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"Keine Ahnung, warum ich gefesselt und geknebelt in einem wenig kleidsamen Guantanamo-Kostüm an Bord dieser maroden Maschine sitze. Bis gestern führte ich das gewöhnliche Leben eines gewöhnlichen alternden Schwulen, beschäftigte mich mit Tränensäcken, Bauchfett, Schwellkörpern im Warnstreik. Ich träumte davon, mich als geiler Daddy in weichen Liegen an den Pools dieser Welt zu suhlen, mir gelegentlich ein kleines Abenteuer für die Durchblutung zu gönnen, so was in der Art. Daraus wird nichts. Eben schießen Flammen und Rauch aus der Propellerturbine, alles explodiert. Das wars, geht mir durch den Kopf, während der Grund auf mich zurast. Irrtum. Die Party fängt gerade an." Ein wilder Trip voller Sex, Action und schwarzem Humor.
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Seitenzahl: 240
Veröffentlichungsjahr: 2022
first lady
christof vorster
first lady
roman
© 2022 Christof Vorster Coverdesign und Typografie gebr.silvestri, Amsterdam
Druck und Distribution im Auftrag des Autors tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice”, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
ISBN 978-3-347-53218-2
1
Brennende Augen, pelzige Zunge, im Mund der Geschmack von Chemie. Aus der Propellerturbine schießen Flammen und Rauch. Ich begreife nichts. Flugzeug, Feuer, Handschellen. Es fehlt ein Stück Zeit. Es fehlt die Verbindung von dem, was war, zu dem, was ist.
„Mehr hinter dir als vor dir. Auf dich wartet keiner. Du wirst einsam sterben.“ Solche und ähnliche Gedanken trieben mich aus dem Haus Richtung Park, um erstens die miese Stimmung loszuwerden und mir zweitens einen blasen zu lassen. Das muss gestern Abend gewesen sein. Im Schein der einzigen Laterne saß ich breitbeinig auf der Lehne einer Bank. Die Umrisse meines Schwanzes zeichneten sich einladend durch den Stoff der Jeans hindurch ab.
Ich wartete. Schritte knirschten auf Kies, blieben stehen, entfernten sich so schnell, wie sie kamen. Schatten lösten sich aus der Dunkelheit, verschmolzen wieder mit ihr, bevor ich auch nur die Hand ausstrecken konnte, um zu ertasten, was das Angebot war. Kurz, alles bewegte sich weg von mir oder kam gar nicht erst in die Nähe. Eine einzige Depression.
Zurück zuhause lag ich auf dem Sofa, erneut geplagt von den bereits erwähnten Gedanken. Al und Dick, die verlässlichsten Freunde in einsamer Nacht, trieben es im Fernseher wüst miteinander. Vergebens. Meine Stimmung blieb im Keller, die Schwellkörper streikten. Irgendwann muss ich eingenickt sein, mein schlaffes Ding in der Hand. Ich habe keine genaue Erinnerung an das, was geschah. Noch, wie es geschah. Da waren Stimmen, ich wollte die Augen öffnen. Ein Stofffetzen, getränkt mit einer bitteren Flüssigkeit, wurde mir auf Mund und Nase gepresst. Ich sackte weg.
Zu Bewusstsein kam ich in dieser wenig vertrauenerweckenden Maschine. Etwas Militärisches. Ein Gefangenentransporter oder so, bestimmt kein Charter an die Sonne. Ich trug einen orangefarbenen Overall, der die Figur nicht im Geringsten betonte, weiße Stoffschuhe ohne Schnürsenkel, Hightech-Fußfesseln. Die Handschellen, ein blinkendes Ungetüm wie aus einem schlechten Science-Fiction-Film, teilte ich mit dem Sitznachbarn, Bullennacken, Oberarme Konfektionsgröße 60 plus, nichts für ein romantisches Date. Meine linke und seine rechte Hand waren durch eine Kette untrennbar miteinander verbunden. Ein Knebel im Mund machte mir das Atmen schwer, das Schreien unmöglich.
Die Flugbegleiter trugen schwarze Uniformen, schwere schwarze Boots, übers Gesicht gezogene schwarze Strümpfe mit Schlitzen für die Augen. Unmengen von Ketten, Riemen und Gürteln, an denen manch martialischer Gegenstand hing, schnürten ihre Anabolika-Bodys ein. Niemand sprach. Die Maschine pflügte sich dröhnend durch die Luft. Der ereignisarme Zustand auf Reiseflughöhe wurde von einem Knall beendet. Ein Ruck ging durch den Rumpf. Das war der Augenblick, in dem die ersten Flammen aus der Propellerturbine züngelten, sogleich anschwollen zu einem veritablen Feuer inklusive Rauchfahne.
