Feuerherz - Jennifer Wolf - E-Book

Feuerherz E-Book

Jennifer Wolf

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Beschreibung

**Die Magie der Flammen** Die siebzehnjährige Lissy ist das wohl schlagfertigste Mädchen ihrer Klasse und nimmt auch in den kritischsten Situationen kein Blatt vor den Mund. So hart ihre Schale aber auch sein mag, so weich ist doch der Kern. Denn sie wünscht sich nichts anderes als die übrigen Mädchen: die Freundin von Ilian Balaur zu werden, dem bestaussehendsten Typen der ganzen Schule. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Dachte sie zumindest immer. Bis sie einsehen muss, dass alles, was ihr bislang vollkommen unmöglich erschien, durchaus existieren kann. Und das gilt nicht nur für die Zuneigung von Ilian Balaur…

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2013 Text © Jennifer Wolf, 2013 Betreuendes Lektorat: Pia Trzcinska Umschlagbild: shutterstock.com / © Kiselev Andrey Valerevich (Paar) / © Drakonova (Ornament) Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral, Gothic Ultra OT / Blue Vinyl Fonts Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund

Für meine Tochter

Alice

Mögest du öfter auf das Engelchen auf deiner Schulter hören!

Prolog

Mein Name ist Lissy, ich bin siebzehn Jahre alt, lebe mit meinem Vater, seiner neuen Frau Carmen und meinen beiden Frettchen Trulli und Egon in Köln. Na ja, eigentlich heiße ich Elisabeth, aber den Namen finde ich furchtbar (sorry an alle Elisabeths da draußen!). Ich habe auch noch einen großen Bruder, Thomas, der in Afrika studiert und uns immer erzählt hat, dass er wie unsere verstorbene Mutter Archäologe werden möchte. Für mich wäre das ja nichts … im Dreck wühlen und so … nein, danke. Für ihn anscheinend auch nicht, denn im Endeffekt ist er wegen was ganz anderem in Afrika. Aber das verrate ich erst später.

Das Einzige, was ich in meinem bisherigen Leben gewollt hatte, war, die Freundin von Ilian Balaur zu werden, dem coolsten und bestaussehenden Typen der ganzen Schule. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Dachte ich zumindest bislang.

Aber kommen wir zu meiner Geschichte …

Kapitel 1

»ELISABETH!«, kreischte meine Stiefmutter von unten. Ich setzte meine Kopfhörer ab und lauschte.

»Wir müssen los, sonst komme ich zu spät!« Carmen, meine Stiefmutter, war vor ungefähr zwei Jahren bei uns eingezogen. Unmittelbar nach dem Tod meiner Mutter. Der Verdacht, dass Papa schon lange davor eine Affäre mit ihr gehabt hatte, lag da natürlich nah.

Ich sah noch einmal prüfend in den Spiegel. Meine blaue Chinohose saß etwas knapp auf meinen Hüften, aber scheiß drauf … ich war kein Hungerhaken und das war auch gut so. Ich trug meine Kleidergröße 40 mit Stolz und warum auch nicht? Bei mir war jedes Gramm an der richtigen Stelle. Ich hatte einen runden, weiblichen Hintern, eine sehr ansehnliche Oberweite und lange, fransige blonde Haare. Wen störten dann schon die kleinen Rettungsringe um den Bauch? Bauchfrei war seit den Neunzigern sowieso out.

Ich schlüpfte in meine gelben Ballerinas und ordnete die farblich dazu passende Bluse. Den Pony aus dem Gesicht pustend griff ich nach meinem Rucksack … Wo war denn nur …?

»CARMEN? WO IST MEIN MATHEBUCH?!«

»WAS WEISS ICH?«, antwortete das Stiefmonster. Grrr! Sicherlich hatte ich es gestern bei Leon vergessen. Wer Leon ist? Leon ist der männliche Part unserer Clique, bestehend aus meiner besten Freundin Conny, meiner Sandkastenfreundin Mischa, meiner Wenigkeit und Leon. Der arme Kerl wurde mitten in die Titanic-Generation hineingeboren, in der alle Frauen unbedingt einen »Leo« haben wollten, Leonardo (DiCaprio) aber zu tuntig klang, und man sich deswegen auf Leon geeinigt hat (sofern der Vater ein Mitspracherecht hatte, was in Leons Familie Gott sei Dank der Fall gewesen war). Wir Mädels nannten ihn immer liebevoll ›unseren Welpen‹, da er eine Klasse übersprungen hatte und somit der Jüngste war. Er war gerade sechzehn geworden, während wir anderen dieses Jahr siebzehn wurden. Auf seiner Geburtstagsfeier letztes Wochenende waren wir beide so betrunken gewesen, dass wir in der Kiste gelandet sind. Dabei war er eigentlich gar nicht mein Typ … Aber so war das eben, wenn man das erste Mal legal Bier trinken durfte. Er hatte ordentlich einen im Tee gehabt und ich war auch nicht viel besser gewesen. Versteht mich nicht falsch, ich bin keine Säuferin, aber nach einigen Kölsch-Colas bis zum Verlust der Muttersprache hatte der liebe Leon allzu verführerisch ausgesehen. Hey, es war sein sechzehnter Geburtstag! Höchste Zeit, ihn für die Damenwelt warm zu machen …

Leon war übrigens ungefähr fünf Zentimeter größer als ich, schwarzhaarig, noch von den Nachwirkungen der Pubertät her mit Pickeln gestraft und im Grunde genommen schlank. Mit »im Grunde genommen« meine ich, dass er ein kleines Bäuchlein vom Chipstütenstemmen hatte. Nicht weiter störend … mit der richtigen Dosis Liebeshormone könnte frau das sogar süß und kuschelig finden. Dass er klug ist, muss ich wohl nicht erwähnen? Er will mal Arzt werden. Wenigstens hat einer von uns einen Plan …

»ELISABETH!«, hallte es erneut von unten.

