Feuerjäger - Jim Kjelgaard - E-Book

Feuerjäger E-Book

Jim Kjelgaard

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Beschreibung

Als Falk, der Speermacher und die junge Frau Weide von ihrem Stamm verstoßen werden, müssen sie allein in einer Welt, in der Säbelzahntiger, Wölfe und Mammuts Quell ständiger Gefahr sind, um ihr Überleben kämpfen. Dann treffen sie auf ein noch gefährlicheres Raubtier, die Menschen eines anderen Stammes. Doch dem findigen Falk gelingt es, seine Waffen so zu verbessern, dass sie diesen Gefahren begegnen können. Doch ob sie ihr Überleben sichern können, bleibt ungewiss...

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Seitenzahl: 211

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Jim Kjergaard

Feuerjäger

Impressum

Feuerjäger

Jim Kjelgaard

© 2018 Chiara-Verlag, 66589 Merchweiler

[email protected]

Covergestaltung: Christoph Schilling unter Verwendung eines Fotos von Pixabay

Korrektorat: Elfriede Schilling

https://chiara-verlag.blogspot.com/

Zum Geleit

Die Vorstellungen vom Leben in prähistorischer Zeit beruhen heute auf zwei Quellen: die eine besteht aus Steinwerkzeugen, versteinerten Knochen, ihrer Lage und ihrer Beziehungen zueinander. Die andere ist wissenschaflliche Vermutung — der logische Schluss, wenn zum Beispiel die primitiven Stämme sich heute so oder so verhalten, dann hätten prähistorische Menschen unter ähnlichen Verhältnissen eben so oder so gehandelt. So wird ein wenig Wissen und viel Vermutungen und Ableitungen ein Bild, das nur in seinen Einzelheiten unvollständig ist.

Aber eine Geschichte braucht Einzelheiten, und es blieb mir keine andere Wahl, als sie selbst zu erfinden. Ich habe jedoch immer versucht, sie in den Grenzen des Möglichen zu halten, die Geschichte so darzustellen, wie sie sich entsprechend den wissenschaftlichen Tatsachen und Theorien hätte ereignen können. Nur eine Ausnahme machte ich - die Zeit. Die Entwicklung, die innerhalb der Zeitspanne dieses Buches gemacht wird, erstreckt sich ohne Zweifel über viele Generationen. Doch — wer weiß?

Jim Kjelgaard

Die Feuerjäger

Der Stamm erklomm einen flachen Hügel, dessen Kuppe mit Felsblöcken übersät war. Einzelne Blöcke waren so groß, dass sie zu beiden Seiten über den Hügel hinausragten. Ein wechselnder Wind trug den starken widerlichen Geruch äsender Bisons über den Hügel und den Hang hinab.

Falk, der Oberspeermacher, fuhr mit der Zunge über die Lippen. Der Stamm war zwar in den letzten Tagen auf viel Wild gestoßen, aber die Tiere waren meist zu schnell oder zu gefährlich, als dass die Jäger sie hätten angreifen können. Selbst die Mammuts hatten gelernt, dass nur die Gemeinschaft Sicherheit gegen die Menschenjäger bot, und abgesehen von gelegentlichen kleinen Tieren hatte der Stamm nur Herden von großen, gefährlichen Tieren gesehen. Eine Herde von Mammuts aber mit Feuer anzugreifen, war glatter Selbstmord, denn ein einziges Tier allein machte sämtlichen Jägern des Stammes zu schaffen. Mit dem Riesenbison war es etwas anderes.

Falk fuhr sich wieder über die Lippen. Acht Tage lang hatten sie nur Samen und Früchte gegessen, welche die Frauen gesammelt hatten, und ein klappriges Kamel, das schon beinahe an Altersschwäche einging, als die Jäger es zur Strecke brachten. Samen und Früchte waren ja ganz gut, wenn es sonst nichts gab, aber ein Stamm auf der Wanderschaft brauchte Fleisch, um seine Kraft zu erhalten.