Das ganze Chassis des Fliegers schlottert jetzt, gibt ein klagendes Stöhnen von sich, das beim Einsetzen des Sturzfluges zu einem heulenden Sirren anschwillt, nur übertönt von den Schreien des Personals. Die zweite Turbine fängt Feuer, explodiert. Ein Teil der Pilotenkanzel fliegt vorbei und reißt die halbe Seitenwand weg. Mein Sitznachbar will in den Mittelgang hechten. Ohne Erfolg, weil wir zusammengekettet sind, ich wiederum vom Sitzgurt zurückgehalten werde.
Keine Frage, das wars. Der Grund rast auf mich zu. Wiesen, Wälder, ein Weiher, eingerahmt von Schilf, das sich leicht im Wind wiegt. „Wenigstens keine Wüste. Nicht Libyen, nicht Anatolien.“ Mit diesen Gedanken werde ich nach hinten gezogen, hinein ins Nichts. Ich verliere das Bewusstsein, bereits zum zweiten Mal innert vierundzwanzig Stunden.
Mein Äußeres gibt Anlass zur Sorge. Über die Haare reden wir nicht. Ich kann sie nicht sehen, doch der versengte Geruch lässt Böses ahnen. Der Overall hängt in Fetzen an mir herunter. Die Sohlen der Stoffschuhe sind geschmolzen, haben sich mit den Fußsohlen zu einer breiigen Masse vermengt.
Ich stehe inmitten brennender Trümmer. Die Kollegen in Schwarz liegen verkohlt im Morast. Einer bäumt sich kurz auf, bevor auch er – ich muss zugeben, zu meiner Erleichterung – definitiv den Geist aufgibt. Die Hand und der Unterarm des ehemaligen Sitznachbarn stecken geräuchert in der Handschelle, baumeln bei der kleinsten Bewegung hin und her. Eine erneute Ohnmacht kann ich mit Atemübungen abwenden, die ich seinerzeit im Yoga-Camp gelernt habe. Ich glaube, das war auf Lanzarote.
Früher Morgen, magisches Licht. Alles erwartet den neuen Tag. Man möchte von einem Idyll sprechen, wären da nicht die Reste des Flugs ins Unbekannte. Es ist bitterkalt. An schattigen Stellen liegt Schnee. Der Atem ist ein nebliger Hauch. Ich muss mich bewegen, Gewicht verlagern, einen Fuß vor den anderen setzen. Ich muss weg von hier. Befehle formieren sich im Kopf, Impulse werden gegeben, verlieren sich irgendwo unterwegs in den Nervenbahnen. Noch immer stehe ich da, nichts geschieht.
Endlich kann ich die Finger leicht beugen und strecken, nach einigen Versuchen sogar zur Faust ballen. Ich nutze die Gunst des Moments, hebe einen Metallsplitter auf, zerschneide die Bänder des Knebels, der im Unterkiefer einen Dauerkrampf ausgelöst hat. Ich verzichte auf die detaillierte Beschreibung dieses Vorgangs, man denke an die Handschelle samt Inhalt. Zum Preis einiger Schnitte in der Kopfhaut schaffe ich es, die Bandagen zu entfernen. Schließlich würge ich den Gummiball heraus.
Immer, wenn ich Sirenen höre – und genau das tue ich jetzt – muss ich an den Dopplereffekt denken. Jim aus Florida, Physiker, sehr süß, sehr sexy, well-hung, hat ihn mir erklärt. Es geht um Schallwellen, sich verändernde Distanzen zwischen Sender und Empfänger, um Stauchung oder Dehnung des Signals. Wirklich verstanden habe ich das Ganze nicht.
Trotzdem denke ich gern an Jim, an unsere erfreuliche Begegnung am nächtlichen Strand von Miami Beach. Zugegeben, von solchen Bedingungen bin ich weit entfernt. Die Sirenen werden lauter, kommen also näher. Aus verständlichen Gründen habe ich keine Lust auf ein erneutes Zusammentreffen mit Männern in Uniform. Ich mache einen zaghaften Schritt. Die Fußfesseln lassen mich straucheln. Ich kann einen Sturz knapp verhindern, tappe unsicher dem Waldrand entgegen.
Genau bei Sonnenaufgang tauchen hinter einer Kuppe zwei Löschfahrzeuge auf, altertümliche Modelle mit vielen Rundungen. Am Rand des Trümmerfelds halten sie an. Ich schiele kurz hinüber. Feuerwehrmänner steigen aus, blicken ratlos auf die Absturzstelle. Während sie sich beraten, gebe ich alles, um möglichst schnell die Bäume zu erreichen. Mit jeder Sekunde wird es heller. Ich bin kein Schemen mehr im Dämmerlicht, ich bin für jedermann gut sichtbar ein Gefangener auf der Flucht. Man wird mich entdecken, abtransportieren zu einem geheimen Ort, wo mich Übles erwartet. Ich will schon aufgeben, nicht mehr kämpfen gegen das Unvermeidliche, falle auf die Knie, bete nicht. Erst jetzt sehe ich, wie abschüssig das Gelände ist.