»Das heißt Lissy«, korrigierte ich sie knurrend und sah noch einmal in den Spiegel. Mein Make-up saß. Das musste es heute auch, denn ich hatte Spanisch und das bedeutete: Ilian.

Ilian Balaur. Schon der Name jagte mir einen Schauer durch den Körper. Leider Gottes gehörte Ilian einer anderen Clique an. Einer Clique, die mit meiner herzlich wenig gemein hatte. Ja, man könnte sogar sagen, dass wir uns gegenseitig nicht riechen konnten. Wobei man das nicht zu wörtlich nehmen sollte, denn jede Spanischstunde badete ich regelrecht im Rasierwasser dieses jungen Gottes. Ähnlich wie bei den anderen seiner Clique war an ihm einfach immer alles perfekt. Haare, Kleidung, … ja, sogar seine Fingernägel! Sauber, ordentlich gekürzt … einfach perfekt, und so nannten wir ihn und seine Clique unter uns auch immer »die Perfekten«. Gute Noten, gutes Aussehen … Ihnen würde mal die ganze Welt offen stehen. Also, es war ja jetzt nicht so, dass meine Freunde und ich Gesichtselfmeter waren, aber perfekt waren wir eben auch nicht. Mischa war sehr klein, ich war rund, Conny hingegen eine Bohnenstange und ein Schneewittchen (kein Arsch, kein Tittchen!) und unser Leo war pickelig. Normal eben. Ilian hingegen … hochgewachsen, sportlich, schlank, mit braunen kurzen Haaren, die die perfekte Länge hatten, um seine Hände darin zu versenken, für einen Mann unglaublich tolle, volle Lippen, die man am liebsten anknabbern wollte, aber das Beste an ihm waren seine Augen. Warme, haselnussbraune Augen. Leider war er vergeben und sprach nie auch nur ein Wort mit mir.

»ICH FAHRE OHNE DICH!«, drohte Carmen von unten. Das würde sie sich eh nicht trauen, aber ich wollte sie auch nicht auf die Probe stellen, also sprühte ich mir schnell etwas CK One Summer in die Haare (da hält Parfum am besten!) und rannte die Treppe herunter. In der Hand hielt ich mein Smartphone und tippte eine SMS an Leon, dass er mir bitte mein Mathebuch mitbringen sollte. Stiefmama erwartete mich unten schon in einem knallengen schwarzen Overall aus Chiffon. Gruselig, wo hatte sie den denn gefunden?

»Wegen dir komme ich zu spät ins Atelier!« Carmen war Künstlerin. Sie machte Figuren von dicken Frauen, also so Steinzeugs. Ganz nach ihrem Ebenbild. Sie wollte damit das Figurbewusstsein der Frau stärken. Mut zum Dicksein und so weiter. Aber zu Hause hockte sie dann auf dem Heimtrainer und knabberte Möhren, statt mit ihrer neuen Familie zu essen. Mein Vater schien schon immer ein Gespür für Frauen mit ausgefallenen Berufen zu haben. Meine leibliche Mutter – ich hatte sie nicht sehr gut gekannt, da sie immer unterwegs gewesen war – war Archäologin gewesen. Wenn sie mal daheim gewesen war, hatte sie immer in Büchern über alte Waffen geblättert. Ihr Fachgebiet.

»Wir können!«, teilte ich Carmen mit, nachdem ich Leons SMS-Antwort gelesen hatte. Mein Mathebuch war tatsächlich noch bei ihm.

»Das wurde ja auch Zeit.« Prinzessin, Stiefmonsters schwarzer Pudel, kläffte hektisch, weil er wusste, dass er nun Auto fahren durfte. Ich nahm ihn auf den Arm und trug ihn zu dem alten Käfer. Das war das einzig richtig Coole an Carmen. Ihr alter grüner Käfer. Ob ich ihn jemals würde fahren dürfen? Ich vermutete, dass meine Chancen recht schlecht standen, weil sie ihn mehr pflegte als sich selbst (was etwas heißen will, denn Carmen wäre nicht mal die Zeitung aus dem Briefkasten holen gegangen, ohne perfekt geschminkt zu sein).

Kurze Zeit später fuhren wir knatternd vor der Schule vor und ich schob Prinzessin nach hinten auf die Rückbank.

»Viel Spaß, Elisabeth«, wünschte mir meine Stiefmutter.

Ich schnappte mir meine Tasche, wich gekonnt ihrem Versuch aus, mir ihren Lippenstiftmund auf die Wange zu drücken, erinnerte sie zum zehntausendsten Mal daran, dass ich Lissy hieß und stieg aus.

Erste Stunde: Spanisch. Mein Herzschlag verdoppelte sich.