Je mehr sie sich dem Gipfel des Hügels näherten, desto stärker wurde der Geruch der Riesenbisons. Es war eine Herde von über 200 Tieren und sie hatten noch keine Gefahr gewittert. Das war gut, denn seit vier Jahren war der Stamm nicht mehr auf eine so große Herde gestoßen. Wenn ihnen diese Jagd Erfolg brachte, dann würden sie genug Fleisch zu essen haben und es blieb noch viel übrig für die wilden Hunde, die schrecklichen Wölfe und die Säbelzahntiger, die sich dort immer sammelten, wo ein Wild getötet war, und mit den Resten aufräumten.

Wolf, der Oberjäger, konnte sich noch an die Zeit erinnern, da so große Herden recht alltäglich waren, und er erzählte gern davon. Die Stammeslegende berichtete, dass die Erde unter den hämmernden Hufen unzähliger Riesenbisons gezittert hatte, aber diese Zeiten waren längst vorbei. Falk hatte nie darüber nachgedacht, warum.

Wie alle andern unterstand auch er den einfachen Stammesgesetzen und Verboten, die angesammelte Weisheit von Generationen darstellten. Es war Stammesgesetz, dass Falk der Oberspeermacher war, denn er war in der Kunst und in den Riten des Speermachens am geschicktesten. Genau so musste der Stamm einen Oberfeuermacher haben, der die magischen Eigenschaften ihres größten Schutzes, des Feuers, gründlich kannte. Abgesehen vom Oberfeuermacher und dem Oberspeermacher waren die übrigen Männer meistens Jäger, denn es musste immer Nahrung herbei geschafft werden. Und alles Essen, ob es nun Fleisch war, das die Jäger brachten, oder Samen und Beeren, die die Frauen sammelten, musste geteilt werden, gleich wer es fand. Wenn der Stamm in Gefahr war, dann trug jeder, auch Frauen und Kinder, zu seiner Verteidigung bei. Es war wichtig, dass der Stamm immer als eine Einheit lebte und wanderte. Ein Mensch allein war den wilden Tieren ausgeliefert.

Darüber hinaus gab es nur wenige Gesetze, aber diese wenigen waren unverrückbar. Der Stamm war eine Einheit, und jedes Mitglied musste seinen Teil beitragen. Versagte einer oder fiel einer aus, so konnte das den Tod aller bedeuten.

Falk hielt einen Augenblick inne und schaute zurück, um im Geist die Frauen und Mädchen zu zählen. Die Söhne der Jäger, mit Speeren und Keulen ihrer Größe entsprechend bewaffnet, folgten ihren Vätern auf den Fersen und waren an der Spitze des Zuges. Aber als Oberspeermacher war sein Platz nicht bei den Jägern. Er musste bei den Frauen und Kindern bleiben und das behagte ihm nicht.

Eine Sekunde lang ruhten seine Augen auf Weide, der Tochter Wolfs, und sein Gesicht leuchtete auf. Weide war geschmeidig und flink, sie war schon eine geschickte Korbmacherin und kannte Samen, Wurzeln und Früchte. Der einzige Grund dafür, warum sie noch unbemannt, war, dass sie seit Monaten keinen andern Stamm getroffen hatten. Alle Stämme waren unterwegs und suchten verzweifelt nach dem rasch aussterbenden Riesenbison.

Falk stieß ein unzufriedenes Grunzen aus. Er war ein ausgewachsener, vollgültiger Mann; er war 16 Jahre alt. Acht Jahre war er zu Füßen seines Vaters gesessen, um die handwerksmäßigen Einzelheiten, die Riten und den Zauber zu lernen, die zum Speermachen gehörten. Jetzt war er selbst Oberspeermacher, denn vor kaum einem Monat war sein Vater einem Säbelzahntiger zum Opfer gefallen. Aber obwohl Falk die Rechte und Pflichten eines Mannes besaß, konnte er Weide nicht zur Frau nehmen, da sie selbstverständlich nur einen Mann von einem andern Stamm freien durfte.

