Fire&Ice 18 - Jason Shaw - Allie Kinsley - E-Book

Fire&Ice 18 - Jason Shaw E-Book

Allie Kinsley

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Beschreibung

Wenn die Vergangenheit so sehr schmerzt, dass es keine Zukunft zu geben scheint, dann ist Liebe das Einzige, was zwei verlorene Seelen retten kann. Zwischen Jason und Jazz brennt schon im Jugendalter eine Liebe, die nie erloschen ist. So tief, dass Jason bereit ist, alles zu riskieren, um Jazz vor ihrem Schicksal zu retten. Doch als er dann zu ihr zurückkommt, bricht sie ihm das Herz. Der Schmerz sitzt auch nach über 10 Jahren Jahren noch so tief, dass Jason seine große Liebe nie wiedersehen will. Doch Jazz gibt nicht auf, kämpft weiter. Für Jason. Für ihre Beziehung. Für die ganz große Liebe. Second Chance Romance/ Friends to Lovers

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Inhaltsverzeichnis

Fire&Ice

Vorwort zur Reihe

1 DER LADEN

2 EINGEHOLT

3 NEIN

4 HOCHZEIT

5 DIESER KUSS

6 WAS SOLL DAS?!

7 DANACH

8 ZUSAMMEN

9 MONATSTREFFEN

10 VERGANGENHEIT

11 ALLEIN

12 DAY AFTER

13 GUT ODER NICHT?

14 CHASE

15 EPILOG

WIR?

Leseprobe

Fire&Ice

Band 18

Jason Shaw

Allie Kinsley

Bereits erschienen:

Fire&Ice 1 – Ryan Black

Fire&Ice 2 – Tyler Moreno

Fire&Ice 3 – Shane Carter

Fire&Ice 4 – Dario Benson

Fire&Ice 5 – Brandon Hill

Fire&Ice 5.5 – Jack Dessen

Fire&Ice 6 – Chris Turner

Fire&Ice 6.5 – Gregor Zadow

Fire&Ice 7 – Logan Hunter

Fire&Ice 7.5 – Jonas Harper

Fire&Ice 8 – Julien Fox

Fire&Ice 9 – Luce Suarez

Fire&Ice 10 – Joey Parker

Fire&Ice 11 – Matthew Fox

Fire&Ice 12 – Fabio Bellini

Fire&Ice 13 – Alex Altera

Fire&Ice 14 – Taylor Falk

Fire&Ice 15 – Dave Cooper

Fire&Ice 16 – Juan Garcia

Fire&Ice 17 – Alessio Lopez

Fire&Ice 18 – Jason Shaw

Fire&Ice – Bonuskapitelbände

Weil wir wir sind (Sweet like Candy)

Protect Me 1 – 8

Dangerous Love –Sammeband 1+2

Yearn for Adam

Yearn for Slade

Yearn for Deacon

Yearn for Liam

Yearn for Nick

Wir sind mehr als Liebe – Curley

Wir sind mehr als Liebe – Riaz

Wir sind mehr als Liebe – June

Wir sind mehr als Liebe – Elyas

Wir sind mehr als Liebe – Damien

Hollywood Badboys 1 – Dylan

Hollywood Badboys 2 – Nate

Hollywood Badboys 3 – Sean

Hollywood Badboys 4 – Lucas

Gemeinschaftsprojekte:

Cinderella 1&2

Snow White

Single Bells – Ein Professor zum Verlieben

Big Four – Ein Anwalt zum Küssen

Alaska Love – Ein Arzt zum Verlieben

Philadelphia Pucks – Caden&Paris

Philadelphia Pucks – Orlando&Alice

Ein Touchdown für Emmi

Ein Center für Romy

Shelter Love – Big Boss im Welpenglück

Irish Guys – Irland, Träume und ein CEO

Copyright © 2022 Allie Kinsley

All rights reserved.

SW Korrekturen e.U., www.swkorrekturen.eu

Cover Foto: bigstockphoto.com, ID: 120349481, I T A L O

Vorwort zur Reihe

Mir ist es wichtig, dass all meine Fire&Ice-Bücher unabhängig voneinander gelesen werden können. Das ist eigentlich nicht schwer, da alle Geschichten weitestgehend in sich abgeschlossen sind. Die Figuren kommen natürlich in allen Bänden immer einmal wieder vor.

Also nicht erschrecken, wenn euch der ein oder andere Name nichts sagt. Gerade an großen Festivitäten erwähne ich viele Menschen aus den vorangegangenen Bänden, damit die Fans dieses Paars wissen, was es bei ihnen so Neues gibt. Wenn ihr wissen wollt, wohin diese Protagonisten gehörten und in welchem Band sie ihre große Liebe gefunden haben, dann schaut euch doch mal den kleinen Fire&Ice-Stammbaum an.

Nach mittlerweile neun schönen Jahren mit Fire&Ice gibt es natürlich auch einige Kinder. Ob sie irgendwann ihre eigene kleine Spin-off-Reihe bekommen werden? Vielleicht.

Um bei allen Neuigkeiten immer auf dem aktuellsten Stand zu sein und jeden Monat kostenlose Fire&Ice-Bonuskapitel zu lesen, meldet euch am besten bei meinem Newsletter unter www.allie-kinsley.de an.

1 DER LADEN

JAZZ

Seufzend glitt Jazmins Blick die Fassade des Hauses hinauf, in dem der Schnittblumen-Laden lag, den sie vor einigen Jahren übernommen hatte.

Die ehemals weiße Fassade hatte einen nicht sehr hübschen, grauen Schmuddelstich bekommen, der auch von dem großen, grünen Ladenschild nicht gerettet wurde.

"Darcy's Schnittblumen Service" stand auf dem Schild, auch wenn Darcy schon Ewigkeiten nicht mehr Eigentümerin dieses Ladens war. Doch irgendwie brachte Jazz es nicht übers Herz, den Laden umzubenennen oder ein neues Schild zu kaufen in Erinnerung an die alte Lady.

Manchmal überlegte sie ernsthaft, ob es überhaupt eine gute Idee gewesen war, zurück nach Boston zu kommen.

Damals hatte es sich richtig angefühlt. Damals, als sie noch nicht gewusst hatte, wie tief Jasons Hass auf sie ging.

Ihr Streit … oder das Ende von all dem, was sie jemals gehabt hatten, war bald zehn Jahre her … zehn verdammte Jahre, ein halbes Leben. Wie konnte er noch immer so wütend auf sie sein?

Also das Warum war ihr durchaus klar. Sie würde nie vergessen, was Jason für sie getan hatte und wie sie es ihm gedankt hatte. Es war ein Riesenfehler gewesen, und im Nachhinein sah sie sehr wohl, was sie alles falsch gemacht hatte.

Aber damals … Schnell schüttelte sie den Gedanken ab. Zu schmerzhaft war die Erinnerung an all das, was geschehen war. Sie musste sich auf die Zukunft konzentrieren und darauf, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte, wenn Jason ihr niemals verzeihen würde … wonach es mittlerweile leider aussah.

Ihre Beine fühlten sich an wie Blei, als sie die wenigen Stufen hinauf zum Laden ging und die Tür aufsperrte.

Als sie den ersten von Jasons Kollegen in ihrem Laden getroffen hatte, war sie fest der Meinung, dass das der Wendepunkt in ihrem Leben werden könnte. Doch dem war nicht so. Jason schien sie nicht anhören zu wollen. Nicht für eine Minute, sonst hätte er auf ihre unzähligen Annäherungsversuche doch reagiert, oder?

Das Windspiel über dem Eingang klingelte, als sie die Tür ganz aufschob, um frische Luft hereinzulassen. Es war das gleiche Windspiel, das auch vor der Eingangstür des Meets hing.

Eric, der manchmal etwas griesgrämige Besitzer, hatte sie damals darauf aufmerksam gemacht, als er in ihren Laden gekommen war, um Blumen für seine Freundin zu kaufen.

Aber das, was einen hinter dem Windspiel empfing, war völlig anders. Im Meets roch es stets nach gutem Essen, Sparerips und Pommes, Bier und Kaffee. Hier bei Darcys wurde man förmlich überrollt von den verschiedenen Blumendüften. Der Geruch hing schwer in der Luft und füllte alle Nervenenden sofort aus.

Sie liebte es, es war der beste Teil des Tages, wenn die Blumen gerade aufwachten und die Straßen in Boston noch so ruhig waren.

Während sie weiter ihren Gedanken über Jason und ihre gemeinsame Vergangenheit nachhing, kümmerte sie sich um die neu angelieferten Blumen, ehe sie die Blumen im Bestand versorgte. Es war fast schon meditativ, das Sortieren, Schneiden und Gießen, während sie ihren Gedanken nachhing.

Gedanken, die sich hauptsächlich um Jason drehten. Vor allem deshalb, weil sie ihn erst vor wenigen Tagen zufällig auf der Straße gesehen hatte.

Sie war in Netti's Diner gewesen, um dort in Ruhe einen Kaffee zu trinken, als er die Straße entlanggegangen war.

Noch immer sah er unfassbar gut aus. Die Anfang dreißig sah man ihm absolut nicht an. Die blonden, vollen Haare trug er mittlerweile zu einem modernen Undercut, was sein kantiges, maskulines Gesicht nur noch betonte. Die Wangen waren glatt rasiert und die blauen Augen so intensiv wie eh und je.

