ein Kind. Aber er hatte eine Idee, wie man den bösen Gott besiegen könnte. Er fälschte das Zauberbuch und schrieb einen selbst erfundenen Zauberspruch hinein. Malix versteckte das Buch in einer Höhle. Gott Xaro fand das Buch und begann, gierig zu zaubern. Da schrumpfte er plötzlich und saß so winzig wie eine Krabbelspinne auf dem Buch. Durch den Spruch wurde er auch noch in einem Stein eingeschlossen. Deshalb soll man in der heutigen Zeit nicht mit Steinen auf Lebewesen werfen, sonst kann Xaro wieder aus seinem Gefängnis entkommen. Er findet dann das Zauberbuch, denn der Drache, der es bewachte, ist ausgestorben, wie wir alle wissen.

Maximilian Weichart (8), Alexander Weichart (8) aus Regensburg

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Das Initiationsritual

Lucian sog die kalte Nachtluft in seine Lungen und stieß die verbrauchte wieder aus. Vor seiner Nase bildete sich eine Dunstwolke. Der Magiestudent war nervös, denn ein Vollmond stand am sternenklaren, schwarzen Himmel und in jeder Vollmondnacht fanden Initiationsrituale statt, in denen Zauberlehrlinge zu vollen Magiern aufstiegen. Erst nach einem solchen Ritual waren sie in der Lage, Zauber auszuführen. Die vorangehenden Studienjahre dienten lediglich zur theoretischen Einführung, zum Formeln- und Sprüchelernen und zum Erlangen des Wissens über die Magie. Die Studenten wurden über die Nutzung dieser Macht und über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt.

Lucian kannte das alles, er war stets ein sehr guter Schüler gewesen, aber er wusste auch, dass das nicht unbedingt von Bedeutung war. Initiationsrituale konnten tödlich sein, denn um sie durchzuführen, mussten Magier einen Fluch über die Studenten sprechen oder einen Zauber auf sie werfen, der sie umbrachte, wenn sie noch nicht wirklich bereit waren. Die meisten Studenten bemerkten, wann sie sich dem Risiko stellen konnten, aber nicht alle. Erst vor wenigen Monaten war ein Schüler durch ein solches Ritual getötet worden.

Lucian war sich ziemlich sicher gewesen, bereit zu sein, aber im Angesicht seines Meisters, der ihn in wenigen Minuten verfluchen würde, kamen in ihm Zweifel auf, die er angestrengt versuchte zu überwinden. Der Student stand inmitten eines Kreises, dessen Umrandung sieben magische Steine bildeten, die Linien verbanden, die mit Schafsblut auf den Boden gemalt worden waren, außerdem führte von jedem eine blutige Spur in die Mitte. Sie kreuzten sich genau dort, wo der Magiestudent stand. Der junge Mann war nackt und vor dem Ritual mit heiligem Wasser gewaschen worden, das den Schmutz und die Unreinheit der Welt von ihm nehmen sollte, denn diese könnten zum einen den Zauber des Meisters verstärken und zum anderen die innere Kraft, mit der ein Schüler sich verteidigte, wenn er denn bereit war, vermindern. Lucians Meister nickte dem Studenten wohlwollend zu und er wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Zwischen den verkrampften Händen des alten Magiers bildete sich eine immer größer werdende Kugel aus einem schwarzen Dunst, der so dunkel war, dass die Nacht, die ihn umgab taghell wirkte. Als sie in etwa die Größe eines menschlichen Kopfes erreicht hatte, nahm der Meister die linke Hand von der Kugel, sodass sie nun einige Zentimeter über seiner rechten Handinnenfläche schwebte.

Ohne jede Warnung schnellte sein Arm nach vorne und der Dunst, der Tod oder ein magisches Leben bedeutete, flog auf Lucian zu und drang dann mit einer Wucht, die ihn fast von den Füßen riss in seine Brust ein. Er fühlte sich benommen, doch dann durchlief ein Kribbeln seine Glieder, er zitterte, konnte sich nicht rühren und nicht sprechen, die Magie des Zaubers durchdrang seinen ganzen Körper.