Jedes Mal wenn ich Ilian sah oder auch nur an ihn dachte, begann mein Herz zu rasen und meine Handflächen wurden schweißnass. Allein der Gedanke, ihm im Schulflur über den Weg laufen zu können, ließ mich selbst die furchtbarsten Tage überstehen. Die Vorstellung, er könne jeden Moment um die Ecke biegen, pumpte meinen Körper voll mit Glückshormonen und wenn es dann wirklich passierte, war es magisch. Natürlich sah er mich nie an, aber alleine seine Nähe machte mich für wenige Sekunden unheimlich glücklich. Ich erinnerte mich noch gut an den letzten Sommer, als er eine Woche lang gefehlt hatte. Am zweiten Tag seiner Abwesenheit erfuhr ich, dass er den Rest der Woche krankgeschrieben war, und von da an zogen sich die Schultage ins Unermessliche. Es war ein unglaubliches Gefühl gewesen, ihn am darauffolgenden Montag mit Gipsarm wiederzusehen. Ich bin vor Erleichterung innerlich fast zerflossen. Das Wochenende davor war wirklich kein Zuckerschlecken gewesen. Ich hatte ja nicht gewusst, warum er krankgeschrieben war, und die Sorge, dass er eine weitere Woche würde fehlen können, hatte mich vollkommen zerrissen. Übrigens hatte er noch heute eine kleine, blasse Narbe am Arm. Manchmal, wenn alle um mich herum beschäftigt schienen, starrte ich sie im Spanischunterricht an und fühlte wieder den Knoten in meinem Bauch, den seine Abwesenheit in meinem Magen geschnürt hatte. Fragt mich bitte nicht, wie es mir in den Ferien ging … Das Schlimme war ja, dass ich mit keinem über meine Gefühle für ihn reden konnte. Nicht mal mit Conny. Meine Freunde hätten es einfach nicht verstanden, denn für sie waren er und seine Clique: DER FEIND! Warum? Keine Ahnung, … vielleicht aus Neid? Von so etwas kann sich niemand freisprechen.

Ich ging durch den großen Torbogen der Schule und überquerte den Schulhof. Verdammt, hier war es viel zu leer. Ein Blick auf meine weiße Armbanduhr verriet mir, dass ich zu spät war.

»Mist!«, fluchte ich und beschleunigte meinen Gang. Zu spät zu kommen war schon peinlich genug, doch in Spanisch zu spät zu sein war noch viel schlimmer. Kennt ihr das, wenn einen alle anstarren? Von Ilian angesehen zu werden klang zwar verführerisch, aber bitte nicht vor der ganzen Klasse, wo jeder beobachten konnte, wie ich hochrot anlief!

Eiligen Schrittes überquerte ich den Schulhof und bog um die Ecke, um in das kleine Nebengebäude in der Nähe des Parks zu kommen, wo sich meine Spanischklasse befand. War das …? Ja, da saß Ilian auf der Mauer vor dem Eingang in der Sonne und las. Ich blieb augenblicklich stehen und fühlte mein Herz in die Hose rutschen. Er war alleine … ohne sein Gefolge … ohne seine Freundin Arva. Seine braune Lederjacke diente ihm als Kissen im Rücken, während er die Beine auf der Mauer ausgestreckt und an den Füßen lässig überkreuzt hatte. Seine Mimik wirkte konzentriert. Was las er da? Das musste ich beim Näherkommen unbedingt herausfinden. Gooott, er trug nur ein einfaches graues T-Shirt und Jeans und trotzdem sah er einfach nur ... ich hätte ihn fressen können … auf der Stelle. »Das Lied von Eis und Feuer. Die Königin der Drachen« konnte ich gerade noch erkennen, bevor er aufsah. Ich blieb so erschrocken stehen, als hätte man mich angeschossen. Die braunen Augen brauchten einen Moment und lächelten mich dann über den Rand des Buchs hinweg an.

»Spanisch fällt aus«, teilte er mir mit seiner warmen, dunklen Stimme mit.

Ich versuchte mein Herz wieder an seine richtige Stelle zu schieben und atmete tief durch. »Na toll und dafür habe ich mich so beeilt!«

Er legte das Buch auf seinen Schoß. Mann, da säße ich jetzt gerne! Ich fuhr mir durch die Haare und tat so, als wäre ich total aus der Puste.

»Na ja, besser so als ein Eintrag wegen Verspätung«, plapperte ich weiter, rückte meine Kleidung zurecht und vermied es ihn anzusehen. »Viel Spaß beim Lesen!«, wünschte ich ihm hastig und verschwand im Gebäude. Die dunkle Kühle dort empfing mich gerade noch rechtzeitig, bevor ich ohnmächtig werden konnte. Ich blieb mit dem Rücken zur Tür stehen und schnappte mir mein Handy. Verzweifelt begann ich eine SMS an Conny, als mir bewusst wurde, dass ich ihr nicht davon berichten konnte. Wie auch? Sie hasste Ilian!

Ich roch ihn, bevor ich ihn sah. Den Duft seines Aftershaves hätte ich überall erkannt. Ich hatte es mal in seiner Tasche gesehen und … ja ja … ich habe es mir gekauft. Aber wisst ihr was? An ihm roch es tausendmal besser! Er quetschte sich an mir vorbei, weil ich noch immer die Tür blockierte und lächelte mich einen Moment lang an, bevor er weiterging und im Klassenraum verschwand. Ich brauchte dringend einen Defibrillator! Seine Augen … sie waren so wunderschön braun. Ich bekam Hunger auf Schokolade.

Im Klassenraum fand ich ihn bei seiner Freundin Arva wieder. Blond, schlank, wunderschön … perfekt eben. Da er mich keines weiteren Blickes würdigte (warum auch?), steuerte ich auf meinen Platz zu. Kaum hatte ich mich auf diesen Mischling von Tisch und Stuhl in einem gesetzt, drehte sich Sven zu mir um. Dieser Kerl war so notgeil wie eine ganze Wagenladung Ex-Knackis.

»Hey Lissy, geiler Ausschnitt«, teilte er mir kaugummikauend mit.

»Behalt deine Augen bei dir, Sven!«, fauchte ich.

Als Ilian nun geschmeidig auf dem Stuhl neben mir Platz nahm und sich wieder seinem Buch widmete, hatte ich das Gefühl, seine Gegenwart in jeder Faser meines Körpers spüren zu können. Ich stöpselte mir meine Kopfhörer in die Ohren, um Sven zu verstehen zu geben, dass ich keinen Bock darauf hatte, mir mit ihm ein Wortgefecht zu liefern.

