Feel my skin burn - T. K. Mitchell - E-Book

Feel my skin burn E-Book

T. K. Mitchell

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Beschreibung

Monica Taylor hat Brandwunden aus ihrer Vergangenheit, die sie zu verstecken versucht. Was sie jedoch nicht verstecken kann, sind die seelischen Narben, die sie davongetragen hat und die ihr nicht erlauben, sich auf eine Liebesbeziehung jeglicher Art einzulassen. José Alvaro ist Single aus Leidenschaft und genießt es in vollen Zügen. Seine jüngere Schwester ist dabei, der Familie die verdienten Enkel zu schenken, was ihn, seiner Meinung nach, aus der Verantwortung entlässt. Als die neue Empfangsmitarbeiterin des I.S.P.D. mit ihrer geheimnisvollen Vergangenheit ihn kalt abblitzen lässt, ist sein Erfindungsreichtum und Beharrlichkeit gefragt. Doch schon bald droht die Vergangenheit, sich in Idaho Springs zu zeigen, was Monica zusetzt und José in Zugzwang bringt.

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Seitenzahl: 298

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

Monica Taylor hat Brandwunden aus ihrer Vergangenheit, die sie zu verstecken versucht. Was sie jedoch nicht verstecken kann, sind die seelischen Narben, die sie davongetragen hat und die ihr nicht erlauben, sich auf eine Liebesbeziehung jeglicher Art einzulassen.

José Alvaro ist Single aus Leidenschaft und genießt es in vollen Zügen. Seine jüngere Schwester ist dabei, der Familie die verdienten Enkel zu schenken, was ihn, seiner Meinung nach, aus der Verantwortung entlässt. Als die neue Empfangsmitarbeiterin des I.S.P.D. mit ihrer geheimnisvollen Vergangenheit ihn kalt abblitzen lässt, ist sein Erfindungsreichtum und Beharrlichkeit gefragt.

Doch schon bald droht die Vergangenheit, sich in Idaho Springs zu zeigen, was Monica zusetzt und José in Zugzwang bringt.

Anmerkung der Autorin

Dies ist ein Roman.

Eine fiktive Geschichte.

Ein Thriller mit einer guten Prise Romantik.

Ihr mögt eine fesselnde, rasante Geschichte, Gegenspieler, die nicht gleich zu durchschauen sind, Protagonisten, die sich langsam näherkommen und die eine oder andere explizite Szene?

Dann seid ihr hier genau richtig.

Ich wünsche euch eine tolle Zeit in meiner Welt!

Um ein optimales Lesevergnügen zu erhalten, ist es empfehlenswert, die Bücher der Reihe nach zu lesen.

Triggerwarnung

Wie im Thriller-Genre oft der Fall geht es auch hier nicht ohne Mord. Aber Gewalt im Allgemeinen, Gewalt gegen Frauen und sexuelle Gewalt sind mitunter Thema. Sollte euch etwas davon triggern, ist es ratsam, das Buch nicht zu lesen.

Sämtliche Figuren sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind trotz sorgfältiger Recherche reiner Zufall und nicht beabsichtigt.

Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig digital ohne ausdrückliche Genehmigung der Autorin vervielfältigt oder weitergegeben werden.

Die Ausnahme hiervon ist im Rahmen einer Rezension.

Inhaltsverzeichnis

Anmerkung der Autorin

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Epilog

Ausblick

Danksagung

Widmung

Ich widme dieses Buch all jenen, die Narben tragen.

Egal ob sichtbar oder nicht, sie haben euch etwas abverlangt.

Wie ihr sie annehmt, zeigt eure Kraft und Entschlossenheit.

Seid stark.

Prolog

Der Blick in seine Augen ängstigte sie zum allerersten Mal. Wie konnte sie sich so in ihm getäuscht haben? Sie wusste, dass er sich leicht von ihnen beeinflussen ließ. Aber das, was sie nun von ihm verlangten, konnte er unmöglich in Betracht ziehen. Oder doch?

Die Flüssigkeit, die soeben ihren Arm benetzte, sprach eine andere Sprache. Sie musste von ihnen wegkommen. Sie war in Gefahr! Ihr Puls beschleunigte sich, der Schweiß brach ihr aus. Aber es half nichts. Man hielt sie so fest, dass sie sich nicht befreien konnte. Das war kein Spiel mehr.

Der Ernst der Situation war ihr bewusst, sie konnte klar denken. Doch die Männer, die sich um ihn scharten und lautstark auf ihn einredeten, konnten es nicht mehr. Erneut versuchte sie, sich loszureißen, doch scheiterte kläglich. Das Benzinfeuerzeug, das er immer bei sich trug, schnappte auf und zu. Er stand vor ihr, seine Pupillen waren stecknadelgroß.

Sein Kumpel stieß ihn an und flüsterte ihm etwas ins Ohr, das Monica nicht hören konnte. Egal was es war, es gab den Ausschlag. Das Zippo schnappte auf, sein Daumen setzte den Feuerstein in Schwingung und der kleine Funke reichte aus, um sie in Brand zu setzen.

Das Feuer brannte sich unbarmherzig ihren rechten Arm hinauf. Der Schmerz nahm ihr den Atem, bevor sie schreien konnte. Die Jungs, die sie festgehalten hatten, sprangen zurück, als die Flammen an ihr hochschnellten. Ein Schrei löste sich aus ihrer Kehle, als die Flammen ihr Haar und ihren Hals erreichten. Der Auslöser für ihre Peiniger, Reißaus zu nehmen. Monica ließ sich auf den sandigen Boden fallen und wälzte sich hin und her, um das Feuer zu ersticken. Die Schmerzen, die sie nun überfielen, waren unmenschlich und nicht zu ertragen. Glücklicherweise erlöste sie eine Ohnmacht.