Als sie Hände und Füße erreichte, hob der Student vom Boden ab und plötzlich drang ein gleißendes Licht aus jeder einzelnen Pore und hüllte ihn ein. Er spürte nichts, er dachte nichts, bis das Leuchten nach langer Zeit ein Ende nahm und er zu Boden sank. Er lebte noch und das musste bedeuten, dass er nun ein Magier war. Die vierzehn Jahre seines Studiums hatten sich für ihn gelohnt. Er war nun ein vollwertiges Mitglied der Magiergilde. Lucian fühlte sich befreit, sein Meister kam mit einem grauen Mantel auf ihn zu, gratulierte ihm herzlich, dann verließen sie gemeinsam die Ritualstätte und kehrten in die Schulstadt von Helling zurück, in der die Studenten und ihre Meister lebten.

Laura Windsberger (15) aus Stemmen

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Der große gute Herrscher

Es war einmal ein Zauberer, der hieß Der große Herrscher. Bron hieß das Land, in dem er herrschte, und dort stand sein riesiges Schloss am Ende eines Dorfes. Der Zauberer hatte einen Sohn, der hieß Timios. Nun war mal wieder im Dorf Grünbach, so hieß das Dorf, an dessen Ende das Schloss stand und das mitten im Land Bron lag, der Teufel los. Zu viele Leute redeten durcheinander. Es gab nur ein Gesprächsthema – den Zauberer!

Viele Leute beschwerten sich, weil der Zauberer nur herrschte und nicht half, wenn es nötig war. Timios, der Sohn des großen Herrschers, hörte diese Worte sehr oft im Dorf. Er wurde traurig und sagte zu seinem Vater: „Lehr mich bitte das Zaubern.“

Der Vater dachte angestrengt nach. Er dachte daran, was ihm sein Vater erzählt hatte: Dass nämlich die Söhne der Zauberer erst mit 13 Jahren das Zaubern erlernen sollten. Timios war aber erst 10 Jahre alt. Er war mitten in Gedanken, da fragte sein Sohn noch einmal: „Lernst du mir das Zaubern?“

Der Vater fragte: „Warum willst du das denn lernen, es muss doch einen speziellen Grund dafür geben?“

Da rückte Timios mit der Wahrheit heraus: „Weil alle Leute im Dorf sagen, dass du nur herrscht und nichts Gutes für das Dorf oder seine Leute tust!“ Vorsichtig fragte Timios: „Ist das so?“

Er bekam lange keine Antwort von seinem Vater, so lange, dass er schon aus dem Raum gehen wollte, weil er dachte, sein Vater wolle ihm keine Antwort mehr geben.

Da hörte er seinen Vater sagen: „Timios, mein Sohn, komm her zu mir.“ Timios setzte sich zu ihm an den großen runden Tisch und Der große Herrscher begann zu sprechen: „Es ist falsch, was die Leute im Dorf über mich erzählen, ich herrsche nicht nur, ich würde auch helfen. Aber es hat mich nie jemand gefragt, ob ich was helfen kann! Die Leute im Dorf haben zu viel Angst vor mir. Keiner kommt und klagt ein Leid, und wenn du von nichts weißt, kannst du ja auch schlecht irgendwo helfen.“

Timios antwortete: „Ich rede mit den Leuten im Dorf und erkläre ihnen, sie können ruhig ohne Angst zu dir kommen, wenn sie Hilfe brauchen. Und ich erkläre ihnen auch, dass du oft von ihrer Not keine Ahnung hattest.“

So rannte Timios ins Dorf und erzählte den Leuten von seinem Gespräch mit dem Herrscher. Und augenblicklich rannten einige der Leute ins Schloss und berichteten ihm, dass die Brunnen im Dorf anfangen würden auszutrocknen. Dieser benutzte seine Zauberkräfte und schwuppdiwupp, wenig später war wieder genügend Wasser für alle da.

Die Leute im Dorf und im ganzen Land Bron waren froh, dass sie nun jederzeit zu ihrem Herrscher gehen konnten, und mochten von jetzt an ihren Großen Herrscher so gerne, dass sie ihn jetzt Den guten Herrscher nannten.

Sein Sohn Timios lernte das Zaubern dann wirklich erst mit 13 Jahren, so wie es seit ewiger Zeit in diesem Land Sitte war. Denn mit dem Zaubern ist es nicht so einfach, man kann nicht nur Gutes tun damit, sondern auch anderen Schaden.