Er hatte einen dunkelblauen, maßgeschneiderten Anzug getragen, der seine breiten Schultern und die athletische Figur nur noch betonte. Sie konnte sich genau ausmalen, wie sie dicht vor ihm stand und ihre Hände auf die harte Brust legte. Mit seinen fast ein Meter neunzig würde er sie trotz High Heels überragen und ihr, wie schon damals, das Gefühl geben, bei ihm in sicheren Händen zu sein.

Wie damals … ihr großer Beschützer, der Einzige, bei dem sie sich jemals geliebt und beschützt gefühlt hatte.

Doch auf all die guten Gefühle folgten sofort die schlechten, und sie erinnerte sich an den Hass in seinen Augen, als sie das letzte Mal versucht hatte, mit ihm zu sprechen.

Ihr Magen verkrampfte sich und ihre Hände begannen zu zittern, während sie verzweifelt versuchte, ihren Strauß fertigzubinden. Doch das war gar nicht so leicht, wenn die Augen sich mit Tränen füllten, weil die Erinnerungen einen völlig überrollten. Doch sie hatte kein Recht, in Selbstmitleid zu baden, immerhin war das alles ihre Schuld! Und Jason hasste sie zu Recht.

Dennoch konnte und wollte sie nicht aufgeben. Schließlich war er doch alles, was sie noch hatte … jemals gehabt hatte.

Auch wenn sie es eine Zeit lang nicht zu schätzen gewusst hatte, Jason war schon immer ihr Prinz in glänzender Rüstung … wenn doch nur er sich auch daran erinnern würde.

JASON

Langsam, aber sicher kam er sich vor wie in seiner Kindheit. Damals, als er in einem Viertel gewohnt hatte, in dem die Armut überwogen hatte und in jedem Haushalt unzählige Kinder gelebt hatten.

Seine Familie, wenn man sie denn so nennen konnte, war eine Seltenheit. Okay, nicht, dass es nicht einmal mehr Shaws gegeben hatte … aber das war ein anderes Thema. Das Ergebnis blieb dasselbe: Er war ein Einzelkind unter unzähligen Großfamilien.

Dass ihm das auch bei seinen Fire&Ice-Freunden jemals passieren würde, hätte er nicht gedacht. Aber nach und nach warfen seine Freunde Kinder, als wären sie Kaninchen. Es war absolut unfassbar und an Tagen wie diesen, an denen sich all diese Großfamilien versammelten, wurde es ganz schön turbulent.

Nett ausgedrückt.

Verdammt laut traf es eindeutig besser!

So laut, dass er langsam sogar Kopfschmerzen bekam und sich wünschte, dass diese Veranstaltung, die gerade erst so richtig in Fahrt kam, endlich wieder endete.

"Du siehst gequält aus", sagte Chris, der sich mit einem Drink in der Hand neben ihn an die Bar stellte.

"Nachdem du nachmittags um drei schon Whisky trinkst, geht es dir nicht anders, oder?", gab Jason zurück und stieß mit seinem Whiskyglas gegen das von Chris.

"Ich versuche den Geräuschpegel mit Alkohol zu dämpfen", sagte er leise, als würden sie sich gerade verschwören.

"Was trinkt ihr da?", fragte Alexa, die neugierig die Gläser musterte.

"Lagavulin", antwortete Chris.

"Gut?"

"Jap."

"Her damit." Alexa klopfte auf die Bar und der Barkeeper kam ihrer Bestellung sofort nach.

"Du bist eine Mom, müsstest du das nicht gewohnt sein?", fragte Jason grinsend. Er hatte schon immer eine Schwäche für Alexas direkte Art. Es gefiel ihm einfach, dass sie, genau wie Zoey, kein Blatt vor den Mund nahm. Sie war frech und wild, passte eigentlich so gar nicht zu Brandon.

"Es gibt einen großen Unterschied zwischen zwei Kindern in freier Natur und einem ganzen Fire&Ice-Kindergarten in einem Saal." Sie prostete ihnen zu. "Auf die Stille."

"Auf die Stille", gaben beide Männer unisono zurück und tranken dann von ihren Drinks.

"Es sind so unfassbar viele, dass ich den Überblick verloren habe!", sagte Chris, als Noa, Lia und Ethan an ihnen vorbeirannten.

Alexa nickte. "Brandon und ich haben vorhin durchgezählt. Dreiundzwanzig Babys zwischen vier Jahren und die letzten Vierlinge jetzt gerade einmal vier Monate!"

Fassungslos schüttelte Jason den Kopf. Dreiundzwanzig! Damit waren es schon neunzehn, bevor Alex und Cat diese Mamutschwangerschaft hinter sich gebracht hatten.

Dass Anthony, Aden, Aaron und Grace die arme Cat nicht zum Platzen gebracht hatten, war auch schon alles. Die Ärzte hatten dem überglücklichen Paar immer wieder empfohlen, nur zwei der Babys zu bekommen, aber Cat hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt. Nun waren es vier. Unglaublich.

Die Taufe hatten alle nach einem etwas turbulenten Start ins Leben nun hinter sich gebracht. Dass alle vier samt Mama wohlauf waren, glich für Jason auch einem Wunder. Aber er freute sich umso mehr, dass Cat nun ihr so lang ersehntes Happy End hatte.

"Sind diese Blumen nicht wundervoll?", fragte Kyle, die gerade mit Leeroy auf dem Arm zu ihnen trat und eine Hand nach dem Gesteck an der Bar ausstreckte. Sie lächelte ganz selbstzufrieden, und Jason fragte sich ernsthaft, wann aus der biertrinkenden Feuerspuckerbande eine Truppe geworden war, die jetzt Blumengestecke an Bars dekorierte.

"Ja, Chris, ist doch wundervoll. Willst du nicht welche im Chase an die Bar stellen?", fragte er sarkastisch und trank einen weiteren Schluck Whisky.

"Lass deine schlechte Laune nicht an meiner Frau aus", knurrte Joey, der nie weit von Kyle weg war. Er trat neben seine Frau, küsste erst sie, dann Leeroy auf den Scheitel.

"Ich habe keine schlechte Laune." Hatte er doch, aber das musste er ja nicht rumposaunen. Denn niemand hier hatte ihm direkt etwas getan. Die Party war … nett. Seine Freunde waren gut gelaunt. Das Essen war wie immer hervorragend. Da konnte den Köchen des CB-Resorts wirklich kaum jemand etwas vormachen. Alles, was störte, war diese beschissene Deko. Wer zum Teufel wollte all diese Blumen hier haben? Sie drückten einem ihren Geruch auf, der so intensiv war, dass man sich ihm kaum entziehen konnte. Fast so intensiv wie ihr Anblick, der den ganzen beschissenen Raum dominierte. Man konnte sie einfach nicht übersehen, sie waren überall, und genau das war wohl auch Jazz' Anliegen dabei gewesen.

Fuck.

Da war sie wieder, die eine Frau, über die er überhaupt nicht hatte nachdenken wollen. Die ihn verfolgte, wo auch immer er gerade war. Und seit einiger Zeit hatte sie sogar seinen Freundeskreis infiltriert.

"Du hast schlechte Laune", antwortete Joey ungewöhnlich scharf. "Mir ist es egal, was zwischen dir und der Blumenlady falsch läuft, solange du meine Familie mit deinem Scheiß in Ruhe lässt." Dann zog er Kyle mit sich und hinterließ bei Jason ein ungutes Gefühl.

Verdammt.

All das war Jazz' Schuld. Warum zum Teufel hatte sie sich zurück in sein Leben schleichen müssen?

"Die Blumen sind aber auch scheiße", murmelte Chris und bestellte noch zwei Whisky.

"Keine Ahnung, was sie alle damit haben … wie kann es sein, dass Sky die einzig normale Frau in diesem Haufen ist?"

Chris lachte auf. "Ja, oder? Wie sagt sie immer? Geschlechtsorgane toter Pflanzen?"

Nun lachten sie beide, und seine Laune wurde besser, je weiter sie sich von Jazz und dem, wie sie sein Leben versaute, entfernten.

Einige Zeit später entdeckte er Alessio, der mit seiner Freundin auf sie zu schlenderte. Der junge Mann war unfassbar talentiert im Tätowieren, kein Wunder, dass Joey ihn eingestellt hatte, um in seinem Studio zu arbeiten.

Apropos Joey … verdammt, er wollte seinen Freund noch darum bitten, ihm ein Tattoo auf die Wade zu stechen. Und so talentiert Alessio auch war, Jason war sich nicht sicher, ob er ihm das zutrauen konnte.

"Warum musterst du ihn so gruselig?", fragte Madlyn, die selten ein Blatt vor den Mund nahm.

Jason konnte nicht verstehen, wie Alessio mit so einem vorlauten Ding zusammen sein konnte. Ernsthaft. Die musste ihm doch jeden Tag die Hölle heißmachen. Dagegen waren Zoey und Alexa stille Mädchen. Im Vergleich dazu war ihm Kyle und ihre Vorliebe für Blumen ja noch lieber.

"Weil ich überlegt habe, ob Alessio in der Lage wäre, meine Tattoo-Wünsche umzusetzen."