Monica schreckte aus dem Traum hoch, der sie heimgesucht hatte. Es war Jahre her, dass sie diese unglückliche Episode ihres Lebens durchlitt. Die Vorkommnisse der letzten Zeit mussten ihr Unterbewusstsein in diese Richtung gedrängt haben. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie noch einige Stunden hatte, bevor sie im ISPD, dem Idaho Springs Police Department, ihren ersten Dienst antreten würde. An Schlaf war jedoch nicht mehr zu denken.

Sie stieg aus dem Bett und ging unter die Dusche, ohne einen Blick auf ihr Spiegelbild zu verschwenden. Das hatte sie oft genug getan, um zu wissen, dass es nichts daran änderte, was sie sah. Die Haut an ihrem rechten Arm war vernarbt und diese Narben zogen sich hinauf bis an den Hals. Das war der Grund, aus dem sie immer langärmelige Blusen trug. Ihr offenes Haar verdeckte die Stellen vom Haaransatz bis zur Schulter. Deshalb ließ sie diese nie länger wachsen oder band sie zusammen. All dies ermöglichte ihr, sich nur mit einigen wenigen Blicken der anderen auseinandersetzen zu müssen.

Frisch geduscht cremte sie ihren Körper ein, damit die Haut geschmeidig blieb. Es war einem befreundeten, angehenden Arzt zu verdanken, dass ihre Narben nicht mehr dick und wulstig waren. Er hatte ihr den Tipp gegeben, das vernarbte Gewebe mit einem Minivibrator zu lockern. Das half, die Vernarbung zu massieren und geschmeidig zu halten. Zusätzlich unterstützte eine Creme für werdende Mütter, die man sonst bei Dehnungsstreifen einsetzte, sie, die Elastizität an diesen Stellen zu erhalten.

Ihre kaffeebraune Haut benötigte glücklicherweise kein Make-up. Etwas Kajal und Wimperntusche reichten aus, ihr einen wachen Blick zu zaubern. Sie wollte nur gesund aussehen. An Männern hatte sie keinerlei Interesse. Zu tief hatte sich die Vergangenheit in ihre Seele gebrannt und dabei viele kleine Narben hinterlassen, die man nicht so einfach wegmassieren konnte.

Auf dem Weg durch die Kleinstadt, in die sie zwei Monate zuvor gekommen war, begrüßte sie einige Bewohner, die sie in den vergangenen Monaten kennengelernt hatte. Seit sie in der nahen Diskothek gejobbt hatte, kannte man ihren Namen. Durch das Auffinden von K.-o.-Tropfen und die darauffolgenden Ermittlungen hatte sie immerhin nicht unwesentlich zur Aufklärung einiger Fälle beigetragen.

Anfang März konnten die Tage noch recht kalt sein. Die Temperaturen bewegten sich meist zwischen minus einem und plus zehn Grad Celsius tagsüber. Aber ein heißer Kaffee in Cindy Davis’ Miners Bakery, der örtlichen Bäckerei, half wunderbar dagegen. Glücklicherweise war Cindy eine Frühaufsteherin und ihr Geschäft ab sechs Uhr morgens geöffnet. Monica betrat den Laden und grüßte die Besitzerin, die gerade dabei war, ihre Leckereien in die dafür vorgesehenen Behälter der Theke zu sortieren.

„Ach, Schätzchen, was führt dich denn schon so zeitig hierher?“

„Morgen, Cindy. Ich hätte gerne einen Latte macchiato und einen Blaubeermuffin. Ich habe schlecht geschlafen.”

„Kommt sofort, Schätzchen. Setz dich, ich bringe dir gleich alles.”

„Danke. Und könntest du mir für nachher noch ein paar Kaffees und Donuts vorbereiten? Ich habe heute meine erste Schicht im ISPD und möchte die Kollegen damit überraschen.”

„Gerne doch, Schätzchen. Da freuen sie sich bestimmt.”

Es war schon verblüffend. Nach den Kosenamen, die sie an jeden vergab, könnte man meinen, dass Cindy eine in die Jahre gekommene Frau war. Doch das war sie nicht. Sie hatte die Miners Bäckerei von ihrer Großmutter geerbt, als sie gerade mal zwanzig war. Das Backen lag ihr im Blut, weshalb sie sich auch sofort für die Übernahme und das Weiterführen entschieden hatte. Nun musste sie um die vierzig Jahre sein, hatte ihren Mann beim Umbau der Küche kennengelernt und zog ihre beiden Kinder hier auf.

Jeder mochte Cindy und ihre Leckereien. Einzig der Austausch, der durch das Zuhören und Ausplaudern von Informationen in ihrem Kaffee vonstattenging, war manch einem ein Dorn im Auge. Dabei war es eher Unbedarftheit, denn Mutwilligkeit, etwas zu verbreiten. Doch bei Cindy ging das Arbeiten und Tratschen mit den Gästen Hand in Hand. Ohne es kontrollieren zu können. Zumindest hatte ihr Mann das einmal erklärt.

„Hier, Schätzchen. Lass es dir schmecken.”

„Danke, Cindy.” Mit ihrem Kaffee in der Hand und dem Blick in die Ferne, schweiften auch Monicas Gedanken weit ab. Sie war vor ein paar Tagen im Idaho Springs Inn gewesen, um ein letztes Mal ihre bisherige Arbeitgeberin zu besuchen, die sie, ohne zu zögern, angestellt und ihr somit ein schnelles Eingliedern in die Gemeinde ermöglicht hatte. An ihr erstes Aufeinandertreffen konnte sie sich noch lebhaft erinnern.

Ein Brand hatte Schaden im Inn angerichtet, weshalb das Hotel kurze Zeit schließen musste. Zur Wiedereröffnung war der Barkeeper nicht mehr auffindbar. Von ihrer Freundin Sally hatte sie davon erfahren und die Telefonnummer der Hotelbesitzerin erhalten. Also hatte Monica kurzerhand angerufen. Sie selbst war erst wenige Tage in Idaho Springs gewesen und war froh über die Aussicht auf ein mögliches Einkommen.