Und so lernte Timios nur Gutes zu zaubern und das Dorf Grünbach und das ganze Reich Bron lebte von da an glücklich und ohne Sorgen.

Melanie Kaiser (9) aus Görwihl

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Feenland in der Truhe

Menü Honig für Papageien, las Lara gelangweilt. Seit auch der Papagei Amigo verschwunden war, war das Leben bei ihrer Oma einfach unausstehlich geworden.

„Die gute Landluft wird dir guttun“, hatte ihre Mutter einfach gesagt und sie in dieses langweilige Kaff geschickt. Ihre Oma stand sowieso die ganze Zeit auf dem Markt und Lara hatte nichts zu tun. Auf den Markt wollte sie ja auch nicht mitkommen, da war es nur noch langweiliger.

Als ihre Oma mal wieder zum Markt gegangen war, stöberte Lara auf dem Dachboden herum, um etwas zum Lesen zu finden. Doch leider schien es auf dem Dachboden nur alte, staubige Truhen zu geben. In dreien hatte sie bis jetzt nur alte Schulhefte, die schon fast zu Staub zerfallen waren, und ein paar Spinnen gefunden. Sie ließ gelangweilt ihren Blick schweifen und er blieb auf einer ziemlich alten Truhe mit einem goldenen Schloss hängen. Sie öffnete die Truhe und erschrak. In der Truhe war nichts, nicht mal Staub oder Kratzer! Als sie sich die Truhe noch genauer ansehen wollte, erschrak sie noch mehr. Helle Lichtstrahlen trafen ihr Auge. Und diese kamen nicht vom Fenster, denn das war durch Vorhänge verdunkelt. Das Licht kam direkt aus der Truhe und mit ihm glitzernde, flimmernde Sternchen.

Lara kam alles wie in einem Film vor, denn jetzt kam noch ein kleinen Wesen herausgeflattert.

„Hallo, ich bin die Feenkönigin Herisa! Bist du ein Mensch?“, fragte dieses Wesen.

Lara war total verwirrt. Eine Fee? In einer alten Truhe? Hier auf der Erde?

„Ja, natürlich ...“, stotterte sie ein bisschen verwirrt.

„Gut, dann komm mit ins Feenland, dort wütet ein schreckliches Monster! Wir können es mit unseren Sprüchen nicht bändigen, aber Menschen können alles!“

Zum Glück verstand Lara sofort, was Herisa meinte. Das Feenland war in der Truhe!

Sie stieg zögernd in die Truhe, schloss die Augen und fand sich plötzlich auf einer schönen Wiese wieder. Sie war genauso groß wie Herisa und hatte auch kleine, glitzernde Flügel.

„Hier ist es doch ganz schön! Wo soll es denn Monster geben?“, fragte sie ungläubig. Aber Herisa antwortete nur ziemlich ungeduldig: „Auf! Natürlich ist es nicht hier! Wir haben geschafft, es wenigstens in das Moorschloss zu zaubern, aber wir kommen nicht weiter!“

Sie fing an zu flattern und Lara folgte ihr. Warum war sie auf so etwas eingegangen? Was war, wenn sie nie mehr zurückkommen würde? Sie flogen an Bäumen vorbei. Es wurde immer dunkler und ein modriger Geruch stieg ihnen schon bald in die Nase. Es gab keine Wege mehr und Lara sah schon das gewaltige Moorschloss vor sich auftauchen.

„Nun, geh rein. Du schaffst das schon. Schreie dem Monster alle Menschennamen, die du kennst, ins Gesicht. Danach, wenn du den richtigen Namen getroffen hast, kann ich dir helfen.“

„Muss ich?“, fragte Lara. Am liebsten wäre sie wieder im langweiligen Kaff bei ihrer Oma gewesen.

Herisa nickte, auch wenn sie ein bisschen ängstlich aussah. Lara war schon bei der Tür angelangt.

Lara legte ihre Hand auf die mächtige Klinke und drückte sie herunter. Im nächsten Moment hörte sie ein furchtbares Kreischen. Sie sah ein riesiges Tier auf sich zustürzen. Sie wollte schreien, wegrennen, doch sie musste plötzlich lachen!