Nicht, dass ich nicht mit ihm mithalten könnte. Ich war unter Männern groß geworden. Mein Vater war Dachdecker und arbeitete auf dem Bau. Mein großer Bruder und er hatten über die Jahre hinweg eine recht vulgäre Sprache entwickelt, von der auch ich nicht verschont geblieben war. Papa ging mit uns um wie mit seinen Kollegen und nahm nur selten ein Blatt vor den Mund. Manchmal hatte er in den Sommerferien Thomas und mich mit zur Arbeit genommen. Da lernt man als Mädchen sehr schnell den Umgang mit Kerlen wie Sven. Eine weibliche Person, die mir beigebracht hätte, wie man sich als anständiges Mädchen zu benehmen hatte, war in meiner Kindheit nicht zugegen gewesen. Vielleicht war es auch gerade das, was Typen wie Sven so zu mir hinzog? Die Tatsache, dass ich ohne Probleme Wörter wie Pimmel in den Mund nehmen konnte? Oder war ich einfach nur eine verdammt heiße Schnecke? Das musste es sein! Ich lächelte in mich hinein und ließ mir Bruno Mars in die Ohren schallen.

***

»Ich bringe diesen Mann irgendwann um!«

Damit meinte Conny ihren Englischlehrer, als wir uns gerade in der Schulkantine das Dessert aussuchten. Ich liebte meine beste Freundin so sehr … auf Facebook hatten wir sogar eine eingetragene Partnerschaft. In der Schule glaubten echt einige, dass wir ein Paar waren. Das hatte schon für einige witzige Situationen gesorgt. Vielleicht sollte ich Sven stecken, ich sei lesbisch? Das war DIE Idee!

»Ich glaube, ich erzähle dem Spanner, dass ich lesbisch bin«, fand die Idee den direkten Weg aus meinem Mund in die Ohren meiner besten Freundin. Conny war zwei Zentimeter größer als ich, schlank, hatte kurze braune Haare und einen sexy Leberfleck auf der Wange (so Marilyn-Monroe-mäßig).

»Alter, geile Idee!«, staunte sie mich mit großen, blauen Augen an. So unterschiedlich wir auch waren, die Augenfarbe teilten wir uns.

»Wäre dir doch egal, oder?«

Sie zog amüsiert die Augenbrauen hoch und sah mich von oben bis unten an. »Mädel, wenn ich lesbisch wäre, ich würde dich so was von flachlegen!«

Wir lachten und während wir das taten, trafen meine Augen auf Ilian, der an einem der hässlichen Kantinentische saß und gerade das Würstchen in seinem Hotdog vom Brötchen befreite ... und von allem anderem auch. Wieso hatte er nicht gleich um eine nackte Siedewurst gebeten? Machte er Trennkost oder was sollte das?

»Wo ist Mischa?«, fragte ich schnell, als Conny bemerkte, dass ich meine Augen über die Kantine hatte schweifen lassen.

»Ihre Eltern lassen sie nicht mehr in der Schule essen, ist ihnen zu teuer geworden«, seufzte Conny. »Der Welpe leistet ihr heroisch Gesellschaft im Park.«

Ich nickte. Mischas Mutter war Hausfrau und ihr Vater hatte vor kurzem seinen Job verloren. Zu allem Unglück waren die Kosten für unser Halbinternat letzten Monat stark gestiegen. Mein Vater hatte gemeint, ich solle bei dem Preis für uns alle was einpacken und mit heimbringen. Er hatte nicht ganz Unrecht. Na ja, ich war ihm dankbar, dass ich weiterhin hier essen durfte. Besonders seit das Stiefmonster wieder einmal Diät machte.

»Wo setzen wir uns hin?«, wollte Conny wissen und sah sich um. In der Nähe von Ilian und seiner Clique waren noch Plätze frei … sowie am anderen Ende der Kantine.

»Komm«, meinte meine beste Freundin schließlich und ging auf die Perfekten zu. Offensichtlich waren ihr die anderen Plätze zu weit weg. Wir setzten uns hin, ohne dass es einen von Ilians Freunden, oder gar ihn selbst, interessiert hätte. Conny schob sich ihr Essen auf dem Tablett zurecht und begann genüsslich ihre Fritten in Mayo und Ketchup zu baden. Ich brauchte erst mal einen großen Schluck Cola. Nachdem ich das Glas abgesetzt und erfolgreich ein lautes Aufstoßen hinuntergekämpft hatte, merkte ich, dass Mendel mich anstarrte. Mendel war Ilians Geschlechtsgenosse in der Clique. Die beiden waren quasi die Hähne im Stall. Mendel hatte große blaue Augen und krause braune Haare. Ich fragte mich ernsthaft, was seine Eltern geraucht hatten, als sie ihm den Namen gaben. Mendel … wie der Typ mit der Vererbungslehre … nur als Vorname. Jedenfalls war er ein arrogantes Arschloch, deswegen musste ich auch nicht lange überlegen, was zu tun war.

»Guck nicht so!«, fuhr ich ihn an.

Conny drehte sich zu Mendel um und sah gespielt wütend aus. »Echt, behalt deine Augen und deinen Schwanz bei dir. Die Frau gehört mir.«

Ich hätte nicht das Glas wieder ansetzen dürfen! Fast wäre mir in dem Moment die Cola aus der Nase geschossen. Zum Glück konnte ich mein Gesicht rechtzeitig in einer Serviette verbergen. Ilian musterte das wurstlose Brötchen auf seinem Teller, während Audrina aufstand. Audrina – ja, die hatten alle so Pannenamen –, wenn es ein Alphatier in der Clique gab, dann war es wohl sie. Außerdem war sie Mendels Freundin. Sie hatte lange rote Haare und perfekte Gesichtszüge, in denen giftgrüne Augen leuchteten. Letztere sahen uns jetzt vorwurfsvoll an.

