Fiete und umami - Lisa Lenardi - E-Book

Fiete und umami E-Book

Lisa Lenardi

0,0
4,95 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit letztem Sommer ist alles anders. Baumann ist nicht mehr der Herr im Haus. Doch irgendwie kann er es diesem Hund einfach nicht übel nehmen. Als Fiete dann noch ein wichtiges Beweisstück findet, hat er sich endgültig in Baumanns Herz geschlichen. Das "Pauls" ist das angesagteste Restaurant Hamburgs. Der Sternekoch Jochen Pauls überrascht mit schlichter Raffinesse. Auch Baumann schwärmt von seinen Kochkünsten. Doch bereits nach zwölf Wochen ist der Traum vorbei. Der Koch ist tot. Baumanns dritter Fall führt ihn durch ein Labyrinth von geheimen Räumen, alten Kochbüchern und sonderbaren Pflanzen. Aber was ist das für eine CD in der Hand des Toten? Und warum ist Fiete ständig in der Sterneküche? Will er nur an die Wurst oder wittert er eine ganz andere Fährte?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 263

Veröffentlichungsjahr: 2018

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



www.tredition.de

 

Im Andenken an Onkel.

Lisa Lenardi

Fiete undumami

Baumanns dritter Fall

 

www.tredition.de

© 2018 Lisa Lenardi

Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7439-0619-8

Hardcover:

978-3-7439-0620-4

e-Book:

978-3-7439-0621-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Fiete

„Der da. Der ist es.“ Viviana zappelte vor Vergnügen. Klaus beugte sich zu dem kleinen Wesen hinunter und streichelte seinen Kopf.

„Er ist der erste aus dem D Wurf, ein Prachtkerl, zwölf Wochen alt und wiegt schon fünfzehn Kilo.“ Die Züchterin hatte ihre Hände tief in die Westentaschen gesteckt und ihr Kinn im Rollkragen vergraben. Es war nicht zu übersehen. Sie fror.

Klaus hob den Welpen vorsichtig auf den Arm: „Na, kleiner Mann.“ Der Prachtkerl schaute verschämt nach unten. Erst als Baumann ihn am Hals kraulte, fasste er Mut und kuschelte sich in seinen Arm. Die langen, grauen Schlappohren hingen über Baumanns Jackenärmel und Viviana fing an zu lachen. Der kleine Kerl zuckte zusammen und die Züchterin warf ihr böse Blicke zu. Vivi verstand, wusste aber gleich abzulenken. „Wie wollen wir ihn nennen, Klaus?“ Doch die Westendame lenkte gleich ein: „Er heißt Dodge von der Schlehenhecke.“ Baumann verdrehte die Augen und Vivi verstand. Dieses Thema sollten sie wohl besser vertagen.

Nach dem ersten Kuscheln war die Dogge nicht mehr zu bremsen. Ständig stupste der Kleine seine große Nase an Baumanns Arm und ließ sich von Vivi genüsslich das Fell kraulen. Eins war sicher. Hier hatten sich drei ineinander verliebt.

Das Geschäftliche wurde in der Küche geregelt. Als sie das Haus betraten lag Fiete immer noch seelenruhig auf Baumanns breitem Arm. Doch kaum waren sie in der großen Wohnküche angekommen, wurde der kleine Racker unruhig und schlug ununterbrochen mit seiner Peitsche.

Links und rechts des Raumes standen bodentiefe Fenster offen. Davor waren Kindergitter angebracht und vier Doggenköpfe schauten neugierig hindurch. Dodge fing an zu winseln, als er seine Geschwister sah, und Baumann ließ ihn vorsichtig hinunter.

Die Züchterin kramte in einer Küchenschublade, holte ein kleines Album heraus, setzte sich wieder und fing sofort an, darin zu blättern. Klaus und Viviana sahen ihr neugierig dabei zu und waren gespannt, was sie suchte. Endlich wurde sie fündig. „Hier, sehen sie. Das war ihr kleiner Schützling vor zehn Wochen.“

„Oh wie süß!“ Vivi streichelte über das Bild. „Da sieht er noch aus wie ein kleiner Hamster.“

Die Westendame riss das Album an sich und zog die Augenbrauen zusammen. „Wie bitte? Hamster?“

Klaus besänftigte sie. „Dat war doch nur Spaß. Hätten wir `n Hamster gewollt, wären wir nich hier oder?“

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie zog das Bild aus den Fotoecken und reichte es Klaus. „Hier haben sie den kleinen Hamster.“ Er nahm lachend an. „Na, sie verstehen ja doch Spaß!“

Kurz vor der Abreise gab ihnen die Züchterin wichtige Informationen mit auf den Weg: „Ich habe mit dem Barfen bereits begonnen. Hier, das ist für sie.“

Klaus starrte sie an. „Barf wat…?“

Er wurde sofort aufgeklärt: „Dodge hat Frischfutter bekommen.“

Baumann nahm der Westendame endlich die große Tüte ab, die sie ihm immer noch entgegenstreckte. Bei einem Blick in das Innere staunte er wieder. „Bananen?“

Die Züchterin nickte. „Ja, für die Reise.“

Die Trennung von den Eltern und Geschwistern war leichter als gedacht. Der kleine Kerl wich aber nicht von Baumanns Seite.