„Amigo!“, rief sie. „Da bist du ja endlich!“ Sofort schrumpfte der Papagei und Herisa erschein im Raum.

„Ja! Du hast es geschafft Mensch! Danke! Hier, dieses Amulett ist für dich! Immer wenn du ins Feenland willst, musst du es in die Truhe werfen und meinen Namen rufen! Bis bald“, freute sie sich und schnipste dann mit den Fingern.

Lara wachte auf einer Papageien-Futterpackung auf. Menü Honig für Papageien, stand darauf.

Sie schreckte hoch. War alles nur ein Traum gewesen? Sie seufzte. Doch dann hörte sie ein Kreischen. Amigo! Es war kein Traum gewesen! Sie fühlte das kalte Amulett auf ihrer Haut und lächelte geheimnisvoll. Von nun an kam sie ziemlich gerne in dieses langweilige Dorf zu ihrer Großmutter.

Charlotte Cabos (13) aus Singapur

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Fantastische Fabelparty

Heute Nacht ist’s so weit

In einem weiten Garten steigt

Die große Party der Fabelwesen

Tausend Jahr war sie nicht gewesen

Alle tanzen hier mit allen

Mit riesengroßer Heiterkeit

Die Rufe durch die Nachtluft hallen

Doch kein Mensch hört sie weit und breit

Noch mehr Gäste treffen ein

Und bringen mit den guten Wein

Von sehr weit kommen sie her

Und es kommen immer mehr

Graf Dracula kommt aus Transsylvanien angereist

– dieser hinterhältige Schuft –

Gib Acht, dass er dich ja nicht beißt

Sonst schläfst auch du in seiner Gruft!

Feen, Einhörner und ein Gnom

Auch Riesen sind angekommen schon

Die Drachen heizen froh den Grill

Und die Nixen singen schrill

Eine Bambula samt Kind

Spricht mit einer Fee

Und die Kobolde sind

Gut versteckt im grünen Klee

Der Faun zückt seine Flöte,

Quaken tut die feuchte Kröte

Der Zyklop auf dem Bass

Zupft und spielt ein Solo krass

Doch dann ist es spät geworden

Die Gäste brechen langsam auf

Entschwinden nach Süden, verrauschen nach Norden

Tau legt sich auf die Wiesen drauf

Nun hebt sich auf der Zauberbann

Ein frischer Tag bricht heran

Ein Mensch tritt zur Tür heraus

Sieht nichts mehr vom nächtlichen Schmaus

Auch nicht die Bambula mit dem Kind

– ach, wie Menschen blind

Und dämlich sind

Cheyenne La Marr (13) aus Männedorf/Schweiz

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Der Almgeist

Lukas war sehr aufgeregt. Heute würde er mit seinem besten Freund Thomas auf dessen Almhütte fahren. Im Garten des Hauses wartete Lukas auf Thomas und seine Eltern, die ihn in fünf Minuten abholen sollten. Lange musste Lukas auf Thomas warten.

„Das sieht Thomas wieder mal ähnlich“, murmelte Lukas verdrossen. Doch kaum war ihm dieser Gedanke in den Sinn gekommen, da stand schon der Geländewagen von Thomas Eltern vor dem Garten. Frohvergnügt stieg Lukas in den Wagen ein und los ging’s Richtung Berg.

Die Fahrt dauerte ziemlich lange, da die Hütte sehr weit oben auf dem Berg war. Direkt konnte man nicht zur Alm fahren, deshalb musste man noch eine Viertelstunde zu Fuß zurücklegen. Während der kleinen Wanderung machte Thomas Lukas auf eine tiefe Schlucht aufmerksam.

„Siehst du die Schlucht dort drüben? Daneben ist eine Höhle. Wir könnten heute Nacht dorthin gehen, wenn du willst“, flüsterte Thomas Lukas zu. Lukas nickte nur, doch ganz wohl bei der Sache war ihm nicht.