Plötzlich richtete sich Falk auf und sog eine Witterung ein, die von Norden kam. Eine Schar wilder Hunde folgte dem Stamm; sie hofften auf ihren Anteil an der Beute, wenn die Jäger Wild erlegt hatten. Aber die Hunde schienen nur zu folgen; nichts ließ darauf schließen, dass sie angreifen würden. Falk wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Bisons zu.

Sie ästen auf einer Wiese und waren immer noch arglos. Wolf, der Oberjäger, wandte sich um, hob die Hand zum Zeichen, dass die andern halten sollten, und ging allein weiter. Er schien mit der Erde zu verschmelzen, als er sich einem der großen Felsblöcke näherte und hinter ihm hervor spähte. Falk beobachtete ihn genau.

Es war ihm nie in den Sinn gekommen zu fragen, warum es einmal zahllose Riesenbisons gegeben hatte und warum sie jetzt so selten waren. Er wusste nur, dass seine Leute Bisonjäger waren, und dass sie hauptsächlich von Bisonfleisch lebten. Und weil der Stamm nur den einzigen Gedanken hatte, auf jede mögliche Weise genug zu essen zu beschaffen, hatte auch Falk nie daran gedacht, dass die Jäger vergeudeten, da sie oft mit einem einzigen Feuerband eine ganze Bisonherde ausrotteten. Sie töteten hunderte von Tieren, wenn sie auch nur zehn verbrauchen konnten. Aber so war ihr Leben.

Eine Stunde lang blieb Wolf schweigend in seiner Stellung, während die Sonne ihre Mittagshöhe erreichte. Er beobachtete die Bisons, und weil er den Jägern noch kein Zeichen gegeben hatte, wusste Falk, dass die Herde noch nicht in einer Stellung war, die eine Feuertreibjagd gestattete. Er wandte sich, um den Frauen und sieben Mädchen ihren Platz anzuweisen.

Als Oberspeermacher durfte er nicht jagen, aber er konnte doch zur Verteidigung der Gemeinschaft die Keule oder den Speer führen. Wenn die Jäger auf die Jagd zogen, war es seine Pflicht, die hilfloseren Mitglieder des Stammes zu beschützen. Falk witterte nach allen Richtungen, aber er konnte keine fremden Gerüche entdecken außer denen der Riesenbisons, der wilden Hunde und, ganz schwach, den Geruch eines zottigen Rhinozerosses. Es bestand keine unmittelbare Gefahr.

Falk spielte müßig mit einem Speerschaft, den er geformt hatte. Es war ein ausgewogenes, sorgsam abgeschabtes Stück Holz, mit einem seltsam abgeflachten Knopf an einem Ende. Aber der Schaft war ein wenig zu schlank und biegsam für einen Jagdspeer. Gerade das hatte ihn irgendwie davon abgehalten, den Schaft wegzuwerfen.

Vor vier Tagen hatte er ganz zufällig das knotige Ende des Schafts in einen Haufen lockerer Kieselsteine gestoßen und sich darauf gelehnt. Der Schaft hatte sich unter seinem Gewicht gebogen und dann war das untere Ende plötzlich aus dem Steinhaufen geschnellt. Falk erinnerte sich noch lebhaft, was da geschehen war. Es blieb ihm ein Rätsel.

Als das Schaftende wegschnellte, hatte es einen kleinen Stein mitten in einen Teich geschleudert. Nachher hatte Falk einen ähnlichen Stein aufgehoben und versucht, ihn in den Teich zu werfen. Er konnte aber einen so leichten Gegenstand nicht halb so weit werfen wie der Schaft ihn geschnellt hatte. Es musste irgendetwas, eine geheimnisvolle Kraft, in diesem biegsamen Holz sein, die ihm fehlte, und er hatte lange darüber nachgedacht.

Nach eineinhalb Stunden hob Wolf die Hand, so langsam, dass die Bewegung kaum sichtbar war. Sofort ging Kar, der Oberfeuermacher, zu ihm. Falk zitterte vor Eifer.

