Finde mich - bevor sie es tun - J.S. Monroe - E-Book
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Finde mich - bevor sie es tun E-Book

J.S. Monroe

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Beschreibung

Ein sensationelles Verwirrspiel – spannend, schnell, überzeugend!

Mitten in der Nacht geht Rosa Sandhoe zum Cromer Pier. Sie blickt ins tosende Wasser – und sie springt. Der Tod einer jungen Studentin, die gerade ihren Vater verloren hat. Tragisch, aber nicht unerwartet.
Seither sind fünf Jahre vergangen, und Rosas Freund Jar glaubt noch immer nicht an ihren Selbstmord. Wie ein Besessener klammert er sich an die Vergangenheit. Und plötzlich bekommt er eine Nachricht von Rosa: Finde mich, Jar. Finde mich, bevor sie es tun …
Was geschah wirklich in der Nacht am Cromer Pier? Ist Rosa gar nicht tot? Und wenn doch, wer spielt dann dieses grausame Spiel mit Jar?

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Seitenzahl: 547

Veröffentlichungsjahr: 2018

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j.s. monroe

Thriller

Deutsch von Christoph Göhler

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Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Find me« bei Head of Zeus Ltd., London.
Copyright der Originalausgabe © 2017 J.S. Monroe All rights reserved including the rights of reproduction in whole or in part in any form. Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2018 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München Redaktion: René Stein Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign Umschlagmotiv: © rumumba/photocase.de WR · Herstellung: sam Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach ISBN 978-3-641-20017-6 V002
www.blanvalet.de

Für Hilary

Obwohl ich alt vom Fahren bin

Durch Ebenen und Hügelland,

Ich finde noch, wohin sie ging,

Und küss sie, nehm sie bei der Hand …

W.B. Yeats,

aus »Das Lied des irrenden Aengus«

Ich entdeckte ihn vor ein paar Minuten, in der Ecke, die aufgestellten Flügel aufeinandergelegt wie Hände beim Gebet. Hat er nach einem einzigen Blick auf mein Leben beschlossen, seine Schönheit vor mir zu verbergen? Ich kann es ihm nicht verdenken.

Dad hat mir beigebracht, Schmetterlinge zu lieben. Wenn sich einer ins Haus verirrte, ließ er alles stehen und liegen, fing ihn ein und entließ ihn wieder in die Freiheit. Als wir gestern mit seinem Boot draußen waren, entdeckte er einen – einen Silberfleck-Perlmuttfalter, sagte er – auf einem Segelsack in der Sonne. Er rief mich zu sich, doch bevor ich ihn erreicht hatte, flog der Schmetterling davon. Schweigend beobachteten wir, wie er davonflatterte, sorgenfrei und tapfer – und viel zu weit vom Land entfernt, um zu überleben.

Ich weiß nicht genau, was das hier für einer ist. Am liebsten würde ich ihn zwingen, seine Flügel zu öffnen, etwas Farbe in mein ausgewaschenes Leben zu bringen, aber das wäre ein brutaler Übergriff. Und davon gab es schon zu viele.

»Er ruht sich nur aus«, sagt Dad. Ich habe ihn nicht kommen sehen, doch seine Stimme hat mich noch nie erschreckt. Er war in den letzten Wochen oft hier, und er verschwindet so geräuschlos, wie er auftaucht. »Die Maserung auf der Flügelunterseite wirkt als Schutz vor Feinden, damit man sie nicht so leicht entdeckt.«

Ich werde versuchen, ungesehen zu bleiben, und alle Schönheit, die in mir überdauert hat, für Jar zu bewahren. Und mit Dads Hilfe werde ich eines Tages meine Schwingen wieder in der Sonne ausbreiten.

Teil eins

1

Fünf Jahre sind seit ihrer Beerdigung vergangen, doch Jar erkennt ihr Gesicht auf den ersten Blick. Sie steht auf der Rolltreppe nach oben, er auf der nach unten. Nach einer weiteren Nacht im falschen Stadtviertel wird Jar schon wieder zu spät zur Arbeit kommen. Beide Rolltreppen sind voll besetzt, doch für ihn ist es, als hätten sie den ganzen U-Bahnhof für sich allein, als führen sie still aneinander vorbei, als gäbe es außer ihnen beiden keinen Menschen auf der Welt.

Instinktiv will Jar Rosa etwas zurufen, nur um im Getöse der Rushhour ihren Namen zu hören. Aber er erstarrt, unfähig, etwas zu tun oder zu sagen, und verfolgt stumm, wie die Rolltreppen sie auf die Straßen Londons spülen. Wo will sie hin? Wo ist sie gewesen?

Sein Herzschlag beschleunigt sich, die Handfläche auf dem schwarzen Gummihandlauf beginnt zu schwitzen. Wieder versucht er sie zu rufen, doch ihr Name bleibt ihm in der Kehle stecken. Sie sieht verwirrt, verängstigt, ratlos aus. Der dichte Helm, der einstmals ihr Haar gewesen war, ist verschwunden und einem rasierten Schädel gewichen, der absolut nicht zu dem Bild in seinem Kopf passen will. Und sie hält sich weniger aufrecht als in seiner Erinnerung, was auch daran liegen mag, dass sie unter dem Gewicht des alten Rucksacks mit der blumengemusterten Zelthülle leidet. Ihre wild zusammengewürfelte Kleidung – ausgebeulte Haremshosen, Fleecejacke – sieht verdreckt aus, aber er würde sie selbst noch an ihrem Schatten auf einem Ginsterbusch wiedererkennen. Grünblaue Augen, die unter ernsten Brauen tanzen. Und dazu diese schmalen, ironisch geschwungenen Lippen.

Sie sieht die Rolltreppe hinunter, vielleicht hält sie nach jemandem Ausschau, und verschwindet im Strom der vorbeihastenden Pendler. Eine offene Zeitungsseite segelt auf einem warmen Windstoß an Jar vorbei, während er den Blick über die Menschen unter ihm wandern lässt. Zwei Männer drängen durch die Menge, schieben die Passanten mit der ruhigen Selbstsicherheit zur Seite, wie nur Autoritätspersonen es vermögen. Hinter ihnen klappt eine Reihe von Digitalreklamen um wie Spielkarten.

Frustriert sieht Jar links und rechts an einem Knäuel von Touristen vorbei, die vor ihm die Treppe versperren, so als könnte er den Stau damit auflösen. Steht in den London-Reiseführern denn nichts über rechts stehen, links gehen? Er reißt sich zusammen, denkt an seine ersten Tage, frisch aus dem Flieger von Dublin, wie er sich unsicher in der Stadt bewegte. Und dann hat er es geschafft, schlittert unten um das Ende der Rolltreppe herum wie ein Kind, bevor er wieder hochstürmt, auf der mittleren Treppe, zwei Stufen auf einmal nehmend.

»Rosa!«, ruft er, als er an die Sperren kommt. »Rosa!« Aber seiner Stimme fehlt die Überzeugung, sie hat zu wenig Nachdruck, als dass sich jemand umdrehen würde. Es ist schwer, über fünf Jahre den Glauben zu bewahren. Er läuft durch den überfüllten Schalterbereich und sagt sich, dass sie wahrscheinlich nach links abgebogen ist, in die Haupthalle der Paddington Station.

Ein paar Minuten zuvor war er – knapper bei Kasse, als er es eine Woche vor dem Zahltag sein dürfte – hinter einem ahnungslosen Pendler durch die Sperre gehuscht. Jetzt muss er das Spiel wiederholen, diesmal heftet er sich an einen älteren Mann. Es macht ihn weder stolz noch glücklich, dass er sich problemlos durchmogeln kann. Er zeigt dem Mann, wo er sein Ticket einführen muss, nur um dann hinter ihm durch die Sperre zu schlüpfen. Betrug, getarnt als jugendliche Hilfsbereitschaft.

Er läuft bis in die Mitte der Halle, wo er unter dem hohen, weitgespannten Gewölbedach von Brunels schmucklosem Bahnhofsbau stehen bleibt und, die Hände auf die Knie gestützt, nach Luft schnappt. Wo ist sie abgeblieben?

Und dann sieht er sie wieder, auf dem Weg zum Bahnsteig eins, wo abfahrtbereit der Zug nach Penzance steht. Unter Flüchen und Entschuldigungen schlängelt er sich durch die Menschenmenge, immer bemüht, sie und ihren Rucksack im Auge zu behalten.

Als er um die Ecke eines Grußkarten-Verkaufsstands schießt, sieht er, wie sie weiter vorn, neben den Erste-Klasse-Waggons des Zuges, über ihre Schulter schaut. (Früher schoben sie sich gegenseitig Karten aus Läden wie diesem unter den Türen ihrer Collegezimmer durch, um mit ihrer studentischen Ironie Eindruck zu schinden.) Instinktiv dreht er sich ebenfalls um. Die beiden Männer kommen auf sie zu, einer mit dem Finger am Ohr.

Jar sieht wieder zum Bahnsteig. Ein Bahnangestellter bläst energisch in seine Pfeife und befiehlt Rosa zurückzubleiben. Rosa ignoriert die schrille Warnung, schwingt die schwere Tür auf und schließt sie hinter sich mit einer Endgültigkeit, die durch den ganzen Bahnhof hallt.

