Feldspiel und Weltspiel, Batter und Bowler: Über Baseball, Cricket und Literatur - Peter Münder - E-Book

Feldspiel und Weltspiel, Batter und Bowler: Über Baseball, Cricket und Literatur E-Book

Peter Münder

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Beschreibung

Um 1900 waren die beiden Sportarten Baseball und Cricket in den USA sehr populär und fanden ungefähr gleich viele Anhänger. Doch dann erlebte plötzlich nur Baseball einen starken Boom und Cricket wurde als Freizeit-Aktivität für empfindsame Schöngeister in eine Nische abgedrängt, während Baseball als »uramerikanischer« National-Sport mit nationaltypischen Eigenschaften von Vereinen und Fans vereinnahmt und im großen Stil vermarktet wurde. Im Essay »Feldspiel, Weltspiel« versucht Peter Münder diesen unterschiedlichen Entwicklungen und angeblich nationaltypischen Aspekten auf den Grund zu gehen. Berücksichtigt werden dabei soziologische und psychoanalytische Studien, Baseball-Haiku, englische Cricket-Anekdoten und vor allem zwei Romane, deren Hauptfiguren Baseball-, bzw. Cricket-Spieler sind: Chad Harbachs Bestseller »Die Kunst des Feldspiels« und Joseph O´Neills »Niederland«.

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Seitenzahl: 73

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Über das Buch

Um 1900 waren die beiden Sportarten Baseball und Cricket in den USA sehr populär und fanden ungefähr gleich viele Anhänger. Doch dann erlebte plötzlich nur Baseball einen starken Boom und Cricket wurde als Freizeitaktivität für empfindsame Schöngeister in eine Nische abgedrängt, während Baseball als »uramerikanischer« Nationalsport mit nationaltypischen Eigenschaften von Vereinen und Fans vereinnahmt und im großen Stil vermarktet wurde.

Im Essay »Feldspiel, Weltspiel« versucht Peter Münder diesen unterschiedlichen Entwicklungen und angeblich nationaltypischen Aspekten auf den Grund zu gehen. Berücksichtigt werden dabei soziologische und psychoanalytische Studien, Baseball-Haiku, englische Cricket-Anekdoten und vor allem zwei Romane, deren Hauptfiguren Baseball-, bzw. Cricket-Spieler sind: Chad Harbachs Bestseller »Die Kunst des Feldspiels« und Joseph O’Neills »Niederland«. In den USA gibt es nach einem jahrzehntelangen Nischendasein des Cricket inzwischen wieder einen kleinen Cricket-Boom, da die meisten Einwanderer aus der Karibik, Indien und Pakistan begeisterte Cricket-Spieler sind und sich z. B. in New York in rund hundert kleineren, aber sehr dynamisch-quirligen Clubs organisiert haben.Über den AutorPeter Münder arbeitet als freier Journalist in Hamburg. Er ist Anglist, hat in Londonderry/ Nord-Irland, Hamburg und an der FU Berlin studiert, über den engl. Dramatiker Harold Pinter promoviert und eine Biographie (Rowohlt Monografie) veröffentlicht. Er schreibt für CULTurMAG, Berliner Zeitung, ZEIT, SZ und den Spiegel. Sportlich engagiert ist er im Tischtennisverein AMTV (Hamburg-Rahlstedt) und im Schachverein Caissa.

Peter Münder

Feldspiel und Weltspiel, Batter und Bowler: über Baseball, Cricket und Literatur

Nationaltypische Aspekte von Baseball und Cricket anlässlich des Baseball-Romans »Die Kunst des Feldspiels« von Chad Harbach und des Cricket-Romans »Niederland« von Joseph O’Neill. Essay.

