First Taste - Jessica Hawkins - E-Book
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Jessica Hawkins

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Beschreibung

Andrew Beckwith hat sein Herz bereits an ein Mädchen verschenkt – und zwar für immer. Als vor sechs Jahren seine Tochter Bell geboren wurde, hat er sein Bad Boy-Leben aufgegeben. Seitdem ist er überzeugter Single. Denn als Bells Mutter die beiden verließ, schwor Andrew nie wieder eine Frau so nah an sich heran zu lassen, dass er oder Bell verletzt werden könnten. Amelia Van Ecken ist unabhängig, clever und tough; und Inhaberin eines hippen Hochglanzmagazins für Frauen. Außerdem steckt sie gerade mitten in einem schmutzigen Scheidungskrieg. Da bleibt keine Zeit für Sex geschweige denn Liebe. Eher vergräbt sie sich in Arbeit. Aber als Amelia und Andrew sich zufällig über den Weg laufen, springt der Funke sofort über. Sie sind aus verschiedenen Welten, aber die Anziehung zwischen den beiden ist unüberwindbar. Perfekte Voraussetzung also für einen One-Night-Stand. Es ist ja nicht so, dass Gegensätze sich anziehen würden… "Ein vorzügliches Leseerlebnis, voller Emotionen, Angst und Liebe, bei dem man ganz sicher einen Nachschlag verlangt!" (Kim Karr, New York Times Bestseller Autorin) "Ich liebe dieses Buch! Heißer alleinerziehender Vater, der seine Tochter mehr als alles auf der Welt liebt. Großartige Story und Figuren." (Heidi auf Amazon.com) "Mein Gott, Andrew Beckwith, du setzt die Buchseiten in Brand!" (Rea auf Amazon.com)  

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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Die AutorinJessica Hawkins ist Amazon Bestseller Autorin und für ihre emotional packenden und wahnsinnig heißen Romance Geschichten bekannt. Sie schreibt entweder zu Hause in der kalifornischen Wüste oder irgendwo sonst auf der Welt. Sie ist eine Coffee Shop-Reisende, die nur mit ihrem Laptop, Kopfhörern und Kaffeetasse bewaffnet von Café zu Café zieht. Jessica bleibt sehr gerne in engem Kontakt mit ihren Lesern, meistens per Facebook, Instagram oder ihre Newsletter.

Das Buch

Andrew Beckwith hat sein Herz bereits an ein Mädchen verschenkt – und zwar für immer. Als vor sechs Jahren seine Tochter Bell geboren wurde, hat er sein Bad Boy-Leben aufgegeben. Seitdem ist er überzeugter Single. Denn als Bells Mutter die beiden verließ, schwor Andrew nie wieder eine Frau so nah an sich heran zu lassen, dass er oder Bell verletzt werden könnten. Amelia Van Ecken ist unabhängig, clever und tough; und Inhaberin eines hippen Hochglanzmagazins für Frauen. Außerdem steckt sie gerade mitten in einem schmutzigen Scheidungskrieg. Da bleibt keine Zeit für Sex geschweige denn Liebe. Eher vergräbt sie sich in Arbeit. Aber als Amelia und Andrew sich zufällig über den Weg laufen, springt der Funke sofort über. Sie sind aus verschiedenen Welten, aber die Anziehung zwischen den beiden ist unüberwindbar. Perfekte Voraussetzung also für einen One-Night-Stand. Es ist ja nicht so, dass Gegensätze sich anziehen würden… 

»Ein vorzügliches Leseerlebnis, voller Emotionen, Angst und Liebe, bei dem man ganz sicher einen Nachschlag verlangt!« (Kim Karr, New York Times Bestseller Autorin)

»Ich liebe dieses Buch! Heißer alleinerziehender Vater, der seine Tochter mehr als alles auf der Welt liebt. Großartige Story und Figuren.« (Heidi auf Amazon.com)

»Mein Gott, Andrew Beckwith, du setzt die Buchseiten in Brand!« (Rea auf Amazon.com)