Nach einem kurzen Telefonat war Monica direkt ins Hotel gefahren, um sich persönlich vorzustellen. Vivian Prescott, die Mutter des hiesigen Sergeants aus dem ISPD und Eigentümerin des Hotels, hatte sie voller Wohlwollen empfangen und sie auf dem Hotelgelände herumgeführt. Außerdem war es Monica positiv aufgefallen, dass Vivian sofort in ein vertrautes „Du” wechselte.

Um neben der Renovierung der Küche, in der der Brand ausgebrochen war, wieder Einkünfte zu haben, wollte die Familie Prescott zumindest die kleine Diskothek auf dem Hotelgelände wieder eröffnen. Monica hatte bei laufend wechselnden Wohnsitzen immer wieder mal nebenbei als Barkeeperin gejobbt und wusste, worauf es ankam.

Obwohl sie auf der Suche nach einem Office-Job war, erklärte sie sich bereit, vorerst in der Diskothek des Hotels auszuhelfen. Beim gemeinsamen Gespräch musterte Vivian sie aufmerksam und Monica bemerkte, als ihr bei genauerem Hinsehen die Narben auffielen, die sie unter ihrer Haarpracht zu verstecken versuchte.

„Darf ich fragen, was dir zugestoßen ist?“ Die Einfühlsamkeit in Vivians Stimme erleichterte Monica die Entscheidung.

„Natürlich. Es war ein Unfall. Die Narben kommen von Verbrennungen.“

„Das klingt sehr schmerzhaft. Tut mir sehr leid, dass du das erlebt hast.“

„Danke, es ist glücklicherweise schon länger her. Sie schränken mich nicht mehr ein.“

Bereits am Tag darauf fing sie zu arbeiten an. Es war wunderbar, wie einfach hier alles vonstattenging. In Chicago wäre es ihr nicht möglich gewesen, von einem Tag auf den anderen einen Job anzutreten. Hier zählte es, dass sie Sallys Freundin war und diese bereits als ortsansässig galt. Alles andere würde sich finden.

Schon an ihrem ersten Abend lernte sie eine Fülle an Menschen aus dem Ort kennen. Mittels Mundpropaganda hatte sich schnell die Wiedereröffnung verbreitet und die Gäste kamen und gingen. Nach Ende der Öffnungszeit war Monica dabei nachzuschlichten und aufzufüllen, als ihr ein kleines dunkles Fläschchen in die Hände fiel, mit dem sie zuerst nichts anzufangen wusste.

Bei genauerer Betrachtung stellten sich Monica die Nackenhaare auf. Es war klein, aus dunklem Glas und hatte eine Pipette, mit der man auf Tropfen genau dosieren konnte. Die Flüssigkeit, die es beinhaltete, war durchsichtig und geruchsfrei. Sie hatte sich bei früheren Jobs angewöhnt, immer ein Armband mit Testpunkten bei sich zu haben, das bei Berührung den Kontakt mit gängigen K.-o.-Tropfen anzeigte. So auch bei dieser.

Kurzerhand beschloss sie, es vor dem nächsten Dienst im Polizeirevier abzugeben. Immerhin wusste sie aus Sallys Erzählungen, dass Sergeant Prescott verantwortungsbewusst war. Er war es auch, der die Untersuchung im Anschluss leitete und ihr in jüngster Vergangenheit ihren neuen Job vermittelte.

Als sie das Hotel betrat, fühlte sie sich sofort angekommen. Es war schön, hier einen Ort zu haben, der sich heimelig anfühlte. Kaum war sie in der Halle, als auch schon eine ältere, ein wenig untersetzte Dame auf sie zusteuerte und sie in die Arme schloss.

„Hallo, Monica, schön, dass du vorbeikommst.“

„Hi, Vivian. Wie geht es dir und Harold?“

„Es geht uns gut, meine Liebe. Danke der Nachfrage. Wie geht es dir? Bist du schon aufgeregt? In Kürze startet dein erster Dienst im Revier, nicht wahr?“

„Genau. Und ja, ich bin aufgeregt. Aber ich bin auch dankbar für diese Chance. Und ich wollte mir die Gelegenheit nicht nehmen lassen, auch dir und Harold noch einmal meine Dankbarkeit auszudrücken. Ich habe euch Kuchen von Cindys Bäckerei mitgebracht. Hoffentlich schmeckt er euch.“

„Oh, das wird er bestimmt. Cindy ist eine herausragende Bäckerin. Er sieht köstlich aus, Monica. Vielen Dank!”

Schmunzelnd musst sie ihr gedanklich beipflichten, als sie nun in den Blaubeermuffin biss und die süße Köstlichkeit ihre Geschmacksnerven reizte. Und schon im nächsten Moment erinnerte sie sich daran, dass ein Albtraum sie am Morgen geweckt hatte. Monica zog ihr Smartphone aus der Tasche und schrieb ihrer besten Freundin Sally eine Nachricht.

MONICA: Hatte heute schon wieder einen Albtraum. Ich kann nicht fassen, dass mich das nach so langer Zeit immer noch fertig macht. Ich hoffe, mein neuer Job bringt mich auf andere Gedanken.

SALLY: Oh, nein. Kann ich etwas für dich tun? Möchtest du heute Abend kommen? Ich wünsche dir jedenfalls einen tollen ersten Tag im neuen Job. Du rockst das!

Das war der Grund, warum Sally immer noch ihre beste Freundin war. Einfach so zauberte sie ein Lächeln auf Monicas Gesicht. Es war definitiv die richtige Entscheidung gewesen, ihr nach Idaho Springs zu folgen. Sie konnte nur hoffen, dass sie hier lange Zeit ungestört bleiben würde. Denn es gefiel ihr hier wirklich.