Jetzt hat auch er die Waggons erreicht. »Zurückbleiben!«, ruft die Aufsicht wieder, denn der Zug hat sich schon in Bewegung gesetzt.

Er rennt zur Tür, aber sie geht bereits durch den Waggon, sucht nach einem freien Platz und entschuldigt sich dabei kurz, als sie gegen einen Fahrgast stößt. Er bleibt mit dem schneller werdenden Zug auf gleicher Höhe und sieht, wie sie den Rucksack ins Gepäcknetz wuchtet und sich dann ans Fenster setzt. Erst jetzt scheint sie zu merken, dass hinter der Scheibe jemand ist, trotzdem schenkt sie ihm keine Beachtung, während sie sich auf ihren Platz setzt, nach einer vergessenen Zeitung greift und zur Gepäckablage aufsieht.

Inzwischen ist der Zug zu schnell für Jar, trotzdem schlägt er im vollen Lauf mit der flachen Hand gegen das Fenster. Sie sieht mit erschrocken aufgerissenen Augen auf. Ist es wirklich Rosa? Plötzlich ist er sich nicht mehr sicher. Ihr Blick flackert nicht auf, nichts deutet darauf hin, dass sie ihn erkennt, dass er für sie die Liebe ihres Lebens war, so wie sie für ihn. Sie starrt ihn durch das Fenster an: eine Fremde einen Fremden, bis er schließlich strauchelt, langsamer wird und atemlos stehen bleibt.

2

Cambridge, Sommersemester 2012

Ich weiß, ich sollte das nicht aufschreiben – es sollte keine Aufzeichnungen, keine Kondensstreifen am Himmel über Fenland geben, wie meine Beraterin sagen würde –, aber ich habe schon immer Tagebuch geführt und muss mir das einfach von der Seele reden.

Ich war heute Abend wieder mit den Schauspiel-Leuten unterwegs. Sieht so aus, als könnte ich die Gina Ekdal spielen, wenn ich will. Ich sage mir immer wieder, dass ich das alles nur für Dad mache.

Okay, nicht alles. Gleich nachdem wir ins Pub kamen, habe ich eine E eingeworfen. Die Kerzen auf dem Tisch brannten wie Kruzifixe – prachtvoll, vielleicht sogar prophetisch –, aber es lief nicht so, wie ich gehofft hatte. Ich glaube, ich habe Sam, den Regisseur, geküsst und vielleicht auch Beth, die die Mrs. Sørby spielt. Wenn Ellie nicht eingegriffen hätte, hätte ich die ganze Besetzung abgeknutscht.

Ich werde das Zeug nicht noch einmal ausprobieren, aber ich bin entschlossen, die Zeit, die mir hier noch bleibt, bis zum letzten Augenblick auszukosten. Ich weiß, ich bin nicht für diese Leute, für dieses Leben geschaffen, trotzdem läuft es wesentlich besser als in meinen ersten beiden Trimestern hier (»Michaelmas« und »Lenz«, wie Dad sie stur nannte – ich bleibe lieber bei den Jahreszeiten). Es ist so leicht, an die falschen Leute zu geraten, und viel schwerer, sich aus so einer Clique wieder zu lösen, ohne dabei alle vor den Kopf zu stoßen oder total überheblich zu wirken.

Nach dem Pub gingen wir was essen, obwohl ich keinen Hunger hatte. Ich weiß nicht mehr wo, irgendwo unten am Fluss. Ich war immer noch ziemlich blau – bis es ans Zahlen ging.

Und ich ihm begegnete. Warum jetzt, wo mir nur noch so wenig Zeit bleibt? Warum nicht im ersten Trimester?

Er umrundete langsam den Tisch, während wir nacheinander bezahlten. Vierzehn Leute, vierzehn Einzelrechnungen, ist das zu glauben? Aber der Typ beschwerte sich kein einziges Mal, nicht einmal, als ich an der Reihe war und meine Karte nicht funktionierte.

»Die Maschine hängt«, sagte er so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. »Wir haben hier hinten kein Netz. Am besten kommst du mit vor zur Kasse.«

»Verzeihung?«, sagte ich und sah zu ihm auf. Ich bin nicht klein, aber der Typ war riesig, ein Bär von einem Mann mit glattrasiertem Kinn und weichem irischem Zungenschlag.

Er beugte sich vor und vergewisserte sich, dass ihn sonst keiner hören konnte. Sein Atem war warm, und er duftete frisch. Vielleicht nach Sandelholz.

»Wir müssen deine Karte noch mal näher bei der Kasse probieren.«

Etwas an seinem Blick und seinem onkelhaften, aufmunternden Lächeln ließ mich vom Tisch aufstehen und ihm zur Kasse folgen. Außerdem gefielen mir seine großen, sauberen Hände, der unauffällige Ring am Daumen. Dabei war er überhaupt nicht mein Typ. Der breite Kiefer endete in einem zu spitzen Kinn, und sein Mund wirkte irgendwie verkniffen.

Erst als wir außer Hörweite waren, drehte er sich zu mir um und erklärte mir, dass meine Karte nicht akzeptiert worden war.

»Theoretisch müsste ich dir die Karte abnehmen und zerschneiden.« Er grinste. Sobald er lächelte, leuchtete sein großes Gesicht auf. Die Proportionen entwickelten sich sehr zu seinem Vorteil: Das Kinn wirkte dann weicher, und die Wangen hoben sich.

»Und was machen wir jetzt?« Ich war froh, dass wir allem Anschein nach unter einer Decke steckten. Ich bin schon seit meinem ersten Tag hier pleite.

Er sah mich an und erkannte erst in diesem Moment, wie betrunken ich wirklich war; jedenfalls glaube ich das. Und dann sah er zum Tisch hinüber.

»Sind das die Theaterleute?«, fragte er.

»Wie hast du das erraten?«

»Kein Trinkgeld.«

»Vielleicht lassen sie was auf dem Tisch liegen.« Plötzlich hatte ich das Gefühl, meine neuen Freunde verteidigen zu müssen.

»Das wäre das erste Mal.«

»Dann bist du also kein Schauspieler«, sagte ich.

»Nein, ich bin kein Schau-spieler.«

Er betonte die zweite Silbe besonders und brachte mich damit in Verlegenheit. »Und was tust du so, wenn du nicht gerade meine Freunde beleidigst?«, fragte ich.

»Ich studiere.«

»Hier? In Cambridge?«

Es war eine dumme, herablassende Frage, und er sparte sich die Antwort.

»Außerdem schreibe ich ein bisschen.«

»Toll.« Dabei hörte ich ihm kaum zu. In Gedanken war ich schon wieder bei meinem Anteil der Rechnung und der Tatsache, dass ich sie unmöglich bezahlen konnte. Die anderen aus der Truppe sollten nicht wissen, dass ich pleite bin, selbst wenn das mehr oder weniger eine Berufskrankheit ist. Und ich kann ihnen nicht erzählen, dass meine finanziellen Sorgen – all meine Sorgen – bald ausgestanden sind. Niemandem kann ich das erzählen.

»Die anderen Gäste haben genug Geld in der Trinkgeldkasse gelassen, dass ich das übernehmen kann«, sagte er.

Ein paar Sekunden fehlten mir die Worte. »Und warum solltest du das tun?«, stammelte ich schließlich.

»Weil ich glaube, dass du zum ersten Mal mit diesen Leuten abhängst und ihnen imponieren möchtest. Wenn du nicht zahlen kannst, könnte dich das deine Rolle kosten. Und ich freue mich schon auf die Aufführung. Ibsen ist nicht so übel, weißt du?«

Wir sahen einander schweigend an. Als ich gefährlich zu schwanken begann, hielt er mich am Ellbogen fest. Mir war auf einmal sterbensübel.

»Alles okay?«, fragte er.

»Kannst du mich heimbringen?« Meine Stimme – lallend, flehend – klang total falsch, so als würde ich jemand anderem beim Reden zuhören.

»Ich habe erst in einer Stunde Feierabend.« Er sah auf Ellie, die sich inzwischen zu uns gesellt hatte. »Ich glaube, deine Freundin muss an die frische Luft«, sagte er zu ihr.

»Hat Rosa schon gezahlt?«, fragte Ellie.

»Alles erledigt.« Er gab mir die Karte zurück.

Und das ist alles, woran ich mich erinnern kann. Ich weiß nicht mal, wie er heißt. Mir bleibt nichts als ein erster Eindruck: ein Mann, der sich von der Welt nicht hetzen lässt, der das Leben in seinem eigenen, gemessenen Tempo lebt – ein Gemütsmensch, wie Dad immer sagte. Ob sich unter dieser ruhigen Schale vielleicht gebändigte Wildheit, gezügelte Leidenschaft verbirgt? Oder ist das nur Wunschdenken meinerseits?

Jetzt schäme ich mich dafür. Wir hatten beide kein Geld, aber während er, der irische Schriftsteller, der für seinen Lebensunterhalt als Kellner arbeitet und klaglos knickrige Studenten bedient, kann ich bloß nicht zahlen, weil ich meine Kreditkarte bis übers Limit strapaziert habe.

Ein Teil von mir – ein großer Teil – hofft, ihn wiederzusehen, gleichzeitig will ich ihn nicht in das hineinziehen, was mich erwartet. Ich fürchte immer noch, dass ich die falsche Entscheidung gefällt habe, aber ich sehe keinen anderen Ausweg.