Alessio zuckte mit den Schultern. "Ziemlich sicher. Aber wenn es dir lieber ist, kann Joey auch den Anfang machen und auf das Finish mit drauf gucken."

Nachdenklich musterte Jason den Latino. Das war vielleicht gar keine so schlechte Idee.

"Die Blumen sind wunderschön, oder? Jazz macht so wunderschöne Gestecke!", unterbrach Madlyn seine Gedanken.

"Euer Scheiß-Ernst?!", grummelte Jason in sich hinein.

Madlyn musterte ihn scharf. "Was ist das eigentlich zwischen euch? Muss ja was Großes sein, wenn sogar ihre Blumen dich so aufregen!"

Auch seine scharfen Blicke brachten die vorlaute Frau nicht zum Verstummen. Unfassbar, wie Alessio das aushielt. Ein bisschen Feingefühl war doch nicht zu viel verlangt!

Jason antwortete nicht, weil er Alessio genau ansah, dass ein falsches Wort ziemlich eskalieren könnte. Also exte er seinen Drink, knallte das Glas stumm auf den Tresen und verließ diesen gottlosen Ort mit den eintausend Blumen, denn es schien ja keine anderen Gesprächsthemen mehr zu geben.

Was für ein beschissener Tag, und wenn es so weiterging, würde er bereits am Nachmittag betrunken sein. Aber zumindest seine Freunde schienen Spaß zu haben. Auch wenn es ihm weniger Vergnügen bereitete, den verliebten Pärchen bei ihrem Babymarathon zuzuschauen.

"Früher war alles besser, oder?", fragte Tyson, der neben ihn getreten war.

"Früher warst du noch gar nicht auf der Welt", konterte Jason grinsend. Er mochte den jungen Mann, der in dem letzten Jahr so viel verloren hatte.

"Früher hattest du noch keine Falten." Tyson erwiderte sein Grinsen.

"Früher hattest du noch einen besten Freund."

"Autsch. Der war unter der Gürtellinie." Das Funkeln in Tysons blauen Augen sagte etwas anderes.

"Wir haben alle schon einen an die Frauenwelt verloren."

"Sie sind die dunkle Seite der Macht."

Jason nickte. "Halt dich fern, sie bedeuten nur Ärger."

Gequält verzog Tyson das Gesicht. "Der Rat kommt zu spät, Mann."

Jason wollte sich gern selbst dafür ohrfeigen, immerhin war Pipers Tod noch nicht allzu lange her, und er hatte tiefe Wunden auf Tysons Seele hinterlassen.

Doch bevor er sich irgendetwas Nettes überlegen konnte, trat Mina zu ihnen. "Da bist du ja!" Sie piekte Tyson mit dem Finger in die breite Brust. "Dave sucht dich. Es geht um das Medikament, das du wolltest." Dann wandte sie sich an Jason.

Minas Lächeln war wunderschön. So aus tiefstem Herzen und es erreichte ihre strahlenden Augen. Jason verstand durchaus, was Dave an ihr fand.

"Ich soll dir schöne Grüße von Jazz ausrichten. Ich habe sie engagiert für Ashers ersten Geburtstag und …" Sie verstummte, als Jason einfach ging. Wortlos hatte er sich auf dem Absatz umgedreht und ging zielstrebig zurück zur Bar. Wenn er diesen beschissenen Tag überstehen wollte, brauchte er eindeutig mehr Alkohol!

Am besten so viel, dass er wahlweise die anderen und ihre Blumengrüße nicht mehr verstand oder er so sehr lallte, dass ihn niemand mehr verstand.

Er wollte es sich nicht mit seinen Freunden verscherzen, wollte nicht, dass einer von ihnen wütend auf ihn war, weil er das Geblubber ihrer Frauen über Jazz und ihre beschissenen Blumen nicht mehr hören wollte.

War es denn wirklich zu viel verlangt, dass sie alle ihn einfach damit in Ruhe ließen?

An der Bar traf er auf Tom, der die gleiche Mission wie er zu haben schien. Alkohol. Viel Alkohol.

"Auf was trinken wir?", fragte Jason, nachdem Tom ihm schon beim Erreichen der Bar zuprostete.

"Das dreiunzwanzigste Fire&Ice-Baby?"

"Erschreckend, oder?"

Tom nickte. "Aber das hat dir die Laune doch nicht so verhagelt?"

"Nop." Er deutet dem Barkeeper an, den gleichen Drink wie Tom zu wollen.

"Lass mich raten, die Blumenlady?"

"Volltreffer. Bei dir? Mats Sekretärin?"

Wieder nickte Tom. "Jap, Ruby. Sie war vorhin sogar hier." Nachdenklich sah Tom in sein Glas.

"Und, haben dir alle schöne Grüße ausgerichtet?"

Das ließ seinen Gegenüber schnauben. "Bestimmt nicht. Dass wir keinerlei Kontakt wollen, haben wir schon vor Jahren geklärt."

Jasons Augenbraue zuckte nach oben. So redselig war Tom sonst nicht, wenn es um Ruby ging.

Aber er wollte sein Glück auch nicht herausfordern, immerhin wollte er selbst ja keine Erinnerungen an die Frau aus seiner Vergangenheit.

"Du Glücklicher", sagte er stattdessen. "Ich fühle mich von meinen eigenen Freunden wegen dieser beschissenen Blumen verfolgt."

Tom verzog angewidert das Gesicht. "Würde mir auch auf den Sack gehen."

"Spießrutenlauf."

Eine Weile schwiegen sie, dann drehte Tom sich ihm wieder zu. "Du solltest endgültig einen Deckel auf dieses Thema machen. Wenn Jazz aufhört, dauernd unerwünschte Grüße auszurichten, werden die anderen auch aufhören, dir damit in den Ohren zu liegen."

Langsam schüttelte Jason den Kopf. Der viele Alkohol vernebelte ihm die Sinne. "Ich habe schon eintausendmal gesagt, dass sie sich ihre Grüße in den kleinen Arsch schieben kann. Aber niemand hört auf mich."

"Du hast es zu den anderen gesagt, vielleicht musst du ihr ein für alle Mal klarmachen, dass du nichts von ihr hören willst."

"Und wie? Eine Unterlassungserklärung wegen Stalking? Mat hilft mir niemals dabei!"

Tom schnaubte. "Sei ein Mann, geh hin, blas ihr den Marsch und setz dem Ganzen ein Ende!"

"Dafür müsste ich zu ihr fahren und ich will sie nie wiedersehen."

"Lieber noch einmal sehen und das Ganze dann für immer beenden als dieser allwöchentliche Psychoterror, der mich ja schon nervt!"

Toms arrogante Art ging ihm auf den Sack. Wahrscheinlich, weil er genau das Richtige sagte, es Jason aber gegen den Strich ging.

Dennoch … "Hat bei dir ja super funktioniert", murmelte Jason in sein Whiskyglas.

"Das ist was völlig anderes, weil Mat ein Arschloch ist", antwortete Tom und exte seinen Drink.

"Mat ist kein Arschloch, du bist nur stur", sagte Zoey, die gerade zu ihnen getreten war. "Ein Lemon Soda, bitte", sagte sie dann an den Barkeeper gewandt.

"Würdest du deinen Ex dauernd um dich herum haben wollen?", fragte Jason, um Tom zu Hilfe zu kommen.

"Eher nicht. Er ist tot, wie ihr euch sicher erinnert … und ich mache auch kein so Riesengeheimnis aus allem wie ihr beide. Ich meine, ernsthaft, was ist das mit dir und Jazz? Ich komme mir bald vor wie bei einer Daily Soap."

"Ja und auch die muss man nicht einschalten, dann geht sie einem auch nicht auf den Sack", knurrte Jason, der das Thema allmählich nicht mehr aushielt. Warum zum Teufel mussten sich alle einmischen, wenn es sie doch selbst nervte? Es konnte sich auch einfach jeder mal um seinen eigenen Scheiß kümmern.

"Es hat eher was von einem Autounfall, man kann nicht wegsehen", antwortete Zoey und nahm dann lächelnd ihr Getränk entgegen.

Fluchend knallte Jason das leere Glas auf den Tresen. Jetzt war Schluss! Tom hatte recht, es konnte so nicht weitergehen. Er musste dafür sorgen, dass es aufhörte, und wenn seine Freunde ihn dabei nicht unterstützten, dann musste er eben die Quelle mundtot machen!

JAZZ

Summend band sie den Strauß, den Mr. Paulson am Nachmittag würde abholen kommen. Es war ein bunter Strauß, vorwiegend aus Wildblumen, wie seine Frau ihn früher immer gepflückt hatte.

Jazz liebte es, den Geschichten ihrer Kunden zu lauschen, während sie ihrer – wie sie es nannte – grünen Kreativität freien Lauf ließ.

Die Storys berührten sie, gaben ihr das Gefühl, dass ihre eigenen Probleme klein und unbedeutend waren verglichen mit den Schicksalen dieser Welt. Geschichten wie die von Mr. Paulson, der seiner Frau jede Woche einen Strauß Blumen holte. Selbst jetzt noch, da sie schon über ein halbes Jahr verstorben war.

Das Klingeln des Windspiels ließ sie lächeln, denn es bedeutete, dass entweder Mr. Paulson schon da war oder ein neuer Kunde mit einer neuen Geschichte sie begeistern würde.

Doch wen sie dann an der Tür entdeckte, ließ ihren Atem stocken.