Jetzt war es so weit. Die Bisons waren offensichtlich in eine günstige Stellung gegangen und die Feuertreibjagd sollte beginnen. Einer nach dem andern gingen die Jäger zu Wolf und Kar und die Knaben ahmten genau nach, was sie vormachten. Falk wand sich vor Ungeduld, als er zusah. Auch er wäre gern bei den Jägern gewesen, aber er wagte nicht, sich ihnen anzuschließen. Wer das Stammesgesetz verletzte, wurde ausgestoßen und Ausstoßung bedeutete den sicheren Tod. Denn kein menschliches Wesen konnte sich in dieser Wildnis allein am Leben erhalten.

Kar und Wolf verschwanden über dem Gipfel des Hügels. Wie die Erfahrung sie gelehrt hatte, krochen die Jäger und ihre Söhne einer nach dem andern an den Felsblöcken vorbei und auf der andern Seite hinunter. Und sofort waren sie alle samt ihren Keulen und Speeren verschwunden.

Falk warf noch einen Blick auf die Frauen und Mädchen, die im hohen Gras saßen und lagerten. Sie waren sicher, denn die wilden Hunde waren noch weit weg im tiefen Wald und warteten geduldig. Die Hunde wussten, dass sie kaum Aussicht hatten, ein Tier zu töten, wenn sie die Riesenbisons angriffen. Aber es war ein erfahrenes Rudel und kannte die Menschen. Nach jeder Feuertreibjagd gab es zahlreiche tote Tiere, die die Jäger nicht brauchten. Die Hunde konnten es sich leisten zu warten.

Da augenscheinlich keine Gefahr die Frauen bedrohte, konnte Falk sich nicht länger zurückhalten. Er durfte an der Jagd nicht teilnehmen, aber er konnte sie beobachten. Wenn Gefahr im Anzug war, konnte er Frauen und Kinder rechtzeitig erreichen. Er kroch auf den Hügel und legte sich flach hinter einen Felsblock. Vorsichtig lugte er hinter ihm vor.

Er sah hinunter auf eine weite Flusswiese, wo das starke Gras schulterhoch wuchs. Aber man sah keinen Menschen. Falk wusste, dass die Jäger durch das Gras krochen und sich in strategischen Zwischenräumen verteilten, um jedes Bison aufzuhalten, das ihren Kreis zu durchbrechen versuchte. Nichts wies auf ihre Anwesenheit hin, wie sie so vorrückten. Nur ein vereinzelter Luftzug, der ihren Geruch zu den Bisons trug, konnte sie jetzt verraten.

Falk wandte seinen Blick zu den Bisons. Die ganze Herde, Bullen, Kühe und Kälber, graste nach dem Fluss zu. Falk schaute zum Flu und stieß ein verwundertes Grunzen aus.

Genug Nahrung zu beschaffen war ein ewiges Problem und eine Gelegenheit wie diese hier, durfte man nicht versäumen. Aber riskierte Wolf bei seinen augenblicklichen Vorbereitungen nicht zu viel? Die Herde konnte mit Feuer eingekreist werden, aber am Flussrand war nur ein sechs Fuß hoher Damm. Wenn sie von den Flammen dort hinunter getrieben wurde, dann würden mehr Bisons entkommen als man verwundete oder tötete. Vielleicht würde die ganze Herde davonkommen. Falk überlegte, ob es nicht klüger gewesen wäre, der Herde zu folgen und zu warten, bis sie in eine tiefe Schlucht oder über eine hohe Klippe getrieben werden konnte.

Zögernd unterdrückte Falk seine Zweifel. Wolf war ein großer Jäger. Es war nicht zu erwarten, dass er einen Fehler machte.

Die arglosen Bisons ästen weiter und bewegten sich dabei langsam näher an den Fluss. Allem äußeren Anschein nach war die Wiese friedlich und es gab auf ihr nichts als die Bisonherde und ein paar farbenprächtige Vögel, die im hohen Gras flatterten. Selbst die wachsamen Vögel hatten die Jäger nicht entdeckt.

Dann, nach einer weiteren Stunde, stieg ein Rauchwölkchen auf. Falks Erregung wuchs und die innere Spannung zerriss ihn fast. Die Treibjagd hatte begonnen.