3

Jar sitzt an seinem Schreibtisch und liest die Entschuldigungsmails der Kollegen, die genau wie er die tägliche Besprechung um halb zehn Uhr morgens geschwänzt haben. Jeden Tag staunt er, mit welcher Chuzpe die unglaublichsten Ausreden hervorgebracht werden. Gestern verschickte Tamsin eine Rundmail, dass sie zu spät kommen würde, weil sie von der Feuerwehr aus ihrem Bad befreit werden müsste – Stichwort für zahllose Frotzeleien über Feuerwehrmänner, als sie schließlich mit gerötetem Gesicht und falsch zugeknöpfter Bluse angerauscht kam.

Heute ist die Ausbeute prosaischer. Bens Waschmaschine habe den Küchenboden überschwemmt; Clive schiebt einer Kuh auf den Gleisen die Schuld daran zu, dass sich sein Zug aus Herefordshire verspätet; und das hier von Jasmine: »Bin ohne Geldbeutel aus dem Haus, musste noch mal umkehren, komme später.« Maria, die Grande Dame der Redaktion, ist besser in Form: »Der Göttergatte hat die Pausenbrote der Kinder verputzt, muss erst neue machen.« Nicht schlecht, denkt Jar, aber immer noch keine Konkurrenz für Carls unvergleichliche Absage nach dem letzten Festival in Glastonbury: »Muss mich erst wieder finden. Könnte ein paar Tage dauern.«

Carl ist Jars einziger echter Verbündeter im Büro, immer für ein Feierabendbier zu haben, gnadenlos gut gelaunt, stets mit Kopfhörern um den Hals (wenn er mit Teeholen dran ist, geht er durchs Büro und formt mit beiden Händen ein großes T). Wenn er nicht gerade auf der Unterhaltungs-Website, für die sie beide arbeiten, den Musikkanal bespielt, gibt er den DJ mit Schwerpunkt Jungle. Jedem, der ihm sein Ohr leiht, erklärt Carl, dass Jungle keineswegs retro sei, dass er nie aus der Mode gekommen und heute beliebter ist als je zuvor. Er besitzt ein ungesund profundes Wissen über Computer und vergisst oft, dass Jar sich weder für die Entwicklung von Apps noch für Programmier-Paradigmen interessiert.

Jar hatte mit dem Gedanken gespielt, von Paddington Station aus eine Rundmail ans Büro zu schicken, um seine eigene Verspätung zu erklären, aber dann hatte er Bedenken bekommen, wie das aufgenommen würde: »Hab gerade meine Freundin von der Uni gesehen, die sich vor fünf Jahren umgebracht hat. Alle sagen mir, ich würde fantasieren, ich müsse nach vorn blicken, aber ich weiß, dass sie irgendwie, irgendwo am Leben ist, und darum werde ich nicht aufhören, sie zu suchen, bis ich sie gefunden habe. Sie war nicht bereit zu sterben.«

Carl hat er alles erzählt, den anderen nicht. Er weiß, was sie denken. Was tut ein preisgekrönter irischer Jungautor, dessen erste Kurzgeschichtensammlung zwar kein Erfolg an der Ladenkasse, aber doch bei den Kritikern war, hier im siebten Kreis der Bürohölle in Angel, wo er Clickbaits über Miley Cirus schreibt, um Webtraffic auf ihrer Site zu generieren? Sein Pech, dass das Erste, was er hochladen sollte, ein Artikel über Schreibblockaden war: zehn Autoren, die ihr Mojo verloren hatten. Manchmal fragt er sich, ob er je eins hatte.

In den letzten Monaten hat er Rosa immer häufiger gesehen: Am Steuer eines vorbeifahrenden Autos, im Pub, oben im 24er-Bus (vorderste Reihe, wo sie immer gesessen hatten, wenn sie in London waren und nach Camden hochfuhren). Die Erscheinungen haben einen eigenen Namen, jedenfalls laut dem Hausarzt seiner Familie drüben in Galway: Trauerhalluzinationen.

Sein Vater hat da andere Vorstellungen und redet aufgeregt von Spéirbhean, der Himmelsfrau, die in visionären irischen Gedichten aufzutauchen pflegte. »Wie kannst du nur so unsensibel sein?«, schimpft seine Mutter, aber Jar stört das nicht. Er ist auf einer Linie mit seinem Dad.

Nach Rosas Tod verbrachte er viel Zeit zu Hause in Galway City und versuchte, Sinn in das Geschehene zu bringen. Sein Vater führt eine Bar im Latin Quarter. Oft saßen sie bis spät in die Nacht zusammen und sprachen über die Visionen, vor allem eine an der Küste von Connemara (geredet hat ausschließlich er, Dad hörte schweigend zu). Manche sind Fehlalarme, das weiß er selbst, aber es gibt andere, an denen er nicht rütteln kann …

»Alter, du siehst aus wie der Tod«, sagt Carl und lässt sich auf seinen Stuhl fallen, der unter seinem Gewicht zischend zusammensackt. »Als hättest du gerade ein Gespenst gesehen.«

Jar sagt nichts und loggt sich in seinen Computer ein.

»Mann, entschuldige, Kumpel«, sagt Carl und schiebt ein paar Promo-CDs auf seinem Schreibtisch hin und her. »Ich dachte …«

»Ich hab dir Kaffee mitgebracht«, unterbricht Jar ihn und reicht ihm einen Latte. Er will seinen Freund aus der peinlichen Situation retten. Carl ist ein pummeliges Babyface mit blonden Dreadlocks und einem Engelslächeln, der die nervtötende Angewohnheit besitzt, in seinen Mails alle möglichen Abkürzungen zu verwenden (»übr« statt übrigens); außerdem sagt er dauernd Sachen wie »bashen«, »porno« und »gefaked«, aber er ist der am wenigsten intrigante Mensch, den Jar kennt.

»Cheers.« Es entsteht eine verlegene Pause. »Wann und wo denn?«, fragt Carl.

»Ich mache heute das Doodle«, sagt Jar, ohne auf ihn einzugehen.

»Bist du sicher?«

»Es ist Ibsen. Ein alter Kumpel von mir.«

Sie wechseln sich dabei ab, Artikel über das jeweilige Google-Doodle zu schreiben. Theoretisch sollten sie immer am Abend zuvor auf die australische Startseite von Google gehen und der schlafenden Welt in Europa auf diese Weise um elf Stunden zuvorkommen, aber oft vergessen sie das. Die Storys sind irgendwo auf der Website versteckt, wo niemand sie findet, aber sie jagen zuverlässig den Traffic nach oben, weil die Menschen aus Langeweile das verschönerte Tageslogo der Suchmaschine anklicken.

Eine halbe Stunde später hat Jar wesentlich mehr als nötig über Ibsen hochgeladen, größtenteils über die Figur der Gina Ekdal in der Wildente und über die außergewöhnliche Aufführung eines Studentenensembles in Cambridge vor fünf Jahren. Nun steht er mit Carl wieder unten auf der Straße, in einer Durchfahrt neben dem Büroeingang, wo es nach abgestandenem Bier und Schlimmerem riecht und sie vor dem Regen geschützt sind.

»Frischt ganz schön auf«, füllt Jar das Schweigen. Er spürt, dass Carl gleich ein peinliches Thema ansprechen will, und sieht sich um, um irgendwie davon abzulenken. »Pizzaesser auf vier Uhr.«

»Wo?«, fragt Carl.

Jar nickt zu einem Mann hin, der auf der anderen Straßenseite auf dem Bürgersteig entlanggeht und in das untere Ende seines Smartphones spricht, das er waagerecht vor dem Mund hält wie ein Pizzastück. Carl und Jar schauen ihm lächelnd nach. Diese Leute, die irgendwie komisch in ihr Handy sprechen, sind ihr Ding, wie die Verstohlenen, die hinter vorgehaltener Hand flüstern, oder die Wechsler, die das Handy zwischen Ohr und Mund hin- und herschieben. Der Pizzaesser allerdings ist einer ihrer Lieblinge.

»Ich weiß, es geht mich nichts an«, sagt Carl und zieht an seiner Zigarette, während der Mann in der Menge verschwindet. Er hält die Zigarette zwischen pummeligem Daumen und Zeigefinger wie ein Kind, das mit Kreide schreibt. »Aber vielleicht solltest du dir überlegen, ob du nicht zu wem gehst, du weißt schon, wegen Rosa.«

Jar starrt in die Ferne, die Hände tief in der Wildlederjacke vergraben, und sieht zu, wie sich vor ihnen der Verkehr durch den Regen und die aufspritzende Gischt wälzt. Er sehnt sich auch nach einer Zigarette, aber er versucht gerade aufzuhören. Wieder mal. Rosa hat nie geraucht. Er ist nur mit nach unten gekommen, um Carl Gesellschaft zu leisten, um ihm zu zeigen, dass er ihm das von vorhin nicht nachträgt. Und um sich vor der Elf-Uhr-Besprechung zu drücken.