In der Almhütte angekommen, machte Thomas Vater sich sofort daran, ein Feuer zu entzünden. Bald war es in der Hütte angenehm warm. Lukas und Thomas hatten ein gemeinsames Zimmer. Thomas untersuchte sofort die Fenster. „O.K., die Fenster sind tief genug. Wir können heute Nacht gut hinausspringen.“

Beide lasen noch ein bisschen, doch dann rief Thomas Mama: „Essen ist fertig. Es gibt eine gute Suppe.“

Nach dem Essen sagte Thomas Papa: „Wenn ihr wollt, erzähle ich euch die Geschichte von dem Almgeist.“

„Ja, cool“, schrien Lukas und Thomas.

„Also, gut, es war einmal“, begann Thomas’ Papa „ein Almelf, der letzte seiner Art, die es auf dem Berg gab. Der Elf wurde immer von kleinen Jungen geärgert, da er spitzere Ohren hatte. Außerdem gab es Gerüchte, dass er zaubern könne. Eines Tages gingen zwei kleine Buben zu weit. Sie bewarfen den Elf mit schweren Steinen und der Elf, der sich am Rande einer tiefen Schlucht befand, verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Schlucht. Heute ist der Elf unter dem Namen Almgeist bekannt und spukt in der Schlucht herum. Und jeder kleine Junge, der sich in die Nähe der Schlucht wagt, wird von dem Almgeist in die Abgründe der Schlucht gestoßen. So – aus. Glaubt ja nicht an dieses Schauermärchen. Aber jetzt schnell ins Bett, es ist schon spät.“ Widerwillen gingen die beiden Kinder in das Zimmer. Dann holten sie die Schuhe unter dem Bett hervor und stiegen durch das Fenster hinaus ins Freie.

Es hatte geregnet und so rutschten sie oft aus. Plötzlich schrie irgendwo in der Dunkelheit ein Uhu.

Thomas, der sehr erschrak, sagte: „Können wir nicht wieder nach Hause gehen, mir ist so kalt.“

Das wäre Lukas jetzt auch lieber gewesen, doch er wollte seine Angst nicht zugeben und meinte: „Jetzt komm schon, so schlimm wird es ja nicht sein. Wir gehen kurz in die Höhle und dann gehen wir wieder hinaus.

Thomas hatte noch etwas dagegen einzuwenden: „Und was ist, wenn der Almgeist uns holt?“

„Den gibt’s doch gar nicht, so, und jetzt komm weiter“, sagte Lukas, doch so sicher war er sich dieser Sache auch wieder nicht.

Die beiden erreichten die Höhle. Sie schalteten die Taschenlampe ein und betraten die Höhle mit zaghaften Schritten. Thomas ging voran, doch plötzlich verließ ihn der Mut. Er drehte sich um und schlug dabei aus Versehen Lukas die Taschenlampe aus der Hand. Die Jungen wollten sofort wieder in das helle Licht des Mondenscheins. Doch zu ihrem Entsetzen versperrte ihnen ein junger Mann mit besonders spitzen Ohren den Weg nach draußen.

„Hilfe!!!!“, schrien Lukas und Thomas. Sie nahmen Anlauf und versuchten den Mann wegzustoßen. Doch sie rannten durch ihn durch und konnten gerade noch bremsen, um nicht in die Schlucht zu fallen.

Zuerst standen Lukas und Thomas unter Schock. Als erster löste sich Lukas aus der Starre, doch als er wegrennen wollte, streckte der Elf seine Hände aus. Aus ihnen hervor kam ein blauer Lichtstrahl. Lukas wurde von ihm getroffen und stürzte in die Schlucht. Als Thomas das sah, drehte er völlig durch. Er wollte davonlaufen, doch ihn traf ein roter Lichtstrahl und er fing plötzlich an zu brennen. Das einzige, was die beiden Kinder vor ihrem Tod noch sahen war, dass der Elf lachte, die Arme in die Höhe streckte und sich dann in Luft auflöste.

Am nächsten Tag wurde polizeilich nach Thomas und Lukas gesucht, doch man fand von ihnen nur eine Taschenlampe und einen Haufen Asche am Rand der Schlucht.