„Na, da haben sich ja zwei gefunden“, sagte Viviana. „Eigentlich wollte ich ja einen Hund. Naja, wo die Liebe hinfällt.“ Sie schaute schmollend über das Lenkrad und konzentrierte sich auf die Straße.

Nach einhundert Kilometern brauchte das Hundekind eine kurze Pause. Viviana bog auf den nächsten Parkplatz und ließ die Männer ins Freie. Dodge steuerte sofort auf die kleine Rasenfläche zu und hockte sich hin. Vivi staunte: „Guck mal Klaus. Der macht ja Pipi im Sitzen. Ist das etwa doch ein Mädchen? Machen Rüden nicht eigentlich das Bein hoch?“

Baumann runzelte die Stirn und beugte sich tief hinunter. Als er Viviana wieder ansah, grinste er breit. „Eindeutig ein Rüde. Der hat zwei kleine Glocken.“ Er begann herzhaft zu lachen und Dodge zuckte zusammen.

„Sch.., leise, Klaus. Er hat sich erschrocken.“ Vorsichtig hob Vivi ihn aus dem Gras und er kuschelte sich gleich in ihren Arm. Klaus sah das Pärchen neidisch an, öffnete den Kofferraum und brach eine große Banane von der Staude. Nach und nach zog er die Schale in schmalen Streifen von der Frucht und hielt dem kleinen Kerl das Fruchtfleisch direkt unter die Nase. Sofort setzte sich die kleine Peitsche in Bewegung und Baumann trat einen Schritt zurück. Jetzt konnte Viviana den kleinen Racker nicht mehr halten und ließ ihn nach unten. Die Bananenstücke waren schnell im Hundebauch verschwunden und Baumann ging zum Auto, um eine weitere Frucht zu holen. Doch Viviana stoppte ihn: „Lass lieber, Klaus. Sonst bekommt er vielleicht noch Durchfall.“

Klaus schaute traurig nach unten, sein Freund auch. Dann hob er ihn wieder auf seinen Arm. „Haste gemerkt, wer hier die Hosen anhat? Da haben wir keene Chance, mein Lieber.“

Während Vivi das Auto lenkte, hatten die Männer genügend Zeit, sich weiter anzufreunden. Aber eigentlich war das gar nicht mehr nötig. Sie waren bereits unzertrennlich.

Dodge war auf dem Rücksitz eingeschlafen und Baumann blätterte im Informationsordner, den ihnen die Züchterin mitgegeben hatte.

„Ha. Da steht es, Vivi. Rüden heben erst das Bein, wenn sie geschlechtsreif sind, meistens nach dem ersten Jahr.“

Die Fahrerin hob kurz ihren rechten Daumen und konzentrierte sich weiter auf die Straße. Gedanklich war sie jedoch bei einem anderen Thema. Sie sah schmunzelnd in den Rückspiegel. „Klaus, wir sind uns doch einig, dass wir ihn nicht Dodge nennen oder?“

Ruckartig hob er den Kopf. „Nee. Dat hört sich ja an wie ne Automarke. Dat is ne deutsche Dogge, wohnt in Norddeutschland und brauch och `n norddeutschen Namen.“

Viviana sah schon eine Weile stur auf die Fahrbahn. Bis nach Wentorf war es nicht mehr weit.

Jedes Mal, wenn sie sich dem Bergedorfer Gehölz näherte, begann sie zu lächeln. Dieses Haus war wirklich ein Traum. Viviana konnte es immer noch nicht fassen, dass es jetzt ihr neues Zuhause war. Sie erinnerte sich genau daran, dass Klaus kurzentschlossen sein Haus in Berlin verkauft hatte, um mit ihr hier einzuziehen. Sie hatten auf den Sommerurlaub verzichtet und alles so hergerichtet wie es beiden gefiel.

„Schatz, dat war unsere Einfahrt. Wo willst du hin? In den Wald?“ Klaus grinste und streichelte den kleinen Racker neben sich. Vivi schüttelte den Kopf, drehte an der Lichtung und fuhr zurück. Als sie unter dem Carport stand, fiel ihr Blick zur Uhr. Zwei.

Klaus betrat die geräumige Küche und setzte den kleinen Kerl mitten auf die cremefarbenen Fliesen. Doch der machte vor Aufregung gleich Pipi, mitten in der Küche. Vivi zog kommentarlos einige Blätter Küchenrolle von der Halterung und wischte es weg.

„Hast Schiss, wa?“ Klaus nahm den neuen Hausbewohner wieder auf den Arm und beruhigte ihn.

Abends gab es die erste frische Portion Pansen. Die Züchterin hatte ihnen das Fleischpaket als Gefriergut mitgegeben. Jetzt, im aufgetauten Zustand, stank es fürchterlich. Dodge störte das gar nicht. Er fraß und fraß und seine neuen Hausherren hatten ihre Freude daran, ihm dabei zuzusehen.

