First Overland. Als Erste im Land Rover 18.000 Meilen von London nach Singapur - Tim Slessor - E-Book

First Overland. Als Erste im Land Rover 18.000 Meilen von London nach Singapur E-Book

Tim Slessor

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Beschreibung

»Das ist ein Buch über die Welt, als sie noch ein Abenteuer war. Und nicht bis auf den letzten Zentimeter vermessen. Ich wollte, ich wäre bei der Fahrt dabei gewesen ... Jeder Land Rover-Fahrer, den ich kenne, kennt das Buch. Wenn nicht, ist er keiner – dann muss er es jetzt auf Deutsch nachholen.« Raoul Schrott Der Originalbericht der Oxford-und Cambridge-Fernost-Expedition 1955/1956 erstmals auf Deutsch Sechs englische Studenten und eine verrückte Idee: die erste Fahrt über Land bis nach Singapur. Unbekümmert, mit Humor und gesundem Optimismus, der charakteristisch für die Reise wird, legt das Sextett los: Sie pumpen die BBC um Filme an. Überreden Rover, zwei nigelnagelneue Land Rover zu spendieren. Und einen Verleger, Geld vorzustrecken … 1955 starten sie, durchqueren Europa, die Türkei, Syrien, Irak, Afghanistan, Pakistan; überwinden Krisengebiete und Wüsten, den Dschungel von Birma, die Berge von Darjeeling und den Ganges auf klapprigen Holzbooten. Sieben Monate und 18.000 Meilen später erreichen sie glücklich ihr Ziel. »Ein echter Klassiker« Sir David Attenborough Tim Slessor, einer der sechs Studenten, hielt die Erlebnisse in dem Buch »First Overland« fest. Es wurde in England ein Bestseller, ist 65 Jahre nach Erscheinen noch immer lieferbar und erscheint jetzt auf Deutsch.

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Mit einem Vorwort von Sir David Attenborough

Aus dem Englischen von Ulrike Frey und Monika Keipert

Mit Fotos von Anthony Barrington Brown und mit vier Karten

 

Für alle, die mir mit der Rechtschreibung geholfen haben – denn ohne ihre Hilfe wäre es kaum möglich, dieses Buch zu lesen.

T. S., Mai 1957

 

Und für meine Frau Janet. Als ich die obige Widmung schrieb, kannten wir uns noch nicht lange – auch sie hat mir geholfen. Sie war mir eine große Stütze, doch jetzt ist sie nicht mehr.

T. S., August 2005

 

Der Verlag dankt Chris Barrington Brown, Billi Bierling sowie besonders Alexander Laar für seine Vermittlung und redaktionelle Unterstützung.

 

© Tim Slessor 1957, 2005, 2015 und 2023

Titel der englischen Originalausgabe: »First Overland, London–Singapore by Land Rover«, erschienen bei Signal Books, Oxford 2015. (Frühere Ausgabe: »First Overland, The Story of the Oxford and Cambridge Far Eastern Expedition«, George G. Harrap & Co. Ltd., London 1957).

© der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2023

© aller Fotos: First Overland. Hauptfotograf: Antony Barrington Brown

Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaas-buchgestaltung.de

Coverabbildungen: Antony Barrington Brown

Karten: cartomedia, Karlsruhe

Litho: Lorenz & Zeller, Inning am Ammersee

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

 

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Vorwort

Vorbemerkung

1. Die Idee

2. Vorbereitungen

3. Aufbruch

4. Naher Osten

5. Mittlerer Osten

6. Ferner Osten

7. Pakistan: Wasser, Sand und Dudelsäcke

8. Indien und die Straße nach Nepal

9. Aus einer Vielzahl von Gründen

10. Eintausend Meilen

11. Die Stilwell Road

12. Grüne Berge und Cheroots

13. Nach Keng Tung und weiter

14. Pannen, Bangkok und ein Problem

15. Fast Dreißigtausend

Epilog – vier Monate später

Anhang A

Medizinische Anmerkungen

Anhang B

Technische Anmerkungen

Anhang C

Navigation und Route

Anhang D

Anmerkungen zur Kameraarbeit

Anhang E

Quartiersmanagement

Anhang F

Verpflegung

Anhang G

Anmerkungen zur Finanzierung

Anhang H

Kurze Schilderung der Rückreise der Expedition

Danksagung

Bilder zur Reise von London nach Singapur

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Vorwort

von Sir David Attenborough

 

Heute, fast siebzig Jahre nach dem großen Abenteuer der Ersten Überlandfahrt, sind die noch lebenden Expeditionsteilnehmer – allesamt grauhaarige Großväter – in ihren Neunzigern. Als ich sie jedoch kennenlernte, waren sie junge Studenten und gerade mal knapp über zwanzig. (Wenn ich es mir recht überlege, war ich selbst damals auch nicht viel älter.) Sie traten an mich heran und wollten mich als Produzent der BBC Exploration Unit überzeugen, sie bei einem Vorhaben zu unterstützen, das auf den ersten Blick ein völlig verrücktes Unterfangen war. Sie erklärten mir, ohne auch nur im Geringsten zu zweifeln oder zu zögern – was ich ausdrücklich betonen möchte –, sie könnten ein paar »richtig gute Sendungen« machen, falls ich mit dabei wäre. Letztendlich bekamen sie 200 Pfund (für den Kauf einer Filmkamera mit Federwerksantrieb) und genügend Filmmaterial, um schon einmal loslegen zu können. Wenn mir der erste Schwung, den sie mir zurückschickten, gefiel, würden sie mehr Material bekommen. So war es dann auch. Als sie ein Jahr später wieder zurück nach England kamen, war das Endergebnis genau so, wie sie es angekündigt hatten: drei »richtig gute Sendungen« für eine Serie, die unter dem Namen Travellers’ Tales ausgestrahlt wurde. Und ein Buch.

Es ist das Buch, das Sie gerade in Händen halten, das ein halbes Jahrhundert nach seinem ersten Erscheinen nachgedruckt wurde, und das nun, noch einmal siebzehn Jahre später, in deutscher Übersetzung vorliegt. Im Lauf der Zeit ist es zu einer Art Bibel für Überlandfahrer geworden. Natürlich darf mit Fug und Recht behauptet werden, dass sowohl die Reise selbst als auch der Bericht darüber inzwischen fast schon zu Klassikern geworden sind. Einmal hat es jemand besonders treffend formuliert und erklärt, der einzige gute Grund dafür, dieses Buch seinem Sohn oder Mann nicht zum Geburtstag zu schenken, sei der, »dass sich dieser dann zu Weihnachten höchstwahrscheinlich einen Land Rover wünscht«. Einer der ersten Rezensenten drückte es (in der Zeitschrift Motor) noch einfacher aus: »Ich glaube, es ist das beste Reisebuch, das ich jemals gelesen habe.«

Die Welt ist seit Mitte der 1950er-Jahre in vielerlei Hinsicht geschrumpft, doch diese Feststellung gilt wohl vor allem in Hinblick auf die umfassenden Weiterentwicklungen im Luftverkehr. Tatsächlich wäre die Fahrt der Expedition über den Landweg heute überhaupt nicht mehr möglich. Im Grunde war sie das schon seit ungefähr 1958 nicht mehr, nachdem die Ledo/Stilwell Road offenbar endgültig unterspült und vom Dschungel überwuchert worden war. Doch selbst wenn diese Route noch existieren würde, hätte es keine solche Reise mehr geben können, da das totalitäre Regime in Burma/Myanmar seit (mindestens) fünf Jahrzehnten keine Visa mehr für eine Einreise über die Grenze ganz im Norden des Landes ausstellt. Auch die Inder haben Reisenden den Zugang zu ihrem Land aus dem Grenzgebiet von Assam/Myanmar lange Zeit verwehrt. Weiter östlich wäre es höchstwahrscheinlich ein Ding der Unmöglichkeit, eine Genehmigung für die Ausreise aus Burma über den Saluen und durch die Shan-Berge nach Thailand zu bekommen; die burmesische Armee kämpft seit mittlerweile fünfzig Jahren gegen die Unabhängigkeitsbewegung der Shan.

Auch andernorts ist die Lage problematisch. Man denke nur an den Mittleren Osten – Irak, Iran, Belutschistan, Afghanistan … Den Mitgliedern der Expedition ist sehr wohl bewusst, dass das äußerst kurze »Zeitfenster«, innerhalb dessen sie ihre Reise wagten, ein Glücksfall war. Zudem hatten sie, wie sie erklären, großes Glück mit dem Wetter, vor allem bei der schwierigsten Etappe der Route (die von zahlreichen Flüssen durchzogene Ostseite der Naga Hills, die sich parallel zum Chindwin bis hinunter zum Irawadi erstrecken): Sie fiel in ein ausgesprochen regenarmes Jahr.

Die einzige Teilstrecke der Route, die heute einfacher zu bewältigen wäre als damals, ist die vom Süden Thailands in den Norden der malaiischen Halbinsel. Im Jahr 1956 klaffte dort eine Lücke von über 160 Kilometern, auf denen es keine Straße, sondern lediglich eine Bahnlinie gab. Ursprünglich hatte die Expedition geplant, über die Schwellen Richtung Süden zu rumpeln, doch dann erfuhr sie, dass Planierraupen erst wenige Wochen zuvor im Zusammenhang mit dem geplanten Bau einer richtigen Straße eine provisorische Trasse durch den Dschungel gezogen hatten. Die eigentliche Straße wurde dann erst drei Jahre später gebaut.

Vermutlich fragen Sie sich, was inzwischen aus den sechs jungen Männern geworden ist, die vor fast siebzig Jahren diese lange Reise wagten.