David Ragger (11) aus Lienz/Österreich

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Moor der Düsternis

Es war vor langer Zeit, in der fantastischen Welt Myrwon, fernab von unserer Welt. In einer Welt, die von magischen Geschöpfen wie Drachen, Hexen, Elfen und Wellennymphen bewohnt war. Dort schlossen sich der ehrenhafte Ritter Ilasmund, die Hexe Xaerixa, der vorlaute Wurzel-gnom Druww und der geheimnisvolle Dunkelalb Uvrion zusammen, um den gefürchteten dreiköpfigen Drachen von Sensenstein zu erlegen. Nach vielen Mühsalen und Entbehrungen gelang das Unternehmen, die Helden machten sich siegreich auf die Rückreise in ihre Heimatstadt Dûra zurück. Doch dabei mussten sie das tiefe, tückische Moor der Düsternis durchqueren. Eine letzte harte Probe stellte sich den Gefährten.

Der Nebel lag dunkel und schwer über den tödlichen Sumpflöchern und tiefen Tümpeln des Moores. Wie graue Bärte hingen Flechtenvorhänge von den verkrüppelten Bäumen. Aaskrähen, ellenlange Blutegel und Leichenwürmer kreuzten den Weg der Gefährten, die durch die unruhigen Nächte, zahllose Mückenstiche und den fauligen Gestank mit ihren Nerven am Ende waren. Der alte Einsiedler, den sie am Rande des tückischen Sumpfes getroffen hatten, hatte ihnen scheußliche Geschichten über diesen gefürchteten Landstrich erzählt. Diese Schauermärchen zuckten jedem Einzelnen durch den Kopf, begleitet von einem schrecklichen Gefühl von Beklemmung. Dazu gesellte sich die Erinnerung an das in einem Schlammloch versunkene Packpferd. Nie würden sie vergessen, wie sich das brackige Wasser über der weissen Mähne des treuen Tiers geschlossen hatte, wie es hinabgezogen wurde in den ewigen Schlund des Moores. Alle hatten nur noch einen einzigen Gedanken: Raus aus dieser verfluchten Landschaft, nur raus!

Weit vor ihnen erkannten sie den kantigen Umriss eines Felsens. Uvrion war es, der ihn mit seinen scharfen Augen als Erster bemerkte. Bald darauf entdeckten auch die drei Anderen das schwarze, haushohe Massiv. Der Einsiedler hatte ihnen davon berichtet. Er markierte das Herz des Moores. Sie waren also in der Hälfte ihres Weges angelangt!

Trügerische Euphorie ergriff von den Gefährten Besitz. Die Hälfte war überstanden! Von einem plötzlichen Kraftschub getrieben, näherten sie sich schnell dem Stein. Der schwarze Umriss einer Sumpfnatter huschte an ihnen vorbei, dann erreichten sie einen letzten Flechtenvorhang. Druww, der Gnom, der wegen seiner flinken Füße die Spitze des Trupps bildete, stieß ihn beiseite, trat hindurch – und blieb wie versteinert stehen!

Auf dem Felsen wuchs ein einziger, kohlschwarzer Baum. Verfaulte Blätter und armdicke Lianen hingen davon herab. Wie die Finger einer klauenartigen Hand reckten sich die spitzen Äste in den Himmel, der von trübem Nebel verdeckten Sonne entgegen. Der mächtige, schwarze Stamm war von einem Blitzschlag gespalten. Auf dem obersten Ast, wie eine mannshohe Statue, saß ein gigantischer, rabenschwarzer Geier!

Augenblicklich erinnerten sich die vier Gefährten an die Worte des Einsiedlers: „… und hütet euch vor Arêgh, dem König der Moore. Er nimmt zuweilen die Gestalt eines riesigen Greifvogels an, und ihm sind alle Geschöpfe, die in diesem verwunschenen Landstrich hausen, Untertan. Hütet euch, denn wer in sein Reich eindringt, hat den Zorn dieses Ungetüms zu fürchten. Weder Tod noch Drohung fürchtet er, nur das unverhüllte Licht der Sonne vermag ihn zu peinigen.“

Erschrocken sahen sie sich an. Der Vogel schien sie noch nicht bemerkt zu haben, doch das konnte sich jeden Moment ändern. „Wir sollte sofort verschwinden!“, zischte die betörend schöne Xaerixa eindringlich.