»Ich wüsste vielleicht wen, der dir helfen könnte«, fährt Carl fort. »Eine Trauertherapeutin.«

»Hängst du wieder mit Bestatterinnen ab?«, fragt Jar und denkt dabei an Carls jüngstes unseliges Experiment im »Trauer-Dating«. Aus der Theorie heraus, dass bei Bestattungen die Luft nur so vor Pheromonen schwirrt – »in der Lust liegt Trauer und in der Trauer Lust« –, hatte sich Carl bei ein paar Totenwachen eingeschlichen, um dort mit etwas Glück die Liebe zu finden, nicht unbedingt bei der Witwe, aber vielleicht bei einer in Schwarz gekleideten verwirrten, sexy Seele.

»Sie hat rechts geswipt.«

Jar sieht seinen Freund überrascht an.

»Okay, hat sie nicht. Sie hilft mir bei einer Story.«

»Über Tinder?«

»Sie dachte, ich würde mich für ein paar Experimente interessieren, die sie gerade mit Musik im Wartezimmer von psychiatrischen Praxen machen. Die Leute sind gleich viel relaxter, wenn ein bisschen Jungle Marke Oldschool läuft.«

»Eher springen sie aus dem Fenster.« Jar holt kurz Luft. »Die Sache ist die, seit heute Morgen bin ich noch überzeugter, dass Rosa noch am Leben ist.« Er nimmt Carl die Zigarette ab und inhaliert tief.

»Aber sie war es nicht, oder?«

»Sie hätte es sein können, genau darum geht es.«

Sie stehen schweigend nebeneinander und schauen dem Regen zu. Die Hoffnung ist ein kleines, zerbrechliches Pflänzchen, denkt Jar, das nur zu leicht von anderen zertrampelt wird, auch wenn er es Carl nicht verdenken kann, dass er skeptisch ist. Er zieht noch einmal an Carls Zigarette und gibt sie dann zurück. Sie wollen gerade wieder hoch ins Büro, als Jar im Augenwinkel eine Bewegung registriert, einen großen Mann, der auf der Straßenseite gegenüber hinter dem Starbucks-Schaufenster Platz nimmt. Schwarze Jacke von North Face, hochgeschlagener Kragen, unauffällig braunes Haar, unscheinbares Gesicht. Gesichtslos und leicht zu vergessen, nur dass Jar ihn nun schon zum dritten Mal innerhalb von zwei Tagen bemerkt.

»Hast du den Typen schon mal gesehen?« Jar nickt zum Starbucks hin.

»Kann ich nicht sagen.«

»Ich bin todsicher, dass er gestern Abend im Pub war. Und gestern in meinem Bus.«

»Verfolgen sie dich wieder?«

Jar antwortet mit einem ironischen Nicken, er hat damit gerechnet, dass sein Freund sich über ihn lustig machen würde. Er hat Carl schon früher erzählt, dass er sich beobachtet fühlt.

»Wusstest du, dass jeder Dritte an Paranoia leidet?«, fragt Carl.

»Nur jeder Dritte?«

»Die beiden anderen behalten ihn im Auge.«

Jar versucht sich an einem Alibi-Lachen, auch um zu zeigen, dass er okay ist, dass er sich alles nur einbildet, aber es missglückt ihm.

»Dieses Gefühl, als ich sie da auf der Rolltreppe stehen sah …« Er wartet ab und erlaubt sich einen letzten Blick auf den Mann. »Rosa ist irgendwo da draußen, Carl, ganz sicher. Und sie sucht nach einem Weg zurück.«

4

Cambridge, Herbsttrimester 2011

Zwei Wochen bin ich jetzt hier, und ich vermisse Dad mehr denn je. Ich dachte, ein Tapetenwechsel, ein Neuanfang würde den Kreislauf durchbrechen, aber dem ist nicht so. Nicht mal der Nebel der Fresher’s Week, der Erstsemesterwoche mit ihren endlosen Partys, kann meine kolossale Trauer verhüllen. Wir waren ein eingespieltes Team, Salz und Pfeffer, Morecambe and Wise (sein liebstes Comedy-Duo), und offenbar vertrauter als irgendeiner meiner Freunde mit seinem Vater. Vom Schicksal zusammengeschmiedet, ohne dass wir je gefragt worden wären. Es hatte sich einfach so ergeben.

Gestern im Pickerel wurde ich richtig sauer, als die anderen über ihre Eltern herzuziehen begannen. Dann wollte das Mädchen aus dem Zimmer nebenan, das auch Englisch studiert, die dösige Josie aus Jersey, wissen, wie es bei mir ist. Natürlich schlug meine Antwort auf die allgemeine Lästerstimmung, es entstand eine kurze Pause im angesäuselten Pubgequatsche, niemand wusste, was er sagen sollte, wo er hinschauen sollte. Einen Moment lang sah ich mich selbst wie von oben und fragte mich, ob das die Perspektive ist, aus der mein Dad die Dinge inzwischen betrachtet.

Als ich vor fünf Minuten von der Sonne geweckt wurde, die durch die billigen Collegevorhänge schien, war er noch am Leben gewesen, und wir waren gemeinsam in Grantchester unterwegs zum Mittagessen. Ich wollte ihm von meinen ersten Wochen in Cambridge erzählen, in welchen Clubs ich jetzt bin, wen ich kennengelernt habe. Und dann fiel es mir wieder ein.

Dad hat ständig von Cambridge erzählt. Ein einziges Mal waren wir zusammen hier, im Sommer, eine Woche vor seinem Tod. (Es ist immer noch ein merkwürdiges Gefühl, das zu schreiben.) Er war quirlig wie immer. Dad strahlte eine unglaubliche Lebenslust, eine energiegeladene Intelligenz aus. Am liebsten hätte er mir Cambridge auf seinem Klapprad gezeigt (mit dem er immer zur Arbeit fuhr) oder wäre mit mir gejoggt (er hatte den hageren Körper eines Bergläufers). Stattdessen marschierten wir quasi im Laufschritt, und ich konnte nur mit Mühe folgen.

Zuerst zeigte er mir das, was er als »sein College« bezeichnete und wo zu seiner Zeit nur Männer zugelassen waren. Ist das zu glauben? Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass er vor mir hier war, dass er auf denselben Wegen gegangen ist, dieselben ehrwürdigen Höfe durchquert hat. Und dann mietete er uns einen Stechkahn, weil er meinte, dass das hier so üblich sei. Wenigstens hatte er keinen Strohhut auf.

Im Gegensatz zu sonst gab es an diesem Tag auch ruhigere Momente, in denen er mir erzählte, dass es in der Arbeit Probleme gebe. Er sprach nie viel über seinen Job, und gewöhnlich fragte ich ihn nicht danach. Ich wusste nur, dass dieser Job uns in verschiedene Botschaften auf der ganzen Welt geführt hatte, mit Schwerpunkt in Südostasien. Dad arbeitete für die Politische Abteilung des Außenministeriums, an die er Berichte schickte, die aber nie ein Mensch lese, wie er immer voller Ironie behauptete.

Vor zwei Jahren hatten sie ihn dann nach London versetzt. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Beförderung war, aber gelegentlich ging er immer noch auf Reisen. Ich war alt genug, um währenddessen für mich selbst zu sorgen. Und alt genug, um ihn zu offiziellen Veranstaltungen zu begleiten, wenn er in London war, so auch zu einer Gartenparty im Buckingham Palace letztes Jahr. Er hatte dabei denselben Blazer getragen wie an jenem Tag auf dem River Cam.

»Ich muss nach Indien«, sagte er und duckte sich unnötigerweise, während wir unter der Clare Bridge durchfuhren.

»Du Glücklicher.«

Ich bedauerte meinen Tonfall. Ich wusste, dass er nicht gern lang weg war.

»Ladakh«, ergänzte er lächelnd in der Hoffnung, dass das den Schlag irgendwie abmildern würde.

Wir hatten einst eine glückliche Reise dorthin unternommen, nach Leh, wo wir in den Hippiecafés auf der Changspa Road abhingen und jungen Israelis dabei zuschauten, wie sie auf ihren Enfield Bullets in die Stadt geknattert kamen, um nach dem Wehrdienst in den Bergen Ruhe und Frieden zu finden. Möglicherweise ist es mein Lieblingsfleck auf der ganzen Welt. Irgendwann will ich einen Job, in dem ich so viel reisen kann wie Dad.

Ich sah, wie er zu einem entgegenkommenden Stechkahn hin nickte. Zwei stolze Eltern im Bug, die sich von ihrem vergötterten Sohn durch die Backs staken ließen. Bestimmt hätte Dad beruflich mehr erreichen können, wenn er nicht darauf bestanden hätte, immer für sein einziges Kind da zu sein. Er hat mich praktisch allein großgezogen, nur mit der Hilfe der einen oder anderen Ayah.

»Versprich mir, dass du alles ausprobierst, wenn du erst hier bist«, sagte er.

Ich weiß noch, dass mir sein Tonfall nicht gefiel und die Vorstellung, dass er immer noch unterwegs sein könnte, wenn ich »rauf« nach Cambridge ziehen würde, wie er es eigensinnig nannte. Aber vielleicht spielt mir die Erinnerung im Nachhinein Streiche, auch wenn er an diesem sonnigen Nachmittag irgendwie nicht er selbst war; er gab sich reservierter, scherzte weniger.