Zwei von ihnen, Adrian Cowell und Tim Slessor, etablierten sich schon bald als Fernsehdokumentarfilmer, was nicht allzu verwunderlich ist. Adrian führte zunächst Regie bei einer frühen ITN-Serie zum aktuellen Zeitgeschehen, die unter dem Titel Roving Report ausgestrahlt wurde und ihn von Tibet nach Timbuktu und von Neuguinea bis in die Anden führte. Später war er als Freiberufler unterwegs und entwickelte ein besonderes Faible für Filme über die Opiumschmuggler des burmesischen Hügellandes und – am entgegengesetzten Ende der Welt – die entlegenen Stämme des Amazonas. Viele seiner Filme, von denen manche ihn zwei Jahre lang beschäftigt hielten, wurden in der ganzen Welt gezeigt und brachten ihm Auszeichnungen ein, die zu den höchsten der Branche zählen. Adrian war ständig in den entferntesten Winkeln der Erde unterwegs, weshalb er keinen festen Wohnort zu haben schien, sondern lediglich eine E-Mail-Adresse. Am 11. Oktober 2011 starb er unerwartet an einem Herzinfarkt. Der Nachruf im Guardian zeichnete seine außergewöhnliche Karriere nach und betonte, seine Arbeit in Brasilien habe »die Welt auf die systematische Ausbeutung des Regenwalds im Amazonas aufmerksam gemacht und dazu beigetragen, den Umweltschutz zu einem politischen Thema zu machen«.

Tim Slessor kam zur BBC, noch bevor er seinen Bericht über die Expedition fertiggeschrieben hatte. Auch er wurde ein Reisender und drehte Dokumentarfilme über das australische Outback ebenso wie über die Antarktis. Im Laufe der Jahre entwickelte er ein besonderes Interesse an den Vereinigten Staaten. Irgendwann brach er sogar die Zelte ab, um mit seiner Frau und den Kindern für ein Jahr nach Wyoming zu gehen – was auch der Grund dafür sein könnte, dass er so stolz auf die Auszeichnung der Cowboy Hall of Fame für zwei Filme über den amerikanischen Westen ist, die er für Alistair Cookes berühmte Amerika-Sendereihe gemacht hatte. Später ließ er sich als Herausgeber mehrerer Fernsehserien in London nieder. »Als solcher schickte ich meist andere los, um etwas Tolles zu erleben – auch interessant, aber ich wäre viel lieber selbst da draußen gewesen.« So machte auch Slessor sich irgendwann selbstständig und war ab da wieder öfter auf Reisen. In letzter Zeit ist er gern mit seinem Segelboot unterwegs, mal auf den Hebriden, mal in der Biskaya. Und er hat noch weitere Bücher geschrieben: eines, in dem er die Heucheleien und Halbwahrheiten der britischen Regierung untersucht, und eines über die bewegte Geschichte des Wilden Westens.

Antony Barrington Brown (besser bekannt unter dem Namen B. B.) war der Kameramann der Expedition und als solcher für die Filmaufnahmen, aber auch die Fotos zuständig. Nach seiner Rückkehr arbeitete er zunächst als Fotograf in Cambridge. Eines Tages jedoch »wurde mein Fotostudio im Zuge einer Straßenverbreiterung plattgemacht«, wie er erzählte. Flexibel wie immer machte er eines seiner Hobbys zum Beruf und wurde Erfinder. Er entwarf unter anderem eine neuartige, äußerst ökonomische Methode, Häuser zu bauen (»zuerst das Dach«) sowie Regalsysteme für Messe und Industrie, die sich besonders schnell aufstellen lassen. Letztere sind inzwischen in der ganzen Welt im Einsatz, und wenn B. B. sie für sich selbst anstatt für seinen Arbeitgeber erfunden hätte, wäre er damit steinreich geworden. So aber musste er sich mit einer Goldmedaille begnügen – »Schön, aber davon abbeißen konnte ich nicht.« Er ließ sich daher in seinem geliebten Wiltshire nieder, wo er eine eigene Firma für innovative Konzepte, weitere kreative Bauprojekte und Industriemöbel gründete. 2004 wurde er aufgrund der zahlreichen Verdienste in seiner Heimatgemeinde in den Order of the British Empire aufgenommen, ein Jahr zuvor war er zum Fellow der Royal Photographic Society ernannt worden – eine Auszeichnung, auf die er zeit seines Lebens gehofft hatte. Am 24. Januar 2012, etwa drei Monate nach Adrian Cowells Tod, kamen B. B. und seine Frau Althea bei einem Verkehrsunfall in Wiltshire auf tragische Weise ums Leben. Der Daily Telegraph beschrieb B. B. als einen »erfindungsreichen Designer, zielstrebigen Forscher und erfahrenen Fotografen«. Seine Fotos von der Expedition, von denen sich einige auch in diesem Buch wiederfinden, zeugen zweifellos von dieser Erfahrung.

Nigel Newbery war der jüngste der Expeditionsteilnehmer und zugleich der einzige aus Oxford. Zum Zeitpunkt des Aufbruchs hatte er noch ein Studienjahr vor sich, während die anderen bereits fertige Absolventen und ihm daher »ein Stück voraus« waren. Folglich musste er sich (wie in diesem Buch beschrieben) so einiges von ihnen anhören; manchmal – so heißt es beispielsweise – stellten sie ihn als »unseren jungen Freund von der Universität Oxford« vor. Er nahm es jedoch gelassen, und später waren sich die anderen ohnehin einig: »Nigel, in dem schon damals ein gerissener Geschäftemacher steckte, ist bestimmt so viel wert wie wir alle zusammen.« Zunächst ging er in die Werbung, doch es reizte ihn schon bald nicht mehr, herauszufinden, »welcher Luftballon sich in welcher Packung Frühstücksflocken am besten macht«. Er gründete daher mit einem Partner eine Firma für ein (seiner Ansicht nach) neuartiges Catering auf »Kochbeutel-Basis«. Erst ging alles gut, doch dann erkannte plötzlich eine wesentlich größere Firma, wie sich eben dieser neuartige Einfall zu Geld machen ließ. Nigel verschwand ins damalige Betschuanaland und arbeitete dort beim Bau eines Schlachthofes mit. Nach seiner Rückkehr wurde er im Bereich Risikokapital aktiv, wo es, wie er sagt, »vor allem darum geht, das Geld anderer zu riskieren«. Doch dann, so erzählt er weiter, schien es doch einfacher, selbst in das Management mancher Unternehmen einzusteigen. Eins kam zum anderen, und nach einer Weile wurde er Geschäftsführer oder Vorsitzender gleich mehrerer erfolgreicher Unternehmen, Direktor einiger anderer sowie – in seinen Worten – »beratender Allrounder« in einer Reihe weiterer. Inzwischen hat er sich in Cumbria zur Ruhe gesetzt und widmet sich erneut einer alten Leidenschaft, dem Klavierspiel.

Pat Murphy, der Sprachspezialist und Visumsbeauftragte der Expedition, wurde, wie zu hören war, zu einer Art vollautomatischem Ein-Mann-Konsulat. Anscheinend beeindruckte er während der Expedition mindestens zwei britische Botschafter derart, dass man ihn gleich nach seiner Rückkehr ins Außenministerium holte. Eine der ersten Entsendungen führte ihn ins kommunistische Polen, wo er, wie er sagt, ein tiefgehendes Interesse an den totalitären Regimes Osteuropas und Russlands entwickelte, das ihn mit den Jahren zu einem versierten Fachmann auf diesem Gebiet machte und zweifellos auch ein Grund dafür war, dass er schließlich das Komturkreuz des Order of Saint Michael and Saint George verliehen bekam. In jenen frühen Jahren seiner diplomatischen Tätigkeit wurde er jedoch (wie es wahrscheinlich oft geschieht), kaum dass er sein Polnisch perfektioniert hatte, ans andere Ende der Welt versetzt, nach Kambodscha. Er stieg auf der diplomatischen Karriereleiter weiter auf und diente später in Deutschland und Österreich, und auch dort weckten die Länder im Osten erneut seine Aufmerksamkeit. Als der Kommunismus Ende der 1980er-Jahre endgültig zusammenbrach, war Pat jedoch schon wieder über alle Berge, nämlich im Oman, als politischer Berater des Sultans. Nach seinem Ausscheiden aus dem Außenministerium widmete er sich schließlich einer ganz anderen Tätigkeit und arbeitete für eine Agentur (eine Art Freiwilligendienst für Senioren), die pensionierte Experten (für Medizin, Gesundheit, Bildung, Technik usw.) als Entwicklungshelfer für Dritt-Welt-Länder sowie als Berater für Schwellenländer in Osteuropa koordiniert. Seitdem hat Pat immer wieder längere Zeit in seinem geliebten Polen verbracht, wenn auch inzwischen immer weniger. Er ist jedoch sehr stolz auf das Offizierskreuz des Verdienstordens, das ihm vom polnischen Präsidenten verliehen wurde, sowie das Komturkreuz des Order of Saint Michael and Saint George, das er zuvor erhalten hatte.