MONICA: Ich melde mich nach der Schicht, dann sehen wir weiter. Danke für dein offenes Ohr, das hilft mir!

SALLY: Was immer du brauchst, Süße. Ich bin da.

Um halb sieben ging die Sonne auf und das Morgenrot brachte eine einzigartige Stimmung mit sich. Von Monicas Platz im Kaffee hatte sie einen wunderbaren Ausblick die Hauptstraße hinunter auf die Hügel, die Idaho Springs umschlossen. Das glutrote Licht ließ die Berge brennen. Ein Spektakel, das Monica besonders imponierte. Zuvor hatte sie in Chicago gelebt. Die Hochhäuser dort versperrten einem in regelmäßigen Abständen die Sicht. Hier dagegen gab es nur kleine Anhöhen, eine überschaubare Innenstadt und Häuser in den angrenzenden Hügeln.

Wenn man musste, konnte man Idaho Springs zu Fuß durchqueren. Ein glücklicher Umstand, der Monica in die Hände spielte. Ihr Auto hatte vor ein paar Tagen den Geist aufgegeben. Der Umzug hierher und das hastige Abbrechen ihrer Zelte in Chicago hatten sie mit beinahe leeren Taschen hier ankommen lassen. Es war Sally und ihrer Freundin Jenna aus dem Kindergarten zu verdanken gewesen, dass sie so schnell Fuß fassen konnte. Denn Jennas Partner war Sergeant Prescott.

Kurz nach sieben bat Monica Cindy um die Kaffeebestellung und die Donuts und machte sich auf den Weg zur Polizeiwache. Sie folgte der Hauptstraße in Richtung Sonnenaufgang und ließ ihren Blick über die angrenzenden Häuser und Läden streifen, die in Kürze zum Leben erwachen würden. An der Feuerwache, die der Polizeistation schräg gegenüberlag, sah sie den jungen Mann, den sie bereits in der Diskothek mit immer wechselnden Begleitungen beobachtet hatte.

Er war nett anzusehen und wusste es. Gegenwärtig unterhielt er sich mit einer Sanitäterin, der er einen Kaffee in die Hand und einen Kuss auf die Wange drückte, bevor er sich umdrehte. Nun kam er auf die Polizeiwache und gleichzeitig auf sie zu.

„Guten Morgen, Schönheit. Kann ich weiterhelfen?”

„Guten Morgen. Nein, vielen Dank. Ich komme klar.”

„Warten Sie, ich öffne Ihnen zumindest die Türe.”

„Danke. Das ist nett.”

„Ich bin Officer José Alvaro. Und Sie sind?”

„Monica Taylor. Ich bin die neue Notrufdisponentin am Empfang.” Der Ton, den sie anschlug, war schon die halbe Miete. Sie war neu. Sie war hier, um zu arbeiten. Punkt. Auch wenn sie das vielleicht wie eine Zicke aussehen ließ.

„Dann willkommen im Idaho Springs Police Department. Vielleicht gehen Sie mal mit mir einen Kaffee trinken?” Anscheinend musste sie doch deutlicher werden.

„Das denke ich nicht. Aber hier greifen Sie zu. Sie können sich einen Kaffee und einen Donut nehmen. Dann können Sie einen Kaffee mit mir trinken.“ Der Blick, den sie ihm jetzt zuwarf, sollte alle Zweifel im Keim ersticken.

„Keine Sorge, den Hinweis habe ich verstanden.” Ein Schmunzeln stahl sich auf seine Lippen, das ihn noch attraktiver machte. „Aber bei so einer hübschen Lady musste ich mein Glück versuchen.”

„Danke, das weiß ich zu schätzen.”

Monicas Einschulung durch Leeann Knox, die in Kürze in den verdienten Ruhestand gehen würde, war allumfassend. Monicas begonnene medizinische sowie die abgeschlossene Ausbildung als Notruf-Disponentin waren ihr dahin gehend eine große Hilfe. Sie wusste um die Abkürzungen, die im Polizeinotruf zum Sprachgebrauch gehörten, genauso wie um die Einschätzung von Notfällen.

Die administrative Arbeit, die damit einherging, war ihr ebenfalls vertraut, was Leeann nicht entging. Bereits am Nachmittag ihrer ersten gemeinsamen Schicht wirkte die Frau deutlich entspannter. Sämtliche Kollegen hatten sich den Vormittag über eingefunden, um sie willkommen zu heißen und waren positiv überrascht von der süßen Aufmerksamkeit, die sie aus der Bäckerei mitgebracht hatte.

Was ihr unheimlich imponierte, war die Tatsache, dass alle sofort in das familiäre „Du“ mit ihr wechselten. Es machte ihr das Ankommen im neuen Job um ein Vielfaches einfacher.

Alles in allem konnte sie ein erfolgreiches Fazit ihrer ersten Schicht ziehen. Wäre da bloß nicht José Alvaro, der sich aufopfernd bemühte, bei ihr einen guten Eindruck zu hinterlassen. Er war wirklich zuvorkommend gewesen. Sein Charme war gefährlich, denn selbst sie konnte sich kaum davor schützen, dass ihr Herz schneller schlug, sobald er in ihrer Nähe auftauchte. Allerdings sah er auch sündhaft gut aus, mit seinem trainierten Körper, seiner olivfarbenen Haut und den südländischen Zügen. Seine dunklen Augen und sein kurz geschorenes dunkles Haar verliehen ihm Autorität. Ja, eindeutig ein Hingucker.