Bevor ich groß nachdenken kann, kippt mein Körper zur Seite, rollt den Hang hinunter wie ein gefällter Baum, nimmt richtig Fahrt auf. Ungebremst knalle ich gegen eine Birke, bleibe liegen, zittere am ganzen Leib. Vor Anstrengung. Aus verzweifelter Wut. Tränen laufen mir übers Gesicht.
Die Geräusche von immer mehr Wagen, die den Unglücksort erreichen, Sirenen, Männerstimmen, Hundegebell, lassen mich vorwärts robben, hinein ins Unterholz. Nach einer Weile verstummt der Lärm. Nur Wildnis und Stille. Ich, allein.
Die Lage ist ausweglos, mein Ableben so gut wie sicher. Ich werde verhungern. Oder ich erfriere. Oder ein Jäger hält mich für ein Reh. Also Tod durch Erschießen. Während ich die Variationen des baldigen Endes durchspiele, krieche ich auf dem Bauch weiter. Mit jedem Meter wird es heller. Plötzlich öffnet sich eine Lichtung.
Der Boden fühlt sich kalt und ungemütlich an. Dennoch drehe ich mich auf den Rücken, was mit den Fußfesseln kein
Leichtes ist, winkle die Beine an und schaue in den klaren Himmel. Was ich weiß: Ich wurde betäubt, verschleppt, bin in einem Flugzeug aufgewacht, das an einem unbekannten Ort abgestürzt ist. Ich bin auf der Flucht, mein Haar ist hinüber. Was ich nicht weiß: Wer sind die Entführer? Wohin sollte ich gebracht werden? Wo bin ich? Werde ich verfolgt? Und schließlich das eine Wort: Warum?
Gut möglich, dass die Fragen unbeantwortet bleiben, dass mein kleines Leben auf ein abstruses Finale zusteuert, dessen tieferer Sinn sich mir nie erschließen wird. Trotzdem will ich weitermachen, weiterhoffen, weitergehen. Ich zwinge mich, aufzustehen, warte gegen eine Tanne gelehnt, bis die schwarzen Flecken aus den Augen verschwinden. Wenige Schritte vor mir liegt ein Ast am Boden, der als Stock dienen könnte. Ungelenk wanke ich vorwärts, erreiche wider Erwarten mein Ziel.
Mit der freien Hand packe ich das schuppige Holz, stütze das ganze Gewicht auf den Ast wie auf eine Krücke, springe mit den gefesselten Füssen nach vorn, verliere die Balance, knalle auf den Hinterkopf. Nach zwei weiteren Versuchen ist klar: Das funktioniert nicht. Panik jetzt. Alle Bemühungen, sie zu ignorieren, scheitern. Ich werde sterben! Ich werde von einem umstürzenden Baum erschlagen! Ich werde zum Fraß von Wölfen, Bären oder einer bisher unbekannten Spezies, die nur eines will: Menschenfleisch.
Die Fußfesseln müssen weg, so viel ist klar. Wenn ich Glück habe, taugen sie nicht mehr als das Flugzeug, fallen nach einem einzigen Schlag mit einem Stein auseinander. Nur, und das finde ich nun wirklich ungerecht – es gibt hier keine Steine. Es gibt Laub, Moos, Wurzeln, Lianen, Holz in allen Variationen, Flechten, Geäst, Gras, Farne. Aber nicht einen Stein. Ich blicke mich nach allen Seiten um, Verzweiflung wachsend, entdecke einen Pfad, vielleicht von Rehen und Füchsen in den nassen Grund getrampelt, vielleicht ein Weg für Jäger auf der Pirsch. Ich folge ihm. Stück um Stück kämpfe ich mich vorwärts. Der Mund ist ganz trocken. Kalter Schweiß schießt aus allen Poren. Mir wird schlecht. Erneut kippe ich ohnmächtig um.
Weit weg ein schmatzendes Geräusch. Ich schlage die Augen auf, bleibe reglos liegen. Der versengte Unterarm in der Handschelle wird von zwei Pfoten zu Boden gedrückt. Speichel tropft von bebenden Lefzen. Scharfe Zähne werden sichtbar. Eine rote Zunge leckt an verbrannter Haut.
Fast erstaunt schaut das Biest mich an. Geschecktes Fell, zerfetzte Ohren, buschiger Schwanz. Es könnte ein Wolf sein, wohl eher ein verwilderter Hund. Egal, solange er sich nicht für meinen Arm interessiert, bin ich auf der guten Seite. Ich muss zwinkern. Sofort steigt ein kehliges Knurren aus der haarigen Brust. In höchster Anspannung, die Rückenborsten aufgestellt, bereit, mit einem Satz die Flucht zu ergreifen oder mich zu zerfetzen, je nach Lust, löst der Köter sorgfältig den Muskel vom Knochen.
