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Der introvertierte 19-Jährige, russischstämmige Bücherfreak Mischka, seit dem Tod seiner Eltern bei seiner Großmutter aufgewachsen, landet in einer Geschichte, die einem seiner geliebten Fantasy-Bände entsprungen zu sein scheint. Die geheimnisvollen "Kinder der Nacht", eine christliche Glaubensgemeinschaft mit einer vermutlich ungesund starken Bindung zum "Blut Christi", können durch den Konsum dieses Blutes in ihren Messen jahrhundertelang auf Erden leben. Immer wieder lernt Mischka, durch das Studium des Kodex neue Glaubensgrundsätze kennen. Zum ersten Mal erkennt er, was es bedeutet, Teil einer Gruppe zu sein, akzeptiert und anerkannt zu werden und findet in seinem Initiator Alex einen richtigen Freund. Doch was ist wahr und wie sehr kann der Kopf die Realität verdrehen, um sich selbst vor der grausamen Wahrheit zu schützen?
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Seitenzahl: 94
Veröffentlichungsjahr: 2019
© 2019 Maxima Glöckner
www.instagram.com/captainmaxiprod
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7497-8625-1
Hardcover:
978-3-7497-8626-8
e-Book:
978-3-7497-8627-5
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„Kapitel 1
„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“ das steht am Anfang des Johannesevangeliums, aber am Anfang meiner Geschichte steht das Wort oder viel mehr die Worte: „Steh auf, du kommst zu spät!“ So, wie jede Geschichte anfangen sollte.
Meine Großmutter rief diese Worte, während sie gegen meine Tür hämmerte. Ich lebte bei ihr, seit meine Eltern und ihr Mann, mein Großvater, auf dem Rückweg von der Oper einen Autounfall hatten. Allerdings konnte ich mich nicht an meine Eltern erinnern, denn ich war zum Zeitpunkt ihres Unfalls kaum ein Jahr alt gewesen.
Meine Großmutter ist eine tolle Frau, noch gar nicht alt, wie man sich Großeltern so vorstellt, als ich zu ihr kam, war sie erst 41 und jetzt war sie mit 59 Schulleiterin meines Gymnasiums. Das soll aber nicht heißen, dass ich meinen Platz dort durch sie bekommen habe. Sie unterrichtete Chemie und Deutsch, meine Lieblingsfächer, aber natürlich hatte ich sie nie als Lehrerin.
„Mischka, meine Junge, du solltest dich jetzt wirklich dranhalten, ich fahre heute nicht zur Schule und bin erst heute Abend wieder zurück.“ „Ja Babuschka, schon unterwegs!“, rief ich zurück und begann mich in Windeseile anzuziehen.
Ich hatte es wie immer noch rechtzeitig geschafft. Da es am Morgen noch in Strömen geregnet hatte, hatte ich dem Motorrad den Bus vorgezogen und saß jetzt auf dem Rückweg alleine in einer Ecke, tief in der Lektüre für den Deutschunterricht versunken.
Der Himmel war seit dem morgendlichen Unwetter wieder aufgeklart, die Temperaturen für Ende September doch recht warm und ich schwitzte unangenehm in meinem zu großen schwarzen Hoodie. Außer mir war keine Menschenseele im Bus, wenn man mal vom Busfahrer absah. Kein Wunder, denn meine Großmutter und ich lebten in einem kleinen Ort. Mit dem Bus fuhr ich von dort zwanzig Minuten bis zur Schule. Außerdem hatte ich noch Nachmittagsunterricht gehabt und war daher zwei Stunden später unterwegs, als die wenigen anderen Leute, die in diese Richtung mussten. Doch das störte mich nicht sonderlich, viele Menschen auf einem Haufen mochte ich nie wirklich.
Über mich gibt es genau drei Dinge, die man wissen sollte: Erstens, Mischka ist eigentlich eine Kurzform vom russischen Wort für Bär, obwohl ich Michael und nicht Medved heiße, zweitens, meine Familie kommt aus Russland und drittens, ich habe unglaublich viel Pech: Automatisch öffnende Türen gehen nicht auf, wenn ich davor stehe, elektronische Geräte neigen dazu, in meiner Gegenwart auszusetzen, Busse oder Züge kommen zu spät, haben Pannen oder fallen aus, wenn ich dringend irgendwohin müsste. Das sind zwar alles nur Kleinigkeiten, aber trotzdem ärgert mich das natürlich, so auch heute.
Zum Glück hatten wir das kleine Dorf, in dem ich lebte schon fast erreicht, als der Bus unvermittelt, ganz einfach so im Wald stehen blieb. Ich konnte den Fahrer undeutlich fluchen hören und packte meine Reclamausgabe von „Der flammend rote Buchstabe“ ein, wonach ich mit meiner Tasche über der Schulter zum Busfahrer stapfte.