Einige Jäger waren aufgesprungen und rannten so schnell sie konnten, brennende Fackeln aus gedrehtem Gras in den Händen. In Abständen von 20 Fuß blieben sie stehen, um mit ihren Fackeln das trockene Gras anzuzünden und liefen dann weiter.

Das Feuer sprang auf und züngelte über das Gras, wo die Jäger es zuerst entzündet hatten. Lange Flammenzungen leckten gierig weiter. In Sekundenschnelle loderte hinter den jagenden Männern eine gebogene Feuerlinie auf und begann sich nach beiden Seiten auszubreiten. In wilder Erregung sprang Falk hoch und schrie heiser. Dann bemerkte er die Frauen und Mädchen neben sich.

Jetzt, da man sich nicht mehr verstecken oder ruhig sein musste, waren sie heraufgekommen, um zuzuschauen. In ihren Gesichtern leuchtete ängstliche Hoffnung, denn sie und ihre Männer würden nur dann gutes Essen haben, wenn das grausame Schauspiel dort unten für sie ein gutes Ende nahm. Ein lautes, grollendes Brüllen kam von der bedrängten Herde. Die Kühe mit den Kälbern trotteten nervös zum Fluss. Massige Bullen blieben zurück, die zottigen Köpfe gegen die näher kommenden Flammen gesenkt, bereit, sich jeder Gefahr zu stellen. Falk atmete kaum.

Es war eine aufgeschreckte Herde, aber sie war nicht von einer Panik erfasst, wie es eigentlich sein sollte. Offensichtlich hatten die Bisons schon andere Feuerbrände erlebt und ließen sich nicht zu dem gefährlichen Flussufer treiben. Ein paar Bullen rannten vor die Kühe und zwangen die ganze Herde zur Umkehr. Einige Augenblicke standen sie still, die Kälber in der Mitte, Kühe und Bullen in einem äußeren Schutzring um sie herum. Dann lief die ganze Herde schnell vom Fluss auf einen Punkt des Feuerkreises zu.

Falk wandte seine Aufmerksamkeit den Jägern zu. Diese befanden sich in der ausgebrannten Bresche zwischen dem Feuer, das sich auf die Bisons zu bewegte, und dem Feuer, das zu dem Wald hinter ihnen zurücklief. Sie gingen hinter dem Feuer vor, aber etwas stimmte nicht. Die entlegenere Seite der Wiese war zu nass und brannte nicht. Gelber Qualm stieg auf, aber kaum eine Flamme. Die Bisons, zu oft gejagt und zu klug, in die ihnen bestimmte Falle zu gehen, wollten versuchen, den schwächsten Punkt des Feuerrings zu durchbrechen.

Der Wind frischte auf und hielt den Rauch niedrig und trieb ihn auf den Fluss zu. Eine dicke Rauchdecke, die bis über die Knie der flüchtenden Bisons reichte, hatte sich jetzt über die Wiese gelegt, so dass die Beobachter auf dem Hügel nur ihre zottigen Rücken und Köpfe deutlich sahen.

Falk stand still und sah mit wachsender Hoffnungslosigkeit, wie die Jäger auf den Fluchtweg der Herde zueilten. Dort stand nur ein Mann. Es war Kurzbein, einer der schlechten Jäger. Der Rauch zog ab und ließ ihn deutlicher erkennen. Falk bemerkte mit seinen scharfen Augen, dass er seinen Speer falsch hielt. Er griff ihn zu hoch, so dass er nicht sein Körpergewicht in den Wurf legen konnte; er würde bestimmt nicht treffen. Falk schaute besorgt nach den andern Jägern. Sie liefen so schnell sie konnten, um ihre Speere günstig schleudern zu können, aber durch die plötzliche Schwenkung der Herde waren sie ins Hintertreffen geraten. Die Bisons hatten zu viel Vorsprung und liefen zu schnell. Falk schrie entsetzt auf, als er Kurzbein nach einem riesigen Bullen zielen sah. Der Speer war weder gut noch mit Wucht geworfen und der Bulle schob ihn mit seinem massigen Körper leicht beiseite.