»Schreib dich bei allen Clubs und Vereinigungen ein«, ermahnte er mich mit aufgesetzter Unbeschwertheit. »Gib allem eine Chance, dem ganzen verdammten Leben hier. Ich weiß noch, dass ich in ein und derselben Nacht der Labour Party, der SDP und den Konservativen beigetreten bin.«

»Bist du darum so gut im Stechkahnfahren? Weil du in einem Punting-Club warst?«

»Ich habe es gelernt, weil ich bei deiner Mutter Eindruck schinden wollte. Als ich sie das erste Mal mitnahm, blieb die Stange im Schlamm stecken – so was passiert schnell. Ich hätte mich nur nicht daran festklammern sollen, als das Boot abtrieb.«

»Dad!«, rief ich mit gespielter Empörung. Ich sah ihm an, dass ihn die Erinnerung eher glücklich als traurig machte, denn ein Lächeln spielte um seinen Mundwinkel, aus dem er mir immer dann alberne Bemerkungen zuflüsterte, wenn es ernst wurde. »Es heißt ›Ma’am‹ wie in ›Spam‹, und vergiss nicht zu knicksen«, hatte er mir beispielsweise zugeraunt, Sekunden bevor ich vor der Queen zum Knicks ansetzte und dabei mit meinen spitzen Absätzen im Rasen des Buckingham Palace versank.

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ich das irgendwann können werde: lächeln, wenn ich an ihn denke. Im Moment will ich mich einfach nur auf meinem schmalen Collegebett zusammenrollen und sterben.

5

Als Jar aus dem Lift tritt, ist ihm sofort klar, dass irgendwas nicht stimmt. Seine Wohnungstür steht offen, ein leuchtendes Dreieck durchschneidet scharf die Dunkelheit im Treppenhaus. Sein Atem geht schneller.

»Warte hier«, sagt er zu Yolande, die er noch vor wenigen Sekunden im Aufzug geküsst hat. Sie haben sich in einem Pub oben an der Brick Lane kennengelernt, wo er nach der Arbeit gern einen Zwischenstopp einlegt. Ein Muster, das sich in den letzten Monaten herausgebildet hat. Nach einer »Trauerhalluzination«, wie er die Tatsache, dass er Rosa heute Morgen gesehen hat, wohl nennen muss, sucht er meist Trost bei einer Fremden. Ein fehlgeleiteter Versuch, einen Neuanfang zu machen: Eine Fremde gibt ihm irgendwie das Gefühl, weniger untreu gegenüber der Erinnerung an Rosa zu sein.

Er schiebt die Tür weiter auf, aber etwas dahinter klemmt und versperrt die Tür. Er stemmt sich dagegen und spürt dabei, wie das Blut in seinen Schläfen pocht. Die Wohnung – ein großer Raum mit einer Kochnische am hinteren Ende und dem Bett am anderen – wurde verwüstet, aus den Regalen, die sämtliche Wände überziehen, sind die Bücher gerissen und liegen nun verteilt auf dem Boden. Mehrere Regale wurden noch dazu aus ihrer Verankerung gerissen und ragen jetzt wie vom Sturm entwurzelte Bäume in den Raum. Er schließt die Augen und versucht, sich zu erklären, was passiert ist.

Aufgebrochene Türen sind in seinem Wohnblock nichts Ungewöhnliches, die jüngste Serie von Wohnungseinbrüchen wird auf die Crackheads im Norden der Hackney Road geschoben. Nic Farah, dem Fotografen aus dem Stockwerk unter ihm, hat man letzte Woche den Computer geklaut. Und ein paar Tage davor wurden aus einer Wohnung im sechzehnten Stockwerk, also vier unter seinem, ein Fernseher und ein Soundsystem gestohlen. Als halbherzige Vorsichtsmaßnahme hat sich Jar angewöhnt, seine zwölfsaitige Gitarre unter dem Bett zu verstecken.

Er steigt über das literarische Schneegestöber auf dem Boden und bückt sich nach der Ausgabe der Sportreportagen von Con Houlihan, die seinem Vater gehört. Er weiß instinktiv, dass nichts fehlt. Deswegen waren sie – wer immer »sie« auch sind – nicht hier. Er beugt sich neben dem Bett nach unten. Der Gitarrenkoffer liegt noch darunter. Er will schon wieder aufstehen, als er es sich anders überlegt und den angeschlagenen Koffer hervorzieht. Alles, um sich abzulenken, um zu verhindern, dass sich die Gedanken in seinem Kopf weiter im Kreis drehen. Beruhigt durch das Gewicht des Koffers, öffnet er ihn auf dem Bett. Das Instrument ist noch da, unbeschädigt, was zusätzlich bestätigt, dass dies kein gewöhnlicher Einbruch war. Solch gute Gitarren lassen sich leicht verkaufen.

»Ich nehme an, es sieht hier nicht immer so aus.« Yolande ist in der Tür stehen geblieben. Ihre Stimme klingt wie geschliffen. Jar ist erschrocken, wie schnell er sie vergessen hat. »Soll ich die Polizei rufen?«

Er hätte sich in der Bar von ihr verabschieden und gehen sollen, statt sie hierher mitzubringen. Genau genommen ist sie nicht einmal eine Fremde. Sie ist ihm aufgefallen, als er das letzte Mal im Verlag war. Sie war mit einem Karton Bücher an ihm vorbeigegangen, um sie von einem Autor signieren zu lassen, der weit populärer ist, als er je sein wird. Und dann stand sie heute Abend in der Bar. Es wäre unhöflich gewesen, sie nicht zu begrüßen und wenigstens ein paar Takte mit ihr zu reden.

»Nein«, sagt Jar. Er schlägt ungeduldig einen Akkord auf der Gitarre an, bevor er sie wieder wegpackt. »Sie haben nichts mitgenommen.«

»Woher willst du das wissen?«

»Weil nichts mehr zum Mitnehmen da ist.« Jar lässt die Verschlüsse des Gitarrenkoffers zuschnappen und geht im Zimmer auf und ab.

»So viele Bücher«, sagt sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Und morgen kommen noch zwei, denkt Jar: Colin Barretts Junge Wölfe, als Kompensation für die Story über Jennifer Lawrence diese Woche, und Rosaleens Fest von Anne Enright für ein Quiz über One Direction. Vergebliche Bemühungen, eine Art kulturelles Gleichgewicht zu wahren. Langsam geht ihm der Platz aus.

»Ich kann dir beim Aufräumen helfen«, sagt Yolande, die plötzlich neben ihm steht und eine Hand auf seine Schulter gelegt hat.

Jar zuckt unter der Berührung zusammen. Sie ist zu gut, als dass sie Platz in seinem Leben hätte. Während er beobachtet, wie sie ein Buch aufhebt, fällt ihm in all dem Chaos etwas ins Auge. Ein Foto von Rosa. Ein Foto, das nicht hier sein dürfte. Er bewahrt keine Andenken an sie in der Wohnung auf, hier erinnert nichts an sie. Das ist seine feste Regel. Hat jemand es hiergelassen, als eine Art Visitenkarte? Doch dann fällt ihm ein, dass er das Foto in Cambridge immer als Lesezeichen verwendet hat. Es muss aus einem der Bücher gefallen sein.

Er bückt sich, hebt es auf und starrt auf ihr Gesicht. Rosa wusste immer, wie sie seinen Blick auf sich lenken konnte. Ihm gefällt es, wie strebsam sie auf diesem Foto aussieht: An ihrem Schreibtisch sitzend und auf einem Stift kauend, ohne in die Kamera zu blicken. Er hat in den letzten fünf Jahren so viele Bilder von ihr betrachtet, dass er schon Angst hat, er könnte langsam vergessen, wie sie wirklich aussah, seine Erinnerung könnte irgendwann ausschließlich von Fotos geprägt werden.

»Ich sollte heimgehen.« Yolande beugt sich über seine Schulter. Ihre Stimme schreckt ihn aus seinen Gedanken. Wie lange hat er auf das Foto gestarrt?

Er weiß, dass ihr eine Entschuldigung oder zumindest eine Erklärung zusteht, aber er weiß nicht, wo er damit anfangen soll.

»Okay«, sagt er nur und wendet sich ab von Rosas anklagendem Blick: fast noch ein One-Night-Stand, den du mies behandelt hättest.

Jar sieht Yolande an. Ein anderer Abend, ein anderes Leben, und sie würden jetzt ausgiebig und betrunken miteinander vögeln, würden im Bett übereinander herfallen, nachdem er sie mit einer irischen Ballade auf der Gitarre betört hätte, einem jener Lieder, die er so oft in seinem alten Schlafzimmer gehört hat, wo die Stimme seines Vaters aus der familieneigenen Bar in Galway durch die Decke bis nach oben zu ihm gedrungen war.

»Tut mir leid. Soll ich mit runterkommen und dir ein Taxi anhalten?«

»Nicht nötig«, sagt sie. »Ehrlich.«

Aber er besteht darauf, und so fahren sie schweigend zusammen im Lift nach unten.