Jessica Hawkins

First Taste

Eine Nacht ist nicht genug

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.   Originalausgabe bei Forever. Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Mai 2017 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Titel der amerikanischen Originalausgabe: The First Taste (2016) Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © Renzo70/ Getty Images Übersetzung: Nina Bellem ISBN 978-3-95818-174-8  Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Eins

Andrew

Seit dem Moment, als ich das Haus verlassen habe, bin ich kurz davor, einfach wieder umzudrehen und das Ganze abzusagen. Heute Abend ist das erste Mal, dass ich Bell alleine lasse, seit wir auf uns allein gestellt sind. Bevor sie da war, hätte ich nicht zweimal über eine Nacht auswärts nachgedacht. Bevor sie da war, habe ich über vieles nicht zweimal nachgedacht. Aber eines ist sicher – meine Definition von einer Nacht auswärts hat sich drastisch verändert, seit ich Vater geworden bin.

»Wir rösten Marshmallows über dem Ofen, essen sie mit Schokolade und Keksen und reden über Mädchenkram.« Meine Sechsjährige zählt all die Dinge auf, mit denen ihre Tante sie herumgekriegt hat, damit sie das Wochenende bei ihr verbringt. Währenddessen kämpfen wir uns zur Penn Station durch. »Sie hat eine Puppe für mich, die Windeln trägt und all das.«

»Windeln? Faszinierend.« Sadie wird keine Probleme mit der Erziehung haben, wenn sie es geschafft hat, Bell vorzumachen, dass Windeln wechseln Spaß macht.

Bell versucht sich von meiner Hand loszumachen, aber ich halte sie nur noch fester und verlagere das Gewicht ihrer Übernachtungstasche auf meiner Schulter. »Bleib hier.«

»Schau mal.« Sie deutet auf die den Zug der Linie 1. »Da ist sie!«

»Ja«, sage ich und klinge dabei eindeutig weniger enthusiastisch. Wir kaufen unsere Tickets und steigen in den Zug. Bell hüpft fast vor Aufregung, nur weil sie in der U-Bahn ist. Ihre Faszination bezüglich New York City hat sie nicht von mir. Jedes Mal, wenn ich sie herbringe, hofft ein Teil von mir, dass die Stadt ihre Anziehungskraft auf sie verliert.

Aber als wir die Times Square Station verlassen, merke ich, dass das nicht allzu bald passieren wird. »Können wir in den M&Ms-Laden?«, fragt sie und zieht mich in eine andere Richtung. »Bekomme ich ein Kleid aus dem Disney Store?«

»Nein«, sage ich und wiederhole diese Antwort auf jede ihrer Fragen. »Ich dachte, wir sind hier, um Tante Sadie zu besuchen und nicht einen Haufen Kram zu kaufen, den wir nicht brauchen.«

»Aber wir sollten Tante Sadie ein Geschenk mitbringen«, sagt sie. »Ich glaube, sie liebt M&Ms.«

Wäre ich jünger, dümmer und unerfahrener, würde ich mein kleines Mädchen für seine Selbstlosigkeit loben. Aber bei der ersten Gelegenheit würde sie sich Tante Sadies M&Ms in den Mund stopfen. Ich lotse sie fort von den leuchtenden Bildschirmen und blinkenden Lichtern in Richtung Bryant Park.

Parken, den Zug zur Penn Station nehmen, in die U-Bahn steigen, zu dem Gebäude laufen, in dem sich Sadies Büro befindet – das alles ist eine ganze Menge Aufwand für etwas, was ich eigentlich gar nicht machen will.

Wir nehmen den Aufzug bis in den siebten Stock. Der Mann am Empfang sieht von seinem Computer auf, als wir heraustreten. Sein graues Hemd und die silberfarbene Krawatte passen perfekt zu den neutral gehaltenen Wänden und dem glänzenden weißen Schreibtisch von Amelia Van Ecken Communications und avec.

»Sieh mal, Daddy«, sagt Bell und rennt auf einen Sessel im Foyer zu. »Blauer Plüsch – wie beim Krümelmonster.«

»Das ist Samt«, erwidere ich.

Sie verliert schnell das Interesse und geht neben mir her zum Empfang. Auf der Oberfläche des Empfangstresens spiegeln sich unsere Ebenbilder wider und werden verzerrt, als wir uns nähern. Die Reflexionen betonen unseren Größenunterschied und lassen unsere schwarzen Haare noch glänzender wirken.