Jason.

Der eine Mann, den sie seit einer Ewigkeit wiedersehen wollte, war da. In ihrem Laden. Und er sah atemberaubend aus.

Jason war schon als Jugendlicher ein außergewöhnlich schöner Mann gewesen. Die Jahre hatten es gut mit ihm gemeint. Das kantige Gesicht war maskuliner geworden.

Der blonde Undercut und der leichte Bartschatten betonten diese Konturen nur noch mehr. Die mittlerweile breiteren, trainierteren Schultern füllten den dunkelgrauen Maßanzug perfekt aus. Er trug keine Krawatte und das weiße Hemd unter der engen Weste stand am Kragen ein wenig offen.

Jazz hätte sich an seinem Anblick niemals sattsehen können, und das nicht nur, weil sie den Augenkontakt mit ihm lieber gemieden hätte. Denn die Art, wie sein Körper angespannt und kriegsbereit in ihrem Laden stand, sagte ihr, dass er nicht gekommen war, um endlich mit ihr zu sprechen. Zumindest nicht so, wie sie es sich gewünscht hätte.

"Was zum Teufel bezweckst du mit diesem Psychoterror?!", knurrte er dann ohne eine weitere Einleitung.

Der raue Ton sorgte dafür, dass sie zusammenzuckte, und die Kordel, die sie noch immer vom Binden des Straußes in den Händen hielt, schnitt dabei in ihre Finger.

Der leichte Schmerz lenkte sie ab, klärte ihre Gedanken ein klein wenig.

"Habe ich nicht klar und deutlich gesagt, dass ich nie wieder etwas mit dir zu tun haben will?"

Auch wenn er sie im Grunde gerade zur Schnecke machte, tat es so unfassbar gut, seine Stimme zu hören. Sofort fühlte sie sich zurück in ihre Kindheit versetzt, als diese Stimme das Einzige gewesen war, was ihr in dieser Hölle Hoffnung gegeben hatte.

"SCHAU MICH VERDAMMT NOCH MAL AN, WENN ICH MIT DIR REDE!"

Ruckartig hob sie den Kopf und ihr Blick traf auf seinen. Eiskalte, blaue Augen musterten sie so abfällig, dass es ihr die Kehle zuschnürte.

All dieser Hass fühlte sich an wie eintausend Messer in ihrem Herzen. Sie wusste, dass Jason ihr nie verziehen hatte, was damals passiert war, aber dass er sie noch so verabscheute nach all der Zeit, damit hatte sie nicht gerechnet.

"ICH WILL, DASS DU MICH VERDAMMT NOCH MAL IN RUHE LÄSST!", schrie er weiter und Jazz' Atmung wurde hektisch.

Diese Wut in ihm … es war so viel mehr, als sie jemals erwartet hätte. Sie hatte damit gerechnet, dass Jason sie nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen würde, deshalb war sie ja auch nicht einfach zu ihm gegangen … aber das? Es war schlimmer als alles, was sie sich jemals hätte ausmalen können.

Er trat einen Schritt auf sie zu und deutete mit dem Finger auf sie. "Du machst mich lächerlich vor meinen Freunden. Mich und dich selbst. Was soll dieses armselige Stalking? Wir beide haben uns nichts mehr zu sagen, ich dachte, das hätte ich damals deutlich gemacht!"

Sie schluckte trocken, versuchte all die Worte zu finden, die sie sich in den letzten Jahren für diesen Fall zurechtgelegt hatte. All die Gespräche, die sie immer wieder im Geiste durchgespielt hatte … nur dass diese in einer ganz anderen Stimmung gesprochen worden waren. Mit all dieser Wut konnte sie einfach nicht umgehen. Es erschlug sie förmlich.

Innerlich war sie hin- und hergerissen zwischen dem Orkan aus Gefühlen, die durch ihr Inneres fegte. Das kleine Mädchen in ihr fühlte sich augenblicklich gut und sicher, sobald sie Jason erblickte. Doch dieser Jason war nicht der, den sie kannte. Nichts von dem jungen Ritter in strahlender Rüstung war mehr übrig geblieben.

Der Ritter vor ihr war schwarz und grausam vor Verbitterung. Und das war alles allein ihre Schuld. Dieses Wissen sorgte dafür, dass ihr Herz unregelmäßig schlug.

"Halte dich einfach von mir fern. Verstehst du das?", fauchte er und die Art, wie er mit ihr sprach, war ihr vollkommen fremd. Es war nichts von ihrem Jason übrig. "ANTWORTE MIR!"

Hektisch nickte sie, und ganz langsam verschwamm er vor ihren Augen, da sich immer mehr Tränen in ihnen sammelten.

"Ernsthaft, Jazz!"

Sie schluckte trocken und nickte erneut, obwohl nur ihren Namen aus seinem Mund zu hören, sie unfassbar glücklich und traurig zugleich machte.

"Lass mich in Ruhe. Ich hasse dich und ich will weder deine beschissenen Grüße noch dass du überhaupt in der gleichen Stadt …" Er lachte laut auf. "Ach was, auf dem selben Kontinent wohnst wie ich!"

Wieder nickte sie und spürte, wie eine Träne sich aus ihrem Augenwinkel löste und langsam über ihre Wange rollte.

Sie wollte es nicht, wollte nicht so bemitleidenswert sein und vor ihm weinen, aber sie konnte es einfach nicht aufhalten.

Jasons Gesichtsausdruck wurde sogar noch wütender. Sie wusste nicht, was sie anderes erwartet hatte oder ob sie überhaupt etwas gedacht hatte. Aber dass er wütend auf ihre Tränen reagieren würde, wohl eher nicht. Wahrscheinlich, weil es früher so anders gewesen war. Aber früher war alles anders gewesen, oder? Früher hatte er sie geliebt und wollte, dass es ihr gut ging. Heute nicht. Heute wollte er nur seine Ruhe vor ihr, das hatte er deutlich klargemacht.

Ein letztes Mal schnaubte er angewidert, dann drehte er sich um und ging.

JASON

Er hasste sie.

Er hatte sie vorher schon gehasst, aber an diesem Tag hasste er sie mehr, als er jemals in Worte fassen konnte.

Und nein, es lag nicht daran, dass die Partygäste der Taufe der Vierlinge ihn den ganzen Tag in den Wahnsinn getrieben hatten. Es lag noch nicht einmal daran, was sie ihm vor all den Jahren angetan hatte.

Hauptsächlich war es das, was sie mit ihm machte. Ihr Anblick hatte ihn völlig unvorbereitet und wie ein Güterzug getroffen. Denn ganz egal wie viel Hass und Wut auf sie in seinem Inneren schwelte, Jazz war die mit Abstand schönste Frau, die er kannte, die er jemals gesehen hatte. Und die Jahre, die sie hatten reifen lassen, hatten sie nur noch schöner gemacht.

Es war nicht diese Modelschönheit von Zoey und auch nicht dieses süßes kleines Ding von Nina. Jazz war eine ganze Frau mit all den sinnlichen Rundungen, den riesigen, braunen Augen und voller blonder Mähne. Sie war die Verkörperung von Erotik und Familie zugleich, könnte ohne Probleme in jedem Porno mitspielen und gleichzeitig mit einem Baby auf dem Arm vor dem Herd stehen.

Und dass sie in ihm diese Mischung aus Verlangen und warmen Erinnerungen wachrief, machte ihn unfassbar wütend. Wieso zum Teufel hatte sie noch immer so viel Macht über ihn?

Er hasste sie. Mit jeder verdammten Faser, sie und ihre Ausstrahlung und ihre Art, wie sie sich bewegte. Er wollte ihr all das an den Kopf werfen, wollte ihr sagen, was für ein schlechter Mensch sie war und dass sie sein Leben versaut hatte von dem Moment an, als er im Treppenhaus über sie gestolpert war.

Aber er konnte es nicht. Alles, was aus ihm herausbrach, war immer wieder, dass sie ihn verdammt noch mal in Ruhe lassen sollte. Es fühlte sich gut an, das loszuwerden und ihr nach all den Monaten zu sagen, was für eine beschissene, egoistische Kuh sie war, dass sie sich so in sein Leben drängte.

Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, war, wie unfassbar schwer es ihm noch immer fiel, sie weinen zu sehen.

Das hatte er noch nie ertragen. Doch jetzt sollte es ihm egal sein. Er sollte darüber lachen können und sie für ihre schauspielerische Meisterleistung loben.

Aber er konnte es nicht, stattdessen schnürte es ihm die Kehle zu und Gänsehaut breitete sich auf seinem Körper aus, als die Träne ihre nach Pfirsichen duftende Wange hinabrollte.

Zumindest früher hatte sie immer nach Pfirsichen gerochen … hier konnte er sie nicht riechen. Zu seinem Glück war ihr Geruch von all den Blumen und deren schwerem Duft verschleiert. Und es war wirklich zu seinem Glück, denn wenn ihm schon ihr Anblick so viel ausmachte, wie sehr würde dann erst der süße Geruch ihrer Haut ihn aus der Bahn werfen? Oder der Klang ihrer Stimme?

Er hätte niemals gedacht, dass sie ohne ein Wort so viel Macht über ihn haben könnte. Dass ihr bloßer Anblick ihm so den Boden unter den Füßen wegreißen könnte.