„Klaus, was hast du vorhin im Auto gesagt?“ Baumanns Augenbrauen zogen sich zusammen und Vivi hakte nach: „Na mit dem norddeutsch.“

„Ach so, ick meinte, dat is ne deutsche Dogge. Die kommt nach Norddeutschland und brauch auch einen norddeutschen Namen.“

Vivi schaute nach unten zu dem kleinen Kerl, der immer noch fraß. „Fiete“, rief sie und sofort schaute er zu ihr hoch. Klaus lachte. „Jawoll, Fiete!“

Fiete erkundete das ganze Haus, auch die Fensterbänke. Zunächst war Vivi noch amüsiert, als aber die alte Vase zu stürzen drohte, begann sie mit Fiete zu schimpfen. Schnell versteckte er sich unter dem Tisch und Baumann lenkte ein: „Lass ihn doch, Schatz. Er muss schließlich seine neue Umgebung kennenlernen.“

Am späten Abend saßen die Hausherren auf dem braunen Ledersofa. Im Fernsehen lief eine alte Schnulze und der Wein schmeckte hervorragend. Fiete lag auf einem großen Schlafteppich, zu ihren Füßen.

Die beiden waren in den Film vertieft und bemerkten gar nicht, dass Fiete immer nähergekommen war. Mittlerweile stand er direkt vor der Sitzfläche des Sofas und schaute sehnsüchtig nach oben. Als Vivi und Klaus nicht reagierten, legte er den Kopf auf das Leder und wartete ab. Keiner bemerkte etwas. Dann zog er, in Zeitlupe, die linke Vorderpfote nach. Keiner schimpfte. Langsam legte er die rechte Vorderpfote daneben und wartete ab. Seine blauen Augen schielten zum Herrchen. Keine Reaktion.

Fietes Peitsche wedelte aufgeregt. Mit einem Ruck hievte er seinen Po nach oben und lag auf dem Sofa. Baumann erschrak und schaute ihn mit großen Augen an. Fiete blickte verschämt nach unten.

„Heute is o.k.“, flüsterte Baumann und drehte sich wieder zu seinem Schatz.

Am anderen Morgen war Klaus noch sehr müde, denn er hatte die erste Nachtschicht für Fietes Pinkelpausen übernommen. Morgens um sechs nahm er ihn schließlich mit in die erste Etage. Nun schlief er seelenruhig auf seinem Hundeteppich im Flur, vor der Schlafstube.

Vivi beugte sich zu Klaus hinüber und pustete ihrem Schatz ins Ohr. Er zuckte und drehte sich zur anderen Seite. Langsam schob sie ihre Hand unter seine Bettdecke und kniff ihn in den Po. „Au!“ Sofort ertönte ein lautes Bellen im Flur. „Siehst de. Da draußen sitzt mein Beschützer.“ Klaus drehte sich grinsend um und Viviana begann zu lachen.

Wieder schlug Fiete an und Klaus quälte sich aus den Federn. Als er die Tür einen Spalt öffnete, sah er als erstes die dicke schwarze Nase. Langsam vergrößerte er den Türspalt und ließ Fiete herein.

„Aber nicht ins Bett, Klaus“, mahnte die Hausherrin. Baumann ignorierte die Worte und hüpfte wieder unter die Decke. Es war nicht zu übersehen, dass er Fiete damit locken wollte. Und tatsächlich versuchte der Kleine die gleiche Tour wie am gestrigen Abend. Vorsichtig legte er seinen großen Kopf auf die Bettkannte und schaute Baumann mit großen Hundeaugen an. Klaus grinste. „Da kommst du sowieso nich hoch, mein Freund.“

Fiete schien unbekümmert und legte seine Vorderpfoten nacheinander daneben. Baumann grinste immer noch „Und jetzt? Wat machst de mit dem Hinterteil?“

„Klaus, ärgere ihn nicht. Er ist doch noch so klein.“ Doch Klaus rutschte jetzt sogar dichter an Frauchen heran und versuchte Fiete weiter zu locken. Vivi boxte ihn auf den Arm.

„Klaus, du benimmst dich wie ein kleiner Junge.“

Doch der beobachtete weiter Fiete und schwieg. Unentwegt versuchte der kleine Kerl seine rechte Hinterpfote nachzuziehen, aber es gelang ihm nicht. Der dicke Po zog ihn immer wieder hinunter und Baumann amüsierte sich köstlich darüber.

Nach einem weiteren Versuch, das Hinterteil aufs Bett zu hieven, fiel er nach hinten und strampelte wie eine Schildkröte auf dem Rücken. Baumann begann schallend zu lachen, stieg aus dem Bett und hob ihn auf den Arm.

„Fiete, dat war die erste Lektion. Bett is tabu. Allet klar?“

Nach einem ausgedehnten Frühstück erkundete Fiete den großen Garten. Jetzt waren beide froh, dass sie sich für dieses Haus mit den 1100 qm entschieden hatten. Fiete raste von einer Ecke in die andere und es schien ihm sichtlich Spaß zu machen. Doch auf einmal war er weg, spurlos verschwunden. Die große Suche begann.