Ich stelle mich tot. Anscheinend gewinnt er Vertrauen. Oder seine Gier lässt ihn unvorsichtig werden. Auf jeden Fall legt er sich hin, nagt den Knochen ab, beachtet mich nicht mehr. Bald ist das Fleisch verzehrt. Das Viech schleicht sich rückwärts weg, verschwindet im Wald. Kein dankbarer Blick. Kein freudiges Schwanzwedeln. Es geht sozusagen kommentarlos. Ich hebe leicht den Arm. Die verkohlte Hand gleitet aus dem Metallring, fällt mitsamt Elle und Speiche zu Boden, direkt vor mein Gesicht.
Plötzlich bin ich Rotkäppchen auf Speed, high und unbesiegbar. Ich kämpfe mich vorwärts, bereit, alles plattzumachen, was sich mir entgegenstellt. Kommt raus, ihr Feiglinge, zeigt euch! Die Euphorie vertreibt den Schmerz, der in jeder Faser pocht, die Wut, durch diesen verfickten Wald zu stolpern, den Hass auf alle, die nicht hier sind, vertreibt Schwermut und Hoffnungslosigkeit, beides berechtigt. Was es auch war, Adrenalin, Serotonin, Dopamin – die Wirkung verpufft schneller, als sie gekommen ist. Es folgt Verzweiflung, größer denn je.
In Filmen werden immer alle gerettet. Außer den Bösen natürlich. Die verenden jämmerlich. Die Guten, also solche wie ich, kommen mit dem Leben davon. Wärmebildkameras orten sie in den unendlichen Weiten der Antarktis. Unsummen von Lösegeldern werden für sie hingeblättert. Sonderkommandos befreien sie in letzter Sekunde aus den Folterkellern sadistischer Psychopathen. Danach, unmittelbar vor dem Abspann, liegen sie den Liebsten in den Armen, der Collie springt glücklich an ihnen hoch, leckt ihre Gesichter. Alles ist gut.
Das ist kein Film. Es ist meine schäbige Realität. Es ist das schäbige letzte Kapitel einer schäbigen Existenz. Ich bekomme nicht mal eine Beerdigung. So weit ist es gekommen. Niemand wird um mich weinen. Keiner wird seinen Traueranzug zur Kleidersammlung bringen, weil er ihm zu eng geworden ist und er sich nun anlässlich meiner Beisetzung einen neuen kaufen muss. Carmen kann sich nicht auf ihre spanischen Wurzeln besinnen, ihr bleich geschminktes Gesicht hinter dunklen Spitzen verbergen. Kein Kinderchor, kein einsamer Trompeter.
Ich hätte ja auf die Urnennische verzichtet. Das Gemeinschaftsgrab wäre mir recht gewesen, man ist dort weniger allein. Aber hier draußen zu verwesen, die Augen den Krähen, das Fleisch den Ratten, das ist hart. Gerade denke ich an die Zukunft meiner Eingeweide, da verheddern sich die Fußfesseln in dornigem Gestrüpp. Ich strauchle, falle, schlage hart auf. Neben mir liegt Jesus. Der ausgezehrte Leichnam ist
Teil eines Wegkreuzes, das schon vor Jahren umgestürzt ist. Nun modert es im Waldboden vor sich hin. All das bestätigt zwei Dinge: Ich bin im christlich-jüdischen Kulturkreis unterwegs. Es muss einen Weg geben, zurück zu den Menschen. Zur Zivilisation. Zu Zentralheizung und Badewannen.
Ich stehe auf, mühsam, sehe eine Schneise im Dickicht. Schotter. Kies. Dorthin will ich. Ich halte kurz inne, nicke Jesus zu, zum Abschied, aus Dankbarkeit, etwas in der Art. Danach gehts los, nicht schneller als vorher, doch beseelt von der Überzeugung, dass es für mich ein Morgen gibt. Der neue Elan wird bald gebremst. Ein kräftiger Wind bringt die Wipfel der Tannen zum Wogen, Schneetreiben setzt ein, es beginnt zu dämmern. Meine Kräfte schwinden. Die Zähne schlagen unkontrolliert gegeneinander. Die Metallringe um die Fußgelenke haben Haut und Fleisch weggeschürft, liegen auf barem Knochen. Die Bewegungen sind fahrig. Ich höre Stimmen, sehe Erscheinungen. Wahnsinn droht.
Grace Jones legt ihre Hand auf meine glühende Stirn, haucht tröstende Worte. Im Schatten der Tannen steht Franco Nero in Kapitäns-Uniform, schaut mit einem süffisanten Grinsen zu, wie ich umkippe und benommen liegenbleibe. Joe Dalessandro, barfuß, nur im blütenweißen Slip, beugt sich zu mir, berührt mit den Lippen sanft meine Haut. Ich sinke in ihn hinein. Werde eins mit ihm, mit den Bäumen, den Wolken, dem Schnee.