Nachdem die Expedition England (und oftmals auch die Straße) verlassen hatte, war es jedoch Henry Nott, von dem das Gelingen des Vorhabens am entscheidendsten abhing, denn er war der Mechaniker. Den anderen zufolge löste er jedes Problem ohne großes Aufhebens, ganz gleich, was es war. »Immer mit der Ruhe!« war dabei stets sein Motto. Wie man mir erklärte, bewältigten die beiden Autos eine Strecke von mehr als 50000 Kilometern nahezu ohne einen Aussetzer. Später gingen Henrys praktische Fähigkeiten weit über die Finessen von Vergasereinstellungen, Schmiernippeln oder Hinterradlagern hinaus. Noch als junger Mann erwarb er einen heruntergekommenen Bauernhof in der Nähe von Rugby und verwandelte diesen gemeinsam mit seiner Frau über die Jahre in einen erfolgreichen Vorzeigebetrieb. Außerdem baute er verfallene Kuhställe zu modernen Cottages um und übernahm die Sanierung einer alten Schule. Später wurde er Gemeinderatsvorsitzender, machte sich in der Kirchenverwaltung verdient und engagierte sich in der National Farmers’ Union. Dazwischen wanderte er fast tausend Kilometer auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela, segelte über den Atlantik und reiste als Fachmann für Milchviehhaltung und Molkereiwesen nach Nepal. Im Jahr 2002 verstarb Henry völlig unerwartet. Nach dem Trauergottesdienst – die Dorfkirche war so überfüllt, dass die Gäste sich im Vorraum drängten – erklärte einer seiner Freunde aus Expeditionszeiten (sie waren alle anwesend), Henry sei »ein so bescheidener Mensch gewesen, wie es sie nur selten gibt, ein unglaublich zurückhaltender englischer Gentleman, ein Gentleman, der stets das Beste aus den Dingen machte – und zwar immer mit der Ruhe«. Die Teilnehmer der Expedition sind sich jedenfalls einig, dass er mit dieser Grabrede ziemlich zufrieden gewesen wäre.

 

Tim Slessor erzählte mir, man würde ihnen dreien immer wieder die Frage stellen, ob sie nach wie vor miteinander befreundet seien und sich gelegentlich noch träfen. Er beantwortete beides mit einem »Ja«. »Aber wenn wir dann anfangen, über ›expeditionelle‹ Dinge zu sprechen – also schon nach kürzester Zeit – ›werden wir zu unglaublichen Langweilern.‹ ›Kannst du dich noch daran erinnern, als …?‹ – ›Weißt du noch, wie …?‹ – ›Was ist eigentlich aus dem-und-dem geworden?‹ Unsere Frauen haben das alles schon mal gehört – wieder und wieder. Sie lächeln dann nur, so wie Frauen es in solchen Augenblicken tun, und verziehen sich in die Küche, um eine Kanne Tee zu kochen.«

Dass ihre Frauen die Geschichten nicht mehr hören wollten, mag nachvollziehbar sein. Für uns aber dürfte der Bericht über dieses höchst ungewöhnliche Abenteuer noch ebenso so erfrischend und vergnüglich sein wie damals, als er geschrieben wurde.

 

David Attenborough

Vorbemerkung

Ich finde, dass ein Autor, der seine Sache gut macht, für seine Geschichte eigentlich keine Vorbemerkung braucht. Ich hingegen brauche eines.

Auf unserer Reise haben wir so viel erlebt, so vieles gesehen, so viele Menschen kennengelernt und eine so weite Strecke zurückgelegt, dass es mir unmöglich erschien, mehr als nur einen kleinen Teil davon zu beschreiben. Es fiel mir von Anfang an schwer zu entscheiden, was ich weglassen soll. Oft blieb mir nichts, als willkürlich etwas auszusuchen und das Beste zu hoffen; vielleicht habe ich manchmal auch die falsche Wahl getroffen, aber jetzt ist es zu spät, um das noch rückgängig zu machen. Dennoch hat der Leser zumindest ein Recht darauf, zu erfahren, was er in diesem Bericht nicht finden wird.

Die gravierendste Auslassung ist vermutlich die Schilderung der zweiten Hälfte unserer Reise – immerhin sechs von zwölf Monaten. In diesen sechs Monaten fuhren wir von Singapur zurück und führten über die Hälfte unserer Feldforschungen durch. Ich habe trotzdem beschlossen, sie (abgesehen von einer kurzen Zusammenfassung im Anhang) unerwähnt zu lassen, denn nur weil wir nach Erreichen unseres Ziels natürlich umkehren und die ganze Strecke wieder zurückfahren mussten, heißt das noch lange nicht, dass wir unseren Lesern dasselbe zumuten müssten – auch wenn unsere Rückreise auf einer anderen Route erfolgte. Ich möchte jedoch die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen, dass unsere gesamte Reise (London–Singapur–London) durch 21 Länder führte und über 50000 Kilometer lang war.

Auch andere Dinge habe ich ausgelassen, doch dass ich beispielsweise unsere Eindrücke aus Neuindien nicht beschrieben, unsere Feldforschungen nicht ausführlicher dokumentiert oder nicht alle Freunde erwähnt habe, die uns unterwegs halfen, bedeutet keinesfalls, dass wir mit geschlossenen Augen unterwegs oder etwa undankbar waren. Der einzige Grund ist, dass es mir nicht möglich war, diese unterschiedlichen Dinge mit aufzunehmen und zugleich die erforderliche Kürze mit der angemessenen Kontinuität zu verbinden. Mein Bestreben war nicht, über alles etwas zu berichten, sondern aus dem, was für uns eine wunderbare Reise war, eine für die Leser – hoffentlich – passable Geschichte zu machen.

Warum wir diese Reise unternahmen? Ich möchte mich nicht auf eine Diskussion darüber einlassen, ob wir damit etwas Sinnvolles getan haben. Wir fuhren los, einfach weil wir – wenn ich diese Floskel bemühen darf – Lust darauf hatten. Ich werde nicht versuchen, unsere Beweggründe näher zu erläutern, aber das soll nicht heißen, dass sie nur oberflächlich waren. Vielleicht wird das Ganze etwas verständlicher, wenn ich ein paar beliebige Namen nenne: Baalbek, Bagdad, Kathmandu, Ledo, Mandalay, Bangkok, Trabzon. Diese – und ein paar Hundert weitere – sind für mich nicht mehr nur irgendwelche Namen. Sie sind zu Orten geworden, weil ich dort gewesen bin. Das ist letztendlich – kurz gefasst – meine ganz persönliche Philosophie des Reisens. Ich kann mich also wirklich glücklich schätzen, denn selbst wenn der Radius meiner Reisen eines Tages auf das Londoner Verkehrsnetz beschränkt sein sollte, besitze ich für den Rest meines Lebens genügend Erinnerungen, mit denen ich andere langweilen kann.

Natürlich muss ich all jenen, die uns vor dem Aufbruch aus England und während der gesamten Reise unterstützt haben, unseren großen Dank aussprechen. Vor allem aber stehen wir in der Schuld unserer Freunde vom Home Team, die einen Großteil der Arbeit erledigten, während wir den ganzen Spaß hatten. Ohne ihre Hilfe wären wir vermutlich jetzt noch unterwegs.

Und noch etwas. Ganz gleich, was mancher Leser möglicherweise für Vorstellungen davon haben mag, was wir unterwegs so alles getan haben – eines haben wir gewiss nicht getan: Wir sind mit Verlaub nicht »umhergetingelt«! Dieses Verb ist den Mitgliedern der Expedition gründlich zuwider.

 

T. S.

23. Mai 1957

 

 

1. Die Idee

»Das mag ja ein guter Plan sein, mein Lieber«, sagte ich mit väterlicher Strenge, »aber die Milch kocht gleich über.«

Es begann – wie fast alles an der Universität Cambridge – spät nachts bei einer heißen Tasse Kaffee. Ich wohnte im College im selben Gebäudetrakt wie Adrian Cowell, und eines Abends, im Winter, war ich für einen kleinen Schlummertrunk zu ihm nach oben gegangen. Er begann mir von einer Idee zu erzählen, die ihm schon länger im Kopf herumspukte: einer gemeinsamen Überlandexpedition der Universitäten Oxford und Cambridge nach Singapur.

»Das hat bisher noch keiner gemacht. Warum versuchen wir es dann nicht?«

»Und du finanzierst das Ganze«, schlug ich müde vor, »indem du irgendwo im hintersten Winkel Asiens eine Chutney-Mine gräbst?«

Doch Adrian war nicht zu bremsen. Er holte den Atlas hervor und erzählte mehr von seiner Idee und den damit verbundenen Herausforderungen. Als ich sein Zimmer mehrere Stunden später wieder verließ, hatte diese Idee schon einen zweiten Anhänger gefunden. »Die Expedition war geboren!« (Mit diesen Worten beginnen nun mal alle Expeditionsberichte.)

 

Wie wir auf Singapur kamen? Ganz einfach: Wenn man den Atlas hervorholt, so wie wir es getan hatten, stellt man fest, dass der Punkt auf dem eurasischen Kontinent, der am weitesten von London entfernt ist, Malaya ist [die Rede ist hier von der malaiischen Halbinsel, zu der auch Singapur gehört][1] – damit blickt man 10000 Kilometer [Luftlinie] Richtung Südosten, vom Atlantik bis zum Pazifik.

Jedes Jahr kann man von motorisierten Reisegesellschaften lesen, die von London aus Richtung Ferner Osten fahren. Manche davon bleiben mit qualmendem Kühler, leeren Kassen oder beidem schon in der Old Kent Road hängen. Andere gelangen mit etwas Glück vielleicht noch in den Mittleren Osten, und einige wenige, gut organisierte, schaffen es auf der langen, staubigen Straße sogar bis nach Kalkutta. Doch weiter war noch niemand gekommen – obwohl es nicht wenige versucht hatten.

800 Kilometer nordöstlich von Kalkutta, jenseits der Teegärten von Assam, erheben sich die verschlungenen Bergrücken des Patkai- und des Naga-Gebirges. Diese von Urwäldern überzogenen Ausläufer des Himalaja bilden eine der großen natürlichen Grenzen unserer Erde. Es gibt bis heute keine befestigte Straße, die hinüberführt. Lediglich während der Kriegszeit, im Jahr 1944, hatte man zwei Trassen durch den Urwald geschlagen, bis nach Burma, und für einen kurzen Zeitraum offen gehalten. Doch nach der Niederschlagung der Japaner waren diese strategischen Versorgungslinien überflüssig geworden.