„Genau, sofort!“, pflichteten ihr Druww und Uvrion bei. Sie machten Anstalten, ins Dickicht zurückzuhasten, doch Ritter Ilasmund hielt die Hexe an der Schulter fest und sagte: „Wir sind Drachentöter und die Bezwinger unzähliger Gefahren! Sollen wir jetzt vor einem Vogel fliehen? Er wird unseren Ruhm ins Unermessliche steigern, wenn wir ihn bezwingen!“ „Aber der Einsiedler sagte, keine irdische Waffe vermag ...“, warf Uvrion ein, doch er wurde barsch unterbrochen. „Habt ihr etwa die Ammenmärchen dieses alten, zahnlosen Wichts geglaubt? Für so leichtgläubig hätte ich euch wirklich nicht gehalten – he du, du Riesenhuhn!“ Ilasmund rief provozierend nach dem König der Moore.

Sofort ruckte der gewaltige Geierkopf in ihre Richtung. Arêgh stieß einen markerschütternden Schrei aus, breitete seine bestimmt sechs Schritt messenden Schwingen aus und stieß auf die Gefährten herab.

„Sieh nur, was du angerichtet hast, du draufgängerischer Trottel!“, zischte der Dunkelalb, legte einen Pfeil auf die Sehne und schoss. Wie ein Stein von einem polierten Stahlschild, so prallte Uvrions Pfeil vom Gefieder des Vogels ab, ebenso wie Ilasmunds Schwerthieb. Der Riesengeier stieß den Krieger mit seinen Klauen zu Boden, ignorierte Druwws Keulenhiebe und Uvrions Dolchstiche, holte mit dem Schnabel wie mit einem tödlichen Kriegshammer aus – da öffnete sich die Wolkendecke und ein Strahl klaren Sonnenlichts fiel auf den König der Moore. Dessen an schummriges Halbdunkel gewöhnte Augen brannten in dem ungewohnten Schein wie Feuer, sein ganzer Körper zitterte unkontrolliert. Kreischend flog Arêgh auf und verschwand in der Ferne. Dieses Mal waren die Gefährten dem Tod knapp entronnen – durch pures Glück. Doch sollten sie nie vergessen: Mut ist eine Tugend, doch nur, solange er nicht an Torheit grenzt.

Andrin Albrecht (13) aus Wattwil/Schweiz

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Kleine Erbse – riesengroß

Es war einmal eine klitzekleine Erbse, die sich so unnützlich vorkam wie ein Kleeblatt auf der Wiese. Alle aus der Familie Gemüse hatten ihre Aufgaben: Papa Tomate sammelte Essen, Mama Karotte war dafür zuständig, dass täglich ein köstlich dampfender Topf auf dem Tisch stand, Petersilie und Rettich mussten Brennholz sammeln, Bohne, die Älteste, unterrichtete Kartoffel und Paprika und Oma Gurke strickte für alle Socken.

Alle hatten also ihre Aufgabe, nur die Erbse nicht. Man übersah sie immer und ihre hohe, piepsige Stimme wurde von den anderen lauten Stimmen übertönt! Ja, die arme Erbse hatte es wirklich schwer im Leben!

An einem Montagabend hatte sie ihr Leben satt. Am Morgen war Bohne auf sie getreten und mittags hatte sie nichts zu essen bekommen, weil Kartoffel ihr alles weggenommen hatte.

Die Erbse packte ihre sieben Sachen zusammen und kletterte vorsichtig aus dem Fenster. Weil sie so klein war, brauchte sie eigentlich keine Angst haben, entdeckt zu werden, aber die Erbse hatte so viel Angst, als hätte ihr letztes Stündlein geschlagen.

Im Garten schaute sie kurz nach rechts und links und rollte dann den Gartenweg zur Pforte in einem Wahnsinnstempo zurück, als würde sie von einem Wolf verfolgt. Sie wurde aber von niemandem entdeckt. Von wem auch? Wer interessierte sich schon für eine klitzekleine Erbse, die einen holprigen Weg entlang hopste?

Als sie an Wäldern, Wiesen und Feldern entlangrollte, fröstelte die Erbse vor Angst. Sie musste an all die Gefahren denken, denen sie begegnen könnte: dem Wolf, dem tiefen Graben und den Menschen!!!