Was aber nichts an der Tatsache änderte, dass sie über das Schauen nicht hinausging. Einige wenige One-Night-Stands bildeten da die Ausnahme. Die letzte Ausnahme war bereits zwei Jahre her. Und seither war ihr kein Mann über den Weg gelaufen, der sie von ihrem Vorhaben, den Männern abzuschwören, abgebracht hätte. Im Gegenteil, leider war es immer wieder zu unangenehmen Situationen mit solchen Männern gekommen. Vorrangig, da sie ihre Narben entdeckten und es auch Männer gab, die absolut unpassend darauf reagierten. Aber auch, da sie in letzter Zeit für sich entschieden hatte, ein Oberteil anzubehalten, um den unangenehmen Fragen auszuweichen, was ebenfalls – bestenfalls – für Verwunderung gesorgt hatte.

Die Schicht war zugegebenermaßen schnell vorüber gewesen. Monica hatte ihre Uniform und einen Spind zugeteilt bekommen. Die Garderobe wurde von Männern und Frauen gleichermaßen benutzt. Was bedeutete, dass sie sich für die Sommermonate etwas einfallen lassen musste. Keinesfalls würde sie einem der hier angestellten Personen ihre Narben in voller Pracht zeigen. Sie war es gewohnt, auch im Sommer langärmelige Oberteile zu tragen. Diese waren dann meist aus Netz und mit Aufdruck, damit die verschrumpelte Haut darunter verborgen blieb. Asymmetrische Tops spielten ihr da regelmäßig in die Karten.

Sie schnappte sich ihr Handy und schickte eine schnelle Nachricht an Sally.

MONICA: Die Schicht war toll! Ich mag meine Kollegen und verstehe mich gut mit Leeann. Soweit ich das sehen konnte, hat sie meine heutige Arbeit bereits überzeugt.

SALLY: Großartig, Monica! Ich wusste, dass du dich machst. Wie geht es dir sonst? Möchtest du vorbeikommen?

MONICA:Danke für das Angebot, aber die positiven Vibes überwiegen. Ich denke, ich komme heute klar.

SALLY:Solltest du deine Meinung ändern, lass es mich wissen. Ich bin da, sofern du mich brauchst.

MONICA:Das weiß ich doch. Danke dir.

So war Sally. Ihre Freundin hatte selbst Gewalt in der Familie erfahren, als ihre Schwester von ihrem Partner misshandelt worden war. Es hatte etwas gedauert, doch sie konnten sie schlussendlich aus diesem Martyrium befreien. Niemand sollte in Angst leben müssen. Ein frommer Wunsch, wenn man darüber nachdachte, dass sie selbst es seit Jahren tat. Wenngleich die psychische Folter, der sie ausgesetzt war, einem anderen Grund entsprang.

Erneut drohten ihre Gedanken, in die falsche Richtung abzurutschen, als ein Streifenwagen am Bordstein neben ihr hielt. Das Beifahrerfenster öffnete sich und die markante dunkle Stimme von Officer Alvaro drang zu ihr hinüber.

„Monica, komm steig ein. Ich bringe dich nach Hause.”

„Danke, aber das ist nicht nötig. Ich vertrete mir gerne die Beine, nachdem ich so lange im Büro gesessen habe.“

„Okay, Schönheit. Aber das ist die zweite Abfuhr, die ich von dir heute bekomme. Denk nicht, dass ich dir eine weitere zugestehe.” Zwinkernd ließ er das Fenster wieder hochkommen und fuhr weiter. Und einfach so ließ er sie stehen. Sie war es von Männern nicht gewohnt, dass sie auch mal klein beigaben. Ihre Wangen fühlten sich heiß an und ihre Lippen hatten sich zu einem Lächeln verzogen. Es würde eine Herausforderung werden, ihm zu widerstehen.

Ein paar Schritte weiter machte sie einen kurzen Abstecher ins Reggie’s. Ein kleines Pub mit Tagesgerichten, wovon sie heute etwas mitnehmen wollte. Ihr war nicht danach, noch in den Supermarkt zu gehen und anschließend zu kochen. Sie wollte sich duschen, dann auf die Couch und einen gemütlichen Abend mit einem romantischen Film von Netflix verbringen.

Da ihr Leben kaum noch Intimität, geschweige denn Romantik zuließ, genoss sie es allabendlich, sich in Filme oder Serien zu flüchten, um dort mit den Protagonisten Herzschmerz und die wahre Liebe zu erleben. Wie armselig sie doch geworden war.

José konnte den Anblick der dunklen Schönheit nicht vergessen. Monica war eine Augenweide. Ihre Augenfarbe erinnerte an flüssige Schokolade, und ihr schwarzes Haar fiel ihr in langen Wellen über ihre Schulter. Als ihr Gesicht heute von der Sonne geküsst vor ihm auftauchte, war er anfangs nicht sicher, ob er nicht halluzinierte.

Nicht, dass er sie nicht bereits zuvor gesehen hatte. Immerhin war sie nun etwa zwei Monate in der Stadt. Doch anscheinend hatte er nie richtig hingesehen.

„Was ist denn mit dir los, Junge? Cariño, träumst du?“ Seine Mutter hielt ihm den vollen Teller hin und er musste sich zusammenreißen, um wieder ins Hier und Jetzt zurückzukehren. Seine Schwester hatte heute die Familie versammelt. Sie wollte Neuigkeiten verkünden. Verlobt war sie ja bereits, also was sollte nun schon wieder so aufregend sein?

„Lo siento mamá. Ich habe gerade über etwas nachgedacht.“ Der Blick, den ihm seine Mutter zuwarf, war viel zu intensiv. Sie hatte die Gabe, mehr zu sehen, als er zu verraten bereit war.