Doch genau so war es, und vielleicht wusste sein Unterbewusstsein das auch, denn nicht umsonst hatte er sie all die Jahre gemieden wie die Pest, oder?

Zu sehen, dass sie weinte, brachte ihn völlig aus dem Konzept und all die Dinge, die er ihr noch so gern gesagt hätte, blieben in seinem Hals stecken. Er wollte sie in Grund und Boden stampfen, wie er es zuletzt getan hatte, wollte, dass sie sich so beschissen fühlte, wie er es all die Jahre getan hatte. Er wollte, dass sie so litt wie er und dass sie das Weite suchte und nie wieder auf die Idee kam, sich überhaupt in derselben Stadt aufzuhalten wie er, geschweige denn seinen Namen in den Mund zu nehmen.

Doch nichts davon konnte er tun, als er den kleinen salzigen Tropfen über die Wange rollen sah. Sein Magen verkrampfte sich, und ihm blieb nichts anderes übrig, als sich auf dem Absatz umzudrehen und diese Blumenräucherbude zu verlassen.

Sie zu verlassen, diese eine Frau, die ihm schon sein ganzes Leben den Verstand raubte, die so viel Gefühlschaos in ihm angerichtet hatte wie kein anderer Mensch auf dieser Welt.

Das Windspiel über der Tür klingelte und erinnerte ihn ein weiteres Mal an seine Kindheit und wie sehr Jazz das Windspiel in seinem Zuhause geliebt hatte.

War es deshalb hier?

Er wagte nicht darüber nachzudenken. Manche Dinge blieben lieber ungesagt … ungefragt. Es würde nur noch mehr Chaos in ihm erzeugen, so viel war sicher.

Außerdem wollte er es doch auch gar nicht wissen! Jazz war ihm egal, seit Jahren hatte er sie aus seinem Kopf gestrichen. Aus seinem Leben entfernt, wie eine Warze, die keiner brauchen kann.

Warum also hatte ihn das alles überhaupt so aus der Bahn geworfen?

Sie sollte ihn nicht interessieren.

Als er den Laden verließ und tief die frische, beinahe blumenduftfreie Luft einatmete, straffte er die Schultern. Er hatte einen Schlussstrich gemacht, ihr ein für alle Mal gesagt, dass sie ihn endlich in Ruhe lassen sollte. Alles richtig so! Und damit hatte der Spuk hoffentlich ein Ende.

Ein wenig planlos sah er die belebte Straße auf und ab, bis ihm seine Corvette ins Auge fiel. Richtig. Wegfahren.

Nur wohin?

Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es bereits abends war und er Chris einen Besuch abstatten konnte. Okay, das Chase würde noch nicht offen haben, aber er könnte zusammen mit seinem Freund ein wenig in dessen Club trinken, bis die ersten Gäste eintrudelten, oder?

Er musste diesen Tag einfach in Alkohol ertränken. Erst diese Taufe mit den unzähligen glücklichen Pärchen und ihre dreiundzwanzig schreienden Bälger und zu guter Letzt auch noch Jazz.

Jazz, die ihm ohne ein Wort den Boden unter den Füßen weggezogen hatte.

Das Aufheulen des Motors lenkte ihn kurze Zeit von den Gedanken an diese Frau ab. Nur kurz, dann blitzten wieder Erinnerungen an die Tränen, die über ihre Wange liefen, vor seinem inneren Auge auf.

Die gleichen dicken Tränen wie früher. Er sah sie heute noch vor sich, sie war vielleicht sieben Jahre alt gewesen, als sie auf der Straße vor dem Haus, in dem sie beide gewohnt hatten, Fahrrad gefahren war.

"Schau mal, Jas!", rief sie begeistert, während sie mit dem neuen pinken Fahrrad Schlangenlinien um die Straßenmarkierungen fuhr.

Sie hatte sich seit Ewigkeiten ein Fahrrad gewünscht, aber niemals eins bekommen.

Von wem auch? Keiner in diesem Drecksloch hatte auch nur einen Dollar übrig, das sagte schon allein die schäbige graue, von schlechtem Graffiti verschmierte Fassade des heruntergekommenen Häuserblocks.

Niemand hier interessierte irgendetwas. Nicht wie das Haus aussah, nicht der Müll, nicht einmal die Kinder, das hatte ich schon lange begriffen.

Jazz noch nicht. Sie war vier Jahre jünger als ich und voller Freude und Zuversicht. Und weil ich wollte, dass sie noch lange an ein gutes Leben glaubte und damit auch mein eigenes ein kleines bisschen besser machte, hatte ich ihr dieses Fahrrad besorgt.

Nicht gekauft, womit auch? Aber es stand ein wenig herrenlos in einem der Bonzenviertel, also würde es niemand vermissen.

Dafür freute sich Jazz umso mehr und fuhr Runde um Runde auf der Straße vor ihrem Haus.

"Wuhuuu!", jubelte sie und reckte eine Hand in die Luft … was wohl noch zu schwer war, denn nur Sekunden später fuhr sie gegen einen Randstein und fiel zu Boden.

Kurz war es ganz still und ich war schon auf den Beinen, als Jazz zu weinen begann. Dieser Ton brachte mir eine Mischung aus Erleichterung und Angst. Denn immerhin konnte es nichts Lebensbedrohliches sein, oder?

Ich rannte zu ihr, sah sie am Boden sitzen, wie sie ihr Bein umklammerte. Ihr Gesicht war voller dicker Tränen, als sie mit ihren braunen Teddyaugen zu mir aufsah. Ihr Knie war aufgeschürft, und ich hasste mich in dem Moment dafür, dass ich das Fahrrad für sie geklaut hatte. Ich ertrug es nicht, sie weinen zu sehen, also ging ich neben ihr auf die Knie und nahm sie in den Arm, wie ich es mit meiner kleinen Schwester immer getan hatte … damals, als sie noch lebte.

"Es tut so weh", weinte sie und klammerte sich an mich.

"Schsch", beruhigte ich sie. Oder mich. Oder uns beide. "Es wird wieder aufhören. Es hört immer irgendwann auf", versprach ich. Doch es war eine Lüge. Manche Schmerzen endeten nie.

Ein Hupen riss ihn aus seinen Erinnerungen und lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf den Verkehr. Grün. Also trat er aufs Gas.

Es war lange her, dass er so einen Flashback in seine Kindheit ertragen musste. Klar, dass ausgerechnet Jazz das in ihm auslöste.

Doch das war nur ein weiterer Grund, diese Frau zu meiden.

Er parkte die Corvette hinter dem Chase Club auf den Parkplätzen für Personal und Familie. Dazu gehörte er, da war Jason sich sicher. Fire&Ice war seine neue Familie. Seit sehr, sehr langer Zeit.

Ohne zu klopfen, drückte er die Hintertür auf, schob sich durch die engen Gänge in Richtung von Chris' Büro.

Wenn es im Club noch so leise war, fühlte es sich irgendwie unwirklich an, hier durch die Gänge zu laufen. Als wäre er in einem Horrorfilm und hinter jeder Ecke würde das Grauen warten. Dabei hatte er den Horrorfilm mit Jazz in der Hauptrolle doch gerade erst hinter sich.

Die Tür zum Büro stand offen und Licht drang aus dem Raum in den dunklen Flur. Jason trat in den Türrahmen und klopfte gegen das schwarz gestrichene Holz.

Chris, der hinter dem großen, massiven Holzschreibtisch saß, hob den Kopf und musterte ihn einen Moment lang abwesend. Dann erschien ein erfreutes Lächeln auf seinem Gesicht.

"Jason, was tust du hier?"

Jason grinste. "Wie, der Club hat noch nicht offen? Früher haben die Partys auch schon mal eher angefangen."

Chris erwiderte sein Grinsen. "Früher sind auch noch mehr von euch vor Ladenöffnung hier aufgetaucht, anstatt Babyärsche zu pudern."

Sie lachten beide laut auf. Ja, früher war wirklich alles anders gewesen. Er hatte Spaß am Leben gehabt, ohne dass Jazz ihm dazwischenfunkte.

"Kann ich schon einen Drink haben?", fragte Jason dann geradeheraus. Er musste den Anblick loswerden, wie die Träne über Jazz' weiche Wange rollte.

Chris hob eine Augenbraue. "Alles okay, Mann?"

Jason schüttelte den Kopf. "Ich bin zu Jazz gefahren und hab ihr gesagt, was ich von all dem Theater halte. Das hat mich … irgendwie fertiggemacht."

Chris' Augenbrauen zogen sich zusammen, bis eine steile Falte zwischen ihnen entstand, dann erhob er sich und kam auf Jason zu.

"Frauenkram … lass uns was trinken gehen." Bei Jason angekommen, schlug er diesem auf die Schulter und drückte sie dann, als müsste Jason getröstet werden. Musste er aber nicht. Im Gegenteil. Ihm ging es doch jetzt bestens, nachdem er Jazz endlich die Meinung gegeigt hatte.

Sie würde ihn nun endlich in Ruhe lassen und er konnte sein wunderbares Vor-Jazz-Leben wiederaufnehmen.

Seite an Seite gingen sie den Flur entlang, bis sie beim Hinterausgang des VIP-Bereichs ankamen. Hier war alles wie immer. Nicht jazzverseucht. Die niedrigen, schwarzen Ledersofas standen grüppchenweise um die Glastische, die kleine Tanzfläche war mittlerweile durch ein Glasgeländer vom großen Tanzbereich der anderen Gäste getrennt.