Draußen auf der Straße stoppt sie selbst ein Taxi, trotzdem wartet er, bis sie eingestiegen und in der Nacht verschwunden ist – nach Mile End, wenn er sich recht erinnert –, bevor er mit frisch erwachter Entschlossenheit zu seinem Wohnblock zurückgeht. Oder frisch erwachter Angst? Was heute Abend in seiner Wohnung passiert ist, bedeutet, dass jemand beginnt – er weiß immer noch nicht so recht, wer –, ihn ernst zu nehmen. Jemand, der wissen will, wie viel er über Rosa in Erfahrung gebracht hat. Und der ihn möglichweise aufhalten will. In der Ferne schlägt eine Lieferwagentür. Er drückt den Knopf für den zwanzigsten Stock und tritt wieder aus der Aufzugkabine, kurz bevor die Tür zugleitet. Ohne abzuwarten, bis die leere Aufzugkabine nach oben in die Nacht entschwebt ist, verlässt er den Wohnblock durch den Hinterausgang und kürzt quer über ein fremdes Grundstück zu einer Reihe von Garagen ab.

Im Lauf der Jahre hat er gelernt, dass Paranoia eine Art korrosive Krankheit ist, die wie Säure die Kanten seines Verstandes wegätzt, trotzdem gestattet er sich heute Abend eine Gewissheit: Seine Wohnung wurde nicht von gewöhnlichen Einbrechern verwüstet. Das Chaos glich einer Inszenierung, viel zu methodisch für Crackheads. In den letzten Tagen hatte er das Gefühl, dass man ihn observiert, ihm von der Arbeit nach Hause folgt, ihn aus Cafés heraus im Auge behält, doch bislang hat er dieses Gefühl immer abgetan. Der heutige Abend ändert alles.

Er schließt die verriegelte Seitentür der Garage auf, tritt ein und schaltet die Leuchtstoffröhre an. Seine Vorsichtsmaßnahmen kommen ihm auf einmal viel weniger absurd vor. Es hätte ihn überrascht, wenn die Garage ebenfalls verwüstet worden wäre, trotzdem ist er erleichtert, dass er sie exakt so vorfindet, wie er sie gestern verlassen hat. Er setzt sich an den Computer, schaltet ihn an und sieht sich in dem kleinen, kalten Raum um. Hier ist ihm Rosa immer besonders nah.

Die eine Porenbetonsteinwand wird von drei mit Tesafilm aneinandergeklebten nautischen Karten der Nordküste von Norfolk beherrscht. Mit rotem Marker wurden Pfeile darauf eingezeichnet, um die Strömungsverläufe anzuzeigen; weiter westlich gelegene Strände wie Burnham Deepdale und Hunstanton wurden eingekringelt. Neben der Karte hängt eine amtliche topografische Karte von Cromer. Grüne Stiftlinien führen zu Fotos und Überwachungskamera-Momentaufnahmen, die ordentlich an eine daneben angebrachte Korkwand gepinnt sind.

Die Wand hinter dem Computertisch besteht aus einem Flickenwerk an Fotos. Links hängen die Bilder von Rosa an der Universität. Rechts die unbestätigten, teilweise ausgekreuzten Sichtungen seit ihrem Tod. Die Frau in Paddington Station, die er für Rosa hielt, hat er in der Hektik nicht fotografieren können. Stattdessen heftet er ein Foto des Bahnhofs an die Wand, malt daneben mit rotem Marker ein Fragezeichen und fügt dann das Datum hinzu.

In dem Bemühen, sein sonstiges Leben wenigstens halbwegs normal zu gestalten, hat er alles, was mit ihr zu tun hat, hierhin verfrachtet und aufbewahrt: die zahllosen offiziellen Auskunftsersuchen ans St Matthew’s (ihr College), an die Polizei und das Krankenhaus und dazu seine Korrespondenz mit dem Gerichtsmediziner (der nicht der Auskunftspflicht gemäß dem Freedom of Information Act unterliegt). Er verwahrt hier auch Persönlicheres: ein schlichtes, aber sündteures Nachthemd (ein Geschenk ihrer Tante, nachdem Rosa in Cambridge aufgenommen worden war), ihr Lieblingsparfüm (ein Duft, auf den sie auf dem Gewürzmarkt von Istanbul gestoßen war), eine der witzigen Karten, die sie unter seiner Collegetür durchgeschoben hat.

Wer in seine Wohnung kommt, nimmt an, dass er sein Leben wieder im Griff hat. So soll es sein, er will, dass seine Mitmenschen glauben, er sei über sie hinweg. Niemand braucht zu wissen, dass er sich nirgendwo so lebendig fühlt wie hier in diesem zugigen Verschlag, umgeben von Bildern jener Frau, die er mehr liebte, als er zu lieben für möglich gehalten hätte. Wenn jemand ihn hier überraschen würde, hielte man ihn wahrscheinlich für einen Stalker. In gewisser Hinsicht ist er das auch, nur dass die Frau, die er jagt, offiziell seit fünf Jahren tot ist, nachdem sie hundertdreißig Meilen von hier, in Cromer an der Nordküste von Norfolk, in einer wilden Nacht in den Tod sprang.

Er checkt seine privaten Mails. Sein Vater hat ihm am Wochenende ein paar Zeilen über Hurling geschickt und dazu einen Link zu einem Spielbericht in der Connacht Tribune. Jars Cousin hat gespielt. »Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass Conor irgendwann punktet. Komm uns bald besuchen, Dad.« Jar muss lächeln und will gerade das Account wechseln, um seine Arbeitsmails durchzugehen, als sein Blick auf eine weitere Nachricht zwischen den ganzen Werbemails fällt.

Sie stammt von Amy, Rosas Tante, einer Kunstrestauratorin, die in Cromer lebt. Amy und Rosa standen sich immer nahe, doch nachdem Rosas Vater gestorben war, wurde die Verbindung noch enger. Rosa genoss es, zwischendurch dem brodelnden Studentenleben in Cambridge entfliehen zu können, und fuhr oft übers Wochenende in das Seebad.

Jar wurde zwar eingeladen, sie zu begleiten, doch das war nicht immer einfach. Amy sieht ihrer Nichte so ähnlich, dass es schon wehtut. Außerdem hat sie den Großteil ihres Lebens unter Medikamenteneinfluss gestanden und sich von einer Depression zur nächsten gehangelt. Allerdings schien Amy regelmäßig aufzublühen, sobald Rosa bei ihr war. Dann saßen die zwei still im gefilterten Sonnenlicht des Wohnzimmers, wo Amy Rosas Arme und Hände mit komplexen Hennamustern bemalte und mit ihr über Rosas Dad plauderte.

Jar gibt ihr keine Schuld an dem, was später passiert ist, und ist mit ihr in Verbindung geblieben, auch weil ihre Beziehung – genau wie die von Amy und Rosa zuvor – in der beiderseitigen Trauer zu wachsen schien. Amy ist eine Verbündete, sie ist genauso paranoid wie Jar und der einzige Mensch in seinem Umkreis, der nicht an Rosas Tod glaubt. Sie hat keine Erklärung, keine Theorie dafür, nur einen »sechsten Sinn«, wie sie es nennt, weshalb der aufgekratzte Tonfall der Mail heute Abend umso verlockender klingt:

Jar, ich wollte dich anrufen, habe dich aber nicht erreicht. Wir haben etwas auf dem Computer gefunden, das dich interessieren könnte. Es hat was mit Rosa zu tun. Falls du mich besuchen kommen willst, ich bin die ganze Woche hier. Ruf an.

Jar sieht auf die Uhr und spielt mit dem Gedanken, Amy gleich jetzt anzurufen – es ist zwar spät, aber er weiß, dass sie schlecht schläft. Dann fällt ihm ein, dass sein Smartphone oben in der Wohnung am Ladegerät hängt. Er wird es gleich morgen früh probieren – aus dem Zug nach Norfolk. Nach dem Einbruch heute Abend könnte ihm die Zeit davonlaufen.

6

Cambridge, Sommersemester 2012

Eine Woche ist vergangen, seit ich ihn im Restaurant gesehen habe. Wenn mich damals wer gefragt hätte, wie ich mir unser Wiedersehen vorstelle, hätte ich wohl kaum »am Ufer des Cam und splitternackt wie am Tag meiner Geburt« geantwortet. Aber genauso ist es gestern Abend gekommen, ohne dass ich wirklich sagen könnte wie.

Immerhin kenne ich jetzt seinen Namen. Er heißt Jarlath Costello, »Jar« für seine Freunde, und stammt aus Galway. Sein Vater führt eine Bar in der Innenstadt, seine Mutter ist psychiatrische Krankenschwester in Ballinasloe. Jar hat am Trinity College in Dublin irische Literatur studiert und macht jetzt seinen Master in moderner und zeitgenössischer englischer Literatur. Er ist ein paar Jahre älter als ich, genau wie ich dachte. Und zehnmal vernünftiger.

Nachdem wir mit der Probe fertig waren, ging die ganze Truppe auf einen Drink in den Eagle, wo Watson und Crick damals ihr DNA-Ding abgezogen hatten. Später, als der Abend langsam zu Ende ging, machten drei von uns – Beth, Sam (unser Regisseur) und ich – einen Spaziergang an den Backs entlang. Es war eine warme Juninacht und der Mond so voll, dass er Schatten warf.

»Wie sieht’s aus, hüpfen wir rein?«, fragte Sam und sah mich dabei an. Er hat in den vergangenen Tagen schwer mit mir geflirtet, und ich kann nicht sagen, dass mich das gestört hätte, wobei ich allerdings Gewissensbisse habe, was meine Motive angeht. Schon jetzt umgibt ihn als Regisseur eine gewisse Aura, es herrscht eine unausgesprochene Gewissheit, dass er in ein paar Jahren ein großes Tier in der Welt des Theaters sein wird.