Der Mann am Empfang sieht von mir zu Bell und wieder zurück. »Wir schauen uns keine unangemeldeten Bewerber an. Models müssen im Vorfeld einen Termin machen oder auf ein Casting warten.«

Ich richte mich ein wenig auf und fühle mich mit einem Mal wie auf dem Präsentierteller. Ich werde bei einem Besuch in der Stadt nicht zum ersten Mal fälschlicherweise für jemanden aus der Unterhaltungsbranche gehalten, aber das ist mir nicht mehr passiert, seit ich zwanzig war. Es ist immer unangenehm. »Ich bin kein Model.« Ich zeige ihm meine schmutzige Hand. »Außer, es handelt sich um einen Werbespot für Motoröl.«

»Ich sprach von ihr«, sagt er, hebt eine getrimmte Augenbraue und sieht in Bells Richtung. »Einer unserer Klienten besitzt eine Kleiderlinie für Kinder, und ab und zu buchen wir Kinder, damit sie die Kleidung auf Events vorführen.«

»Oh. Ja, das dachte ich mir.« Ich reibe mir den Nacken. Bells Haar wurde seit heute Morgen nicht mehr gebürstet, und sie hat Joghurtflecken auf ihrem Oberteil, aber was soll’s. »Ich habe nur einen Witz gemacht.«

»Keine Sorge.« Er fährt mit den Augen meinen Körper entlang. »Ich kann verstehen, warum Sie das gedacht haben.«

»Wir sind hier, um Sadie Hunt zu besuchen«, sage ich, ehe noch weitere Missverständnisse auftauchen.

»Weswegen?«

»Sie ist meine Tante«, sagt Bell.

»Oh. Natürlich.« Er hebt einen seiner Mundwinkel und winkt eine Frau herbei, die gerade vorbeigeht. »Mindy – das sind Sadies Bruder und Nichte. Bringst du die beiden zu ihr?«

Sie bleibt stehen, und während sie mich mit großen Augen ansieht, schwingt ihr Pferdeschwanz hin und her. »Sadie?«, fragt sie.

»Ja, du weißt schon, die Frau, die dich den ganzen letzten Monat geschult hat«, sagt er. »Die einzige andere Brünette auf dem Stockwerk. Deine Kontaktperson für die IncrediBlast Kampagne.«

»Oh. Richtig. Sadie.« Sie blinzelt, sieht auf Bells Hand in meiner herab und dann in ihr Gesicht. »Du musst Bell sein.«

Bell drückt meine Hand und wippt auf ihren Füßen vor uns zurück. »Sie kennen mich?«

»Sicher.« Sie lächelt. »Sadie spricht ständig von dir. Komm, ich bringe dich zu ihrem Arbeitsplatz.«

Mindy biegt mit uns nach links ab und geht ins nächste Zimmer, einen sonnendurchfluteten, offenen Raum mit großen Fenstern – nicht, dass die nötig wären, denn dort hängt auch ein massiv aussehenderKronleuchter. Alles verdammt schick und überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Lange Schreibtische bilden ein Labyrinth aus Reihen, und die Arbeitsplätze jedes Einzelnen werden von Mac-Computern, buntem Schreibzubehör und blendenden Bilderrahmen abgegrenzt. Niemand sieht von seinem Computer auf. Sadies dunkles Haar hebt sich schwarz vor den weißen Wänden und den Möbeln mit den Goldakzenten ab. Sie steht auf, und Bell läuft voraus, um zu ihr zu kommen, aber Mindy begleitet mich bis zu Sadies Schreibtisch.