„Kann man ihnen irgendwie helfen?“, fragte ich.
„Wat?“
„Ob man ihnen helfen kann, habe ich gefragt!“
„Ach so, ne. Dat könnte jetzt n’ Weilchen dauern, bis ‘n Ersatzbus kommt, ich geb mein Bestes.“
Irgendwie tat er mir leid: „Ach machen sie sich keinen Stress, ich kann den Rest auch laufen, für eine Person ist ein Ersatzbus, doch nur unnötiger Aufwand!“
„Wenn dat wirklich kein Problem is‘?“
„Ja, sicher nicht!“, antwortete ich schnell, während der Fahrer mit einem Knopfdruck die Tür öffnete.
„Tschüss!“, verabschiedete ich mich und sprang aus dem Bus.
Ich war schon oft alleine im Wald gewesen, nicht selten sogar nachts, denn ich hielt mich sehr gerne dort auf, doch jetzt war mir ein wenig mulmig zumute. Ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, ein sehr unangenehmes Gefühl, als würde einem etwas über den Rücken krabbeln. Einige Male drehte ich mich um, konnte aber niemanden entdecken und hatte auch schon bald den Waldrand und somit unser Haus erreicht.
Großmutter war, wie angekündigt, nicht da, weshalb ich mir einige Kartoffeln und zwei Eier von unseren Hühnern in die Pfanne warf und mich dann mit meinem Essen in mein Zimmer zurückzog. Es war fast ganz schwarz, die Wände waren mit einer schwarzen backsteingemusterten Tapete tapeziert, vor den zwei Fenstern hingen schwere schwarze Vorhänge mit dunkelroten Borten, die das Tageslicht aussperrten. Ein großer schwarzer Kleiderschrank stand auf der einen, ein schwarzer Schreibtisch auf der anderen Seite des Zimmers, das Bett war schwarz bezogen, ein schwarzer Teppich zierte den Parkettboden.
Anfangs hatte es Großmutter gar nicht gefallen, dass ich mein Zimmer so einrichtete, aber außer mir und ihr hatte es auch noch kein Mensch von innen gesehen. Ich hatte eben keine Freunde, zumindest keine menschlichen, das war auch völlig in Ordnung, ich war gerne alleine. Meine Freunde waren die Bücher, mit deren Hilfe ich tagelang die Realität ausblenden konnte. Ich lebte in fantastischen Welten, in denen Hexen, Zauberer, Zwerge, Vampire und all die anderen Fabelwesen existierten. Auch das hatte Großmutter nicht gefallen, aber ich war glücklich damit und das reichte, um sie zufriedenzustellen.
Ich startete eine CD mit Orgelstücken von Bach und ließ mich dann in den schwarzgepolsterten Sessel fallen, der in der Ecke direkt neben der Tür stand. Zu den Tönen der Toccata verspeiste ich mein „Mittag-“essen, es war 15 Uhr.
Nachdem ich alle Überreste meiner Mahlzeit beseitigt und die Spülmaschine gestartet hatte, durchsuchte ich mein riesiges Bücherregal, fand aber kein Buch, das ich noch nicht gelesen hatte. Die Deutschlektüre hatte ich auch schon fast durch, morgen würde ich mich nach der Schule in der Stadt nach ein paar neuen Schätzen umsehen müssen.
Kapitel 2
Also suchte ich am nächsten Tag nach der Schule den Ort auf, der mir nach meinem Zimmer und dem Wald der liebste war, das Antiquariat.
Der Besitzer des kleinen Ladens war ein guter Freund meiner Großmutter und ab und zu arbeitete ich hier, im Gegenzug durfte ich mir ein oder zwei der Bücher aussuchen, auf die sich Herr Weber spezialisiert hatte.
Meistens sortierte ich die Regale und stieß dabei oft auch auf meinen Lohn, heute allerdings sollte ich ein neues Regal aufbauen, um danach mehrere neue Kisten Bücher einzuräumen. Es war eine sehr angenehme Arbeit, zumal ich auch jeder Zeit Musik hören durfte. Aus meinen Kopfhörern klang ein weiteres Orgelkunststück Bachs, er war ein Meister der Orgel gewesen, hatte heimlich angefangen, es von seinem Onkel zu lernen und der Nachwelt Wunderbares hinterlassen. Schon oft hatte ich anfangen wollen, auch dieses Instrument zu erlernen, doch nie fand ich den richtigen Lehrer und so blieb ich bei meinen Büchern.
Meine Ausbeute an diesem Nachmittag waren ein Buch mit russischen Märchen und Sagen und ein Märchen-Roman namens „Stein und Flöte und das ist noch nicht alles“, ein Monstrum von einem Titel, aber die ersten Seiten gefielen mir gut.