Den Club so leer ohne all die Partywütigen zu sehen, war immer wieder komisch.

Chris ging hinter den Tresen und bereitete ihnen beiden Drinks vor, während Jason sich auf einen der Barhocker setzte. Unzählige Male hatte er hier bereits gesessen, aber irgendwas war heute anders.

"Schon Partyzeit?", fragte Nicky und ging zu Chris, um diesen auf den Mund zu küssen.

Nicky war so vollkommen anders als Jazz. Sie hatte kurze, schwarze Haare und diesen Emolook, den Jason nie verstehen würde.

Doch die beiden liebten einander und waren rundum glücklich, das hatten sie Jason definitiv voraus.

"Hey, Süße", sagte Chris und lächelte. "Noch keine Party, aber ein bisschen Musik würde uns guttun, für unsere Männergespräche."

Nicky lachte und Jason war ebenfalls danach zumute. Männergespräche, wie sich das anhörte, als wäre er hierhergekommen, um sein Herz auszuschütten.

Nicht in diesem Leben! Ganz davon abgesehen, dass es nichts zum Ausschütten gab. Er hatte Jazz die Meinung gesagt und damit war nun Ende der Fahnenstange.

Chris stieß mit ihm an. "Auf die Frauen, die uns in den Wahnsinn treiben."

"Hey!", beschwerte sich Nicky und klappste ihm im Vorbeigehen auf den Arsch. "Ich geh jetzt die Bestellungen fertig machen, die du einfach aufgehört hast. Also wer treibt wen in den Wahnsinn?"

Chris grinste breit. "Danke, Süße!" Dann wandte er sich an Jason. "Du hast mich gerettet."

"Dito", antwortete Jason und stieß mit Chris an. Der Alkohol brannte in seinem Hals, als er einen großen Schluck von dem eiskalten Whisky nahm.

Es fühlte sich gut an, als könnte er die ständigen Gedanken an Jazz damit endgültig wegspülen.

Eine kleine gehässige Stimme in ihm sagte ihm, dass das nicht funktionieren würde. Aber er könnte es ja zumindest versuchen.

Zuallererst musste er aber Chris von der Begegnung erzählen, die ihm so viel Gefühlschaos bescherte. In allen Einzelheiten. Bis hin zu Jazz' Geheule am Ende seines Besuchs.

Chris folgte seinen Ausführungen und sorgte dafür, dass sein Glas nie leer wurde.

Guter Mann!

Allerdings gefiel Jason sein Gesichtsausdruck nicht. Warum zum Teufel zog Chris dauernd eine Augenbraue noch oben oder beide zusammen oder schüttelte so seltsam den Kopf?

"Was?!", motzte Jason nach einer Weile.

Chris seufzte. "Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee war?"

"Was?"

Kurz schwieg er und musterte Jason wieder auf diese nervtötende Weise. "Dein Besuch bei Jazz … und was du ihr so alles an den Kopf geworfen hast."

"Was hätte ich denn sonst tun sollen? Warten, bis sie mich in den Wahnsinn treibt?"

Chris seufzte. "Na, es scheint dich ja schwer zu beschäftigen … vielleicht war es nicht gut …"

"Sie wiederzusehen?"

"Sie wegzustoßen."

Jason verdrehte die Augen. So eine gequirlte Scheiße. "Es war das einzig Sinnvolle!"

"Das hab ich mir bei Nicky auch lange Zeit eingeredet."

Wieder schnaubte Jason. "Das ist ja wohl was völlig anderes."

"Wenn du meinst …"

"Meine ich. Weiß ich. Was Jazz mir angetan hat, ist unverzeihlich. Was hat Nicky dir schon getan?"

Erneut wanderte Chris' Augenbraue so siebenschlau nach oben. "Damals war ich der Ansicht, dass sie ziemlich viel vermeintlich falsch gemacht hat … aber im Nachhinein waren da ganz schön viele Fehler in meiner Wahrnehmung."

Vehement schüttelte Jason den Kopf. "Das ist absolut keine vergleichbare Situation, Chris. Wirklich nicht."

Er exte den nächsten Drink und schob das leere Glas über den Tresen, damit sein Freund seiner Arbeit nachkam.

"Wenn es sich so scheiße anfühlt, dann kann es vielleicht nicht ganz richtig sein?", fragte Chris und befüllte das Glas erneut mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Er freute sich schon fast auf das Brennen, das der Drink in seiner Kehle bis hinab in seinen Magen auslösen würde. Es lenkte ihn ganz wundervoll von seinen Problemen ab.

Jason schnaubte. "Viele Dinge, die in meinem Leben passiert sind, haben sich beschissen angefühlt und sind trotzdem passiert. Es nennt sich Schicksal, Chris. Das Leben ist eine miese Bitch, du solltest es doch am besten wissen?!"

Chris zuckte mit den Schultern.

Dann schwiegen sie.

Lange.

Zu lange.

Denn Jasons widerwillige Gedanken begannen wirklich, sich um Chris' verquere Worte zu drehen. Dabei waren sie falsch. Genauso falsch wie Jazz und ihre elendigen Ausreden.

2 EINGEHOLT

JASON

"Ich verstehe nicht, warum wir ohne Kinder auf einen Kindergeburtstag gehen sollen", sagte Tom abwesend, während er die Menge im Chase Club scannte.

"Weil wir nicht wegen der Kinder dort sein werden, sondern um die Eltern zu bespaßen, die sich sonst nur in Babysprache unterhalten", antwortete Chris.

"Wer hat überhaupt schon wieder Geburtstag? Ich komme nicht mehr mit." Es könnte auch daran liegen, dass er seit seinem Aufeinandertreffen mit Jazz vor einigen Wochen nicht mehr ganz so konzentriert durchs Leben ging.

Okay, das war maßlos untertrieben. Es gab eigentlich nur noch zwei Zustände:

In Gedanken versunken.

Wütend, weil er dauernd an Jazz dachte.

Und um ehrlich zu sein, waren beide mehr als nur ätzend. Er wollte sein Leben zurück. Das von vor ein paar Jahren, in dem er einfach und sorgenfrei mit seiner Clique auf Festivals gefahren war. Sie hatten getrunken und gefeiert, keinen Gedanken an die Vergangenheit verschwendet und auch nicht sonderlich weit in die Zukunft gedacht. Sie hatten gelebt, im Hier und Jetzt.

Irgendwann waren sie einfach alle falsch abgebogen. Gern würde er die Schuld allein Sky und den Setarips in die Schuhe schieben, denn mit deren Auftauchen hatte schließlich alles seinen Lauf genommen. Aber an seinem ganz persönlichen Drama würde es nichts ändern. Denn Jazz wäre auch ohne die Frauen in seinem Leben aufgetaucht, oder?

Aber vielleicht hätte sie sich nicht so penetrant einnisten können, wenn seine Freunde nicht dauernd auf der Suche nach Blumen für welchen Anlass auch immer gewesen wären.

"Ich glaube, Noa hat Geburtstag", sagte Chris und trank einen Schluck von seinem Drink.

Gut, eine Party bei Shane würde immerhin nicht übertrieben kindisch sein. Shane würde schon darauf achten, dass normale Menschen auch überleben konnten, ohne einen dauerhaften Hirnschaden davonzutragen. Nur Maya könnte ihm aller Voraussicht nach einen Strich durch die Rechnung machen.

"Wir müssen dringend einen Ausredenkatalog für diese Feiern anlegen. Es nimmt ja gar kein Ende mehr!", beschwerte sich Tom und die anderen beiden nickten.

Der einzige kleine Vorteil war, dass ihn all diese Familienfeiern ein wenig von Jazz ablenkten. Zumindest so lange, bis einer von ihnen wieder auf die tolle Blumendeko-Idee kam. Die Taufe der Vierlinge war ihm noch allzu gut in Erinnerung. Allen voran das Aufeinandertreffen mit Jazz am Abend der Taufe.

Ihre Figur war noch viel perfekter geworden, als sie es als Teenager gewesen war, das konnte er sogar unter der unförmigen grünen Schürze erkennen.

Dass Jazz Floristin geworden war, wunderte ihn überhaupt nicht. Schon als Kind hatte sie Blumen geliebt und mit Hingabe Sträuße gebunden.

"Jazz! Ich warte schon ewig auf dich, was machst du denn?"

Das kleine blonde Mädchen sah zu mir auf und lächelte glücklich. Die Blumen in ihren Händen würden die meisten Menschen wohl als Unkraut bezeichnen, aber die kleinen Sträuße, die sie geschickt daraus formte, waren wirklich hübsch. So hübsch wie Jazz, die inmitten dieses Blumenmeers saß und zu ihm aufsah. Ihr Lächeln war strahlend und die sonst so großen, runden Augen wurden ganz klein, wenn sie glücklich war.

Wahrscheinlich mochte ich sie deshalb so gern, denn in meiner Familie lächelte sonst niemand so oft. Mum lächelte, wenn sie sich einen Schuss Heroin setzte, aber das Lächeln erstarb immer gleich wieder, und sie versank in eine Ruhestarre, in der niemand sie stören durfte.