»Danke, Mindy«, sagt Sadie und wendet sich dann erst mir zu. »Hast du Mindy kennen gelernt? Sie hat gerade erst hier angefangen.«

»Ja, das habe ich.« Ich lächle höflich. Mindy ist eine hübsches Fraz mit einem, wie ich annehme, guten Geschmack. Von allein wäre ich nicht darauf gekommen, aber das hier ist eine PR-Firma für Fashion und Beauty. Würde ich mir nicht solche Sorgen machen, weil Bell und ich das Wochenende über getrennt sind, hätte ich vielleicht sogar ein bisschen mit ihr geflirtet. Aber das wäre auch das höchste der Gefühle im Moment. »Geben Sie uns eine Minute, Mindy?«

»Oh.« Sie nickt hastig. »Natürlich. Es war nett, Sie kennen zu lernen.«

»Andrew«, schimpft Sadie, sobald wir allein sind. »Das war unhöflich.«

»War es das?«, frage ich. »Also, wegen heute Abend -«

»Sie ist süß«, fährt Sadie fort. »Denkst du nicht?«

»Ja.«

Bell hat es sich bereits an Sadies Schreibtisch gemütlich gemacht und ordnet deren Utensilien in Häufchen an. Ich schiele an der Pyramide aus Kugelschreibern und einem Haufen Büroklammern vorbei und schüttle den Kopf. »Ist der Tacker aus Gold?«, frage ich.

»Er ist ver-goldet«, sagt Sadie, als wären ›aus Gold‹ und ›vergoldet‹ zwei völlig verschiedene Welten. Sie sieht zu Bell und kommt näher. »Was hast du an diesem Wochenende vor?«

»Ich bin mir noch nicht sicher.«

»Du hast zwei ganze Nächte für dich«, sagt sie.

»Das weiß ich.«

»Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, zu… du weißt schon.«

Ich weiß, was sie damit andeuten will, und meiner Erfahrung nach ist es das Beste, das Thema zu wechseln. Wenn Sadie einmal damit anfängt, die Gründe aufzuzählen, weswegen ich wieder anfangen sollte, mit Frauen auszugehen, tendiere ich dazu, ihr bald nicht mehr zuzuhören.

»Was?«, frage ich. »Zu masturbieren?«

»Bäh – ekelhaft.« Sie verzieht das Gesicht, deutet aber unbeirrt mit einem Nicken in die Richtung, in die Mindy verschwunden ist. »Warum redest du nicht mit Mindy? Sie ist Single. Ich wette, sie würde heute Abend mit dir ausgehen.«

Ich verdrehe die Augen. Sadie glaubt, nur weil ich nicht ausgehe, habe ich keinen Sex. Sie vergisst, dass ich ein Mann bin und nichts, nicht einmal das Dasein als Vater, mich davon abhalten kann. »Wie auch immer«, sage ich. »Wegen dem Wochenende -«

»Keine Sorge«, sagt sie und seufzt genervt. »Wir haben alles unter Kontrolle. Nathan kann es kaum erwarten. Er hat bereits jede Menge Spielzeug für Bell gekauft.«

»Warum? Es ist nur ein Wochenende.«

»Ich weiß. Das habe ich ihm auch gesagt.« Sie berührt sanft ihren Bauch, und ich glaube, sie bemerkt diese Geste nicht einmal. »Er sagt, wir werden ohnehin Spielzeug brauchen.«

»Wie geht es dir?«

»Besser als das letzte Mal, als wir uns gesehen haben. Im Moment habe ich am meisten mit Sodbrennen zu kämpfen.« Sie sagt es so fröhlich, als wäre Sodbrennen etwas, auf das sie sich gefreut hat.

»Hat sich das Baby schon bewegt?«

»Ich bin mir nicht sicher. Möglicherweise?« Sie verzieht das Gesicht. »Ist es schlimm, dass ich das nicht weiß?«

»Nein. Beim ersten Kind kann es schwierig sein, es zu merken. Wenn das Baby richtig aktiv wird, wirst du es auf jeden Fall spüren.«

Bei dem Wort Baby wird Bell hellhörig und dreht sich in Sadies Bürosessel. »Kann ich mal anfassen?«

Sadie lächelt. »Du musst nicht fragen.«

»In der neunzehnten Woche ist da noch nicht viel zu fühlen«, sage ich. »Es sieht nur so aus, als hättest du ein kleines Bäuchlein.«

Sadies Lächeln verwandelt sich in einen düsteren Blick. »Ich habe wenigstens eine Ausrede.«

»Netter Versuch.« Ich tätschle mein Sixpack. »Hart wie Granit, egal, was ich esse.«

Sie ignoriert mich einfach, weil sie weiß, dass es stimmt, und weil ihr Witz blöd war.