„Fiete! Fiete!“ Viviana hatte bereits Tränen in den Augen. „Klaus, wo kann er denn nur sein? Wir haben doch schon alles abgesucht. Ich gehe noch einmal ins Haus.“

Klaus sah ihr besorgt hinterher und ging zur anderen Seite des Grundstücks. Hier hatte er die Komposter aufgestellt und rechts daneben einen kleinen Schuppen gebaut. Im Keller wollte Vivi die vielen Übertöpfe und Kartons mit getrockneten Pflanzen nicht aufbewahren. Klaus umkreiste sein Bauwerk. Die Tür stand offen, und dann entdeckte er ihn. Die großen grauen Ohren waren nicht zu übersehen. Langsam näherte er sich dem Karton.

„Na, du Racker. Hast uns ja einen jans schönen Schrecken eingejagt. Nu, komm. Versteckspielen is vorbei. Dein Frauchen hatte fast `n Herzinfarkt.“

Er beugte sich zu Fiete hinunter und bemerkte erst jetzt seine wunderschönen blauen Augen. Wie das Frauchen, dachte Klaus und musste schmunzeln.

Er hob den Kleinen aus seinem Versteck und setzte ihn auf den weißen Gartentisch, den Vivi ausrangiert hatte.

„Wat is? Wat kiekst de so bedeppert? Hast de Schiss? Must de nich. Hauptsache is doch, du bist nich weggelaufen.“

Klaus streichelte dem kleinen Kerl vorsichtig über den Kopf und augenblicklich gab Fiete einen warmen Brummton von sich.

Herrchen musste lachen. „Dat gefällt dir, wa?“

Dann hob er ihn auf den Arm und ging ins Haus, um Entwarnung zu geben.

Vivi ließ sich auf den Küchenstuhl fallen. „Gott sei Dank.“ Baumann brummte: „Wat heißt hier Gott. Ick hab ihn gefunden. Naja, kannst auch Gott zu mir sagen.“ Jetzt lachte sie wieder und Klaus hatte sein Ziel erreicht.

Am Abend waren alle sichtlich erschöpft, außer Fiete. Klaus füllte den Fressnapf und ließ sich auf den Stuhl fallen. „Du hältst uns janz schön uf Trapp, du kleene Flitzpiepe.“

Als Vivi in die Küche kam, war sie sichtlich amüsiert. „Sieh doch!“

Fietes Ohren hingen im Pansen und er stupste sie ständig mit seiner großen Schnauze weg.

Lachend stand Baumann auf, holte ein Tuch und zog Fiete vom Napf weg. Der knurrte.

„Ick muss die Löffel wohl festhalten, wa?“, sagte Klaus, während er sie reinigte.

Endlich durfte der Kleine wieder an sein Fressen und Herrchen hielt die langen Ohren über dem Hundekopf zusammen. „Jetzt fehlt nur noch ne Schleife.“

Die Hausglocke schellte und Fiete rannte bellend zur Tür. Klaus hinterher.

„Lena, du?“ Sie hielt ihm grinsend eine Windel entgegen.

Baumann war verwirrt. „Äh, wir haben Nachwuchs, äh, aber einen Hund.“

Jetzt kamen nach und nach mehr Kollegen hinter der Hausecke hervor und riefen im Chor: „Hunde-Pinkel-Party!“

Vivi war von der Idee der Kollegen sichtlich gerührt. Ständig wischte sie sich Tränen aus dem Gesicht. „Das ist total lieb von euch, dass ihr den kleinen Kerl so nett in unserer Runde begrüßt.“ Fiete war inzwischen mit dem Spielzeug beschäftigt, dass die Kollegen mitgebracht hatten. Sein Liebling: ein quietschender Knochen.

Klaus hingegen amüsierte sich über die Windeln und den Feudel. Die Bande hatte wirklich mitgedacht. Alles, um Fietes Pipi wegzuwischen.

Nach einem Monat in seinem neuen Zuhause passte die Dogge nicht mehr unter den Couchtisch. Klaus und Vivi wussten das, aber Fiete nicht. Jedes Mal, wenn er sich unter den Tisch zwängte, hob der sich an und Fiete erschrak. Nach und nach begriff aber auch er, dass er sich eine andere Liegefläche suchen musste.

Der milde Winter ließ die Erde nicht gefrieren und so tollte Fiete auch noch im Dezember durch den Garten und buddelte seine Löcher. Viviana war ganz verzweifelt, wenn sie an ihre Blumenbeete dachte, die ihm bisher nicht zum Opfer gefallen waren.

Zu Weihnachten sah der Garten aus, wie ein riesiger Schweizer Käse. Die größten Löcher hatten einen Durchmesser von 80 cm, aber das war Fiete egal. Er buddelte weiter.

Ende Februar war Fiete fast sieben Monate alt und wog bereits 40 Kilogramm. Er hatte sich zu einem Prachtkerl entwickelt. Nur an seine Sturheit konnte sich Viviana einfach nicht gewöhnen. Baumann hingegen freute sich. Schließlich ging er mit ihm Gassi. Doch als Fiete den ersten Schnee sah, war er nicht mehr zu bremsen. Klaus hatte ihn kaum von der Leine gelassen, da stürzte er auch schon los. Das Einzige, was Klaus noch sah, waren die Fährten im Schnee. Der Hund war außer Sichtweite und egal, wie oft er ihn rief, von der Dogge war nichts mehr zu sehen. Baumann wurde immer unruhiger und lief ihm hinterher.