„Schon in Ordnung, cariño. Hier, nimm bitte den Teller für deinen papá mit.“ Seine Eltern waren als Teenager aus Venezuela nach Denver eingewandert und hatten sich hier ein Leben aufgebaut. Carlos, sein Vater, war Bauunternehmer, der gerade dabei war, sein Unternehmen zu verkaufen und in den Ruhestand zu gehen. Marietta, seine Mutter, arbeitete lange Zeit in einem venezolanischen Restaurant. Anfangs Vollzeit, danach hatten sie ihren Lebensmittelpunkt nach Idaho Springs verlagert und sie war nur noch Teilzeit im Ausmaß von zwei Wochentagen nach Denver zur Arbeit gefahren.

Sobald er und seine Schwester da waren, war sie für die ersten Jahre als Hausfrau tätig gewesen und hatte sich um sie gekümmert. Als auch seine Schwester auf die Highschool ging, hatte sie einen Foodtruck gekauft und war in Idaho Springs täglich an einer anderen Stelle mit venezolanischen Spezialitäten unterwegs gewesen. Vor allem bei der ehemaligen Goldmine, die jetzt eine Touristenattraktion war, wurde sie immer gerne gesehen.

Vor zwei Jahren hatte sie einen leichten Schlaganfall gehabt, der sie dazu zwang, kürzerzutreten. Sein Vater hatte ohne Umschweife den Foodtruck verkauft und ihr einen Wintergarten sowie einige Hochbeete auf ihr Grundstück gebaut. Nun zog sie ihr eigenes Gemüse zu jeder Jahreszeit und verwöhnte sowohl Familie als auch Bekannte mit ihren Köstlichkeiten im kleinen Rahmen.

„Hola familia! Wir sind da!“ Die Stimme seiner Schwester Arianna drang durch den Flur. Ihr Verlobter war Steven James aus St. Louis. Sie hatten sich auf dem College kennen und lieben gelernt. Keine Frage, dass José ihn und seine Familie komplett durchleuchtet hatte. Steven kam aus gutem Hause, seine Familie war im Bankengeschäft und hatte einflussreiche Freunde. Man konnte nie wissen, wofür es vielleicht mal gut wäre.

„Hola cariña. Schön, dass ihr hier seid. Das Essen ist fertig. Holt eure Teller, pitufina.“ Selbst mit ihren vierundzwanzig Jahren wurde Arianna von ihrer Mutter noch als Schlumpfine bezeichnet. Ein Kosename, den sie in der Kindheit erhalten hatte. Erst als alle am Tisch saßen, wurden die Hände gereicht und Josés Vater sprach das Tischgebet.

„Santo Padre, te damos gracias por el alimento que nos has dado y que nuestra familia se haya reunido nuevamente en salud. Amén.“ Übersetzt hieß es: Heiliger Vater, wir danken dir für die Speisen, die du uns beschert hast und dass unsere Familie in Gesundheit erneut zusammengefunden hat. Amen.

Steven hatte sich schnell an den Hausgebrauch gewöhnt. Für Arianna und José war es ein erdendes Ritual. Es erinnerte sie an ihre Kindheit, an die Familie, an die Möglichkeiten, die viele andere nicht hatten.

„Also, Arianna. Was führt uns heute hier zusammen?” Sein Vater war niemand, der gerne auf die Folter gespannt wurde. Der Blick, den sie daraufhin mit Steven tauschte, ließ es in Josés Magen rumoren.

„Wir bekommen ein Baby!” Sie schnappte sich Stevens Hand, ihre Mutter schlug die Hände vor den Mund und unterdrückte die Tränen. Dann sprang sie jauchzend auf und lief auf ihre Tochter zu, um sie stürmisch in die Arme zu ziehen.

„Mi hija está embarazada. Mi cariña, será madre! Oh, ich freue mich so für euch. Meine Tochter wird auch eine Mama. Carlos, hast du gehört? Wir werden Großeltern!“

„Sí, mi belleza, lo escuché. Natürlich habe ich es gehört, meine Schöne.”

„Herzlichen Glückwunsch euch beiden.” José hatte sich ebenfalls erhoben und streckte Steven seine Hand entgegen. „Ich muss nicht erst erwähnen, dass du auf sie und meine Nichte oder Neffen aufpassen wirst, oder?“

„Nein, keine Sorge, José. Ich werde sie auf Händen tragen.“

„Estoy increíblemente feliz por ti. Ich freue mich wahnsinnig.” Er hatte seine Schwester in den Arm genommen, drückte sie und flüsterte ihr diese Worte ins Ohr. Natürlich konnte sie nicht anders, als ob dieser Zurschaustellung von Liebe zu weinen.

„Vamos! Lasst uns essen und dann möchte ich die Ultraschallbilder sehen.” Der Ruf ihrer Mutter war wie ein Befehl. Erst als er wieder saß, wurde José wirklich bewusst, dass seine kleine Schwester vor ihm eine Familie gründen würde. Sie war verlobt und würde bald Mutter werden. Wann hatte sie ihn abgehängt? Aber wo dachte er hin? Eigentlich war es doch wunderbar. Seine Schwester würde der Familie die Erben bringen, die seine Eltern erholsamer schlafen ließ. Somit konnte er sein Junggesellenleben weiterführen, ohne sich Gedanken machen zu müssen. Weshalb ihm nun wieder die dunkle Schönheit im Kopf umherspukte, konnte und wollte er nicht weiter ergründen.

Das Essen wurde vom Austausch an Informationen zur Schwangerschaft und deren Begleiterscheinungen bestimmt, weshalb es José nicht allzu lange bei Tisch hielt. Sobald er geholfen hatte das Geschirr in die Küche zu bringen, verabschiedete er sich und fuhr nach Hause.

Sein Bungalow lag nahe dem Clearcreek River. Im Osten grenzte die Anlage der Idaho Springs Gold Mill an seinen Garten, im Westen gab es drei Nachbargrundstücke. Vor ihm verlief der Riverside Drive mit der Lutherischen Kirche und hinter dem Haus begrenzte der Clearcreek River seinen Garten. Alles in allem ein ruhiger Fleck in Idaho Springs.