Nicht einmal meine Geschwister lächelten viel. Selbst sie waren von der allumfassenden Hässlichkeit des Lebens schon eingenommen worden. Jazz nicht. Sie sah immer das Schöne in allem und jedem.

Schnell schüttelte er den Gedanken an die Vergangenheit ab. Er wollte nicht so bittersüße Erinnerungen an Jazz haben und auch die Gedanken an seine Familie vermied er lieber. Nicht umsonst war er schließlich hier gelandet. Bei seinen Freunden, bei denen er so viele Jahre glücklich gewesen war.

Dass nichts mehr so war wie früher, störte ihn und auch manche seiner Freunde, wie dieser Abend wieder einmal bewies.

Aber Chris, Tom und er waren vielleicht auch nicht gerade die Vorzeigemodelle von normalen Männern, oder? Schließlich hatte jeder von ihnen sein Päckchen zu tragen.

Das eine größer, das andere kleiner, aber alle schwer genug, um sie nicht auf den Fire&Ice-Familienzug aufspringen zu lassen.

Genervt von sich selbst und seinen trübsinnigen Gedanken schloss er die Augen und lehnte den Kopf zurück an die Rückenlehne des Ledersofas.

Sein Leben ging ihm im Moment so dermaßen auf den Sack. Und er sah keine Möglichkeit, das zu ändern. Wie auch, er hatte ja versucht, einen Schlusspunkt bei Jazz zu setzen.

Es hatte funktioniert, seit der Taufe gab es keine blöden Grüße mehr. Brauchte sie aber auch gar nicht, denn ihr Anblick und die Erinnerungen hatten sich so fest in seinem Kopf verankert, dass sie ihn auf Schritt und Tritt verfolgte.

Wie er aus diesem Teufelskreis jemals wieder aussteigen sollte, war ihm ein Rätsel. Eines, das ihm gewaltiges Kopfzerbrechen bescherte.

JAZZ

Sie hatte einen Kloß im Hals, als sie die Blumen im Schaufenster ein bisschen zur Seite rückte. Unabhängig von dieser Stadt und was oder besser gesagt wer sie hierher getrieben hatte, liebte sie ihren Beruf. Sie liebte, was sie tat, und hatte sich mit der Übernahme von Darcy's Schnittblumenservice einen großen Traum erfüllt.

Einen Traum, den sie nun aufgeben musste.

Natürlich konnte Jason sie nicht dazu zwingen und sie auch überhaupt nicht aus der Stadt werfen. Aber wollte sie denn wirklich hierbleiben? Hier, wo alles sie an die hässlichen Worte erinnerte, die Jason ihr an den Kopf geworfen hatte?

Nein.

Dennoch standen ihr die Tränen in den Augen, als sie das "Zu verkaufen"-Schild ins Schaufenster klebte. Ecke für Ecke drückte sie den Klebestreifen fest, dann setzte sie sich einen Moment auf die Ablage und betrachtete das kleine Schild, das das Ende all ihrer Träume symbolisierte.

Plötzlich tauchte jemand in ihrem Blickfeld auf, und ihr Blick wanderte nach oben, bis sie auf Cats Blick traf. Ihre Stirn war gerunzelt, als sie erst das Schild und dann Jazz musterte.

Schließlich schüttelte sie den Kopf und ging zum Eingang des Ladens. Das allgegenwärtige Windspiel verriet ihr Eintreten.

"Jazz?", fragte Cat fast schon vorsichtig, als sie um das Eck herum zu Jazz sah.

Diese versuchte zu lächeln, was ihr bei all den traurigen Gedanken in ihrem Kopf nicht so recht zu gelingen schien.

"Was ist passiert?", hakte Cat besorgt nach und ging vor ihr in die Hocke. Sie griff nach ihren Händen und drückte sie sanft.

Cats Hände waren warm und die Berührung hatte etwas Tröstliches.

Sie biss sich auf die Unterlippe und musterte Cat. So gern würde sie mit jemandem über all das reden, wollte sich ihren Kummer von der Seele quatschen und einfach nur jemanden haben, der Verständnis für sie hatte.

Aber hatte sie das Recht dazu? Immerhin hatte Jason doch sehr deutlich gemacht, dass er sie nicht in seinem Leben haben wollte. Und gehörte dazu nicht auch, dass sie nicht mit Jasons Freunden über ihn sprach?

Eindeutig.

Aber dennoch brauchte sie einfach jemanden, um all das hinter sich lassen zu können. Sie brauchte jemand, der sie verstand und der ihr sagte, dass alles okay war, dass sie kein schlechter Mensch war und dieser Versuch notwendig gewesen war.

"Nach der Taufe …", begann Jazz leise. "War Jason hier." Sie seufzte tief und senkte den Blick. "Ich habe es übertrieben, ich habe mich ihm viel zu sehr aufgedrängt."

Cat schnaubte. "Indem du ihm liebe Grüße ausrichten lassen hast? Mach dich nicht lächerlich."

Jazz' Mundwinkel zuckte. "Ja … natürlich waren es nur Grüße, aber ich wusste eigentlich, dass ich ihn damit drangsaliere. Ich hätte ihn viel früher in Ruhe lassen müssen, schließlich wusste er ja schon nach dem ersten Mal, dass ich da war und wo er mich finden konnte."

"Aber er ist nicht gekommen." Cat klang uneinsichtig und verschränkte die Arme vor der Brust.

Jazz nickte. "Und das war in Jasons Nicht-Worten ein ziemlich deutliches NEIN. Eines, das fett rot unterstrichen ist, wenn man es genau nimmt. Ich hätte auf ihn hören sollen, anstatt weiter nachzubohren."

"Na ja, manchmal braucht man eben ein bisschen länger, bis sich alles wieder einrenkt." Ihr Lächeln wurde weich. "Schau dir Alex und mich an, wir haben über so viele Jahre kein Wort miteinander geredet, und zum Schluss stellte sich heraus, dass all die Wut, all der Schmerz und die Trauer nur furchtbare Missverständnisse gewesen waren. Wir hätten uns so viel Leid ersparen können, wenn wir einfach früher miteinander gesprochen hätten."

Jazz' Lächeln wurde traurig. "Hier gibt es aber keine Missverständnisse, ich habe ziemlich viel Scheiße in der Vergangenheit gebaut, und Jason hat mir mit seinem Besuch deutlich gemacht, dass er mir niemals verzeihen wird und er mich nicht in seinem Leben haben will. Ich muss das akzeptieren, zumindest das bin ich ihm schuldig."

Cat sah von Wort zu Wort wütender aus. "Nichts ist unverzeihlich, Jazz, und er hat kein Recht, dich so schlecht zu behandeln, dass du hier sitzt und weinst. Es ist das eine, dich zu bitten, damit aufzuhören, aber dich so fertigzumachen ist nicht fair!"

Traurig schüttelte Jazz den Kopf. "Ich war auch nicht fair zu ihm, Cat. Das Leben ist nicht fair zu uns. Zu niemandem."

"Das gibt ihm noch lange keinen Freifahrtschein, ein Arschloch zu sein!"

"Nein, das wirklich nicht." Die Art, wie Cat für sie eintrat, tat ihr unheimlich gut. Und doch wusste sie, dass sie zu weit gegangen war.

"Und so wie ich Jason kenne, wird er das auch einsehen, gib ihm nur noch ein bisschen mehr Zeit."

Jazz lachte auf. "Dann muss er sich in den letzten Jahren aber ziemlich verändert haben, denn der Jason, den ich kenne, hat seine Meinung noch nie geändert."

Cat runzelte die Stirn, dann ging sie um Jazz herum und riss das "Zu verkaufen"-Schild vom Fenster. "Versprich mir, dass du euch noch ein bisschen Zeit gibst", forderte sie dann mit fester Stimme und zerknüllte das Papier.

Jazz seufzte. "Was soll das bringen?"

"Zumindest mir bringt es was", sagte Cat dann. "Ich wollte dich für eine langfristige Kooperation für mein Hotel gewinnen, wenn ich herkomme, um meine Rechnung für die Taufe zu begleichen." Sie grinste breit. "Also hier bin ich, und ich möchte, dass du mir jeden Tag Blumen lieferst."

Ein warmes Kribbeln breitete sich in Jazz' Brust aus. Eines, das ihr das Gefühl gab, am rechten Fleck zu sein und dass da jemand war, der sie mochte.

"Du musst das nicht tun."

"Ich will aber. Deine Arbeit ist erstklassig, Jazz. Ich könnte dich wirklich als Lieferanten gebrauchen."

Sie biss sich auf die Unterlippe. Das Angebot klang zu verlockend, aber hatte sie nicht mit Müh und Not einen Entschluss gefasst, weil sie genau das Jason schuldig war? Sie konnte doch nicht wegen eines einzigen Auftrags alles wieder umschmeißen und auf Jasons Gefühlen herumtrampeln.

Weil er so viel Rücksicht auf deine Gefühle nimmt?, ätzte ihre innere Stimme.

Aber das war auch kein Vergleich! Immerhin hatte sie es verdient, wie Jason mit ihr umging. Was dieser Mann alles für sie ertragen hatte … und sie? Sie hatte all das mit Füßen getreten, hatte ihn hintergangen und im Stich gelassen.