CulturBooks Verlag

Impressum Originalausgabe © CulturBooks Verlag 2013 Gärtnerstr. 122, 20253 Hamburg Tel. +4940 31108081, [email protected] Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

»On the Eighth Day God Created Baseball«
Feldspiel, Weltspiel
Schweben oder Klammern: Pioniere oder Stubenhocker?
Moneyball: Das Spiel der Buchhalter und der Investment-Jongleure
Gentlemen und Players: Was unterscheidet Cricket von Baseball?
Die Cricket-Faszination englischer Literaten
Cricket und Kommerz: Gold-Dollar für den Helden
Japanische Baseball-Begeisterung
Ist Baseball wirklich so uramerikanisch? Ist Cricket zu elitär für Amerikaner?
Neue New Yorker Cricket-Manie?
Nur eine Imagefrage oder gibt es unterschiedliche nationaltypische Eigenschaften bei Cricket und Baseball?
Eine neue Cricket-Blüte?
Und die Quintessenz?
Literaturverzeichnis

»Wenn der britische Cricketspieler mittags sein Tagewerk vollbracht hat, sein Negligee anlegt, die weißen Hosen mitsamt den schmucken Strümpfen überstreift und die Leinenschuhe festschnürt, dann zieht er mit seinem Mädel an einem Arm und dem Cricketschläger am anderen zum Sportplatz, wohl wissend, dass er bei seinem Nationalsport seinen Dress nicht beschmutzen und die Dame seines Herzens nicht vernachlässigen wird. Wenn aber der amerikanische Baseballspieler seinen Dress überzieht, verabschiedet er sich von der Gesellschaft und verwandelt sich – in einen einfachen Ballspieler! Er weiß, dass es sein Business ist, sich auf den Ball zu konzentrieren ... Cricket ist ein Zeitvertreib für sanftmütige Schöngeister – Baseball ist Krieg!«

Der amerikanische Baseball-Pitcher, Vereins-Organisator und Sportartikel-Hersteller Albert Spalding (1850–1915) in seinem 1911 veröffentlichten Buch »America’s National Game«.

»On the Eighth Day God Created Baseball«

»The Final Season« heißt der amerikanische Baseball-Allerweltstreifen, in dem der neue Coach Kent Stock in den ersten Szenen im Pontiac-Cabrio in das kleine Nest Norway/Iowa fährt, wo er die Schulmannschaft trainieren soll. Beim Durchfahren der ländlichen Gegend verharrt die Kamera kurz auf einer Postkarten-Idylle: Mehrere Bewohner winken dem neuen Trainer zu, man sieht entspannte, begeisterte Schüler beim Schlagen und Werfen und dann taucht ein kleines Schild an einer Scheune mit dem denkwürdigen Motto auf: »On the eighth day God created Baseball«. Als der Coach dann zum Training antritt, ist er ziemlich perplex: Die gesamte Kleinstadt ist mit Kind und Kegel angetreten, um den Neuen zu begutachten und wie üblich auch beim Training zuzuschauen – Baseball ist hier noch lebenswichtiger Teil des Alltags, von dem eine magische Kraft ausgeht. Hat Gott das Spiel vielleicht auch schon am ersten Tag der Schöpfung erfunden?

Aber der amerikanische Nationalsport hat nicht nur auf dem verschlafenen Land einen enormen Stellenwert. Baseball ist Kult, eine Art Religionsersatz und Inkarnation einer Erfolgsstrategie, die auf Teamarbeit bei gleichzeitiger individueller Höchstleistung und permanentem Streben nach Perfektion basiert. So ähnlich propagiert es ja auch die Vision vom American Dream. Da der Sport eine lange Tradition hat und schon vor dem Sezessionskrieg (1861–65) im Nordosten populär war, sei er auch fester Bestandteil der amerikanischen Kultur, erklärt John Grisham in einem ausführlichen FAZ-Interview zu seinem müden Baseball-Melodram »Calico Joe« (deutsch: »Homerun«): »Die Geschichte des Baseballs ist die Geschichte Amerikas, außerdem wird Baseball von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Mein Vater hat mir das in derselben Weise beigebracht, wie er es zuvor von seinem Vater gelernt hatte«.

Glaubt man einigen Baseball-Romanciers und Essayisten, dann sind die schönsten, intensivsten Kindheits- und Jugend-Erinnerungen auch mit Baseball verbunden: Nicht nur mit dem Sport selbst, sondern auch mit der Erinnerung an die gesammelten Bilder der großen Heroen von Henry L. Aaron über Joe di Maggio und Babe Ruth bis zu Cy Young. Denn immer noch wird das Verschwinden dieser nostalgischen Sammelbildchen beklagt, auch in Buchrezensionen und Essays.