Im Laufe unserer Erkundigungen erfuhren wir, dass seit dem Ende des Krieges keine der beiden Straßen mehr in Benutzung gewesen war. Wahrscheinlich waren sie völlig zugewuchert und unpassierbar geworden, nachdem die einst planierten Straßendecken zehn Jahre lang den heftigsten Monsunregen der Welt ausgesetzt gewesen waren. Wollte man aber von Kalkutta aus auf dem Landweg weiterkommen, gab es keine andere Möglichkeit – was ein Problem war, aber zugleich auch der Grund dafür, weshalb wir Singapur als Ziel gewählt hatten.

 

Oben habe ich geschrieben, die Idee zu unserer Expedition sei in Adrians Zimmer »geboren« worden. Treffender aber wäre es zu schreiben, dass sie dort »empfangen« wurde, denn auch eine Expedition entsteht nicht einfach so, durch eine Art Spontanzeugung. Vielmehr ist es ein langwieriger, schwieriger Prozess, bis eine vage Idee zu einer unvernünftigen Realität herangereift ist. Kein Geld, keine Ausrüstung, keine Fahrzeuge, keine Reisegenehmigungen und das Scheitern sämtlicher bisheriger Versuche, eine solche Überlandfahrt durchzuführen – das waren nur einige der pränatalen Probleme, denen wir uns gegenübersahen.

Manchmal aber sollte man nicht allzu gründlich hinschauen, bevor man einen Sprung wagt, sondern lieber etwas zuversichtlich sein und dann gleichzeitig hinschauen und losspringen. Wir hatten jedenfalls nichts zu verlieren. So stellten wir erste Nachforschungen an und begannen mit den Vorbereitungen.

Die Expedition – darin waren wir beide uns einig – sollte aus fünf oder sechs Mitgliedern bestehen, doch der anmaßende Plan von Adrian und mir, die Eignung der Bewerber mittels eines zweiköpfigen Auswahlkomitees zu beurteilen, wurde rasch von »B. B.« zunichtegemacht. Er hatte über die Gerüchteküche der Cambridge University von unserem Vorhaben erfahren, uns ausfindig gemacht und einfach verkündet, dass er mitkommen werde.

Sein ganzer Name, Barrington Brown, war – außer für sehr formelle Zwecke – viel zu lang, weshalb er seit jeher nur mit seinen Anfangsbuchstaben angesprochen wird. Nach seinem Abschluss drei Jahre zuvor hatte er sich in Cambridge als Fotograf selbstständig gemacht. Die Expedition hatte somit einen erfahrenen Kameramann hinzugewonnen, was, wie wir glaubten, das noch nicht existente Potenzial der Unternehmung gehörig steigerte. Damit waren wir schon zu dritt.

In dem praktischen Handbuch Hints to Travellers der Royal Geographical Society fand sich der Hinweis: »Der einzige Grundsatz lautet, dass die Kosten für eine Expedition erheblich steigen, falls dafür ein eigenes Schiff erforderlich ist.« Da unsere Reise – abgesehen vom Ärmelkanal und dem Bosporus – ausschließlich über den Landweg erfolgen würde, war ein eigenes Schiff so ziemlich das Letzte, was wir brauchten. Was wir jedoch brauchten, waren zwei Autos. Mit zwei Fahrzeugen, die sich gegenseitig unterstützen konnten, würden unsere Erfolgschancen deutlich steigen. Wenn wir sie erst einmal hatten, dann konnten wir uns zu Recht eine Expedition nennen; sie waren die unabdingbare Voraussetzung für alles Weitere. Das Gelände jenseits von Kalkutta würde extrem unwegsam sein, was letztendlich auch der Grund war, weshalb bislang noch niemand anderem diese Reise gelungen war – falls sie überhaupt möglich war. Wir benötigten unbedingt ein robustes Fahrzeug mit Allradantrieb und Geländeuntersetzung, und nach relativ kurzer Diskussion kamen wir zu dem Schluss, dass ein Land Rover das einzige geeignete Auto wäre. Wir brauchten zwei davon, und sie kosteten jeweils 600 Pfund. Wenn wir alle zusammenlegten, hatten wir gerade mal 200 Pfund.

Adrian gab sich daher einen Ruck und trat mit dem Unternehmen Rover in Kontakt. Was ihm dabei zugutekam, war die Tatsache, dass er im Jahr zuvor als »Heimatrepräsentant« der Oxford-und-Cambridge-Trans-Afrika-Expedition fungiert hatte. Die Beteiligten hatten dafür zwei Land Rover erworben und waren damit in den viermonatigen Sommerferien der Universität bis nach Kapstadt und zurück gefahren. Unterwegs hatten sie mit ihren Fahrzeugen großes Aufsehen erregt, und nun hofften wir, dass Rover dadurch erkannt hatte, dass auch Studenten – zumindest manchmal – ernsthafte Ziele haben und organisiert genug sind, um diese auch zu erreichen. Möglicherweise würden sie uns ja zwei Land Rover leihen? Vielleicht konnten wir bei der Gelegenheit auch gleich einen Film für sie machen. Möglicherweise und vielleicht … Wir wussten natürlich, dass das Unternehmen haufenweise ähnliche Anfragen bekam, von nahezu jedem, der irgendwohin reisen wollte. Und da einem ein Rover ganz gewiss nicht aus reiner Nächstenliebe zur Verfügung gestellt wurde, machten wir uns keine großen Hoffnungen.

Während wir also der Dinge harrten, nahm Adrian Kontakt mit mehreren Ölfirmen auf. Mobilgas versprach nach einem ausführlichen Gespräch großzügigerweise, man werde die Partnerunternehmen entlang der Route bitten, uns bei der Benzinversorgung zu unterstützen – vorausgesetzt, die Expedition käme an die Fahrzeuge.

Wir nannten uns die »Oxford-und-Cambridge-Fernost-Expedition«[2], obwohl es unter uns immer noch keinen von »den anderen« – also aus Oxford – gab. Ein ganzes Netzwerk von Kontakten und Vertrauensleuten wurde aktiviert, und Adrian setzte sich mit sämtlichen Colleges und anderen wichtigen Vereinigungen in Oxford in Verbindung. Und da er gerade schon dabei war, verfasste er auch gleich noch ein Schreiben an vierzig verschiedene Universitäten in Amerika. Was sie von einer Langstrecken-Rallye hielten, wollte er wissen, bei der sich Oxford und Cambridge mit Harvard und Yale maßen? In Adrians Augen war keine Idee zu abstrus – vielleicht ja auch, weil er stets eine Weitsichtbrille trug, die es ihm ermöglichte, abwegige Ideen etwas näher heranzuholen.

B. B. redete immer wieder von Filmen und Fotos. Warum auch nicht? Was sprach gegen einen Fernsehbericht über die Reise? Er machte sich sofort auf den Weg nach London und verkündete bei seiner Rückkehr – B. B. »verkündet« in der Regel eher etwas, als dass er es »sagt« –, dass die BBC Interesse bekundet habe. Und was sprach eigentlich dagegen, ein Buch zu schreiben? Also wurden Briefe (auf dem neuen Briefpapier der Expedition, mit eigenem Briefkopf) an mehrere Verlage geschickt. Wir meisterten eine Hürde nach der anderen, obwohl unsere Expedition – um mich einer weiteren Floskel zu bedienen – nach wie vor auf Sand gebaut war, denn es fehlte eine ganz fundamentale Voraussetzung: Wir hatten immer noch keine Autos.

Kurz nach Beginn der Osterferien rief Adrian mich an und sagte, er habe von der Rover Company eine Antwort erhalten. Wenige Tage später machte er sich auf den Weg nach Birmingham.

Wie das entscheidende Gespräch tatsächlich verlief, hat mir Adrian nie erzählt, doch offenbar konnte er irgendjemanden davon überzeugen, dass wir in der Lage waren, unsere Worte auch in die Tat umzusetzen; jedenfalls trafen wir uns, nachdem er zwei Tage später wieder zurück war, in einem Pub in London. »Also: Wir haben sie!«, sagte er – und das waren mit die besten Worte, die ich je gehört habe.

Als wir zurück in Cambridge waren, um dort unser letztes Trimester anzugehen, beschlossen wir, erst drei Monate nach unserem Abschluss aus England aufzubrechen, im September. So hatten wir genügend Zeit für die Prüfungen und angemessene Reisevorbereitungen. Eine Abfahrt im September bedeutete außerdem, dass wir die Grenze Burmas erst zu Beginn der Trockenperiode erreichen würden, und nur so hatten wir eine Chance, von dort auf dem Landweg weiterzukommen.

Nun, da man uns die Autos zugesichert hatte und unsere Pläne allmählich Gestalt annahmen, fügten wir unserer Überlandfahrt nach Singapur noch ein weiteres wichtiges Ziel hinzu. Wir wollten unterwegs die Bewässerungsmethoden in Pakistan und Indien untersuchen. Solche Überlegungen zu einer praktischen geografischen Feldforschung hatten schon seit einer ganzen Weile in unseren Köpfen herumgespukt, doch erst jetzt, da sich endlich abzeichnete, dass die Expedition immerhin aus England aufbrechen würde, erschien es uns sinnvoll, sie ernsthaft weiterzuverfolgen.

Es gab noch ein anderes Thema, das dringend geklärt werden musste. Bislang waren wir nur zu dritt und allesamt Studenten aus Cambridge. Zwar hatten wir auch ein paar zaghafte Anfragen aus Oxford erhalten und sogar aus Amerika, doch es war nichts daraus geworden. Wer jedoch Interesse bekundete, war Henry Nott, der Sekretär des Automobilklubs der Universität Cambridge und angeblich ein erstklassiger Mechaniker. Wir trafen uns mit ihm, und schon waren wir zu viert.