»Haltet mal schön die Füße still, Mädels!«, sagte sie mit warnendem Unterton.

»Ich mach mir gleich in die Hose!«, raunte ich und schüttelte mich gespielt ängstlich.

Milda, die letzte im Bunde der Perfekten, lachte. Sie hatte große dunkelbraune Augen und langes, welliges brünettes Haar. Sie sah im Grunde immer sehr freundlich aus, aber sie sagte so selten etwas. Man hätte sie glatt mögen können, wenn sie nicht ständig mit den Spinnern zusammen gewesen wäre. Die Frau hatte übrigens HAMMERSCHÖNE Fingernägel. Hätten wir mit den Perfekten geredet (also in freundlichem Ton), hätte ich sie gefragt, wo sie dafür hinging.

Ilian musterte immer noch seinen Teller, als Audrina sich mit einem wütenden Funkeln in den Augen wieder hinsetzte.

»Nur, um das mal aufzuklären«, begann Mendel. »Ich habe zu euch herübergesehen, weil eine riesige Schnake hinter euch an der Wand sitzt.«

Ich drehte mich um. Tatsache. Monsterschnake.

»Da hatteste aber Angst, wa?«, gluckste ich, räumte mein Tablett leer und plättete das Vieh damit. Die halbe Kantine starrte zu mir herüber, als sei ich irre.

»Es können alle friedlich weiter essen. Die Schnake ist tot!«, rief ich und setzte mich wieder. Ein paar lachten, andere schüttelten nur den Kopf.

Conny tat beides. »Ich liebe dich, weißt du das?«

»Ich dich doch auch!«, raunte ich und warf ihr viele Luftküsschen zu.

Keine Ahnung, warum ich immer so sehr zum Extremsein tendierte. Vielleicht tat ich das, um sicherzugehen, dass keiner mir auf der Nase herumtanzte. Immerhin ist es nicht leicht, sich als Jüngste in der Familie durchzusetzen, erst recht wenn diese nur aus Männern besteht.

»Shit«, hörte ich Ilians wunderschöne Stimme. Er sah auf seine Armbanduhr. »Ich muss los.«

»Aber wir haben doch noch fünf Minuten«, protestierte Arva. Ilian wirkte gehetzt, als er seinen Kram zusammenpackte … so als könnte er gar nicht schnell genug wegkommen.

»Ich muss noch aufs Klo«, erklärte er laut und fügte dann leise hinzu: »Kotzen.«

Der Stich in meinem Herzen war so schmerzhaft, dass ich ihn kaum verbergen konnte. Conny legte ihren Kopf schief und schaute mich fragend an.

»Schwacher Magen«, staunte ich bewusst laut, »das war doch nur 'ne Schnake und kein Schwein!«

Conny lachte und ich versuchte miteinzustimmen, nachdem Ilian außer Hörweite war. Autsch, autsch, autsch …

»Oder Bulimie?«, gluckste meine beste Freundin.

Fand er mich wirklich zum Kotzen? Oder mein Verhalten? Oder beides?

Mir war jedenfalls jetzt auch nach Kotzen zu Mute.

***

Ich steckte gerade mit dem Kopf im Kühlschrank, als mir jemand auf den Hintern schlug. Das konnte nur einer sein. Vor Freude strahlend drehte ich mich um und begrüßte meinen Vater mit einem Kuss auf die Wange.

»Hi, Chef, wie war die Arbeit?«

»Anstrengend«, antwortete er und griff an mir vorbei zur Wasserflasche. Er leerte sie in einem Zug. Das Rülpsen danach hätte fast die Vorhänge weggeweht. Zum Glück war Carmen noch im Atelier.

»Mahlzeit«, kommentierte ich sein Verhalten. Lachend stellte mein Vater die leere (!) Flasche zurück in den Kühlschrank. Ich ließ sie drin, sollte Carmen sich doch aufregen. So war mein Vater eben und ich wollte ihn nicht anders haben.

»Was gab es bei dir, Prinzessin?«, wollte er wissen und ließ sich auf einen Stuhl fallen, um die Post zu überfliegen, die ich auf den Küchentisch geschmissen hatte.

»Der Kerl, den ich so toll finde, hat heute tatsächlich ein paar Worte mit mir gewechselt.«

Papa sah auf. Er kannte weder Ilians Namen, noch wusste er, wer er war, aber ich hatte ihm mal erzählt, dass ich für einen Mitschüler schwärmte, der nichts mit mir zu tun haben wollte. Etwas, was für ihn unverständlich war. Mit einem wissenden Lächeln fuhr er sich über das kurze Haar und lehnte sich dann zufrieden im Stuhl zurück.

»Sag ihm, wenn er dir das Herz bricht, schieße ich ihm die Eier weg!«

»Das wird ihn freuen!«, gluckste ich und stellte mir vor, wie Ilian gucken würde, wenn ich ihm das sagte. Doch ich verdrängte die Vorstellung wieder … es tat zu weh, an ihn zu denken.

»Was gibt es zu essen?«, wollte Papa wissen.