Plötzlich sauste ein Torpedo an ihm vorbei. Klaus erschrak und starrte seinem Hund mit offenem Mund hinterher.

Sekunden später drehte Fiete um, rannte auf Baumann zu, stoppte vor ihm und schaute ihn sabbernd an. Klaus hatte Herzklopfen, beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte: „Mach dat nie wieder.“ Dann leinte er ihn an und nahm sich fest vor, mit der Hundetrainerin darüber zu sprechen. Das Gehorchen auf Befehl klappte nur sporadisch und Fietes Reaktionsgeschwindigkeit glich der einer Weinbergschnecke.

Das Sabbern war ein Thema, mit dem sich beide längst abgefunden hatten, auch wenn es oft Meter von Schnürsenkeln waren, die ihm aus der Schnauze hingen. Dafür gab es ja schließlich Handtücher.

Nach der Hundepinkelparty kamen die Kollegen darauf, ihn für den Polizeidienst abrichten zu lassen. Schließlich sei der Geruchssinn eines Hundes 300 Mal stärker als der eines Menschen. Aber das kam für Baumann nicht in Frage.

Das Pauls

„Habt Mitleid!“, rief der Koch und rutschte auf den Knien zu dem Gast, dessen Füße er umfasste. „Sagt, was fehlt an dieser Speise, dass sie eurem feinen Gaumen nicht zusagt? Lasst mich nicht sterben, wegen einer Handvoll Fleisch und Mehl!“

Jochen starrte auf die Lautsprecher seines PCs. Die Stimme war verstummt. Das war alles? Er vernahm eine Mischung aus Knistern und Rauschen. Immer noch starrte er auf die Boxen. Diese Stimme machte ihm Angst. Es war die hohe Tonart, dieses Piepsen. Fast schien es ihm, als wäre der Sprecher im Stimmbruch. Er lehnte sich zurück und sog die kühle Luft tief in sich ein.

Verdammt, war das kalt. Seit einer Ewigkeit wartete er auf den Installateur. Sein Blick fiel auf die Anzeige des PCs. 10 Uhr. Vor drei Stunden hatte er den Notdienst angerufen. Jetzt reicht`s, dachte er und griff erneut zum Telefon. Nachdem ihm die nette Dame am anderen Ende der Leitung versichert hatte, dass der Installateur in dreißig Minuten bei ihm eintreffen würde, lehnte er sich beruhigt in seinen Bürosessel. Er starrte auf die Lautsprecher und plötzlich war alles wieder präsent. Diese piepsige Stimme. Er hatte sie schon einmal gehört. Aber wo?

Jochen war die Treppe hinuntergelaufen und stand bereits einige Minuten in der kalten Februarluft. Er versank in der schwarzen Wattejacke und trat von einem Bein auf das andere. Seinen grauen Wollschal hatte er mehrfach um den Hals geschlungen, und trotzdem, er fror.

Aus dem Café gegenüber, in der Kleinen Johannisstraße, strömte ein nicht endender Kaffeegeruch und Jochen hob seine Nase. „Hm. Einer der Weltgerüche“, murmelte er.

Plötzlich wurde er aus seinen Träumen gerissen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite quälte jemand den Parkautomaten. Der kleine Mann tobte und klopfte mehrfach dagegen. „Scheiße! Raus mit meinem Geld! Erst spuckst du keinen Schein aus und jetzt willst du meine Kohle auch noch behalten!“

Jochen drehte sich grinsend um und ging in sein Restaurant. Die drei Stufen ins Hochparterre nahm er mit einem Satz und griff nach der Klinke. Jedes Mal, wenn er die Eingangstür öffnete, überkam ihn ein unendlicher Stolz. Er hatte es wirklich geschafft. Jetzt war er in Hamburg, seinem erträumten Endziel.

In der Empfangshalle bemerkte man nichts, von der Geschäftigkeit in der Küche. Erst als Jochen um die Ecke in den langen Flur bog, klangen die ersten Geräusche an sein Ohr. Er blieb an der Durchreiche stehen, um ungesehen das Treiben zu beobachten. Doch einer hatte ihn bemerkt. Mit einem Stoß sprang die weiße Schwenktür auf und Carlos stand im Flur. An seinen Händen klebte Blut.

Jochen war zusammengezuckt und starrte auf das tropfende Rot. Sein Herz raste und er schrie: „Wie oft soll ich dir das noch sagen? Geh! Wasch dich!“

Carlos ging wortlos zurück in die Küche und Jochen eilte weiter Richtung Personalraum. Er öffnete die Tür, bog links ab und stutzte. Wie sah es denn hier aus? Der Tisch war festlich geschmückt und ein riesiger Korb Frühblüher stand auf dem schmalen Fensterbrett. Ein kräftiger Kaffeegeruch erfüllte den Raum. Hm, er liebte diesen Duft. Als er sich setzte, sah er eine Person hinter der Glastür. Carlos war ihm wohl gefolgt. „Komm rein, du Penner!“, rief Jochen.