Allein der Gedanke an den letzten Tag in ihrem Leben, an dem alles halbwegs gut gewesen war, jagte ihr kalte Schauer über den Rücken. Jason hatte sie gerettet, war sie es ihm nicht schuldig, seine Wünsche zu respektieren? Innerlich zerrissen schloss sie die Augen.

"Überleg es dir zumindest", bat Cat sie leise, als hätte sie Jazz' Gefühlschaos mitbekommen. "Überleg es dir und komm am Ende der Woche zu mir, damit wir über alles sprechen können. Bitte, gib mir und den CB-Resorts diese Chance."

Jazz lächelte schief. Als wäre es nicht vielmehr sie und Darcy's Schnittblumenservice, dem hier eine Chance angeboten wurde.

Dennoch nickte sie. Auf ein paar Tage würde es nun auch nicht mehr ankommen. Bis dahin würde sie ihre Gedanken schon wieder sortiert haben. Hoffte sie zumindest, denn ewig würde sie nicht zwischen den Stühlen sitzen können. Sie musste ihr Leben weiterleben und Jason seines. Wenn sie einfach versuchte, sich von seinen Freunden fernzuhalten, stand sie ihm in so einer großen Stadt wohl kaum im Weg herum, oder?

Nun ja, sie dachte ja schon wieder über einen Auftrag bei seiner Freundin nach … das war wohl kaum aus dem Weg gehen.

Verdammte Scheiße. Warum musste ihr Leben nur so kompliziert sein?

3 NEIN

JASON

Schlecht gelaunt … wie eigentlich gerade immer, wenn er morgens früh aufstehen musste … oder mittags … oder abends.

Okay, also schlecht gelaunt wie immer, seit Jazz zurück in sein Leben getreten war, betrat er den Aufzug, der ihn von der Tiefgarage des JB-Industrials hinauf in die Immobilienabteilung bringen würde, die ihm unterstand.

Er konnte sich kaum noch an die Zeit erinnern, bevor er in dieser Firma angefangen hatte. Gut, das mochte auch viel damit zu tun gehabt haben, dass er die Zeit davor – die Zeit mit Jazz – gern verdrängen wollte.

Er war damals so dankbar gewesen, die Jungs von Fire&Ice und damit auch Ryan kennengelernt zu haben. Ryan hatte ihm diese Chance gegeben. Ryan hatte ihm vertraut, ihm einen Job und etwas zum Leben gegeben, und dafür würde er seinem Freund auf ewig dankbar sein. Selbst heute, auch wenn ihm der Schädel an diesem Montagmorgen zu zerspringen drohte und er einfach nur in seinem Bett sterben wollte.

Scheiß-Kater!

Und die widerwillige Einsicht, dass er für einen Vollrausch wesentlich länger brauchte, um zu regenerieren, als noch vor zehn Jahren.

Das Pling des Aufzugs, als er in der richtigen Etage anhielt, hallte in seinem Kopf wider, als wäre er in den Glocken des Big Ben gefangen.

Stöhnend trat er hinaus auf den Flur und presste die Augen zusammen, um dem Licht der grellen Deckenleuchte auszuweichen. Dafür wich er jemand anderem nicht aus und prallte gegen die Frau.

"Pass doch auf!", schnauzte er reflexartig, da er nun doch vom Licht geblendet wurde.

"Sorry." Er erkannte Ambers Stimme und wurde gleich noch wütender. Von seiner eigenen Mitarbeiterin angerempelt zu werden, war wohl der Gipfel.

"Nix da sorry. Vorher aufpassen, bevor man seinen Boss umrennt!"

Ambers Schultern sackten nach unten, aber er hatte keine Zeit für Mitleid. Nicht schon wieder. Davon hatte er mehr als genug an Jazz verschwendet, obwohl sie es überhaupt nicht verdient hatte. Sie hatte überhaupt nichts verdient!

"Amelie! Kaffee!", schnauzte er, kaum dass er das Büro betreten hatte.

Er musste diesen Kopfschmerz loswerden, damit er sich an die Arbeit machen konnte. Es standen an diesem Tag einige Meetings bezüglich des Neuerwerbs verschiedener Immobilien an. Vielleicht sollte er ja anregen, dass sie das verfluchte Haus kauften, in dem Jazz' Blumenladen lag. Dann könnte er sie einfach vor die Tür setzen und das Problem hätte sich erledigt.

Nur dass er dann mit Sicherheit Probleme mit seinen Freunden bekommen würde. Die waren ja alle ganz geil darauf, ihm das Leben zur Hölle zu machen.

Genervt ließ er sich auf seinen Bürostuhl fallen und konnte das weiche, luxuriöse Leder nicht einmal genießen, wie er es vor ein paar Monaten noch gemacht hätte.

"AMELIE, VERDAMMT!", schrie er, als sein Kaffee noch immer nicht an seinem Platz stand.

Doch es rührte sich nichts, also ging er in das Büro seiner Assistentin und traf sie dort ratschend mit Amber.

"Wenn alle mal weniger reden und mehr arbeiten würden, dann wäre ich weitaus glücklicher", knurrte er und konnte das irgendwie traurige Gesicht von Amber kaum ertragen. Es erinnerte ihn viel zu sehr an die weinende Jazz. "Alternativ könnt ihr euch auch einen anderen Job suchen, dann finde ich vielleicht wieder effektive Mitarbeiter!", schnauzte er und beide Frauen sahen ihn aus großen Augen an. Als wäre es zu viel verlangt, einfach zu arbeiten!

Er erwartete doch keine Wunder von seinen Angestellten! Sie sollten einfach nicht im Weg rumstehen und ihren Job tun!

"Heute noch, bitte!", zischte er und endlich kam Bewegung in die faule Bande.

Vor sich hin fluchend ging er zurück in sein Büro. Heute hätte er die beiden wirklich gern vor die Tür gesetzt, aber seine Freunde würden ihm dafür sicherlich den Vogel zeigen.

"KAFFEE!", schrie er und eine Sekunde später stand Amelie endlich im Türrahmen.

Kaum zu glauben, dass es so schwer sein sollte, ihm einfach einen Kaffee auf den Tisch zu stellen, wenn er ins Büro kam.

Sein Kopfschmerz war mittlerweile vor lauter Ärger zu einem gewaltigen Pochen angestiegen, und er hoffte nur, dass der Kaffee ihm helfen konnte. Zumindest dabei, wenn der Alkohol schon beim Versuch, Jazz zu vergessen, gescheitert war.

Jazz … immer wieder Jazz. Sie verfolgte ihn Tag und Nacht und so intensiv wie schon seit Jahren nicht mehr. In der Anfangszeit war es oft so gewesen, aber nicht zuletzt … bis sie sich einfach wieder in sein Leben drängen musste. Sie hätte bleiben sollen, wo sie die letzten Jahre war, und ihm dieses kleine bisschen Ruhe in seinem Leben gönnen.

Aber nein, sie saß da wie ein riesiger Elefant mit Blumenmuster und sah ihn ständig so vorwurfsvoll an, dabei war all das ihre Schuld. Er wollte dieses glücklich für immer mit ihr … DAMALS!

JAZZ

"Ich liebe dieses Windspiel!", sagte Mina, als sie Darcy's Schnittblumenservice betrat.

Jazz lächelte. Sie liebte es auch. Es verursachte dieses warme Gefühl von Kindheit in ihrem Bauch … oder hatte es zumindest, bis Jason sie so angegangen hatte und das Letzte, was sie von ihm mitbekommen hatte, das unharmonische Klingeln des Windspiels war, als er die Tür hinter sich ins Schloss geworfen hatte.

"Ich freu mich, dass du da bist", sagte Jazz und meinte es noch ernster als sonst, wenn sie ihre Kunden begrüßte.

Im Moment hielt sie es recht schlecht aus, allein zu sein. Vor allem hier im Laden, wo sie alles so sehr an Jason erinnerte.

"Ich war so begeistert von Cats Vierlingstaufe, da kam gar keine andere Deko mehr infrage als deine Blumen." Mina strahlte über das ganze Gesicht und sah so glücklich aus, dass Jazz' Laune tatsächlich ein bisschen besser wurde.

"Danke." Jazz deutete lächelnd auf einen Stuhl. "Setz dich doch und erzähl mir ein bisschen von euch, damit ich weiß, was das Richtige für euch ist."

Mina kam ihrer Aufforderung nach. "Es ist der erste Geburtstag meines kleinen Schatzes. Asher ist unser erster Sohn … hach, war das eine lange Geschichte." Zufrieden lächelte Mina, als sie in ihren Erinnerungen schwelgte.

Die Leute, die zu Jazz kamen und ihre Geschichte erzählen wollten, taten das oft. Für Jazz war es, als würde sie ein gutes Buch lesen, und saugte all diese Gefühle beinahe in sich auf.

Leben aus zweiter Hand, oder wie auch immer man es nennen wollte. Jazz' eigenes Herz war spätestens nach Jasons Ansage endgültig ganz schwarz und verdorrt. Was blieb ihr also anderes übrig, als sich am Glück ihrer Mitmenschen zu erfreuen?

"Du siehst so traurig aus", sagte Mina auf einmal und riss Jazz damit aus ihren trübsinnigen Gedanken.

"Es tut mir leid … schwere Zeit."

Minas Lächeln wurde einfühlsam. "Cat hat mir von Jason erzählt … lass dich nicht unterkriegen."