Vor nicht allzu langer Zeit war Rita Morgan, eine Sanitäterin der Idaho Springs Fire Station, zwei Häuser weiter eingezogen. Seither war für ihn klar, dass er die Finger von ihr lassen musste. Sie passte genau in sein Beuteschema. Aber sie jetzt so nahe bei sich zu haben, würde nur zu schlechten Schwingungen führen, die er in seinem Zuhause nicht wollte. Langsam hatte sich auch eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. Oft nahm er sie mit zur Arbeit, wenn sie zeitgleich Schicht hatten.

Somit sparten sie Kraftstoff und vertieften ihre Freundschaft, wobei Rita sonst das ganze Jahr mit dem Fahrrad unterwegs war. Er schloss die Tür und steuerte seine Couch an. Sobald der Fernseher lief, konnte er endlich entspannen.

Kapitel 1

Monicas erste Woche im neuen Job verlief ohne besondere Vorkommnisse. Sie verstand sich gut mit allen Kollegen und Kolleginnen. Leeann hatte bereits Mitte der Woche festgestellt, dass sie in Kürze gebührend durch sie vertreten werden würde und José hielt sich auf Abstand. Wenngleich er es schaffte, allein mit wenigen Blickkontakten zu flirten.

Maya Rosen, mit der sie sich den Job am Empfang teilte und Jax Walker, die einzige Polizistin im ISPD, waren zu ihren Konstanten geworden. Auch Monicas Freundin Sally und deren Freundin Jenna meldeten sich immer wieder und boten ihre Unterstützung an. Zwischenzeitlich hatten sie es bereits zweimal geschafft, sich auf einen schnellen Kaffee in Cindys Bäckerei zusammenzufinden. Sie mochte all diese Frauen und konnte sich vorstellen, dass sie gute Freundinnen werden würden, wenn sie es nicht schon waren.

Es war Freitagnachmittag, Mitte April. Monicas letzte Schicht in dieser Woche. Sie war nun bereits sechs Wochen im ISPD tätig und der Job machte ihr immer noch große Freude.

„Hi, Monica. Ich habe eben mit Jax und ein paar Kollegen die letzten Details für Leeanns Abschiedsparty nächste Woche abgesprochen. Du kommst doch, oder?“

„Hey, Maya. Na klar, das lasse ich mir doch nicht zweimal sagen. Auch wenn ich, ehrlich gesagt, froh bin, dass Leeann in den verdienten Ruhestand geht. Noch eine weitere Woche mit ihrem Hinweis, dass ich mir nicht alles aufschreiben muss, wäre meiner Gelassenheit nicht gut bekommen.“

„Das hast du aber nett ausgedrückt. Aber ich kann dich absolut verstehen. Sie hat nie verstanden, dass nicht jeder nach ihrem Schema gearbeitet hat. Ich hatte Glück, dass wir kaum gemeinsam gearbeitet hatten, kann aber absolut nachempfinden, dass es schwierig sein muss, von ihr eingeschult zu werden.“

„Ja, wobei es in Kürze durchgestanden ist. Wir haben nur noch einen Dienst kommende Woche zusammen und dann freue ich mich darauf, ihr alles Gute für ihre Zukunft zu wünschen.“ Jetzt konnte sie sich ein Lachen nicht verkneifen. Der Blick und die zur Decke ausgestreckte Faust von Maya, die einen Sieg signalisieren sollten, ließen ihr Herz aufgehen.

„Du sagst es!“

Kurz vor sechs steuerte Monica das Reggie’s an. Das kleine Pub war mittlerweile ihr Stammlokal geworden. Ein freies Wochenende lag vor ihr, das sie nicht mit Kochen beginnen wollte. Daher beschloss sie, sich erst etwas Leckeres zu holen und anschließend in gemütlicher Kleidung auf der Couch zu entspannen.

Kaum hatte sie den Laden betreten, als ihr schon diverse angenehme Aromen und ein Stimmengewirr entgegenschlugen. Wie so oft waren einige Einwohner eingekehrt. Die jüngere Generation fand ihre Ablenkung in der Diskothek des Inns, die ältere genoss die entspannte Atmosphäre und das Essen hier.

Erst auf den zweiten Blick erkannte sie José, der an einem Zweiertisch im rückwärtigen Bereich saß und auf seinem Handy etwas las, während er ein Bier vor sich stehen hatte, an dem er nun nippte.

Sein Blick fand ihren, bevor sich Monica wegdrehen konnte, und er bedeutete ihr, auf dem zweiten Stuhl Platz zu nehmen. Kurz überlegte sie zu verneinen. Doch es schien an diesem Abend recht voll zu sein, was bedeutete, dass sie vermutlich eine gewisse Zeit auf ihre Bestellung warten musste. Weshalb das also nicht im Sitzen tun?

„Ich möchte dich nicht in deiner Freizeit stören“, begann Monica, als sie sich Josés Tisch näherte.

„Du störst nicht, wenn ich dich einlade bei mir zu sitzen.“

„Danke, aber ich möchte nur etwas zum Mitnehmen bestellen.“

„Kein Problem. Du kannst die Wartezeit hier überbrücken.“

„Sehr gerne.“ Sie setzte sich ihm gegenüber und blickte hinter sich, um die Bedienung auf sich aufmerksam zu machen.

„Hey, Lucy. Könntest du hier noch eine Bestellung aufnehmen?“ José kam ihr zuvor, er kannte die Kellnerin mit Namen, wenn das mal nicht wieder bezeichnend war. Die Frauen schienen nicht an ihm vorbeizukommen.