Vorsichtig bewegte sich die Tür nach innen und ein Blaumann betrat den Raum. Jochen erschrak. „Oh, sorry, ich dachte…na, egal. Gut, dass sie endlich hier sind.“ Er erklärte dem Techniker das Nötigste und begleitete ihn bis zur Heizung.

Auf dem Rückweg zum Personalraum, ging er an der Küche vorbei und sah Blutflecken auf der weißen Schwenktür.

Er verfluchte seinen Fleischer und nahm sich vor, ihn noch einmal zur Rede zu stellen.

Jochen streckte seinen Kopf in die Durchreiche. „Moin, Tim. Carlos wollte was von mir. Sag ihm, ich bin noch mal kurz im Büro, und macht den Scheiß hier sauber!“

Dann verließ er das Restaurant und bog links ab.

Der separaten Eingang Nummer 3 führte hinauf zu seinem Büro. Das war das Einzige, was er bei den Umbaumaßnahmen nicht ändern konnte. Dadurch hatte er keinen direkten Zugang von seinem Büro ins Restaurant, aber manchmal war er sehr froh darüber.

Oben angekommen warf er einen langen Blick auf seinen Schreibtisch. Berge von Papieren häuften sich auf der linken Seite und er raufte sich seine dunkelblonden Haare. Allein würde er das nicht mehr lange schaffen. Er brauchte dringend Unterstützung. Wenn doch Marla wenigstens hier wäre. Sie könnte dieses Chaos im Handumdrehen beseitigen. Aber sie hatte er auch verärgert, so wie viele andere vor ihr. Ich habe einfach kein Händchen für Frauen, dachte er und sah dabei wehmütig auf den riesigen Stapel Rechnungen. Dann ließ er sich auf den Bürosessel fallen und begann zu lachen. „Aber ich kann kochen!“

„Chef, bin sauber. Kuck.“ Jochen erschrak. „Carlos! Schleich dich doch nicht so an!“ Dann blickte er auf die Hände, die sein Fleischer brav nach vorne streckte und musste grinsen. „Ist ja gut, Carlos. So, was gibt’s?“ Der Fleischer druckste herum: „Haben nicht Fleisch bekommen, die Chef wollte.“ Jochens Stirn war augenblicklich mit kleinen Falten übersät. „Was heißt das?“ Carlos trat von einem Bein auf das andere: „Haben bestellt Iberico, bekommen haben Biosau.“ Jochen war bei den letzten Worten seines Fleischers aufgesprungen und hatte bereits das Telefon am Ohr. Er brüllte dermaßen in den Hörer, dass Carlos einen Schritt zurücktrat. Dann warf er das Telefon auf den Tisch und drehte sich lächelnd um. „So, alles geklärt. Iberico ist gleich da und aus dem Bioschwein machst du Hack. Alles klar?“

Carlos sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an und kratzte sich seine grauen Bartstoppeln. „Chef, wirklich ganze Sau? Ist sehr schönes Frau. Schlanke Taille, schöner Arsch. Gut für Schinken räuchern. Nix für alles Kleinhacken, Chef.“

Der Chef schmunzelte und sah dabei auf die Uhr seines PCs. „Shit, ich muss. Ich komme gleich mit, Carlos und übrigens die Idee mit dem Schinken is gut. Mach das.“ Dann griff er sich die Tasche und schob ihn aus der Tür.

Jochen stürmte in die Küche: „Tim?“ Ein schlanker Mann hob wortlos den Arm. „Komm, wir müssen die Gänge besprechen!“ Tim stutzte: „Die Speisefolge steht doch.“ Pauls schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hatte letzte Nacht eine Idee. Hier.“ Er zog einen karierten Zettel aus seiner schwarzen Kochjacke, reichte ihn seinem Souschef und wartete ab. „Und, was sagst du?“

Tim starrte auf den Zettel und hatte Mühe, das Gekritzel zu entziffern. „Hm, bist du sicher? Ich meine, ist das nicht etwas zu schlicht?“

Jochen hob beide Daumen. „Genau, schlicht. Aber das ist es, verstehst du?“ Tim schwieg und ging, stoppte und drehte sich noch einmal um: „Jochen, was schleppst du da eigentlich immer mit dir herum?“ Er zeigte auf eine Leinentasche, die über seiner rechten Schulter hing.

Der Chef lächelte. „Das ist meine Inspiration.“ Ein bisschen gaga war er ja schon immer, dachte Tim und ging zurück zum Team. „Alle mal herhören! Alles zurück auf Anfang! Das Überraschungsmenü des heutigen Tages:

Geröstete Brötchen mit Chesterkäse undRadiesbutterkugeln

-

Süppchen vom Bleichsellerie

-

Gegrillter Lachs mit frischem Gurkensalat undweißer Schaumsauce

-

Lammbraten mit Rahm- und Minztunke,garniert mit jungen Morcheln, Tomaten undgestovten Kartoffeln

-

Warmer Schinkenpain mit gefrorenem Meerrettich

-

Junge Ente mit Salat

-

Variationen von Butter, Brot und Käse

-

Vanilleeis mit heißen Pfirsichen undWeinschaumtunke

„Los geht’s!“ Er klatschte auffordernd in die Hände und gab weitere Anweisungen. Als er noch einmal auf den Zettel sah, huschte ihm ein Lächeln über das gebräunte Gesicht. Es waren nur noch acht Gänge. Der Chef hatte zwei gestrichen.