Beth zögerte und wartete meine Reaktion ab. Mir war klar, dass sie ebenfalls ein Auge auf Sam geworfen hatte, aber ich hatte das so gut wie möglich verdrängt. Ich war fest entschlossen, dass es unserer hoffentlich wachsenden Beziehung nicht im Weg stehen sollte. Ich bin immer noch damit beschäftigt, mir zu beweisen, dass ich all das tun kann, was Studenten so tun sollen: sich betrinken, nackt baden, Freunde fürs Leben finden, jede Menge wilden Sex haben, vielleicht sogar etwas lernen.

Offenbar zögerte ich mit der Antwort zu lang, denn im nächsten Moment zog Beth sich aus und rannte im milchigen Mondschein übers Gras, mit schockierend weißem – und viel zu wohlgeformtem – Körper.

»Kommt schon«, trieb sie uns und auch sich selbst an. Nun hatte sie die Initiative ergriffen und uns herausgefordert, und ich würde auf keinen Fall zurückstehen.

Ohne eine Sekunde zu vergeuden, rannte ich aufs Flussufer zu und riss mir dabei die Kleidung vom Leib, in der Hoffnung, dass der Akt des Ausziehens so weniger schamlos aussehen würde als im Stehen. Ich schaute mich nicht um, ob Sam uns folgte. Ich wollte so schnell wie möglich zu Beth ins Wasser.

Peinlich wurde die Sache erst, als sich mein Höschen an meinem Zeh verfing und ich die letzten Meter vor dem Sprung ins Wasser hüpfend überbrücken musste. Unwillkürlich fiel mir auf, dass bei mir das Wasser höher spritzte als bei Beth, und das ärgerte mich. Und noch mehr ärgerte ich mich, dass es mir überhaupt aufgefallen war.

Der Fluss war viel kälter, als ich gedacht hatte, aber ich riss mich zusammen und schwamm zu Beth, die unter der Clare Bridge Wasser trat und nach Sam Ausschau hielt.

»Kommt er?«, fragte ich so teilnahmslos, wie ich nur konnte. Ich hätte mich so gern umgedreht, aber das hätte so ausgesehen, als wäre ich genauso daran interessiert wie Beth, Sam nackt zu sehen.

»Wie ist es?«, rief Sam. Er war immer noch in seinen Kleidern.

»Kommst du nicht rein?«, fragte Beth.

»Die werden auf dem Gras nur nass«, sagte er und sammelte unsere beiden Kleiderhaufen ein. Dass Sam mein Höschen aufhob, machte mich komischerweise verlegener als die Tatsache, dass er mich nackt gesehen hatte. Doch er hob die Sachen ganz nüchtern auf, wie eine Mutter, die die Schmutzwäsche eines Teenagers einsammelt, und legte sie auf eine Bank, die ein Stück vom Flussufer zurückversetzt stand.

Beth drehte sich zu mir um. Ich sah ihr an, dass sie das Gleiche dachte wie ich: Sam hatte nie vorgehabt, ins Wasser zu gehen.

»Du bist ein Feigling, Sam«, rief Beth ihm zu. »Ein dicker, fetter, fauler Feigling.«

»Er hätte die Sachen genauso gut liegen lassen können«, sagte ich.

»Er will uns casten«, erkannte Beth und schwamm zum Ufer zurück.

Ich trat Wasser und sah zu, wie Beth ihren tropfnassen weißen Arsch aus dem Wasser hievte und über den Rasen zu der Bank schlenderte, auf der Sam unsere Kleider abgelegt und dann Platz genommen hatte. Sie gab sich keine Mühe, besonders schnell zu gehen oder sich zu bedecken.

Plötzlich fand ich das nicht mehr witzig, ich hatte keine Lust, mich »casten« zu lassen und Sams kritischem Blick auszusetzen.

»Willst du die ganze Nacht drinbleiben?«, fragte er.

Wenn es sein muss, dachte ich. Eine bessere Freundin als Beth hätte mir die Kleider ans Ufer gebracht. Sie hatte das Spiel gewonnen und hätte sich als Siegerin zumindest großherzig zeigen können, doch sie hatte sich schon wieder angezogen und saß jetzt neben Sam, der den Arm um ihre Schultern gelegt hatte und sie wärmte.

Und dann sah ich zu, wie sie aufstanden und Arm in Arm davonspazierten.

»Wir sehen uns im College«, rief mir Beth über die Schulter zu. »Komm einfach nach.«

Na sicher. Ich blendete die sich einschleichende Kälte so gut wie möglich aus und sah mich um, schaute auf die im Mondschein leuchtenden legendären Backs, auf die majestätisch aufragende Silhouette der King’s College Chapel. Ich sollte mich in Cambridge amüsieren, dachte ich, meine Zeit hier genießen, aber ich tat es nicht. Bei diesem Gedanken schloss ich wieder Frieden mit meinem Entschluss. Ich vermisste Dad so sehr, dass es schmerzte.

Weiter unten am Cam, am Queen’s College, wurde das Semesterende gefeiert. Das ferne Wummern der Musik und das Johlen der Studenten wehte über den Fluss. Ich würde gern einmal zur Feier unseres Colleges gehen, wenigstens glaube ich das, aber das Ticket ist zu teuer. Ich wurde schon dreimal gefragt und wäre auch eingeladen worden, aber irgendwie schmeckt das nach einer vertraglichen Verpflichtung zum Sex.

Ich dachte an den Tag, an dem Dad mich über den Fluss gestakt hatte, das letzte Mal, dass ich ihn lebend sah. Das Nacktbaden hätte er bestimmt gutgeheißen, aber Sams Verhalten sicher nicht, und das von Beth noch weniger. Ich hatte mir das selbst zuzuschreiben.

Plötzlich fühlte ich mich verletzlich, denn die Sachen auf der Bank lagen unangenehm weit weg. Aus der Ferne näherte sich eine Gruppe von Studenten. Und in diesem Moment sah ich, wie er über mir die Clare Bridge überquerte.

Es stand außer Frage, dass es Jar war, sein mächtiger Körper zeichnete sich deutlich im Mondschein ab. Und seine langen Schritte wirkten zielgerichtet, so als wollte er im Leben vorankommen, statt wie ich Wasser zu treten (und auf ein Ende zu warten, das gar nicht schnell genug kommen konnte). Immerhin ging er allein, die Hände tief in den Hosentaschen verschränkt.

Sollte ich tiefer ins Wasser tauchen, fragte ich mich, und darauf hoffen, dass er mich nicht sah, oder lieber meinen Mut zusammennehmen und ihn rufen, damit er mir meine Sachen brachte?

»Hallo!«, rief ich, denn auf einmal merkte ich erst, wie sehr ich mittlerweile fror. Ich musste aus dem Wasser.

Im ersten Moment reagierte er nicht, dann blieb er stehen, als wollte er die Stimme zuordnen und müsste sie dazu aus einem tiefen Verlies in seinem Dichterhirn hervorholen.

»Hier unten. Das Mädchen, das sein Essen nicht bezahlen konnte.« Eine lausige Eröffnung, aber etwas Besseres fiel mir in dem Moment nicht ein.

Inzwischen beugte sich Jar über die Mauer, die Arme um eine der großen Steinkugeln geschlungen, die beide Brüstungen zieren.

»Lass mich mal raten.« Er wirkte kein bisschen überrascht, dass ich um Mitternacht splitternackt im Fluss badete. »Ist das Method Acting? Irgendein schräges Casting?«

»Irgendwie schon. Nur dass ich die Rolle nicht mehr will.«

»Du siehst total durchfroren aus.«

»Kannst du mir meine Sachen bringen?« Sein Kommentar hatte zur Folge, dass mir sofort gefährlich kalt wurde. »Da drüben auf der Bank.«

»Du kannst von Glück reden, dass keiner damit abgehauen ist.«

Ich schwamm zum Ufer und verfolgte dabei, wie Jar über die Brücke und zur Bank ging, wo er meine Sachen aufhob. Wir erreichten gleichzeitig das Ufer.

Jar bemühte sich, nicht in meine Richtung zu blicken, sondern streckte den Arm mit den Sachen aus und drehte mir den Rücken zu. »Ich lege sie dir hierhin.«

Kurz fragte ich mich, ob ich vielleicht schon zu durchgefroren war, um mich aus eigener Kraft aus dem Wasser zu ziehen. Meine Arme schmerzten so, dass ich beim ersten Versuch wieder zurücksank.

»Geht’s?«, fragte Jar und drehte den Kopf zur Seite, als würde er jemanden ansprechen, den er im Dunkeln nicht richtig erkennen konnte.

Ich hätte ihn gern um Hilfe gebeten, aber das wäre zu peinlich gewesen. Stattdessen nahm ich meine ganze Kraft zusammen und hievte mich aufs Trockene.

»Ich schaff’s schon.«

Wir hatten beide den näher kommenden Tross betrunkener Studenten im Auge behalten, der jetzt auf dem Weg am Fluss entlang auf uns zuhielt. Jar, ganz Kavalier, baute sich zwischen ihnen und mir auf. Ich ignorierte so gut wie möglich die Rufe und Pfiffe und zog mich eilig an, ohne mich lang mit meinem BH aufzuhalten.