„Willkommen im Reggie’s, was darf ich dir bringen?“

„Hi, ich hätte gerne eine Portion Chili und etwas Brot dazu. Alles zum Mitnehmen, bitte.“

„Gerne. Möchtest du etwas trinken, während du wartest?“

„Vielleicht … eine Cola. Danke.“

„Kommt sofort. Für dich noch etwas, José?“ Ihr Zwinkern in seine Richtung ließ vermuten, wie gut sich die beiden kannten.

„Nicht nötig, Lucy. Danke.“ Sie nickte und war schon wieder unterwegs zur Theke.

„Kennst du sie gut?“ Monicas Worte waren raus, bevor sie genauer darüber nachdenken konnte.

„Oh, du meinst Lucy? Ja, wir kennen uns schon sehr lange. Was in einer Kleinstadt wie dieser nicht allzu verwunderlich ist.“

„Vermutlich.“ Innerlich trat sich Monica gegen ihr imaginäres Schienbein für die Frage. „Wartest du auch auf dein Essen, oder bist du schon fertig damit?“ Sie musste wieder auf ungefährliches Terrain wechseln.

„Ich warte noch. Eigentlich hatte ich vor, es mitzunehmen. Aber es wäre doch schade, wenn wir beide allein zu Hause essen, wenn wir schon mal hier sind und genauso gut in Gesellschaft essen können.“

„Oh, ich möchte dich keinesfalls aufhalten.“

„Das tust du nicht. Oder ist es dir unangenehm, mit mir zu essen?“

„Natürlich nicht.“ Und schon hatte er sie aufs Glatteis geführt. Jetzt konnte sie unmöglich zurückrudern.

„Ach, Lucy. Wir essen doch beide hier. Könntest du es uns an den Tisch bringen?“

„Natürlich, kommt sofort.“ Die Kellnerin hatte genau den richtigen Moment gewählt, um Monicas Getränk zu bringen.

„Wie gefällt es dir in Idaho Springs?“ Josés unverfängliche Frage sollte sie nicht so aus dem Konzept bringen.

„Gut, danke der Nachfrage. Ich fühle mich mit jedem Tag mehr angekommen, sofern das Sinn ergibt.“

„Das tut es. Und es ist schön zu hören. Ah, da kommt auch schon unser Essen.“

Lucy servierte ihnen die bestellten Speisen und verschwand gleich wieder in der Traube der Menschen, die um die Bar versammelt stand.

Sie aßen in trauter Schweigsamkeit, die Monica nicht als unangenehm empfand. Normalerweise war es nicht ihr bevorzugtes Kennenlernen, wenn man nebenbei etwas verzehrte. Es musste dann immer darauf geachtet werden wann man etwas fragte und meist kühlte das Essen aus, bevor man es genießen konnte. Zu antworten, während man kaute, war eine ebenso große Herausforderung, wie ständig mit der Hand vor dem Mund zu lächeln, um etwaige Reste, die zwischen den Zähnen hingen, zu verbergen.

In diesem Fall aber verhielt es sich jedoch richtig entspannt. Erst als sie nur noch wenig auf den Tellern hatten, begegnete sie Josés fragendem Blick.

„Wirst du kommende Woche bei Leeanns Abschied sein?“

„Ja, Maya hat mich bereits über die Details informiert. Und wenn ich ehrlich sein darf, freue ich mich, dass Leeann bald in ihren verdienten Ruhestand gehen kann. Sosehr ich ihre Geschichten über ihr Enkelkind mag, so soll ihr Privatleben in Zukunft auch genau das bleiben – nämlich privat.“

„Ich habe schon mitbekommen, dass du Job und Privat gerne getrennt hältst.“

„Soweit es mir möglich ist, ja. Natürlich verstehe ich mich gut mit Jax oder auch mit Maya. Ich bin sicher, dass wir auch mal außerhalb des ISPD etwas gemeinsam unternehmen werden, außer nur Kaffee zu trinken. Trotzdem oder gerade deshalb möchte ich Berufliches und Persönliches trennen. Es geht niemanden etwas an, was wir trinken, wo wir hingehen oder was man untereinander bespricht.“

„Das kann ich nachvollziehen und da gebe ich dir absolut recht.“

„Aber du hältst es für dich selbst nicht so, oder?“

„Nicht ganz so strikt, nein. Wenn man jahrelang zusammenarbeitet, ergeben sich Freundschaften, das ist unumgänglich. Und dann ist man eines Tages auf einer persönlichen Ebene, das kann man nicht verhindern. Sieh dir Michael und mich an. Wir sind seit fünf Jahren Partner und haben viele Dienste zusammen. Er kennt meine Familie, ich kenne seine. Wenn es ihm dann schlecht geht, frage ich natürlich nach, gebe Ratschläge so weit ich kann und versuche ihn zu unterstützen. Als mein Vorgesetzter und ranghöherer Sergeant hat er das Sagen im Einsatz. Das stelle ich wiederum nicht infrage. Man muss nur eine gewisse Flexibilität und ein Gespür dafür entwickeln.“

„Ich verstehe was du meinst.“ Das konnte Monica tatsächlich. Natürlich war es für sie etwas anderes, da sie nur im Department und nicht im Außeneinsatz war. Wenn die Männer oder auch Jax auf der Straße waren, mussten sie einander vertrauen und sich blind aufeinander verlassen können, was weitaus leichter funktionierte, je besser man sich kannte.

Sie war begeistert wie einfach es war, sich mit José zu unterhalten. Ihre Haltung ihm gegenüber wurde lockerer. Seine Augen funkelten, wenn er über etwas sprach, das ihm viel bedeutete.

„Ah, hier bist du, José!“ Rita stand plötzlich neben ihrem Tisch und legte ihre Hand an Josés Schulter. „Bist du fertig, können wir los? Hallo, Monica.“

„Ähm, ja, mit essen sind wir durch. Wir können gleich los. Ich zahle beim Hinausgehen. Entschuldige das abrupte Ende, Monica.“