2
Es ist schön, tot zu sein. Alles ist warm und leicht. Ich öffne die Augen, sehe Engel, die milde lächeln. Da ist Gott, hoch oben auf einer Wolke. Kehliges Stöhnen, begleitet von nervösem Klimpern, bricht die Stille. „Klingt wie Masturbieren.“ Das ist der erste Gedanke im Jenseits. Ich hätte, offen gesagt, etwas Erhabeneres erwartet.
Ein Mann beugt sich über mich. Kahler Schädel. Vollbart. Ein Koloss, wuchtig wie die Türsteher vor den Klubs. Flinke Vogelaugen funkeln belustigt, zwischen leicht geöffneten Lippen zeigen sich verrußte Zähne. Und: Er masturbiert. Mit jeder Bewegung seiner Hand bringt er die offene Gürtelschnalle leicht zum Klingen.
„Du hast dieselben Fingerabdrücke wie Osama bin Laden. Hundertprozentige Übereinstimmung.“ Ich lebe, der Irrsinn geht weiter. Zeit, etwas Kluges zu sagen. „Ich bin nicht bin Laden.“ Mein Gegenüber nickt, bleibt stumm, rubbelt. Übelkeit übermannt mich. Schließlich ist es eine gnädige Ohnmacht, die mir erspart, Zeuge des weiteren Tuns an meinem Lager zu werden.
Irgendwann tauche ich auf aus der Leere, bin nichts als Schmerz. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute ist: Die Handschellen sind weg. Durch die verquollenen Augen sehe ich unscharf einen bebenden Schatten. Das Klimpern bestätigt, dass es mein Retter ist. Ich will die linke Hand heben, sie zum Mund führen, mit dem Finger auf die Lippen zeigen, will kaum hörbar ein einziges Wort ausstoßen: Durst. Ich sehe davon ab. Geduldig warte ich auf das finale Beben, rühre mich nicht, bis sich Goliaths Atmung beruhigt hat. Ich drehe den Kopf – Missverständnisse sind nun ausgeschlossen – spreche es aus: „Durst.“
Der Mann weiß, wie man eine Lady überrascht. Mit einer einzigen Bewegung greift er eine Tasse, tunkt ein Taschentuch hinein, hält mir das nasse Leinen an den Mund. Ich lege die Lippen um den Stoff, nuckle gierig, bis Säure die Speiseröhre hochschießt.
Ich mache mit der Hand ein Zeichen, dass es reicht, sinke ins Kissen zurück, erschöpft von den Ereignissen der letzten Stunden. Bettruhe ist nicht. Goliath zieht meinen Körper hoch, schiebt mich vor sich her aus der Kapelle. Im Gehen bemerke ich, dass ich nackt bin.
Der gekachelte Raum hinter der Sakristei erinnert ans „Mineshaft“ im Meatpacker District im New York der frühen Achtziger. Trotzdem will keine erotische Spannung aufkommen. Dass Goliath sich eine bodenlange Gummischürze übergezogen hat, eine Hand darunter, eine am Schlauch, der auf mich zielt, ändert nichts daran. Einerseits hat das mit dem eiskalten Wasserstrahl zu tun, andererseits stehe ich unter Schock, weil ich auf dem Weg hierher in einem halbblinden Spiegel mein Ebenbild gesehen habe.
Nur vereinzelt sprießen Haarbüschel aus der versengten Kopfhaut, die Brauen sind weg, die Nase hockt wie eine
Qualle in der Mitte des Gesichts. Die Augen sind schmale Schlitze hinter aufgedunsenen, mit eingetrocknetem Blut verklebten Fleischwülsten. Der ganze Körper besteht ausschließlich aus Schürfungen, Schnitten, Hämatomen.
Ich bin dankbar, dass Goliath das Wasser abdreht, ein grobes Tuch um mich legt, so von der traurigen Einsicht ablenkt, dass ich ein Wrack bin. Er reibt meinen ramponierten Körper trocken, reicht mir ein knielanges Hemd mit vergilbten Spitzen an Saum und Ärmeln. Ich ziehe es über, folge ihm zurück in die Kapelle, die Fußgelenke noch immer in den Fesseln.
Fahles Abendlicht bricht sich in den Butzenscheiben. Diffus fällt es auf verschimmelte Fresken und zerschlissene Gobelins, die blutige Szenen aus der Bibel zeigen, auf Heiligenfiguren aus Gips, denen Extremitäten, einigen sogar die Köpfe fehlen. In der hohen Kuppel glänzt Blattgold, Tauben und Engel navigieren herum, zuoberst schwebt Gott.