»Gerade noch rechtzeitig. Alles okay?«

»Mir ist scheißkalt.«

»Hier, nimm die«, sagte er und hielt mir seine Jacke hin. »Nimm schon«, ergänzte er, als ich zögerte.

Ich wickelte mich in seine riesige Wildlederjacke und nahm den Geruch von Sandelholz wahr, genau wie im Restaurant, während wir in Richtung King’s College spazierten, fort von der Gruppe Studenten, die sofort wieder das Interesse verloren hatten.

Wir hatten nicht abgesprochen, wohin wir gingen. Ich wollte mich einfach bewegen, um mich wieder aufzuwärmen, und er war offenbar damit einverstanden. Bald hatten wir das King’s College durchquert, befanden uns wieder im Ort und plauderten dabei über seine Kindheit in Galway, seine Jahre am Trinity College und seinen Umzug nach England. Und die ganze Zeit wog ich unbewusst ab, wie lange ich noch weiterfrieren wollte, um mich vor der Entscheidung zu drücken, was wir jetzt tun sollten, wohin wir gehen würden: zu ihm, zu mir oder getrennte Wege. Es stellte sich heraus, dass Jar neben seiner Masterarbeit begonnen hatte, einen Roman zu schreiben. Er war gerade spazieren gegangen, um das Ende im Kopf auszuarbeiten.

»Jemand hat mir mal gesagt, einen Roman zu schreiben sei, wie einen Witz zu erzählen«, meinte er, während wir die Hobson Street hinaufgingen. »Du kennst zwar die Pointe, aber es gibt unzählige Wege, dorthin zu gelangen.«

»Aber du kennst die Pointe doch gar nicht.«

»Mein Vater liebte The Two Ronnies, die liefen ständig in seinem Pub – wenn er nicht gerade Dave Allen schaute. Und seine Lieblingsstellen waren die, in denen der Kleine in dem riesigen Sessel saß und endlose, komplett verwickelte Geschichten erzählte. Der eigentliche Witz war gar nicht so wichtig, es ging mehr um die Art, wie er ihn erzählte. Ich dachte, das Ende wäre unwichtig.«

»Und ist dir heute Abend ein guter Schluss eingefallen?«

»Dazu ist es noch viel zu früh«, sagte er. »Meine zwei Hauptfiguren sind sich gerade erst begegnet.«

7

Jar hat auf Amys Mail geantwortet, dass er die Sache nicht am Telefon besprechen, sondern sie lieber persönlich sehen würde, und sitzt jetzt im Bus von King’s Lynn nach Cromer. Er hat den Frühzug von King’s Cross genommen, auch wenn er dazu seinen Notgroschen aufbrauchen musste (den er in seiner Wohnung in einer persischen Teekanne aufbewahrt – auch den haben die »Einbrecher« nicht angerührt).

Er spürt eine Woge des Adrenalins, sobald der Cromer Pier in Sichtweite kommt, so wie jedes Mal. Vor fünf Jahren war auf der städtischen Überwachungskamera zu sehen, wie Rosa um ein Uhr nachts auf die viktorianische Seebrücke zusteuerte, unter der die raue See gegen die Eisenpfeiler schlug. Kurz darauf rief ein Mann, der niemals ausfindig gemacht werden konnte, bei der Polizei an und erklärte, er hätte gerade gesehen, wie jemand vom Ende des Piers gesprungen sei. Die Feuerwehr wurde alarmiert und das städtische Rettungsboot ausgeschickt. Unter dem Pier gibt es eine tückische Strömung, die in dieser Nacht von Osten nach Westen verlief und alles und jeden im Wasser auf die offene Nordsee und weiter zum Wash getragen hätte. Keine der Kameras auf und vor dem Pier, die – wie sich später herausstellte – teilweise ausgefallen waren, hatte aufgezeichnet, dass jemand den Pier verlassen hätte.

Jar ist seither noch mehrere Male in Cromer gewesen, hat Amy besucht, dabei hier hoch über der brodelnden Gischt gestanden und sich auszumalen versucht, was sich hier abgespielt haben könnte – ob die Frau, die er liebte und die ihn seinem sicheren Gefühl nach ebenfalls geliebt hatte, tatsächlich beschlossen haben könnte, ihrem Leben hier ein Ende zu setzen. Die Trauerfeier hatte man bis nach der amtlichen Untersuchung des Todesfalls verschoben. Alle rechneten fest damit, dass Rosas Leichnam an einem der Strände entlang der Nordküste angespült würde, aber sie wurde nie gefunden.

Als der Fall nach längerem Abwarten schließlich untersucht wurde, genügten dem zuständigen Untersuchungsrichter Rosas Abschiedsbrief an Amy, bei der sie die Nacht verbracht hatte, der eingegangene Notruf, der Polizeibericht und eine charakterliche Beurteilung durch ihren Dekan im College, in der er ausgiebig darauf einging, wie sehr sie um ihren Vater trauerte, um sie für tot zu erklären. Dass ihr Tod als Unfall und nicht als Suizid eingestuft wurde, war ein schwacher Trost.

Sie hatte auch Jar einen Brief geschrieben, der dem Untersuchungsrichter ebenfalls vorlag. Es war eine Mail in ihrem Entwurfsordner (in dem auch die Mail an Amy gelegen hatte), und sie war nicht lang. Er kennt die Worte auswendig:

Jar, es tut mir so leid. Danke für das unbegreifliche Glück, das du in mein Leben gebracht hast, und für die Liebe, die wir geteilt haben. Ich hoffe, du findest irgendwann den Frieden, den ich in dieser Welt nicht finden konnte. Der Tod meines Vaters war letzten Endes doch mehr, als ich ertragen konnte, aber schon jetzt mit dem Wissen, was vor mir liegt, fühle ich mich ihm näher. Ich wünschte nur, ich müsste dich nicht zurücklassen, Babe, du warst die erste wahre Liebe meines Lebens und die letzte.

Jar hat sich oft gefragt, ob sie absichtlich eine stürmische Nacht abgewartet hat, um hinunter zum Pier zu gehen. In ihren letzten Wochen am College hatte er ihr geholfen, einen Essay über die Vermenschlichung der Natur in der Literatur zu schreiben. Offenbar war sie damals aufgewühlter, als ihm bewusst war – das akzeptiert er inzwischen –, trotzdem ergibt ihr Tod nach wie vor keinen Sinn für ihn.

Er steigt aus dem Bus und geht direkt zu dem Hotel, in das Amy ihn bestellt hat: das Hotel de Paris, eine Zeitschleuse in die Vorkriegsjahre, die gern von Reisebussen angesteuert wird. Er ist früh dran und wollte ursprünglich erst zum Pier gehen, doch die Wahl des Treffpunkts – warum treffen sie sich nicht bei ihr zu Hause? – macht ihn nervös. Vielleicht schlägt ihm auch das Seebad aufs Gemüt, das völlig zu Unrecht aus der Mode geraten ist: die morgendämmerungsgleiche Stille in den leeren Straßen, die vielen geschlossenen Geschäfte, die Katerstimmung nach der Party.

Im Hotel, von dem aus man auf den Pier sehen kann, weisen holzgetäfelte Schilder zum »Ladies Powder Room« und dem »Games Room«. Es gibt eine Art Bänkelsänger-Galerie über der Rezeption, einen schwindelerregend gemusterten Teppich, Kristalllüster und schwere goldgerahmte Porträts an den Wänden. Jar geht durch zur Cocktailbar, an Werbeplakaten für die Happy Hour und Bacardi sowie an einer Glasvitrine voller Prosecco- und Pinot-Grigio-Flaschen vorbei.

Amy ist ebenfalls zu früh dran und sitzt schon bei einer Tasse Kaffee in der hintersten Ecke der fast leeren Bar. Jar schluckt schwer, Rosas augenschmerzender Widerschein droht ihn zu Fall zu bringen, bevor sie auch nur ein Wort gewechselt haben: die gleichen hohen Brauen und langen, dunklen Haare, ein für die Jahreszeit zu warmer lila Samtmantel und bohèmehafte kniehohe Stiefel. Allerdings fehlt Amy Rosas Verspieltheit, über ihr schwebt stattdessen eine Schwere, die Jar auch einst über seiner Mamó kurz vor ihrem Tod beobachtet hat: der Blick ermüdet von jahrelangen Schmerzen. Sie hat einen ihrer schlechten Tage, denkt er.

»Bin ich zu spät dran?«, fragt er und schließt die Augen, bevor er sie auf die Wange küsst.

»Ich hab’s nicht eilig«, antwortet sie. Jar fällt wieder ein, wie sich die Zeit um Amy zu verlangsamen scheint, wenn sie so ist. »Kaffee?«

Eine gelangweilte Kellnerin mit Schürze tritt durch eine Schwingtür, die missbilligend hinter ihr zuknallt. Jar fährt zusammen, doch Amy scheint den Schlag nicht einmal zu hören. Er bestellt einen doppelten Espresso und lässt den Blick durch den leeren, hohen Raum wandern: über die dunkel lasierte Bar, die verschnörkelten Stuckleisten, die Zeichnung eines Rettungsboots. Ihn durchzuckt schmerzliches Heimweh nach der Bar seiner Eltern in Galway, nach seinem Vater.