Wir hatten bereits jeden Glauben an Oxford verloren, als schließlich ein Telegramm von jemandem eintraf, der mit »Newbery« unterschrieben hatte. Am folgenden Sonntag besuchte er uns in Cambridge. Nigel befand sich in seinem zweiten Jahr am Worcester College und war zuversichtlich, dass er sich für ein Jahr beurlauben lassen und uns anschließen konnte – vor allem, da die geplante Feldforschung ihm bei seinem Studium der Wirtschaftswissenschaft zugutekommen würde. Was außerdem für ihn sprach, war, dass er nebenher als freiberuflicher Mechaniker tätig war (was im Klartext bedeutete, dass er selbst kein Auto besaß). Nachdem wir ihm unser Vorhaben geschildert hatten, gaben wir ihm eine Woche Zeit, sich zu entscheiden. An ebenjenem Sonntag war auch Pat Murphy, ein Freund von mir, auf eine Tasse Tee vorbeigekommen. Er studierte wie ich Geografie und interessierte sich daher besonders für die geplante Bewässerungsforschung. Sein Argument: »Ich kenne mich aus mit Bewässerung.« Im Sommer zuvor hatte er sich mit verschiedenen französischen Anlagen in Marokko beschäftigt.

Zwei Tage später ließ Nigel uns wissen, dass er mitkommen konnte. Pat war auch mit dabei. Das »Team« war also komplett. Zwar war Nigel somit der Einzige aus Oxford, doch als wir vorschlugen, das »Oxford« aus dem Namen der Expedition zu streichen, protestierte er. Also blieb es.

In den folgenden Wochen ließ das Tempo der expeditionellen Vorbereitungen etwas nach, da nun Büffeln angesagt war und wir zumindest einige der Fakten lernen mussten, die nötig sind, um einen Prüfer zufriedenzustellen. Doch neben dem Wollhandel im Mittelalter und Theorien zum Erosionszyklus gingen uns immer wieder auch die Entfernungen zwischen den Tankstellen in Persien und der Tagesbedarf an Trinkwasser für sechs Personen durch den Kopf.

Trotzdem fiel unser Abschluss ganz passabel aus – auch wenn wir, als die Prüfungsergebnisse dann endlich kamen, schon längst wieder mitten in unseren Reisevorbereitungen steckten.

[1]Anmerkungen der Redaktion und der Übersetzerinnen fortan in eckigen Klammern [2]Diese Bezeichnung suggeriert fälschlicherweise, wir hätten von unseren Universitäten irgendeine Art von Förderung bekommen. Die Unterstützung von Expeditionen gehört jedoch nicht zu ihren Aufgaben. Solange die Mitglieder einer Expedition aber tatsächlich Studenten an einer dieser Universitäten sind, haben die hohen Herren dort in der Regel nichts gegen die Verwendung ihres Namens einzuwenden.

2. Vorbereitungen

Seinem Reisepass zufolge war Adrian 1934 in Tongshan (China) zur Welt gekommen. Demnach war er 21 Jahre alt und somit der Jüngste von uns. Er hatte gleich nach der Schule am St. Catharine’s College mit seinem Geschichtsstudium begonnen. Mithilfe seiner Kontakte zur chinesischen Küste baute er in seinem ersten Jahr die Cowell Oriental Trading Agency auf, die aus Hongkong chinesische Porzellanfiguren, Strohhüte und billige Essstäbchen aus Elfenbein importierte und an Studenten oder an schicke Läden in Chelsea verkaufte. Dieses Vorhaben kostete ihn jedoch eine Menge Zeit und Mühe, worunter seine Prüfungsergebnisse litten; zum Ende des ersten Studienjahres kürzte man ihm deswegen auch das Stipendium. Er suchte sich daraufhin einen Partner, baute das Geschäft aus und verwendete den Gewinn, um für den Rest seiner Studiengebühren selbst aufzukommen.

Adrian interessierte sich grundsätzlich für alles, hinter dem er eine Möglichkeit zum Geldverdienen witterte. Er war der einzige Student, den ich kannte, der tatsächlich behaupten konnte, eine Einladung ablehnen zu müssen, weil er einen Termin bei seinem Buchhalter habe. Somit war es nur logisch, dass er als Geschäftsführer und Kassenwart der Expedition fungieren sollte. Neben seiner »Weitsichtbrille« besaß er eine blühende Fantasie und konnte wunderbare Briefe über die haarsträubenden Gefahren von »glühend heißem Sand und dampfigen Urwäldern« schreiben, die uns unterwegs erwarten würden. Viele solcher Formulierungen fanden Eingang in unsere »Info-Blätter«, die er als unser Chefredakteur verfasste. Diese Schriftstücke waren genau das, was man sich darunter vorstellt: Mit dem Mimeographen zigfach vervielfältigt, enthielten sie allerhand Wissenswertes über die Expedition. Dabei gab es »wissenschaftliche Info-Blätter« über die geplante Feldforschung, die an diverse Fachgremien und Gelehrtengesellschaften verschickt wurden; »diplomatische Info-Blätter«, die an Botschaften und Konsulate entlang unserer Reiseroute gingen, mit der Bitte um Vorschläge oder Anmerkungen zu unserem Vorhaben; »allgemeine Info-Blätter«; »geschäftliche Info-Blätter«; »Info-Blätter mit Adresslisten« und immer neue Versionen alter Info-Blätter. Angesichts dieser Fülle verloren wir ehrlich gesagt mehr als einmal den Überblick. So erklärten wir beispielsweise in unserem geschäftlichen Info-Blatt: »Wir nehmen gern jedes Produkt mit auf die Reise, das sich – wie es beispielsweise bei einem elektrischen Rasierapparat oder einer Packung Seifenflocken der Fall ist – aufgrund seiner unverwechselbaren Form oder Farbe problemlos in unserem Fernsehfilm unterbringen und publik machen lässt, ohne dass der Name des Herstellers explizit genannt wird.« Unser Entsetzen war jedoch groß, als wir kurz darauf feststellten, dass eines dieser Blätter über die »unverwechselbare Form« irrtümlicherweise an eine bekannte Stiftung geschickt worden war. Die Stiftungsmitglieder befanden aber offenbar, dass ihre Form oder Farbe nicht als unverwechselbar gelten konnte, denn wir erhielten von ihnen nie eine Antwort.

Vom Äußeren her ist Pat Murphy eher der Typ südländischer Bonvivant mit schnieken Brogues. Er behauptet, in Irland geboren zu sein, spricht fließend Französisch, gut Deutsch, ein wenig Spanisch und passabel Italienisch und ging in England zur Schule. Die vorlesungsfreie Zeit verbrachte er stets auf dem europäischen Festland, meist in Spanien. Er behauptete, mit den Oberkellnern nahezu jedes Nachtklubs zwischen Paris und Casablanca auf Du und Du zu sein, war ein praktizierender Stierkampf-Fan und beherrschte mindestens drei Dur-Akkorde auf der Gitarre. Wegen seines unbestreitbar internationalen Hintergrunds wurde ihm die Aufgabe übertragen, die nötigen Visa und Sichtvermerke in den Reisepässen für uns alle zu organisieren. Da unsere Reiseroute über 27 Ländergrenzen führen sollte, wurde Pat damit zu unserem wandelnden Auslandsbüro und professionellen Formularausfüller. Ausgestattet mit sechs verschiedenen Pässen schlug er sich in den folgenden drei Monaten mit einem Dutzend Botschaften herum.

Pat hatte seinen Wehrdienst bei der Royal Air Force geleistet; besonders viel erzählte er darüber jedoch nie – vielleicht durfte über manches davon ja auch nicht gesprochen werden? Vielleicht war aber auch genau das seine Absicht. Jedenfalls kümmerte er sich nicht nur um unsere Reisepässe, sondern war außerdem auch unser Navigator. Als solcher trug er mehr als fünfzig Landkarten zusammen und knüpfte Kontakte zu allen Leuten, die möglicherweise Informationen über die geplante Route für uns hatten. Obwohl er Pilot beim Universitätsluftgeschwader war, konnte er als Einziger in unserer Mannschaft nicht Auto fahren, weshalb zwei von uns ihn regelmäßig in einem geliehenen Auto zu einem stillgelegten Flugplatz in der Nähe von Cambridge mitnahmen. Er sprang mit dem Auto jedoch genauso um, wie er es vom Flugzeug her gewohnt war, und so dauerte es eine ganze Weile, bis wir ihn davon überzeugt hatten, dass der Schalthebel kein Steuerknüppel war und auch anders bedient werden musste. Genauso schwer fiel es ihm, sich an »diese Sache mit dem Gaspedal« zu gewöhnen.

Pat und mir kam die Aufgabe zu, die geplante Feldforschung während der Expedition genauer auszuarbeiten. Das Thema Bewässerung war in diesem Zusammenhang naheliegend, denn abgesehen davon, dass Pat bereits Erfahrung damit gesammelt hatte, gab es in unserer Gruppe zwei Geografen (Pat und mich), einen Geologen (B. B.), einen Wirtschaftswissenschaftler (Nigel), einen Agraringenieur (Henry) und einen Historiker (Adrian). Wir deckten also eine ganze Reihe von Fachgebieten ab, sodass jeder von uns sein eigenes, spezifisches Wissen in die vorgesehenen Forschungen mit einbringen konnte.

Wir hofften, dass die Royal Geographical Society (der wir unsere Pläne zur Untersuchung der Bewässerungssysteme vorlegten) unser Vorhaben gutheißen und uns einen Zuschuss zu den Ausgaben gewähren würde, die mit den Forschungen einhergingen. Pat und ich wurden beim Präsidenten der Gesellschaft vorstellig, der unsere Pläne freundlicherweise an die Vergabekommission weiterleitete. Diese stellte uns die großzügige Summe von hundert Pfund zur Verfügung.