Dann schloss sich der Rauch über allem und Jäger und Gejagte waren nicht mehr zu sehen.

Falk wandte sich ab. Er brauchte nicht mehr hinzusehen, er wusste jetzt das Ergebnis der Jagd. Die Frauen aber starrten weiter gespannt auf die wirbelnde Rauchdecke, als ob ihr angestrengter, wilder Blick den Männern in ihrem Bemühen helfen könnte, die dringend notwendige Nahrung zu beschaffen.

Nachdenklich spielte Falk mit seinem Speerschaft. Er stieß das knotige Ende gegen einen Stein, bog den Schaft und beobachtete, wie der Stein wegschnellte. Mit einer Achtung, die schon an Ehrfurcht grenzte, hob er den Schaft auf und drehte ihn zwischen seinen Fingern. Er bog den schlanken Stab und fühlte seine Elastizität. Das Holz hatte sein eigenes Leben und seine eigene Kraft, aber er wusste nicht, wie er sie beherrschen und dienstbar machen konnte.

Es war etwas an dieser geheimnisvollen Kraft, das ihm ein wenig Furcht einjagte. Sein Vater hatte ihm immer und immer wieder gesagt, dass die Geheimnisse des Speermachens in der Stärke gewisser elastischer Harthölzer und der Schneideschärfe gewisser Steine liege. Diese Eigenschaften waren starker Zauber, hatte sein Vater gesagt, und niemals, unter keinen Umständen, waren sie leichtfertig zu behandeln oder anzuwenden. Die menschliche Geschicklichkeit konnte Holz und Stein verbinden, um einen richtig ausgewogenen Speer zu machen, aber wenn der Geist eines jeden Teiles nicht mit Achtung behandelt wurde, dann würde der Speer nicht richtig fliegen.

Sein Vater hatte auch gesagt, dass es eine Möglichkeit gäbe, den Speer sehr weit zu werfen, wenn man ein kurzes Stück Holz mit einem Speer verbinde. Er hatte einen solchen Zauberwurfstab von einem alten Speermacher eines anderen Stammes bekommen. Obwohl Falk ihn seit seines Vaters Tod sorgsam aufgehoben hatte, verstand er das Geheimnis seiner Kraft nicht, denn sein Vater hatte nie gedacht, dass die Zeit schon reif war, es ihm zu enthüllen. Sein Vater hatte geglaubt, was der Stamm wusste und immer schon gewusst hatte, genüge.

Jetzt, da Falk den schlanken Stock in der Hand drehte, überlegte er, ob ein Zusammenhang zwischen seiner Kraft und dem Zauber des Wurfstabs bestand. Er ging zu seinen Reservespeeren hinüber und holte das geheimnisvolle Werkzeug heraus.

Es war so lang wie sein Arm, ein sorgsam poliertes Holzstück mit einem kurzen Zweig, der rechtwinkelig an einem Ende ab stand. Der Zweig war abgeschnitten, so dass nur noch zwei Zoll übrig waren. Wo der Zweig mit dem Stock zusammenkam, war ein glatter Hohlraum gekratzt oder ausgehöhlt. Falk schaute den Wurfstab verwirrt an. Er packte ihn an beiden Enden und bog ihn in seinen Händen. Er war steifer als der schlanke Speerschaft, der den Stein geschleudert hatte, aber er konnte die gleiche lebendige Kraft verspüren. Doch er wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Ihm blieb der Zauber verborgen.

Die müden Jäger schleppten sich zurück, schmutzig und mutlos. Nachdem die Bisons durchgebrochen waren, hatten sie die Herde noch lange gejagt, ohne auch nur ein Kalb zu fangen. Es gab kein Fleisch.

Die Jäger gesellten sich zu den hungrigen Frauen und Kindern. Der Wind spielte über das Gras und mit einem Mal tauchte ein springendes, kleines, antilopenähnliches Tier auf. Es blieb vierzig Fuß entfernt von ihnen stehen, und mit gehobenem Kopf und gespitzten Ohren äugte es nach der Gruppe. Einer der Söhne der Jäger warf einen Speer nach ihm. Der Wurf war zu kurz. Das kleine Tier floh und der Junge holte gleichgültig seinen Speer wieder. Außer Falk achtete keiner der hungrigen Männer darauf. Seit undenklichen Zeiten hatten sie hauptsächlich vom Riesenbison gelebt und nur der Zufall brachte andere Beute. Der Junge hätte wissen müssen, dass er etwas so Kleines und Flüchtiges nicht treffen konnte.