Auf dem Altar stehen Bildschirme, Tastaturen und sonstiges Gerät. Die Kabel sind ordentlich verlegt, nicht ein einziges Durcheinander wie fast überall auf der Welt. Hinter einer Glasscheibe reihen sich in einem staubfreien Bereich klobige Server aneinander. Einige Schwarzweiß-Monitore an der Wand zeigen Ausschnitte der Umgebung. Auf einem sieht man das Wegkreuz mit Jesus im Matsch. Zu gern würde ich erfahren, warum in diesem offensichtlich dem Untergang geweihten Gemäuer so viel Hightech herumsteht. Aus Höflichkeit unterlasse ich es, nachzufragen.
Wir gehen zu einer Gebetsnische, die als Küche dient. Ich setze mich in einen Gartenstuhl aus brüchigem Plastik. Goliath öffnet eine Dose Gulaschsuppe, kippt den Inhalt in eine Pfanne, stellt sie auf den Gaskocher, rührt mit einer
Kelle um. Dazu knetet er durch den groben Stoff der Hose hindurch seinen Schwanz. Ich muss gestehen, seine Fingerfertigkeit ist beeindruckend. Ohne von sich abzulassen, schöpft er Suppe, reicht die Teller rüber, legt Löffel dazu, setzt sich hin. „Iss!“
Es ist die erste Nahrung seit mindestens zwei Tagen. Vorsichtig hebe ich den Löffel an die rissigen Lippen, lasse die Brühe in den Mund fließen, kaue einige Male, schlucke. Wärme breitet sich in meinem Inneren aus, die mir ein genüssliches Stöhnen entlockt, das sofort von Goliath erwidert wird. Ich habe das Gefühl, ich sollte mal etwas Freundliches sagen. Immerhin hat der Mann mein Leben gerettet.
„Danke. Du bist sehr großzügig.“ Goliath knurrt zufrieden. Isst. Knetet. Knurrt noch einmal, steht auf, schöpft Suppe nach, geht weg, Hand im Schritt. Ich nutze die Gunst des Moments, leere zuerst den Teller, danach die Pfanne. Abwartend bleibe ich sitzen, horche in die Stille. Das Einzige, was ich höre, ist mein Herzschlag, weit weg der Wald. Ich bin froh, hier zu sein und nicht dort draußen bei den Viechern im Schnee.
Unvermittelt legt sich eine schwere Pranke auf meine Schulter. Ich fahre herum, blicke in Goliaths Gesicht. Erleichtert sinke ich in den Stuhl zurück. Aus rein statistischen Gründen schaue ich an ihm herab, will wissen, ob es bei seinem ständigen Masturbieren erkennbare Muster gibt. Aktuell macht er es sich mit der linken Hand. „Ich bringe dich ins Bett.“ Er gönnt seinem Genital eine Pause, hebt mich hoch. Ich werde zurück zur Pritsche im Hauptraum der Kapelle getragen, lande auf der harten Unterlage. Goliath bleibt daneben stehen, fährt mit der Hand erneut abwärts. „Nicht schon wieder“, denke ich.
Wie bereits erwähnt, er ist ein Mann, der einen überraschen kann. Er schiebt seine Hand, es ist die rechte, in die
Hosentasche, zieht einen perfekt gedrehten Joint heraus, zündet ihn an. Womit das Rätsel seiner rußigen Zähne gelöst wäre. Er inhaliert einige Male, hält mir dann die Tüte hin. „Nimm! Das wird dir guttun.“ Diskussion überflüssig, er hat recht. Ich ziehe den Rauch tief in die Lunge, lasse ihn dort seine Wirkung entfalten, stoße ihn aus. Sogleich spüre ich Entspannung. Goliath lächelt verträumt.
„Stas“, sagt er. „Ich heiße Stas.“
„Jesse.“
„Ich weiß. Ich habe dich gegoogelt. Jesse Baumgartner. Wohnst in Zürich. Kennst Karl Lagerfeld.“ Mit einer ausladenden Bewegung gebe ich ihm den Joint zurück. „Warum denkst du, dass ich Karl Lagerfeld kenne?“
„Es gibt ein Foto. Von der Modemesse in München. Du stehst direkt hinter ihm.“
„Das heißt nicht, dass ich ihn kenne.“
„Du kennst ihn nicht?“
„Nicht wirklich. Vielleicht haben wir ein paar Worte gewechselt. Das gehört zu meinem Beruf.“
Stas ist nachdenklich geworden. Etwas enttäuscht wirkt er auch. Noch einmal zieht er am Joint, wirft die Kippe weg. Erst mit einiger Verzögerung fällt mir auf, dass er deutsch spricht. Seine Sprache hat eine eigenartig altertümliche Färbung. Irgendwann will ich ihn nach den Hintergründen fragen. Im Moment verlangt jedoch Wichtigeres nach einer Antwort. „Diese Sache mit dem Fingerabdruck …“ Stas sagt nichts. Alle Lichter gehen aus, gelöscht wie von Geisterhand. Einzig der bläuliche Schein der Monitore auf dem Altar taucht den Raum in sphärisches Licht. Dort setzt er sich hin, ein bebender, stöhnender, klimpernder Berg.