»Carmen meinte, dass sie etwas mitbringt.«

Panik schlich sich in die Augen meines Vaters. »Dann sollte ich schnell einen Burger verdrücken gehen, bevor sie zurückkommt und mir wieder dieses Hasenfutter aus dem Ökoimbiss vorsetzt!« Mein Vater spielte regelmäßig Fußball im Verein, was ihm erlaubte, alles in sich hineinzustopfen, ohne auch nur einen Bauchansatz zu bekommen. »Was kramst du eigentlich im Kühlschrank rum?«

»Hatte heute in der Schule keinen großen Hunger.«

»Und dafür bezahle ich so viel Geld?« Die Stimme meines Vaters war eine Tonlage höher gerutscht. »Fräulein, Geld wächst nicht auf den Bäumen! Weißt du, wie viele Stunden ich arbeiten gehen muss, damit du …« und so weiter und so weiter. Ich schaltete auf Kopfkino, denn die Ansprache hatte ich schon oft genug gehört. Zum Glück schnappte er sich gleich darauf seinen Geldbeutel und machte sich auf den Weg zum Imbiss um die Ecke. Ich wanderte hoch in mein Zimmer und ließ mich überraschen, ob er mir auch was mitbringen würde.

Trulli und Egon, meine beiden Frettchen, randalierten vor Freude, als ich den Raum betrat. Sie wussten, dass sie nun für den Rest des Tages rausdurften. Ich begrüßte beide ausgiebig mit Küsschen und Streicheleinheiten und machte den Käfig auf. Trulli musste dran glauben und sich die ganze Geschichte von Ilian und dem Mittagessen anhören. Verdammt … vielleicht hatte er ja wirklich brechen müssen? Er hatte immerhin morgens an der frischen Luft gesessen und sein Essen so merkwürdig seziert?! Aber nein, jemand, dem schlecht war, würde wohl eher nur das Brötchen und nicht die Wurst essen. Mit Sicherheit hätte Arva ihn auch nicht draußen alleine sitzen lassen, wenn es ihm nicht gut ginge … nein … diese Hoffnung konnte ich beiseiteschieben. Er hatte auch gar nicht krank ausgesehen. Ganz im Gegenteil. Er hatte ganz einfach mein Verhalten zum Kotzen gefunden. Wut keimte in mir auf. Es ging ihn doch einen Scheißdreck an, was ich tat! Oder? Vielleicht nahm ich mich auch etwas zu wichtig und das Ganze hatte mit mir gar nichts zu tun?

Ich nahm meinen Laptop und ließ ihn hochfahren, während ich Egon hinter den Ohren kraulte. Trulli war damit beschäftigt, gegen meinen Teppich anzukämpfen. Sie hatte vollkommen Recht … da musste dringend mal ein neuer her. Das Blau wirkte mittlerweile fast grau. Die Erkennungsmelodie des Betriebssystems lenkte meine Aufmerksamkeit wieder zum Laptop. Ich startete mein E-Mail-Programm und wartete, bis alle neuen Mails erschienen.

»Wuhuu, Egon, endlich wurde DAS Mittel gefunden, um meinen Penis zu verlängern«, sagte ich belustigt und löschte erst mal den Spam. Dann scrollte ich weiter runter. Die Mail von meinem Bruder würde ich zuletzt lesen. Das Beste immer zum Schluss. Facebook hatte mir wieder mal das Postfach zugedonnert, aber … was war das? Eine Freundschaftsanfrage … ich klickte die Mail an und … fiel vom Glauben ab. »Ilian Balaur will mit dir auf Facebook befreundet sein«, las ich ungläubig. Na toll! Wie sollte das denn gehen? Wenn ich die Einladung annahm, dann sahen das meine Freunde direkt. Und wieso zur Hölle schickte er mir überhaupt eine Freundschaftsanfrage? Er sagte mir in der Schule nicht mal Hallo, würdigte mich nie eines Blickes!? Ich rief Conny an.

»Coooooonnny!«, kreischte ich in den Hörer.

»Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa?«, kreischte sie zurück.

»Ilian Balaur hat mir im Fratzenbuch eine Freundschaftsanfrage geschickt!«

»Häääh?« Ja, Conny, das dachte ich auch. »Wie kommt er denn darauf?«

»Keine Ahnung, was soll ich tun?«

»Na, nimm halt mal an … vielleicht will er dir was per Nachricht schreiben?! Du hast doch eingestellt, dass das nur Freunde können, oder?!«

»Ja … ja«, grübelte ich. Hmmmh.

»Zumindest kannst du mal sein Profil durchstöbern!« Conny lachte. »Vielleicht findet sich ja was Verwendbares.«

»Verwendbares?«

»Na ja, wenn mal wieder einer blöd kommt. Wer weiß, vielleicht guckt er gerne die Glücksbärchis … das könnten wir als Druckmittel nutzen.«

Ich lachte. Der Gedanke war zu köstlich.

»Wenn ihm das peinlich wäre, würde er es wohl kaum bei Facebook angeben, oder?«

»Ach du«, schallt mich Conny. »Keine Fantasie. Nimm halt mal an und schau, was passiert. So eine Facebook-Freundschaft frisst ja kein Brot!« Da hatte sie Recht. »Los, nimm an und erzähl mir, was da so steht!«

»Okay«, hauchte ich und tat, was sie sagte. Ilians Profil erweiterte sich vor meinen Augen. Ich vergrößerte als Erstes sein Bild und mein Herz begann so schnell zu schlagen, dass ich mich zusammenreißen musste, um nicht laut loszuquietschen. Schnell speicherte ich es mir in einen privaten Ordner. Ein letztes Mal warf ich einen Blick auf seine braunen Augen, das süße Lachen und schaute auf seine Pinnwand.

»Geh unter Infos!«, trieb mich Conny an.

»Ja … ja!«

»Der hat bald Geburtstag«, staunte ich. Er würde in wenigen Tagen ein Geburtstagskind sein … Kleine Herzchen stiegen vor meinem inneren Auge auf.

»Aha … was sonst?«

»Beziehungsstatus: In einer Beziehung.«

»Das wissen wir«, brummte Conny in einem genervten Singsang. Ich wechselte zu den »Gefällt-mir«-Angaben.