Falk schaute dahin, wo die kleine Antilope verschwunden war. Das Problem, Fleisch zu finden, wurde immer ernster. Mit Ausnahme der großen Tiere, wie Bisons, die man in Feuertreibjagden fangen konnte und die infolgedessen immer seltener wurden, gab es eine Überfülle an jagdbarem Getier. Aber der Stamm hatte mit der Jagd auf kleinere Tiere nie viel Erfolg gehabt, weil sie zu beweglich waren und einem gewöhnlichen Speerwurf ausweichen konnten. So hatte der Stamm mitten im Überfluss Mangel an Nahrung.

Kar, der Oberfeuermacher, ging in den Wald und schleppte einen kleinen Baum für das nächtliche Feuer zurück. Er ging wieder und brachte einen Armvoll dürrer Zweige und trockenen Zunders. Kar stampfte den Boden, wo er Feuer machen wollte, einen Schritt seitwärts mit dem linken Fuß und einen mit dem rechten. Falk schaute ohne Interesse zu. Das gehörte alles zum Feuerritual und ging ihn nichts an.

Kurzbein, der Jäger, der das Bison verfehlt hatte, stand mürrisch abseits. Schließlich redete er:

„Mein Speer hat versagt, Speermacher."

„Meine Speere versagen nicht", antwortete Falk kurz.

„Ich zielte auf einen Bullen, mein Speer traf nicht", behauptete Kurzbein hartnäckig.

„Ich sah dich. Du hieltest deinen Speer nicht wie ein Jäger und du bist selbst schuld, wenn du nicht getroffen hast."

Kurzbeins Augen sprühten Feuer und er griff nach der Keule, die von seinem Gürtel hing. Falk sprang hoch, bereit sich zu verteidigen. „Gebt Frieden", befahl Wolf. „Wir haben schon genug Schwierigkeiten, lasst daher den Streit. Wirst du Kurzbein einen neuen Speer machen?" „Ja."

Kar und zwei junge Gehilfen hatten inzwischen eine große Ladung Holz gebracht und es neben der Feuerstelle aufgestapelt. Die Flammen stiegen hoch und verbreiteten angenehme Wärme für die hungrigen Menschen, die sich darum kauerten. Kar fuhr mit der Hand über das Feuer und sie leuchtete blutrot, Falk schaute zu und wunderte sich. Bräuche und Glauben seines Stammes waren tief in ihm verwurzelt, sie waren Teil von ihm, und es stand ihm nicht zu, Fragen zu stellen. Und doch waren sie ihm manchmal rätselhaft. Den Zauber und die Riten, die er selbst beim Speermachen anwandte - was für ein Zusammenhang bestand zwischen ihnen und dem wahren Wert eines Speers. Er wusste, Kurzbein, und nicht sein Speer, hatte bei der Bisonjagd versagt. Und doch musste er einen neuen Speer machen, und er musste ihn auf eine bestimmte Art machen. Falk grübelte über diesen Gedanken nach und bohrte seinen schlanken Speerschaft tief in den Boden.

Wolf saß plötzlich regungslos, seine Nüstern weiteten sich, als er den Wind einsog. Einen Augenblick später hatte auch Falk die Witterung und schlagartig waren die übrigen Jäger alarmiert.

Drei Tage lang waren die wilden Hunde ihnen gefolgt, immer in einem respektvollen Abstand. Bis jetzt wollten sie nur die Überreste der von den Jägern getöteten Tiere, aber nun hatte sich der harmlose Geruch in einen drohenden, gefährlichen verwandelt. Die wilden Hunde waren erregt, hungrig und ohne Bisonfleisch.