Mitten in der Nacht wache ich auf, wähne mich für einen Augenblick im Bett zuhause. Die kratzige Decke bestätigt, dass dem nicht so ist. Gedanken, schwärzer als Pech, steigen in mir hoch. Die Krake Depression streckt ihre Tentakel aus. Sie will mich umschlingen, hinabziehen in lichtlose Tiefen. In der Hoffnung, dem unheimlichen Sog zu entkommen, denke ich an die perfekt gebratene Entenbrust mit einer leichten Sauce aus Bitterorangen, begleitet von wildem Reis und karamellisierter Mango, die ich im „Real“ in Santander gegessen habe. Allzu lange kann das nicht her sein.
Erst in einem gewissen Alter besucht man im August kühlere Orte mit einer frischen Brise vom Meer, staunt, was man früher alles ausgehalten hat. Tropenhitze. Drogen. Sex. Kaum Schlaf, nichts Gesundes auf dem Teller. Ein Wunder, hat man überlebt. Ich versuche mich zu erinnern, mit wem ich in Santander war oder wen ich dort kennengelernt habe. Alles Grübeln hilft nichts, weil, ja, ich kam allein, blieb allein, reiste allein wieder ab.
Ich werfe die Decke zurück, stehe auf. Zu meiner Freude ist da kein Schmerz. Ich schleiche vorwärts, stoße gegen die zweite Pritsche, auf der Stas liegt. Er schießt hoch, packt meine Schultern und schleudert mich zu Boden. Ein grelles Licht flammt auf, zündet mir ins Gesicht. „Was willst du? Wer hat dich geschickt?“
Ich denke darüber nach, warum ich neuerdings ständig in schlechte Gesellschaft gerate. Erst kürzlich noch habe ich ein angenehmes Leben geführt. Zugegeben, etwas langweilig von den Themen her. Tränensäcke, Bauchfett, Prostata. Wenigstens gab es nicht dieses ewige Drohen und Herabwürdigen. Es reicht. Anstatt zu antworten, ramme ich Stas den Fuß in die Weichteile. Er klappt zusammen. Die Taschenlampe fliegt in eine Ecke, leuchtet ins Leere.
Stas wimmert. Sofort bedauere ich die Attacke. „Stas.“ Er knurrt bedrohlich leise. „Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun.“ Er knurrt wieder, jetzt etwas zutraulicher.
„Niemand hat mich hergeschickt. Ehrenwort. Ich wurde betäubt, entführt, habe einen Flugzeugabsturz überlebt, bin durch den Wald geirrt, habe das Bewusstsein verloren und bin hier aufgewacht. Ich habe allen Grund, dir dankbar zu sein. Ich will dir nichts Böses.“ Stas rappelt sich hoch, hält mir die Hand hin, die ich zaghaft ergreife. Er zieht mich auf die Füße.
Später sitzen wir in der Küche, trinken Kaffee, rauchen. Stas sieht nach meinem Tritt davon ab, sich anzufassen. „Komm!“ Er steht auf. Ich folge ihm hinüber zum Altar, wo er in einer Kiste wühlt, ein Kabel herauszieht, das eine Ende an einen der Computer anschließt, das andere in die Fußfesseln steckt. Danach lässt Stas sich in seinen Drehstuhl fallen. Konzentriert scrollt er durch unendlich lange Codes. Nickt ab und zu, kichert, löscht Zeichen, fügt an anderer Stelle neue ein. Sein Tun ist rätselhaft, doch das Resultat gefällt: Die Fesseln öffnen sich mit einem leisen Klick.
Mir kommen die Tränen, so glücklich bin ich. Stas scheint genauso zu fühlen. Zur Belohnung öffnet er Gürtel und Hose – offensichtlich hat er sich vom Schlag zwischen die Beine erholt – zieht sein fleischiges Ding heraus, beginnt, es zu bearbeiten. Ich lege die Fesseln ab, was kein Leichtes ist, weil sie sich mit der offenen Wunde verklebt haben. Es geht nicht anders. Ich muss das Metall vom Fleisch trennen.
Ein scharfer Stich fährt die Beine hoch bis in die Lenden. Ich umklammere den Altar, schnappe nach Luft, stöhne, winsle. Stas stimmt ein in diesen Kanon aus Lust und Schmerz, schleudert seinen Samen quer durch die Apsis, während er sich jaulend im Stuhl aufbäumt. Erschöpft sinken wir beide auf den kalten Stein, verharren dort, bis unsere Herzen wieder gleichmäßig schlagen. Danach schleppen wir uns zu unseren Pritschen, in die wir kraftlos sinken. „Stas?“ „Hm?“
„Danke.“
3
Ich erwache schlotternd in kalten Schweiß gebadet, glühe dabei wie eine junge Sonne. Ich müsste in Panik geraten. Doch alles ist weich und wattig und geht mich nichts an. Stas legt besorgt die Hand an meine Stirn. Ich lächle glücklich, streichle seinen kahlen Schädel, will ihn umarmen, will ihn küssen. Bevor es dazu kommt, gleite ich weg, raus aus dem Körper, schwebe hoch zur Kuppel, sitze neben Gott, blicke hinab zum geschundenen Ich.