»Lieblingssport: Grillen! Er hat Humor, oh Schreck!«

»Echt? Kulturschock!«

»Hmmm … unter Musik hat er eingetragen: Led Zeppelin, AC/DC, The White Stripes.«

»Alte Schule, was?«, raunte Conny erstaunt.

»Passt aber irgendwie zu ihm«, gestand ich. »Was haben wir denn bei Filme? Oh mein Gott … nur Jungsscheiß … Matrix, Hangover, Transformers … na ja wenigstens ist Herr der Ringe dabei!«

»Kann dir doch egal sein«, gluckste Conny und ich merkte, dass ich mich zusammenreißen musste.

»Stimmt auch wieder«, sagte ich und lachte leicht hysterisch. »Was ist Dungeons and Dragons?«, fragte ich dann schnell, um abzulenken. Conny ging drauf ein.

»So ein Nerd-Spiel glaube ich.«

»Dann ist Ilian Balaur ein Nerd!«

»Oh mein Gott, ein Fleck auf der weißen Weste.«

»Skandal!«

»Ja, echt, Skandal!«, stimmte Conny mit ein und ihre Stimme bekam einen eigenartigen Klang. »Wann willst du es mir endlich beichten, Süße?«

Ich fuhr mir nervös durch die Haare und kickte die Schuhe von den Füßen. »Was meinst du?« Trulli begann am Saum meiner Hose zu kauen, also schubste ich sie liebevoll mit dem Zeh weg, woraufhin sie sich auf den armen Egon stürzte. Ich glaube, sie nahm es mir übel, dass ich ihren Kerl hatte kastrieren lassen. Sie würde wohl als Nächstes dran glauben müssen, so rollig, wie sie war. Allerdings meinte der Tierarzt dass wir diese Phase jetzt erst mal durchstehen mussten.

»Na hör mal, … ich bin deine beste Freundin! Meinst du, ich sehe nicht die Herzchen in deinen Augen, Süße?«

»Was für Herzchen? Nimmst du Drogen?« Mein Puls beschleunigte sich. Hatte sie es geahnt? Wie war ich aufgefallen? Würde sie jetzt mit mir schimpfen?

»Elisabeth Sophie Schmidt!«

»Oh nein … mein voller Name …«

»Bist du in Ilian verschossen oder nicht?«

»Gott, nein!!!!«, kreischte ich. »Wie kommst du denn darauf? Pfui!« Mein Herz blutete.

»Du kannst mir nichts vormachen, Süße. Ilian ist ein hübscher Kerl, man kann es dir nicht verübeln.« Ihre Stimme klang überraschend sanft.

»Echt nicht?«, stammelte ich. »Ich meine, du findest mich deswegen jetzt nicht abartig oder so?«

Conny lachte. »Nein, wenn ich dich in der Sache nicht unterstützen würde, dann hätte ich dir gesagt, du sollst seine Einladung ablehnen!«

»Deswegen warst du also dafür!«, seufzte ich und langsam begann sich mein Herzschlag zu normalisieren.

»Na ja, mich interessiert Ilian Balaur nicht, aber dich, und das macht ihn dann doch auch für mich interessant.«

»Oh, Schnecke«, heulte ich fast ins Handy, »du glaubst gar nicht, wie gut es tut, mit dir darüber zu reden!«

»Wie lange geht das schon so?«

»Etwas mehr als ein Jahr«, gab ich zu und Conny stieß die Luft aus.

»Aua, wie ein Tritt in den Magen!«

Ich bekam ein schlechtes Gewissen.

»Aber ich verstehe dich und ahne auch schon seit längerer Zeit etwas. Nur heute hast du mir den entscheidenden Hinweis gegeben.«

Mir wurde klar, dass sie für mich den Platz in der Nähe der Perfekten beim Mittagessen gewählt hatte. »Wann genau?«

»Als Ilian abgehauen ist, hast du total verletzt ausgesehen.«

»Glaubst du, er findet mich zum Kotzen?«

»Wie könnte man dich zum Kotzen finden? Wer weiß schon, was ihn genervt hat? Könnten ja auch seine Leute gewesen sein!« Wäre schön, aber eher unwahrscheinlich. »Weißt du was?«

»Was?« Ich öffnete wieder Ilians Bild auf dem Laptop. Nun fühlte es sich sicher an. Jetzt, wo Conny Bescheid wusste.

»Wir gehen ab heute gemeinsam ins Fitnessstudio!«

»Oh Gott, Conny, was habe ich dir getan?«

Trulli, die auf meine Schulter geklettert war, und ich starrten nun gemeinsam auf Ilians Bild. Ich konnte sie verstehen, dass sie dabei so scharf wurde, ging mir nicht anders. Moment mal … »Denkst du, ich bin ihm zu fett oder was?« Das war ja wohl …

»NEIN!«, fiel Conny direkt ein. »Ich habe es dir nie gesagt … warum auch? ... Aber ich sehe Ilian oft im Fitnessstudio. Samstagabends ist er definitiv auf dem Laufband.«

»NEIN?«, staunte ich. »Er geht in die gleiche Muckibude wie du?«

»Du weißt, ich mag den Ausdruck nicht. Ich mache Ausdauertraining, genau wie Ilian.« Sie atmete tief durch. »Also, was sagst du?«

»Leider geil«, sang ich à la Deichkind und wir lachten. »Sind seine Freunde auch dabei – und Arva?«

»Nein, bisher war er immer alleine.«

Kopfkino. Waaaaah! »Auf dem Laufband sagst du?«

Conny lachte. »Oh nein, jetzt muss ich anfangen, mir jedes Detail zu merken und im Ilian-Report zu vermerken. Aber ja, bisher habe ich ihn immer nur auf dem Laufband gesehen.«

»Ja, ALLES. Kleidung, Konsistenz und Geruch seines Schweißes …«

»Alter, du liebst ihn, nicht ich!«, unterbrach sie mich lachend.