B. B. war etwas älter als wir anderen. Er hatte drei Jahre zuvor sein Studium der Naturwissenschaft abgeschlossen und war somit ein Magister Artium – was der Expedition seiner Meinung nach eine gewisse Seriosität verlieh. An seinen Wehrdienst bei der Königlichen Panzertruppe erinnerte er sich nur vage. »Das war noch zu Zeiten, als das Kriegsministerium in einem Zelt untergebracht war«, sagte er immer und wollte uns weismachen, dass dies noch Mitte der finsteren Vierzigerjahre so gewesen sei. Nach seinem Abschluss hatte er sich in Cambridge als Fotoreporter niedergelassen; sein kleines Atelier wurde während der sommerlichen Schließzeit der Colleges zu unserem Hauptquartier.

B. B. war – und ist – kein einfacher Zeitgenosse. Er besitzt einen scharfen Humor und nur wenig Fingerspitzengefühl; wenn eine Idee bei ihm nicht auf Zustimmung stößt, findet er sie »verdammt mies«. Er hatte – und hat – in der Regel recht, was seinen Mitmenschen nicht immer gefällt. Mit dieser Einstellung von »Mach-was-du-willst-aber-sag-mir-nicht-was-ich-zu-tun-habe« stößt er andere zwangsläufig vor den Kopf. Er würde mir bestimmt widersprechen, wenn ich behaupte, dass er zwar oft laut bellt, aber nur selten beißt, und wird mir garantiert den Kopf abreißen, wenn er diese Worte liest.

B. B. hat eine praktische und gründliche Art, wie ich sie von keinem anderen Menschen kenne. So schreibt er zum Beispiel, wenn er einen Brief verfasst, erst die Adresse auf den Umschlag und frankiert ihn und steht morgens immer absolut zuverlässig eine Stunde vor allen anderen auf. Er war nicht nur unser »professioneller Fotograf und Kameramann« (er legt großen Wert auf den vollständigen Titel); wir ernannten ihn außerdem auch noch zu unserem »Doktor«. Immerhin – so die Begründung – verfügte er in seiner Dunkelkammer über eine ganze Batterie von Fläschchen, die vermutlich irgendein Antiseptikum enthielten, sowie ein abgeschlossenes Studium der Naturwissenschaft. Offenbar bestand zwischen den chemischen Substanzen, die in der Medizin verwendet wurden, und jenen im Fotolabor irgendein Zusammenhang, auch wenn er selbst das immer abstritt. In dem Brief, mit dem er den Gesundheitsdienst der Universität Cambridge um Rat fragte, schrieb er jedenfalls: »Sir, der Grund, weshalb ich dazu bestimmt wurde, mich während dieser Expedition um alle medizinischen Belange zu kümmern, ist allein mein Wissen auf dem Gebiet der Chemie, so unerheblich es hierfür auch sein mag.«

Jedenfalls ging B. B. diese Aufgabe mit der gewohnten Gründlichkeit an und stellte eine umfangreiche Reiseapotheke zusammen. Nachdem er sich mithilfe einiger Bücher »schlaugemacht« hatte, erklärte er uns mit einer makaberen Freude, dass es für die meisten Tropenkrankheiten, mit denen wir es vermutlich zu tun haben würden, »keine wirksamen Behandlungsmöglichkeiten« gebe und sie »fast immer tödlich« endeten.

Er schickte jeden von uns zu einer ärztlichen Untersuchung, zum Zahnarzt und zur Vorsorgeimpfung mit zwölf verschiedenen Impfstoffen. In einer jener Wochen konnten wir aufgrund der ganzen Spritzen unsere Arme nicht mehr gebrauchen, weshalb wir zur Erledigung der anfallenden Schreibarbeiten zwei Stenotypistinnen beschäftigen mussten. Die Planungen, Treffen und Diskussionen liefen jedoch mit unvermindertem Elan weiter.

Henry war unser Chefmechaniker. Er hatte bereits mehrere Austin Seven Specials zusammengebaut und erfolgreich mit ihnen an dem ein oder anderen Rennen des Silverstone-Fanklubs an der Universität teilgenommen. Anders als die meisten Leute im Rennbetrieb trug er jedoch keine Schiebermütze, Fliege oder Chinohose. An sich war Henry ein sehr ruhiger Mensch – sobald die Sprache jedoch auf Drehzapfen, Geländeuntersetzung oder Power Drifts kam, blühte er regelrecht auf. Er fungierte zwar als Sekretär des universitären Automobilklubs, doch sein ganzer Stolz war ein klappriger alter Lieferwagen, über den sich nichts Positiveres sagen ließ, als dass er manchmal schon beim ersten Drehen des Zündschlüssels ansprang.

Welche Aufgaben Henry während der Reise zukommen sollten, war also klar, doch auch schon im Vorfeld gab es für ihn einiges zu tun. Die Überlegungen und Diskussionen im Hinblick auf die Autos waren entscheidender als alles andere, denn schließlich würden wir fast ein Jahr lang in und mit ihnen unterwegs sein. Das Gepäck für ganze zwölf Monate in einem Fahrzeug zu verstauen, ist an sich schon eine Herausforderung, doch was die Sache noch schwieriger gestaltete, war, dass wir uns auf sehr unterschiedliche Gegebenheiten vor Ort einstellen mussten, dass der Platz und das Budget begrenzt waren und die Autos eine ganze Reihe von Anforderungen erfüllen mussten: Zum einen würden sie uns als mobile Kochgelegenheit, Werkstatt, Kamerastativ, Möbelwagen und im Notfall sogar als Krankentransporter dienen. Zum anderen aber mussten sie sich auch noch in einigen der unwirtlichsten Gegenden der Welt bewähren. Im frostigen Persien würden sie uns warm halten müssen, in der Hitze Indiens kühl; sie mussten sich ihren Weg durch Schlamm und Sand bahnen, aber auch auf Asphalt in einem guten Tempo zu fahren sein. Selbst bei Rover war man skeptisch. »Was Ihnen offenbar vorschwebt, ist kein Geländefahrzeug, sondern ein Geländewunder«, hieß es dort.

Henry und Nigel (unser zweiter Mechaniker) nahmen bei Rover in Birmingham an einem »Werkskurs« teil und sollten – ähnlich wie die Skipper eines neuen Schiffs – vor Ort sein, wenn die Fahrzeuge ausgerüstet wurden. An einem herrlichen Tag drei Wochen später trafen die beiden Autos in Cambridge ein – fabrikneu, glänzend und mit dem auf die Türen gepinselten Namen der Expedition. Wir stiegen mindestens ein Dutzend Mal ein und aus, krochen darunter und inspizierten sie von allen Seiten, bevor wir schließlich damit durch die Stadt kurvten, immer abwechselnd, bis weit nach Mitternacht. Wir diskutierten darüber, wie wir sie nennen sollten, doch da eines der Autos in Dunkelblau lackiert war und das andere in Hellblau [also in den Hausfarben der beiden Universitäten], hießen sie von da an einfach nur »Oxford« und »Cambridge«.

An der Frontstoßstange jedes Wagens waren eine massive, motorbetriebene Trommelwinde sowie zwei Wasserkanister angebracht. Im Fahrzeuginneren befanden sich eine Heizung und außer den üblichen Anzeigen auch noch weitere für den Öldruck und die Wassertemperatur. Jedes Auto fasste in seinem eingebauten Tank 220 Liter Benzin, womit wir – bei einer durchschnittlichen Reichweite von sieben Kilometern pro Liter – fast 1600 Kilometer weit kommen würden. Zudem hatte man eine Sonnenblende und einen Dachgepäckträger angebracht (direkt in die Karosserie hineingeschraubt); eine Dachluke über dem Beifahrersitz würde dafür sorgen, dass es im Auto kühl blieb, und ließ sich, wenn man sich in die Öffnung stellte, auch zum Fotografieren oder Lotsen des Fahrers nutzen (zum Beispiel bei Wüstenfahrten). Hinten an jedem Auto waren eine robuste Anhängerkupplung, ein Schraubstock und ein Feuerlöscher mit Schnellentriegelung montiert. Bei allen diesen Anpassungen und noch einigen anderen wie den Suchscheinwerfern, den größeren Reifen oder der Hochfrequenzhupe konnten wir auf die wertvollen Erfahrungen unserer Freunde bei ihrer Trans-Afrika-Expedition zurückgreifen.

Als Nigel zu uns ins Headquarter stieß, wo wir alle inzwischen wohnten, war es für ihn zunächst nicht ganz einfach. Wir hatten unseren Abschluss in Cambridge gerade hinter uns und waren entsprechend von uns selbst eingenommen, sodass wir ihn immer als »unseren jungen Freund von der Universität Oxford« vorstellten. Er hielt jedoch tapfer dagegen und verkündete, er werde uns allen als ehemaliger Fallschirmjäger schon noch Judo beibringen. Außerdem besaß er ein Buch mit dem Titel Geheimnisse des Orients – Heidnische Rituale (wie der Titel genau lautete, weiß ich nicht mehr, aber das Buch wurde zur Pflichtlektüre aller Expeditionsteilnehmer!).

Nigel war nicht nur unser zweiter Mechaniker, sondern auch unser Quartiermeister. Es war eine der aufwendigsten Aufgaben von allen, und er übernahm sie, weil er als Letzter, der zu uns stieß, schlichtweg keine andere Wahl hatte. Dafür konnte er sich über einen Mangel an Ratschlägen unsererseits nicht beklagen. In unseren Besprechungen, die vom frühen Nachmittag bis Mitternacht dauerten, redeten wir uns die Köpfe darüber heiß, ob wir Petroleum- oder doch lieber Benzinkocher mitnehmen sollten, ob in den Autos genügend Platz für ein Radiogerät war, wie viel Proviant und Wasser wir dabeihaben sollten, welche Kleidung wir benötigen würden, ob die Sandmatten (falls man in der Wüste stecken blieb) tatsächlich funktionieren würden und wie viel sie wogen, wie viele Schaufeln wir brauchten und ob in der tropischen Hitze Woll- oder Baumwollsocken geeigneter wären – all diese und etliche weitere Probleme konnten letztendlich jedoch gemeinsam gelöst werden. Anschließend setzten Adrian und Nigel sich dann immer an den Schreibtisch und verfassten schriftliche Anfragen, die an verschiedene Firmen geschickt wurden.