Bell streichelt den Bauch ihrer Tante, als wäre er eine Seifenblase, die sie nicht zerplatzen lassen will. »Ich glaube, ich kann es fühlen«, sagt Bell.

»Ohhh.« Sadie lächelt. »Das ist nur Luft, Süße.«

Ich reibe mir über den Nasenrücken, und Erinnerungen an die Schwangerschaft meiner Ex treffen mich. Es war nicht nur eine magische Zeit, sondern auch eine voller Blähungen.

Sadie fährt mit der Hand durch Bells dunkles Haar. Sie sehen sich so ähnlich, dass sie Mutter und Tochter sein könnten. »Wenn du noch eine Stunde gewartet hättest, hättest du sie gleich zu uns bringen können«, sagt Sadie. »Ich mache mich gerade fertig, damit ich losgehen kann.«

»Bell ist davon besessen, U-Bahn zu fahren.« Ich hebe die Hände. »Ich weiß nicht, warum – ich glaube, sie hat es mal in einem Film gesehen. Ich habe mein Bestes gegeben, um ihr klarzumachen, was für ein verkommener Ort diese Stadt ist, aber sie scheint sie zu mögen.« Ich beuge mich ein wenig vor. »Sag ihr nur nicht, dass Brooklyn technisch gesehen nicht Manhattan ist. Sonst bekommt sie noch einen Anfall.«

Sadie lacht. »Sie kommt ganz nach ihrer Tante.«

»Nicht mehr, nein. Ich dachte, es gefällt dir dort?«

»Das ist auch so. Es braucht Zeit, bis man sich an Brooklyn gewöhnt hat«, sagt sie langsam, »aber unsere Nachbarschaft ist toll. Viele unserer Freunde leben in der Nähe, und wir haben mehr Platz, obwohl wir so viel Miete zahlen wie in Gramercy Park.«

Sadie ist vor sechs Monaten mit Nate nach Brooklyn gezogen, um ihre Ehe zu retten, die sie fast zerstört hatte. Aber mit meinen Eltern und mir als Vorbildern in Sachen Beziehungen kann ich nicht behaupten, dass es mich überrascht hat, dass sie versucht hat, ihre Beziehung zu sabotieren.

»Aber zwischen euch ist alles gut, oder?«, frage ich.

Sie nickt. »Wir arbeiten jeden Tag daran, aber wir sind so glücklich wie noch nie zuvor.«

Ich sehe auf ihren Bauch. »Es fällt mir auch schwer, mir etwas anderes vorzustellen, jetzt, wo dieser Wonneproppen unterwegs ist.«

»Oh Gott.« Sie verdreht die Augen. »Du klingst wie Nathan. Ihr Männer seid so sentimental. Ich weiß nicht, wie jede Stunde auf die Toilette gehen zu müssen oder Appetit auf Dinge zu entwickeln, die ich normalerweise nicht einmal mit einer Zange anfassen würde, eine Wonne sein soll.«

Ich lächle. Das alles wird schon bald vergessen sein, sobald die Krankenschwester ihr das Baby überreichen wird. So war es zwar nicht für Shana, die nie vergessen hat, wie sehr sie es gehasst hat, schwanger zu sein, aber ich kenne eine Menge Mütter. Sie fangen immer schon früh an, das nächste Baby zu planen. »Falls du etwas brauchst, und Nathan ist gerade nicht da, ruf mich einfach an. Wirklich.«

»Da kannst du dich drauf verlassen.«

»Wo wir gerade von der Toilette sprechen«, sage ich, »ich müsste mal wohin.«

»Charmant.«

»Um diese Uhrzeit haben wir fast eine Stunde gebraucht, bis wir hier waren.« Ich lasse Bells Tasche zu Boden gleiten. »Die Natur ruft.«

»Geh den Weg zurück, den du hergekommen bist«, sagt sie und deutet hinter mich. »Die Toiletten befinden sich rechts neben dem Empfang.«

Ich schlängle mich durch das Labyrinth aus Schreibtischen, bis ich einen Durchgang mit einer Tür finde, auf der aber ein ›Außer Betrieb‹-Schild klebt.