»Er hat so wunderschöne braune Augen!«, schwärmte ich. »Und diese weichen Lippen …«

»Woher willst du denn wissen, ob sie weich sind?«, gluckste Conny. »Vielleicht hat er sich den Herpes überschminkt!« Wir lachten gemeinsam. »Nein, Spaß beiseite, er hat echt tolle Augen.«

»Er ist viel zu perfekt«, seufzte ich. »Sogar die Narbe auf seinem Arm ist perfekt. Das ist gemein.«

»Narbe auf dem Arm?«

»Ja, wo er letzten Sommer den Gips hatte!«

»Ach ja, da soll er angeblich im Schwimmbad ausgerutscht sein.«

Beim Gedanken daran, wie er in Badehose den Abgang machte, musste ich ein wenig lächeln. Ich weiß, gemein. Ich gelobe Besserung! Sicherlich war es für ihn alles andere als lustig gewesen, da er offensichtlich hatte operiert werden müssen. Wie gerne wäre ich dagewesen und …

»Denkst du gerade daran, wie gerne du seine Krankenschwester gewesen wärst?«

Ich wurde rot. »Woher weißt du das?«

»Ich kenne dich doch, Lissy.«

Ich lächelte. Ich hatte die beste Freundin der Welt.

»Was weißt du noch über ihn, was ich nicht weiß?«

»Keine Ahnung, es ist ja nicht so, als ob ich das freiwillig erfahren hätte. Man sitzt halt zusammen im Unterricht und da erfährt man das ein oder andere.« Stimmt, Conny hatte Mathe, Deutsch und Biologie mit Ilian. Die Glückliche! »Ach da fällt mir noch etwas ein!«

»WAS?«, schrie ich fast wie eine Verdurstende.

»Ilian schreibt unheimlich gute Aufsätze. Ernsthaft … wenn wir etwas schreiben müssen und er liest vor … woaah … erste Sahne.«

Neid ... NEID! Ich knirschte mit den Zähnen.

»Hey, Süße, jetzt weiß ich es ja. Mein iGerät hat einen Sprachrekorder. Das nächste Mal zeichne ich auf, versprochen!«

Ich atmete tief durch. »Was musstet ihr denn so schreiben in letzter Zeit?«

»Schon länger nichts mehr.« Das Grinsen in ihrem Gesicht war nicht zu überhören. »Dir ist schon klar, dass er jetzt glaubt, dass wir zwei ein Paar sind?«

Oh ... Scheiße. »Ich möchte meinen Kopf auf die Tischplatte knallen …«

»Besser nicht!« Conny lachte. »Und dank Facebook hat er jetzt eine Bestätigung!«

Waaaaah! Aber vielleicht war das besser so …?! »So fühlt er sich wenigstens nicht bedrängt, wenn ich ihn ein wenig beobachte. Ich bin ungefährlich, ich stehe auf Brüste!«

Conny brach in schallendes Gelächter aus. »Auf meine Flachländer um genau zu sein!«

Auch wenn mir gerade nicht danach war, so steckte mich ihr Gelächter an. »Außerdem muss ich das noch Sven in Spanisch stecken und da hockt Ilian ja auch neben mir.«

»Wie ist es so in Spanisch? Redet ihr?«

»Nein«, seufzte ich. »Heute hat er das erste Mal mit mir gesprochen. Er saß draußen und weil ich so angehetzt kam, war er so gütig mir mitzuteilen, dass Spanisch ausfällt.«

»Hmmh«, brummte Conny. »Ich habe mich mal in Biologie mit ihm unterhalten, weil wir in einer Gruppe waren. Der hat den Fisch sehr fachmännisch auseinandergebaut.«

»Na ja, er grillt halt gerne«, gluckste ich. Mann, ich wurde immer neidischer auf Conny. »Hat er was von sich erzählt?«

Meine beste Freundin brummte und schien zu überlegen. »Er hat Geschwister … er sagte auch, wie viele, es waren einige, aber ich komme nicht mehr drauf.«

»Echt? Das ist mir neu!« Ich durchstöberte fiebrig Facebook, um einen Hinweis darauf zu finden … aber nichts.

»Ja, ich weiß noch, dass ich dachte, dass ich ihn schon immer für gut angezogen gehalten hatte und als Großfamilienkind jetzt umso mehr. Du weißt schon … auftragen und so.« Conny wusste, wovon sie sprach als jüngstes Kind von dreien. Alles Weiber.

»Vielleicht ist er der Älteste?« Oh Mann, ich wollte seine Sachen nur zu gerne auftragen … vermutlich würde ich sie allerdings sprengen. Ilian war sportlich schmal.

Genau da erschien eine kleine rote Eins auf meiner Facebookleiste. Ich klickte sie gedankenverloren an. »Oh Gott, Conny, eine Nachricht von Ilian!«

Kapitel 2

»Was schreibt er?«, klang es aufgeregt aus meinem Handy.

»Ich traue mich nicht«, wimmerte ich. »Was ist, wenn er was Gemeines schreibt?«

»Glaubst du nicht, Ilian hätte die Eier, dir so etwas persönlich zu sagen?«

»Ich weiß nicht, ich kenne seine Eier nicht!« Wir lachten zusammen und ich klickte auf die Nachricht. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. »Na toll!«

»Was?«

»Da steht nur: Danke fürs Annehmen!«

»Mehr nicht?«, quietschte Conny eine Tonlage höher. »Mit Idiotenapostroph oder ohne?«

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