Nach einer Weile machte sie eine Pause an einem See und fragte sich: „Wo will ich überhaupt hin?“ Da sah sie ihr mageres Spiegelbild im Wasser und Tränen flossen an ihrem Gesicht herunter. Niemand wollte sie haben! Warum hatte sie sich nur auf den Weg gemacht?

Da kam plötzlich ein Zauberer aus dem Wald. Er trug einen langen blauen Umhang mit gelben, glitzernden Sternen darauf. Erbse traute ihren Augen kaum! Der Zauberer konnte ihr bestimmt helfen! Glücklich, endlich eine Rettung gefunden zu haben, rollte sie auf den Zauberer zu.

„Guten Tag, Zauberer ...“, flüsterte sie schüchtern und dachte innerlich: „Er hört mich ja sowieso nicht, wenn ich so leise spreche.“

Doch der Zauberer antwortete: „Ja, wen haben wir denn da? Eine kleine zarte Erbse! Hallo, ich bin der Zauberer Erdbeere!“

Die Erbse lächelte ihn bittend an: „Kannst du mir einen Wunsch erfüllen?“, wollte sie wissen.

Der Zauberer sah die kleine Erbse schmunzelnd an. „Worum geht es denn?“

„Ich ... ich mö ... möchte größer ... sein.“

Der Zauberer meinte: „Das könnte ich schon machen, aber wenn du erst mal groß und dick bist, kann ich dich nicht mehr klein und zart hexen!“

„Aber das macht doch nichts, ich will mein ganzes Leben lang groß und stark sein!“

Der Zauberer schaute der Erbse lange und ernst ins Gesicht. „Das sagen viele und nachher wollen sie wieder so sein wie früher!“

Die Erbse sah ihn verwirrt an. „ Aber sie haben dann doch das, was sie wollten.“

„Ja, das haben sie, aber sie sind dann nicht mehr sie selbst. Sie fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut und es geht ihnen einfach schlecht. Ich sage dir, du musst dir das genau überlegen!“

Die Erbse versuchte sich vorzustellen, sie wäre eine große, runde Erbse und alle würden sie bewundern, das war eigentlich ein guter Gedanke, aber da war noch etwas anderes. Etwas, das sie traurig machte. Es stimmte. Dann war sie nicht mehr sie selbst! Sie würde keine Angst mehr haben, sie musste dann wahrscheinlich auch arbeiten ...

„Ich glaube ich bleibe lieber so, wie ich bin!“, meinte sie schließlich.

Der Zauberer gratulierte ihr. „Du bist eine von ganz wenigen, die sich in ihrer Haut wohl fühlen!“

Auf einmal vernahm die kleine Erbse irgendwo her Stimmen: „Erbse, ERBSE, wo steckst du?“ Es waren die besorgten Stimmen von Mama Karotte und Papa Tomate!

„Hier bist du!“ Mama Karotte schloss ihr Kind fest in die Arme. „Warum läufst du denn einfach weg?“

Und Papa Tomate meinte: „Wir brauchen dich doch. Du munterst uns immer wieder auf, wenn es uns schlecht geht!“ Da freute sich die kleine Erbse, so wie sie war!

Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie noch heute.

Larissa Ege (12) aus Mittelbiberach

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Hexenurteil

Eiskalte Steinwände umgaben den Raum, in dem Salamandra kauerte. Zitternd wickelte sie sich ihr zerlumptes Tuch noch enger um ihren Körper. Vor zwei Tagen hatte sie noch mit den anderen Kindern gespielt. Sie hatten Stockbrot am Lagerfeuer gebacken. Doch dann hatte es zu regnen angefangen.

Salamandra seufzte. Was konnte sie dafür, dass das Feuer nicht ausgegangen war? Was konnte sie dafür, dass sich das Feuer langsam auf sie zu bewegt hatte? Und was konnte sie dafür, dass sie jetzt als Hexe verflucht wurde?

„Ich werde standhaft bleiben. ICH BIN KEINE HEXE!“, sagte Salamandra entschlossen.

Plötzlich hörte sie Stimmen. Schritte. Die Tür öffnete sich knarzend. Langsam stand Salamandra auf.

„Jetzt ist es soweit.“ Zornig ballte sie die Hände zusammen. Nein, Salamandra hatte keine Angst. Dafür war sie viel zu stolz.

---ENDE DER LESEPROBE---