Um 19 Uhr war das „Pauls“ bereits überfüllt. Die Hamburger strömten voller Neugier in das neue Restaurant. Wer nicht reservierte, hatte Pech. Die Warteliste war lang, obwohl das Pauls erst vor vier Wochen seine Türen geöffnet hatte.

Aber Baumann und Viviana gehörten zu den Glücklichen und freuten sich auf den heutigen Abend. Der Tipp kam von Haucke und der hatte bekanntlich einen sehr feinen Gaumen, obwohl Klaus das einem Leichenschnippler gar nicht zugetraut hätte.

Der Hauptkommissar führte heute nicht nur seine Geliebte, sondern auch seinen neuen Anzug aus, den er bei Policke erstanden hatte. Hanseatisch Blau, mit hauchfeinen Streifen. Das streckt, meinte der dämlich Verkäufer. Baumann ärgerte sich immer noch. Als ob er das nötig hatte. Immerhin waren seit seinem Amtsantritt in Hamburg sechzehn Kilo seines Körpergewichtes auf der Strecke geblieben.

Seine Begleitung zwickte ihn in die Seite und Klaus zuckte zusammen. „Wat is?“ Sie streichelte seinen bemantelten Arm und strahlte. „Ich bin schon total aufgeregt, Klaus. Schöne Idee von dir.“

Als sie die drei Stufen zum Eingang hinunterschritten, wurde ihnen die Tür bereits geöffnet und ihr Blick fiel in eine kleine Empfangshalle. Links des Raumes zog sich eine hölzerne Bar an der Wand entlang und dahinter hingen kleine Schränke. Die grüngeflammten Fliesen darunter waren noch vom Restaurant Cölln. Das erkannte Vivi sofort. Auch der geblümte Fliesenspiegel an den Wandkanten.

Eine sehr nette Dame hatte sie nach ihrer Reservierung gefragt und ihnen bereits die Mäntel abgenommen. Erst jetzt bemerkte Klaus Vivis neues Kleid. Dunkelblau. Um die langen Arme zog sich ein glitzernder Perlengürtel, genau, wie um den tief ausgeschnittenen Hals. Sie trug heute keinen Schmuck, nur den Perlenring, den Klaus ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Am liebsten würde ich sie jetzt küssen, dachte Baumann, so freute er sich über ihren Anblick. Aber er riss sich zusammen, streichelte ihr nur kurz über den Arm und flüsterte: „Schön.“

Dann wurden sie an eine uniformierte blonde Kellnerin übergeben. „Herr Baumann und Partnerin. Herzliche Willkommen im Pauls. Ich werde sie durch den heutigen Abend begleiten. Folgen sie mir bitte. Ich gehe voraus.“ Der kleine Gardeoffizier drehte sich zackig um und schritt einen sehr langen Flur entlang.

„Hier, links von ihnen, waren ursprünglich viele einzelne Séparées, die Herr Pauls zu einem langgestreckten Restaurant hat umbauen lassen. Einige Stützwände durften der baulichen Statik wegen nicht entfernt werden und so haben sie noch einen vagen Eindruck, wie es hier einmal ausgesehen hat. An den Wänden des Restaurants und auch in den WCs hängen einige Bilder des ehemaligen Restaurants Cölln.“

Viviana nickte, denn sie kannte noch die ursprüngliche Form. Baumann hörte aufmerksam zu. Endlich bog der Gardeoffizier links ein und Viviana verstand, was sie mit baulichen Änderungen gemeint hatte. Der Raum war zwar immer noch untergliedert, aber man konnte weit hindurchblicken. Hell und freundlich, dachte Viviana, als die die cremefarbenen Holzpaneele sah und setzte sich. Ihre Augen wanderten durch den Raum und blieben an den Tischen hängen, die sich wie ein Gürtel unter den Fenstern hindurchschlängelten. Sie standen eng beieinander und Vivi war froh, dass sie in einer kleinen Nische saßen und sich in Ruhe unterhalten konnten.

Baumann hatte sie schon eine Weile beobachtet und es war ihm nicht entgangen, wie ihre Blicke den Raum taxierten. Er grinste. „Na, was würdest du hier alles anders gestalten, Schatz?“

Sie lachte. „Du hast mich durchschaut.“

„Essen sie a la Card oder darf ich für sie auch das Überraschungsmenü notieren?“

Der Gardeoffizier stand wieder vor ihnen.