Nachdem ich meine Aufgabe erledigt hatte, bat Herr Weber mich, das Antiquariat zu beaufsichtigen, während er einen kurzen Besuch erledigen würde. Ich wusste, dass er eigentlich nur eine Straße weiter in einem Café sitzen würde, denn es war nicht das erste Mal, das er mich alleine ließ, doch es machte mir nichts aus, ich war so oder so lieber alleine mit den Büchern.
Ich widmete mich höchst geflissentlich meiner Aufgabe, indem ich mich einfach hinter den Tresen setzte und in dem Märchen-Roman las. Ich tauchte ab in eine Welt aus märchenhaften Wesen und folgte „Lauscher“ auf seiner Reise. Allerdings nur solange bis das Bimmeln eines Glöckchen mich jäh in die Realität zurückholte.
Die Person, die den Laden betrat, sah aus, als währe sie selbst eine Antiquität oder viel mehr ein Pfingstochse, so war sie über und über mit Schmuck behängt und bei der Menge an Make-up in ihrem Gesicht wunderte ich mich, dass sie von dem Gewicht nicht vorn über kippte. Als ich ihr meine Hilfe anbot, stellte sie sich jedoch schnell als ganz freundlich heraus. Sie suchte nach einem Geschenk für ihren Sohn, der wohl Professor der Architektur war. Schnell hatte ich etwas Passendes gefunden, ein Buch über britische Kirchenbauten aus dem 19. Jahrhundert.
Kaum war die Pfingstochsen-Frau gegangen öffnete sich die Tür erneut. Diesmal war es ein Mann schätzungsweise um die vierzig, der nach einem Buch suchte, dessen Titel ich noch nie gehört hatte, was bei meinem Bücherkonsum eigentlich schon an ein Wunder grenzte. Es war irgendwas mit Tinte. Ich durchforstete die Liste der Bücher mit Tmehrmals, fand aber auch unter dem Namen des Autors nichts und schließlich schaute ich auch die neueingeräumten Bücher durch, musste den Herren aber leider enttäuschen. Er nahm dann trotzdem einen winzigen Gedichtband mit, der eigentlich auch mehr ein Heftchen als ein Buch war.
Ich widmete mich erneut meinem Buch.
Die dritte Person, die eintrat, bemerkte ich zunächst gar nicht, erst als mich dieses Gefühl der Beobachtung wieder ergriff, sah ich auf und erblickte einen blassen Typen mit strubbeligen, schulterlangen, schwarzen Haaren, der kaum älter sein konnte als ich. Ich hatte ihn nicht hereinkommen gehört, jetzt stand er direkt vor dem Tresen und sein Schatten fiel auf mein Buch. Er trug eine enge, schwarze Lederhose mit seitlicher Schnürung und ein ebenfalls schwarzes, weites, halb offenes Leinenhemd, seine Füße steckten in schweren Springerstiefeln. Um den Hals trug er eine silberne Kette mit einem Kruzifixanhänger und an seinen Fingern glänzten mehrere Ringe. Außerdem hatte er eine Tasche über der einen Schulter hängen und, was mich aber am meisten verblüffte, auf der anderen Schulter saß eine schwarze Ratte mit einem weißen Fleck am Kopf. Hätte sie nicht plötzlich mit den Ohren gezuckt, so hätte ich sie für ausgestopft gehalten. Eigentlich waren lebende Tiere im Antiquariat nicht erlaubt, doch das war ein Fakt, den ich guten Gewissens verdrängte, denn ich mochte Tiere und sah keine allzugroße Gefahr in dem kleinen Nager.
Etwas umständlicher als nötig gewesen wäre, kletterte ich hinter dem Tresen hervor und fragte höflich: „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ich suche ein Schmuckstück“, flüsterte der Typ, wobei er einen Schritt auf mich zu machte, die Ratte von der Schulter hob und in die Tasche setzte. Er war etwa einen halben Kopf größer als ich.
„Also, eine große Auswahl haben wir nicht gerade, aber wenn Sie mir bitte folgen wollen, kann ich ihnen zeigen was wir da haben. Wir führen fast ausschließlich Bücher.“
„Vielen Dank, ich bin sicher, ich werde etwas finden!“, etwas an seinem Gesicht verwunderte mich, ich konnte aber nicht feststellen was. Irgendwie fand ich ihn anziehend, also wie ein Buch, das man angefangen hat zu lesen und nicht aufhören kann, bis man es irgendwann zuschlägt, auf die Uhr sieht, es ist vier Uhr in der Frühe und einem fällt ein, dass in fünf Stunden die Chemieklausur beginnt …
Er folgte mir in die hinterste Ecke des Ladens, in der in einer Vitrine einige Broschen und Ringe lagen: „Hier, das ist alles an Schmuck, was wir da haben.“
„Danke, ich denke ich weiß auch schon, was ich will.“
„Ach, das ging ja schnell.“
„Ich habe es gleich beim Hereinkommen gesehen.“