Wir hatten kaum Geld und konnten uns daher nur wenige Ausrüstungsgegenstände zum regulären Ladenpreis leisten. Weshalb so viele der angeschriebenen Unternehmen bereit waren, uns mit Sonderpreisen, Darlehen oder kostenlos zur Verfügung gestellten Produkten zu unterstützen, kann ich nur vermuten. Ich glaube, es gibt auf diese Frage drei mögliche Antworten.

Zum einen gab es Konzerne, die Interesse an der Aufmerksamkeit hatten, für die eine »erste Überlandfahrt« in der Öffentlichkeit sorgen konnte. Dies traf wohl vor allem auf die Hersteller von Motorzubehör zu oder auf Unternehmen mit Handelsbeziehungen im Fernen Osten.

Zum anderen waren da all jene Hersteller, die wissen wollten, ob die von ihnen gefertigten Ausrüstungsgegenstände den Strapazen der Reise gewachsen waren. So wollte einer von ihnen vermutlich herausfinden, ob ein Bauteil eines ansonsten bewährten Produkts besonders anfällig für Staub oder Vibrationen war, was sich dann durch eine bessere Befestigung oder ein geeigneteres Gehäuse leicht würde beheben lassen. Für eine andere Firma war die Erkenntnis nützlich, dass sich in der Hitze und Feuchtigkeit der Tropen die Deckel ihrer Behälter verzogen und undicht wurden.

Ein dritter Beweggrund war schlichte Freigiebigkeit. Wie manche Firmen schrieben: »Uns gefällt die Idee einfach.« Ein Motiv von dem anderen zu trennen, ist jedoch unmöglich. Hinter nahezu jedem einzelnen Stück Ausrüstung, das man uns überließ, steckte eindeutig eine gewisse Großzügigkeit. Ich möchte diese Gelegenheit deshalb auch zum Anlass nehmen, unsere tiefe Dankbarkeit gegenüber den vielen, vielen Unternehmen zum Ausdruck zu bringen, die uns geholfen haben. Ohne ihre Unterstützung hätten wir gar nicht erst aus England aufbrechen können.

Das fehlende Bargeld war jedoch nach wie vor ein Problem. Jeder von uns sechs hatte seine Ersparnisse auf das Expeditionskonto eingezahlt, auf dem somit 600 Pfund zusammengekommen waren. Außerdem verfügten wir noch über die Zuschüsse der Royal Geographical Society und anderer Institutionen für unsere Feldforschung. Und vielleicht ließen sich ja auch vorab schon die Rechte an unserem Buch und dem Film verkaufen. Wir hofften zudem, unterwegs durch den Verkauf von Waren oder Fotos ein paar Einnahmen generieren zu können. B. B. und ich fuhren nach London, um Verhandlungen bezüglich des Buchs und des Films zu führen, und konnten die Rechte für beides nach einigen Gesprächen tatsächlich verkaufen. Es tat gut zu wissen, dass andere Menschen uns dieses Unterfangen zutrauten. Die Einnahmen aus den Filmrechten wurden sofort in eine Kamera investiert, mit der wir den Reisebericht drehen würden, für den man uns eben bezahlt hatte!

Nigel hatte noch allerhand andere Ideen, wie wir zu Geld kommen konnten. Er hatte von einer Filmgesellschaft gehört, die 25 Pfund für den besten Haushaltstipp der Woche zahlte. Nigels Beitrag zu dieser Kampagne war die Beschreibung einer Methode zum Toasten von Crumpets [eine Art Frühstückspfannkuchen] mithilfe einer Büroklammer; er erhielt für seine revolutionäre Erfindung jedoch nie eine Anerkennung, geschweige denn 25 Pfund. Daher beschlossen Pat und ich, zumindest für einen Teil des Sommers eine Arbeit anzunehmen. Pat ging als Barmann in ein Hotel in Cornwall, während ich durch die Seebäder Englands fuhr und Werbung für Orangen aus Südafrika machte.

Unterdessen ging es im Hauptquartier in Cambridge mit den Vorbereitungen weiter voran. Zu diesem Zeitpunkt waren an unseren Schreibmaschinen über tausend Briefe verfasst worden; bis zu unserem Aufbruch dürften es noch einmal um die Hälfte mehr geworden sein. Täglich trafen Pakete und Kisten ein, sodass B. B.s Fotoatelier schon bald einer modernen Version von Aladins Schatzhöhle glich, in der sich alle möglichen Dinge stapelten, von antibiotischen Tabletten bis hin zu Zündkerzen, von Aufnahmegeräten bis zu Zahnpastatuben, vom Arzneikoffer bis zu Zeltstangen.

Die Pläne für die Ausstattung und Beladung der Fahrzeuge wurden von einem »Unterausschuss für Logistik« ausgearbeitet, dem Henry und B. B. angehörten, in enger Rücksprache mit dem Quartiermeister. Manche mögen anmerken, dass wir in zu militärischer Manier an die Sache herangingen, doch wir hatten gute Gründe dafür – auch wenn wir sie nicht allzu ernst nahmen. In einer Gruppe von sechs Personen, die ein Jahr lang unterwegs ist und dabei sämtliche Ausrüstungs- und persönlichen Gegenstände in zwei Autos befördern muss, lässt es sich nun mal nur dann komfortabel reisen, wenn das Ganze zumindest halbwegs gründlich vorbereitet worden ist. Wie schnell kann eine Überlandfahrt in einem so kleinen Fahrzeug wie einem Land Rover unbequem werden, und das würde einem die ganze Freude verderben. Wie die Autos dann letztendlich beladen waren, soll später noch genauer erklärt werden, denn bevor sich herausgestellt hatte, was die beste Lösung war, mussten wir erst noch Erfahrungen im »laufenden Betrieb«, also auf der Straße, sammeln.

Neben dem Fachgremium für Logistik gab es noch weitere, die sich mit den vorgesehenen Feldstudien, einer geeigneten Zeltkonstruktion und den Recherchen zu unserer Route beschäftigten. Die erste Etappe, die uns nach Indien bringen würde, schien relativ einfach zu sein: Erst ging es zum Bosporus, dann immer weiter Richtung Osten, durch die Türkei, Persien und schließlich über Pakistan bis nach Delhi. Wir beschlossen, von dieser Route abzuweichen und einen Abstecher in den Nahen Osten nach Syrien, in den Libanon und den Irak zu machen, um dort einige historische Stätten zu besuchen und Filmaufnahmen zu machen. Über die Route von Kalkutta aus nach Osten hingegen gab es nach wie vor nur ungenaue Informationen. Wir hatten sämtliche Bücher über den Burmafeldzug gelesen, Ministerien und Bibliotheken nach provisorischen Karten aus der Kriegszeit durchforstet und persönlich oder schriftlich alle möglichen Personen kontaktiert, die sich jemals in der Nähe von Nordburma aufgehalten hatten. Wir hatten Briefwechsel mit mehreren Besitzern von Teeplantagen in Assam begonnen, ebenso wie mit dem Hochkommissariat in Delhi, der Botschaft in Rangun, einigen Personen, die die Reise früher schon einmal versucht hatten, sowie mit sämtlichen Automobilklubs, die uns einfielen. Verlässliche oder aktuelle Informationen hatte jedoch niemand für uns. Manche rieten uns, von Kalkutta aus mit dem Schiff weiterzureisen, was uns, die wir ganz bewusst eine Überlandfahrt planten, so vorkam, als würde man einem Bergsteiger sagen, er solle doch das Flugzeug nehmen. Andere wiederum taten unsere Pläne als unrealistisch ab und verglichen uns mit jenen Menschen, die »in Sandalen klettern gehen«. Doch es gab auch einige, die uns etwas mehr Hoffnung machten, eine Weiterfahrt für möglich hielten und uns ein paar vage Hinweise und die besten Wünsche mit auf den Weg gaben.

Unser Plan war letztlich, Assam kurz nach Ende der Monsunzeit zu erreichen und auf einer der beiden alten Straßen aus Kriegszeiten von Indien über die Naga Hills nach Burma zu gelangen. Sollte uns das nicht gelingen, wollten wir nach Kalkutta zurückkehren und mit dem Schiff nach Singapur weiterreisen, und zwar rechtzeitig genug, um es vor Ende der Trockenzeit von der anderen Seite her auf der Überlandroute zu versuchen. In jedem Fall aber würden wir wohl erst einmal aus England aufbrechen und dann darauf hoffen müssen, dass sich alles Weitere klärte, je näher wir dem kritischen Streckenabschnitt kamen. Vielleicht würden wir in Delhi oder Kalkutta ja auch leichter an Informationen kommen als in London.

Zur Frage, ob die Expedition einen Anführer benötigte, gab es kontroverse Diskussionen. Falls ja, musste er in einer Abstimmung ermittelt werden, worauf wir alle keine große Lust hatten; außerdem zeichnete sich keiner von uns gegenüber den anderen durch seine besonderen »Führungsqualitäten« aus. Andererseits würde es ohne einen Expeditionsleiter niemanden geben, der »den Kopf hinhielt«, und wir würden immer erst alles umständlich untereinander besprechen müssen, bevor irgendetwas getan werden konnte. Das würde unser Vorankommen – wie wir schon jetzt gemerkt hatten – deutlich erschweren. Am Schluss blieb die Frage offen, und jeder war für seinen eigenen Bereich verantwortlich. Somit gab es bei unserer Expedition keinen Anführer, oder aber wir waren irgendwie alle Anführer – je nachdem, aus welchem Blickwinkel man unser einzigartig demokratisches System betrachtete!