Stas tigert durch die Kapelle, rennt zum Computer, gibt Suchbegriffe ein. Fieber. Infektion. Wundbrand. Er schreit, flucht, will sich beruhigen, will sich einen runterholen, kriegt ihn nicht hoch, ist in Aufruhr. Ich möchte helfen. Es geht nicht. Zu weit weg bin ich, zu weit weg. Stas kniet sich auf den kalten Marmorboden, faltet die Hände, schließt die Augen, bewegt tonlos die Lippen. Nach einer Weile bekreuzigt er sich, steht auf. Er holt eine handliche Waffe aus dem Tabernakel hinter dem Altar und verlässt die Kapelle.
Ich schwebe über dem Grund des Flusses. Fische gleiten vorbei. Im Hintergrund dreht sich das Rad eines Dampfers. Kräftige Hände zerren mich an Land. Ich werde geschüttelt, geschlagen. Wasser quillt aus der Lunge. Die Nase wird zugedrückt. Fremde Lippen auf meinen. Ich spüre heißen Atem, der den Brustkorb weitet, dann herausgepresst wird vom Gewicht eines massigen Körpers. „Komm schon, Jesse, komm zurück!“ Ich öffne die Augen. Stas‘ Gesicht ist ganz nah, rot vor Anstrengung. „Ich dachte, du bist tot.“
„Bin ich nicht.“
Stas wendet sich ab, wischt sich eine Träne weg. Ich tue so, als hätte ich nichts gesehen. Er tastet meine Armbeuge ab. Ehe ich begreife, was läuft, bohrt sich eine Nadel ins Fleisch. Ich will den Arm zurückziehen. Geht nicht. Stas hält ihn in eisernem Griff. Nach einem kurzen Gemetzel steckt die Kanüle in der Vene. Stas fixiert sie mit Klebeband. Sofort ergießt sich Kühle in die Ader. Kühle, die das Fieber vertreibt und die Hitze verebben lässt. Irgendwo beginnt es leise zu klimpern.
Ich liege benommen da, lausche dem Klappern der Tastatur, ein Geräusch wie ferner Regen, werde hypnotisiert von den Tropfen, die in monotoner Gleichförmigkeit aus dem Infusionsbeutel rinnen, sehe Stas, der sich über mich beugt, mir Brühe einflößt oder einen Joint reicht, an dem ich dankbar ziehe. Am vierten oder fünften Tag – das Fieber ist weg – löst er so gut es halt geht das Klebeband und zieht die Kanüle aus der Vene.
In der Leere, die sich in meinem Inneren ausbreitet, wächst ein Gefühl, das mir bisher gänzlich fremd war: Heimweh. Ich vermisse das Leben von früher. Die Wohnung, die Freunde, das Essen. Die Stille beim Entwerfen eines neuen Designs, die Hektik vor den Shows. Wo mein Hirn eben noch klebrige Wehmut produzierte, springt plötzlich ein Funke über, löst bruchstückhafte Erinnerungen aus: Osama, München, Karl Lagerfeld. „Ich habe dich gegoogelt.“ Stas ist mir eine Erklärung schuldig.
Er sitzt am Computer, geht seinen üblichen Tätigkeiten nach. Ich taumle durch die Kapelle, muss einige Male innehalten und durchatmen, stehe schließlich dicht hinter ihm.
„Woher wusstest du, wie ich heiße?“ Stas bringt den Screen in Schlafmodus, so dass ich nicht sehen kann, woran er arbeitet. Er dreht sich belustigt um. „Da geht es jemandem besser.“
„Antworte!“ Der Druck in meiner Stimme tut keine Wirkung.
Stas bleibt entspannt. „Ich habe ebenfalls Fragen.“
„Zum Beispiel?“
„Warum du lügst.“
„Ich lüge nicht.“
„Es ist in ganz Ungarn seit Jahren kein Flugzeug abgestürzt.“
„Ich bin in Ungarn?“
„Das weißt du so gut wie ich.“
„Tu ich nicht! Ich wurde betäubt. Ich wurde entführt. Ich bin knapp am Tod vorbeigeschrammt.“
Stas steht auf. Unsere Gesichter berühren sich fast. Er spricht leise. „Ich erzähle dir, wie es war. Das Flugzeug hat dich abgesetzt. Ich sollte dich finden, dir vertrauen, im Glauben, du wärst ein Opfer. Deswegen das Guantanamo-Kostüm und die bescheuerte Idee von bin Ladens Fingerabdruck. Es war alles ein einziger Fake.“ Stas legt seine Pranken auf meine Schultern.