Die Speere in den Händen, die Keulen an den Pelzgürteln, stellten sich die Männer in einem Schutzkreis um das Feuer auf und spähten in die zunehmende Finsternis. Die Frauen und Kinder lasen alle Steine auf, die sie finden konnten, und nahmen hinter den Männern Aufstellung.

Eine wilde Freude stieg in Falk auf. Er durfte nicht jagen, damit seine Kunst nicht gefährdet wurde und er musste sich die meiste Zeit damit zufrieden geben, Feuersteinspitzen zu schneiden, Speerschäfte zu formen und die Spitzen daran zu binden. Nur wenn das Lager angegriffen wurde und jedermann zur Verteidigung aufgerufen war, durfte er kämpfen, was er sonst vergeblich wünschte. Er sprang auf, griff sich einen Speer, aber er hielt immer noch den Schaft fest, den er in den Boden gebohrt hatte. Geschmeidig bog er sich unter dem Druck seiner Hände und dem Gewicht seines Körpers. Er spähte aus dem Lichtkreis, den das Feuer, der einzige Hafen in der ungezähmten Wildnis, warf, in das schwer lastende Dunkel. Meist war der Stamm beim Feuer in Sicherheit, aber heute war es anders. Die vom Hunger aufgestachelten wilden Hunde pirschten sich an das Lager. Sie wussten, dass der Stamm nicht in einer guten Verteidigungsstellung war. Das dichte Gras verbarg alle Angreifer bis direkt an das Feuer. Nur an einer leichten Bewegung des Grases war zu erkennen, dass ein Angriff bevorstand.

Ein seltsamer Gedanke überfiel Falk plötzlich und er griff den in den Boden gebohrten Schaft so fest, dass seine Knöchel weiß wurden. Der Stock, der lebendige grüne Stock mit so viel biegsamer Kraft! Er hatte nach einer Möglichkeit gesucht, ihn einen Speer schleudern zu lassen, und jetzt hatte er sie gefunden! Falk bog den Schaft zurück und setzte das dicke Ende seines Speers gegen den abgeflachten Knoten. Mit beiden Händen hielt er den Speer und zog den Schaft zurück. Dann durchforschte er das hohe Gras.

Sobald er wieder eine Bewegung sah, bog er den Schaft ein wenig und ließ den Speer los. Er schnellte von seinen Händen und verschwand, ohne das Ziel getroffen zu haben. Falk langte nach einem anderen Speer.

Im nächsten Augenblick fielen die Hunde über sie her.

Falk hatte keine Zeit mehr, den Schaft wieder zu benutzen; er packte den zweiten Speer und spreizte seine Beine. Die Hunde kamen, springende graue Schatten im hohen Gras. Falk sah einen und schleuderte seinen Speer. Er flog so gerade wie das Holz, aus dem sein Schaft geformt war. Ein Schmerzensschrei und dann ein Geheul.

Fast noch ehe der Speer aus seinen Händen glitt, packte Falk seine Keule und stürzte vor. Ein großer schwarzer Hund, ein Tier, so groß wie Falk, sprang mit weit aufgerissenem Rachen aus dem Gras. Seine glatten elfenbeinernen Fänge blitzten im Feuerschein, als es nach einer Kehle suchte. Flink und beweglich wie eine Katze glitt Falk zur Seite und zerschmetterte den Schädel des Hundes mit seiner Keule.

Alle Männer hatten ihre Speere verschleudert und hieben mit ihren Keulen um sich. Falk sah, wie ein Jäger seine Keule fallen ließ, als ein großer Hund ihn ansprang, und die Hände schützend vors Gesicht hielt. Wolf kam ihm eilends zu Hilfe.

Im nächsten Moment drehte sich Falk auf den Ballen seiner Füße und raste mit erhobener Keule auf das Feuer zu. Er hatte keinen Hund durch die Linie der Männer brechen sehen, aber es musste doch einer durchgekommen sein, denn die Frauen warfen Steine nach ihm. Falk sprang unter sie und traf mit seiner Keule den Kopf des Hundes. Das Tier tat noch zwei wankende Schritte und brach dann zusammen.