Für Philip Roth (»Portnoy’s Complaint«, »The Human Factor«) schien Baseball über viele Jahre eine Art Universal-Philosophie zu sein, mit der man sich lebenslang beschäftigen und die Welt erklären konnte. Außerdem sollte seine »Great American Novel« von 1973 nicht nur die Geschichte der kleinen Truppe renitenter Veteranen-Baseballer nacherzählen, die an den Mythos der nationalistisch eingefärbten, vergessenen und tabuisierten Patriot League während des Zweiten Weltkriegs erinnern wollte, sondern eben auch den großen, definitiven amerikanischen Roman liefern. Der sollte nichts weniger als die Essenz der amerikanischen Lebensart, die Jagd nach dem flüchtigen Erfolg beschreiben: Das Leben als Feldspiel im Ballpark, als Teamsport und doch abhängig von großartigen individuellen Höchstleistungen – per aspera ad Homerun. Der große literarische Wurf wurde es zwar nicht, weil Roth sich zu sehr verzettelte im Kleinklein der Dispute zwischen Sportfunktionären und nostalgisch eingefärbten Revisionisten der Baseballgeschichte. Er konnte aber überzeugend vermitteln, welch bedeutende »Kultursäule« Baseball immer noch darstellt.

Die Baseball-Saison ist bis zur Winterpause in full swing, die amerikanischen Stadien sind voll, die Ereignisse der Major League werden ausführlich in den Medien gewürdigt. Auch die Skandale, wie etwa der Dopingfall um den Milwaukee Brewers Outfielder Ryan Braun, der für 65 Spiele gesperrt wurde, nachdem er als Konsument eines Wachstumshormons überführt wurde. Auch der New York Yankee-Baseman Alex Rodriguez, eins der ganz großen, berühmten Baseball-Talente, soll gedopt haben und sich bei derselben Anti-Aging-Klinik versorgt haben wie Braun: »How could he be so dumb?«, fragte das Magazin »Sports Illustrated« in einer Titelgeschichte.

Im Hintergrund dieser Skandalberichte hört man deutlich die Kassen klingeln: 28 Millionen Dollar Jahresgehalt kassiert Rodriguez. Und gleichzeitig werden Baseball-Epen, Tragödien über gescheiterte vielversprechende Nachwuchstalente, alte Geschichten über gestrauchelte Heroen oder Initiationstories über Ausnahmetalente auf der Suche nach der eigenen Identität veröffentlicht, die schnell zu Bestsellern werden. Nach der Veröffentlichung von Chad Harbachs ebenso sensiblem wie spannendem Baseball-Bestseller »The Art of Fielding« (»Die Kunst des Feldspiels«), an dem er zehn Jahre lang arbeitete, dann Dutzende von Absagen bei Verlagen kassierte und schließlich über einen begeisterten jungen New Yorker Agenten einen Vorschuss von 665.000 Dollar ersteigern konnte, wirkt ein Rückblick auf die Tradition amerikanischer Baseball-Literatur und auf Autoren mit Baseball-Enthusiasmus ganz erhellend.

Denn die Frage liegt ja nahe: Wenn Baseball der amerikanische Nationalsport ist – neben Football und Basketball – und seit Generationen gespielt wird, lässt sich dann eruieren, ob durch diesen populären Sport vielleicht ein besonderer Aspekt der »typisch amerikanischen« Mentalität besonders angesprochen wird? Denn es ist ja schon überraschend, dass es Dutzende von amerikanischen Baseball-Romanen und Filmen gibt, während kein entsprechendes deutsches Fußball-Äquivalent existiert: Wo sind all die Fußball-Romane von Günter Grass, Siegfried Lenz, Heinrich Böll, Martin Walser, Frank Schirrmacher, Florian Illies, Niklas Maak, Sten Nadolny, Eugen Ruge, Botho Strauß, Frank Schätzing, Uwe Tellkamp, Wolfgang Herrndorf? Dabei hat die deutsche Fußball-Begeisterung doch einen neuen Klimax erreicht? Befürchten die Autoren hierzulande, einem patriotischen Rausch zu verfallen, wenn sie die Jagd nach dem nächsten Tor beim DFB-Pokal, in der Champions League oder beim Kampf um die Tabellenspitze der Bundesliga thematisieren? Offenbar haben unsere Topautoren selbst zu wenig praktische Erfahrungen gesammelt beim Versuch, das Runde ins Eckige zu bolzen.