Vivi starrte immer noch in die goldumrandete Speisekarte. Sie hatten die Wahl zwischen jeweils zwei Vorspeisen, Salaten, Zwischengängen, Hauptgängen, Desserts und Käsevariationen. Sie blickte auf. „Ich nehme das Überraschungsmenü.“ Klaus nickte. „Ich auch.“

Zack, drehte sich der Gardeoffizier wieder um und verließ den Tisch. Baumann sah ihr verärgert nach. „Ick hab Durst. Die hat uns ja nich mal nach Getränken gefragt.“ Vivi legte ihre Hand auf seinen Arm. „Schatz im Überraschungsmenü sind die Getränke inklusive.“

Da kam die Kellnerin wieder auf sie zu und überreichte ihnen eine lange, goldumrandete Karte mit der Speise- und Getränkefolge. Klaus suchte vergeblich das Bier und wurde brummig. „Junge Frau, ich möchte wat anderes trinken.“

Sie lächelte. „Aber natürlich Herr Baumann.“ Sofort zog sie eine weitere Karte aus ihrer Uniform. „Bitte, wählen sie aus unserem Angebot, welches der Getränke sie ersetzen möchten.“

Klaus reichte ein kurzer Blick. „Ich trinke den Begrüßungschampus und den Wein zum Hauptgang, ansonsten Köpi.“

Die Kellnerin grinste. „Sie meinen sicherlich Königspilsner?“ Klaus nickte und sie tippte alles in ihr Smartphon. Viviana nahm das Menü so wie es angeboten wurde, obwohl sie es sehr einfach fand. Als der blonde Gardeoffizier den Tisch verlassen hatte, flüsterte sie Klaus zu: „Das liest sich wie aus einem alten Kochbuch. Was Besonderes ist das aber nicht, Schatz.“ Baumann brummte: „Wir werden sehen. Jetzt sind wir hier.“

Die Gäste waren von dem neuen Überraschungsmenü sichtlich begeistert, auch Klaus und Viviana. Es hatte ihnen wirklich gemundet und sie genossen gerade die letzten Löffel des köstlichen Desserts.

Klaus sah unruhig auf die Uhr. Fiete war heute das erste Mal bei der Nachbarin und er machte sich Sorgen, ob die ältere Dame mit ihm klarkommen würde. Vivi sah in besorgte Augen und streichelte seine große Hand. „Na, Schatz. Du machst dir Gedanken, ob Frau Heinrich und Fiete sich verstehen, nicht wahr?“ Klaus nickte und fragte: „Bist du böse, wenn wir gleich gehen?“ Viviana küsste ihn auf die Wange. „Natürlich nicht.“

Jochen hatte es mal wieder geschafft. Die schlichte Raffinesse seiner Speisen schmeichelte bereits so manchem prominenten Gaumen und so war das „Pauls“ schon in den Top Ten der beliebtesten Restaurants Hamburgs aufgestiegen. Erneut drehte der Koch seine Runden durch das Pauls und erntete lobende Worte. Doch plötzlich hielt ihn jemand fest und er drehte sich um: „Marla, schön, dass du da bist.“ Er sah sie sehnsüchtig an, aber sie reagierte nicht. Langsam erhob sich die Schöne und lächelte kühl.

„Du Schuft.“

Das Auftreffen ihrer nackten Hand auf seinem Gesicht schallte durch die Restauranträume. Alle Blicke waren plötzlich auf sie gerichtet und einige Gäste standen extra auf, um zu sehen, woher dieses klatschende Geräusch gekommen war.

Als Marla das Restaurant verlies, stand Jochen noch immer regungslos da, hielt sich die Wange und starrte ihr hinterher. Einige der Gäste begannen zu lachen und ein Stammgast prostete ihm zu: „Machen sie sich nichts daraus. So sind die Frauen.“ Im selben Augenblick bekam er einen heftigen Rippenstoß von seiner Begleitung und schwieg. Jochen Pauls prostete ihm zu und ging zurück in seine Küche.

Es war auch heute wieder spät geworden. Jochen saß mit einem Glas Rotwein in der Hand an seinem Schreibtisch und starrte die Wände an. Was für ein Tag, dachte er. Erst schickt ihm ein Verrückter eine CD mit wirrem Gefasel und dann taucht auch noch seine Verflossene im Restaurant auf und klatscht ihm eine. Was für ein Tag.

Der Fremde

„Das wird dir nicht helfen, mein Lieber.“, antwortete der Fremde mit Lachen. „Das habe ich mir schon gestern gedacht, dass du diese Speise nicht machen kannst wie mein Koch. Wisse, es fehlt ein Kräutlein, das man hierzulande gar nicht kennt.“

Jochen saß mit hochrotem Kopf in seinem Büro. Er hatte die CD bereits drei Mal gehört und sein Puls war schneller und schneller geworden. Was sollte das? Die erste CD von gestern hatte er bereits vergessen, das wirre Gefasel einfach ignoriert. Aber das hier war kein Spaß mehr. Nein.

„Jochen? Ist alles in Ordnung?“ Tim stand vor seinem Schreibtisch und beugte sich zu ihm hinunter. „Jochen, was ist mit dir?“

Erst jetzt nahm Pauls ihn war, zuckte aber nur mit den Schultern, stand auf und verschwand wortlos in die andere Ecke des Raumes, hinter dem Tresen seiner Versuchsküche. Der Souschef folgte ihm. „Was ist? Du bist ja völlig durch den Wind!“

Jochen hob die Hände und massierte seine Schläfen. Er versuchte das Gehörte zu vergessen. Vergeblich. Ruckartig drehte er sich um und versuchte ein Lächeln. „Alles gut. Was gibt’s?“