Wir einigten uns darauf, dass B. B. und ich zusammen mit Nigel in dem Auto namens Oxford fahren sollten, während die drei anderen Cambridge nahmen. Zwar hatten wir nicht vor, es mit dieser Abmachung allzu genau zu nehmen, doch es war sicher klüger, wenn sich in jedem der Autos ein Mechaniker befand, und erleichterte uns auch das Packen, wenn wir nicht öfter als unbedingt nötig unser persönliches Gepäck (Koffer und Schlafsäcke) von einem Auto in das andere umladen mussten. So kam es, dass neben Nigel auch B. B. und ich quasi als Repräsentanten der Universität Oxford unterwegs waren.

Es gibt noch einen anderen Aspekt bei den Reisevorbereitungen, der erwähnt werden sollte: unser Home Team. Es war unabdingbar, einige Unterstützer zu haben, die sich von England aus um alle Belange der Expedition kümmerten. Wir brauchten zwei oder drei Freunde, die mit all unseren Plänen genauestens vertraut waren, die Post an uns weiterleiteten oder Briefe und Anfragen beantworteten, die Sponsoren und privaten Förderern unsere Nachrichten zukommen ließen, uns unterstützten und unsere Interessen offiziell vertraten. Drei Personen, die uns bis dahin schon sehr geholfen hatten, John Deuchars, Peter Wills und Gethin Bradley, übernahmen diese verantwortungsvolle Aufgabe. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, wie viel Arbeit damit verbunden sein würde.

Die einzige Person, die noch nicht näher vorgestellt worden ist, bin ich, doch um die anderen Expeditionsteilnehmer dadurch nicht zu irgendwelchen schriftlichen Anmerkungen zu verleiten, lasse ich lieber dieses Buch für sich selbst sprechen!

Der 1. September war schon lange zuvor zum Abreisetag bestimmt worden, sodass die letzten Augustwochen ziemlich hektisch verliefen. Nigel behauptete, er habe schon Schwielen am Daumen, weil er auf der Suche nach noch fehlenden Ausrüstungsgegenständen ganze Stangen mit Münzen in die Schlitze diverser Telefonzellen gesteckt habe! (Hierbei handelt es sich ganz eindeutig um eine Berufskrankheit, die auch unter dem Namen »Expeditionsdaumen« bekannt sein dürfte.) Während der Rest von uns die Daumen drückte, machte Pat seine Fahrprüfung und bestand sie auch. Die Woche vor dem Aufbruch verbrachten wir kaum mehr an einem festen Ort, sondern überwiegend im Schnellzug oder Auto, irgendwo zwischen London und Cambridge. Einmal sperrte Adrian sich sogar im Fenman Express auf der Zugtoilette ein, weil er dringend ein paar Briefe tippen musste. Doch als die Autos dann endlich eingefahren waren, befanden wir voller Zuversicht, dass wir mit unseren Vorbereitungen fertig waren – zumindest so weit, wie das überhaupt möglich war.

 

Unsere Abreise verlief nicht annähernd mit derselben Nonchalance wie die der meisten anderen Expeditionen. Am Morgen trafen wir uns beim Grenadier, einem kleinen, unaufgeregten Pub gleich hinter Hyde Park Corner. Hätte uns in diesem Moment irgendjemand beobachtet, so hätte er ganz gewiss nicht über uns sagen können: »Sie waren durch nichts aus der Ruhe zu bringen.« Ganz im Gegenteil: In unterschiedlichen Stadien der Erregung flitzten wir hin und her, schickten Taxen los, um schnell noch ein paar wichtige Besorgungen zu erledigen, führten dringende Telefonate und verstauten die letzten Vorräte in den Autos.

Sobald das Pub öffnete, fanden sich auch die Fotografen und Pressevertreter ein. Männer mit Schiebermützen und Belichtungsmessern in der Hand verlegten meterweise Kabel aus kleinen schwarzen Übertragungswagen und kauerten sich dann hinein, um aufzuzeichnen, was wir von uns gaben.

»Nun, Mr Nott, wie sind Sie auf diese Idee gekommen?«

»Wie lange werden Sie voraussichtlich unterwegs sein, und welche Route werden Sie nehmen?«

»Mr Cowell, könnten Sie uns bitte mit wenigen Worten erklären, was Ihre Hauptziele sind?«

Anschließend posierten wir in unterschiedlichen Konstellationen oder stiegen in die Autos und winkten – aus den Fenstern und Dachluken gelehnt – mit einem gekünstelten Lächeln in die Kameras.

Dann trafen unsere Freunde und Verwandten ein und spähten besorgt in die Fahrzeuge – »Oh, das ist aber eng! Du passt aber schon auf dich auf, mein Lieber, ja?« – oder gaben uns ihre guten Wünsche mit auf den Weg, zusammen mit unzähligen Namen irgendwelcher Patentöchter, die Luftwaffenattachés in Kabul geheiratet hatten, oder Schwager, die ein Unternehmen in Bagdad besaßen. »Ihr werdet doch bestimmt dort vorbeischauen, oder?« Endlich ging es nach drinnen, ins Pub, wo wir uns etwas zu trinken und Schottische Eier bestellten; einer der Anwesenden übernahm die Runde mit dem Spruch, der natürlich kommen musste: »Ein letztes Bier für die Fahrt … nach Singapur!« B. B. erwiderte, wir wüssten ja nicht einmal, ob die Fahrt dorthin überhaupt möglich war. Dann gingen wir nach draußen, schoben die letzten, noch nicht verstauten Dinge von den Autositzen, stiegen ein, riefen »Auf Wiedersehen!« und fuhren los.

Im mittäglichen Berufsverkehr zwischen Hyde Park Corner und Westminster verloren wir, die wir im Oxford saßen, die anderen, und warteten am Parliament Square auf sie. Wir hatten Karten für alle möglichen Länder mit dabei, von Frankreich bis Malaya, aber natürlich keine für England. Cambridge tauchte jedoch nicht auf, und da der Weg zum Flughafen von Silver City in Ferryfield leicht zu finden war, beschlossen wir, erst einmal weiterzufahren.

Auf der Westminster Bridge stand unser Kilometerzähler auf 2967; wenn wir die Themse das nächste Mal überqueren würden – und wenn alles gut ging –, würde er über 48000 Kilometer anzeigen. In Camberwell kauften wir uns noch eine Abendzeitung, dann ging es über die Hügel der North Downs hinaus aufs Land. Wenn wir nur nichts vergessen hatten …

Als wir durch die Romney Marsh kurvten und schließlich das Flughafengebäude bei Ferryfield erreichten, hatte der Himmel sich bewölkt. Adrian, Pat und Henry im Cambridge waren noch nicht angekommen, und wir »Jungs aus Oxford« amüsierten uns schon darüber, dass wir die anderen gleich auf der ersten Etappe unserer Reise abgehängt hatten, als man uns mitteilte, sie hätten eben angerufen; sie würden jeden Moment da sein, ließen sie uns ausrichten, und hätten sich verspätet, weil sie auf Bitten von Dunlop noch das Auto wiegen lassen mussten – die Firma machte sich Sorgen, ob der Luftdruck in den Reifen angesichts der schweren Ladung ausreichte.

Kurze Zeit später trafen die Jungs vom Home Team ein, die sich extra ein Auto ausgeliehen hatten, um die Expedition zu verabschieden. Kurz darauf kam dann auch Cambridge mit den drei anderen an – und mit der Geschichte von einem Polizisten, den sie nach dem »Weg nach Singapur« gefragt hatten.

Zwei Stunden warteten wir noch voller Ungeduld auf das Flugzeug, waren derweil aber gut mit den üblichen Formalitäten beschäftigt. Pat, der König der Reisedokumente, schlenderte – ganz weltmännisch mit knallblauem Overall, Baskenmütze und dunkler Sonnenbrille – von einem Schalter zum nächsten und sprach absichtlich mit einem französischen Akzent – »um meinen Rachen schon mal an die Kehllaute am anderen Ufer zu gewöhnen«, wie er sagte. Sein Enthusiasmus wirkte ansteckend, sodass sämtliche Verhandlungen in Sachen Einreise, Geldwechsel, Reisepapiere, Flugtickets und Fahrzeugtransport auf höchst kultivierte Art und Weise vonstattengingen.

B. B. verfolgte das Ganze jedoch nicht lange, sondern verließ schon bald die Abflughalle, um seine Kameras und seine Fotoausrüstung aus dem bereits verzollten Gepäck zu holen. Im nächsten Augenblick tauchte er auch schon wieder am Eingang der großen Halle auf, unsere neue, auf ein langes Stativ geschraubte Filmkamera stolz vor sich hertragend. Monatelang hatte er uns von dieser Kamera erzählt und jetzt hielt er sie triumphierend in die Höhe, sodass alle sie sehen konnten. Die ganze nächste Stunde durchstreifte er das Flughafengebäude, wobei die voll ausgezogenen Beine des Stativs, das er hinter sich herzog, laut über die Fliesen schepperten, und sah dabei aus wie eine Mischung aus einem Schamanen mit Ritualstab und einem Kind mit seinem neuen Spielzeug. Adrian lief unterdessen mit einem großen Schlapphut hin und her, der zu diesem Zeitpunkt irgendwie noch gar nicht so recht zu ihm passte. Dafür erfüllte er mit seinem ernsten, seriösen Gebaren seine Rolle als Geschäftsführer der Expedition aufs Vortrefflichste.