Ich bin kurz davor, trotzdem hineinzugehen, als ich eine Frauenstimme höre, die eindeutig ungeduldig klingt. »Endlich«, sagt sie. »Haben Sie eine Vorstellung, wie lange ich schon auf Sie warte?«

Ich drehe mich herum und sehe direkt in ein Paar hellblaue Augen. Sofort wandert mein Blick nach unten. Vor mir steht eine langbeinige Blondine in einer farbenfrohen Bluse und einem engen, dunkelblauen Rock, der sich an ihre schmalen Kurven schmiegt. Der obere Teil ihrer Bluse ist durchsichtig, und natürlich fällt mir ihr dunkler Spitzen-BH darunter auf.

Sie stemmt die Hände in die Hüften, und ich sehe wieder auf. Ihre Augen funkeln, als würde sie sich freuen, mich zu sehen, aber die Art, wie sie die Stirn runzelt, sagt mir, dass das nicht der Fall ist.

Ich schaue von einer Seite zur anderen, aber wir sind allein im Flur. »Falls das ein Versuch war, mich anzumachen, müssen Sie noch daran arbeiten.«

Sie schürzt die roten Lippen, wobei die ein fast perfektes Herz formen. »Auf diesem Stockwerk gibt es sieben Frauen, vier Männer und nur eine Toilette. Sie wollten schon vor Stunden da sein. Haben Sie Ihre Arbeitsmoral bei Ihrem letzten Job die Toilette heruntergespült?«

Ich verschränke die Arme vor der Brust und weiche zurück. Das sind ziemlich viele Frechheiten für dreißig Sekunden, und niemand außer Bell ist so frech zu mir. »Ich weiß nicht, wovon zur Hölle Sie da reden. Ich bin hier, um meine Schwester zu sehen, und nicht, um mich anschreien zu lassen.«

Sie legt den Kopf schief, und ihre Augenbrauen rutschen tiefer. »Kommen Sie nicht von der Klempnerfirma?«

Mein erster Impuls ist es zu lachen, aber ich glaube, sie hat mich gerade beleidigt. Wenn ich noch meinen Overall aus der Werkstatt tragen würde, hätte ich verstanden, warum sie mich verwechselt hat, aber ich habe nach der Arbeit geduscht und mich umgezogen. In Jeans und einem sauberen T-Shirt bin ich nicht gerade der König von England, aber mir hängt auch nicht der Hintern aus der Hose. »Sie haben den falschen Mann erwischt.«

»Was machen Sie dann in meiner Agentur?«, fragt sie. »Und warum verschwenden Sie meine Zeit?«

Sadie rettet mich. »Es tut mir leid, Amelia«, sagt sie und läuft eilig zu uns. »Das ist mein Bruder.«

Die Frau – Amelia – starrt mich an, und ich erwidere es. Ich strecke die Hand aus. »Andrew Beckwith, Bruder, Vater, kein Klempner.«

Sie sieht meine Hand an und dann zu Sadie.

»Er bringt nur meine Nichte vorbei, damit sie das Wochenende bei mir verbringen kann«, erklärt Sadie.

Amelias Mundwinkel sacken herunter. »Hier ist ein Kind?«

Sadie nickt. »Ja, aber ich bringe sie jetzt sofort nach Hause. Sie wird nicht einmal Zeit haben, um Chaos zu veranstalten.«

Da sie meine Hand verschmäht hat, lasse ich sie wieder fallen und sauge an meinen Vorderzähnen. Typisches

New-York-City-Girl. Nicht ein einziges ihrer blonden Haare rührt sich von seinem Platz. Sie ist groß und dünn, mit einer kleinen, aber feinen Nase und mandelförmigen, erstaunlich blauen Augen. Mein erster Gedanke ist: Sie ist eindeutig nicht Shana. Mein Typ waren früher schwarzhaarige, zierliche, tätowierte und gepiercte Exfreundinnen. Aber diese Frau ist alles andere als das. Sie sieht zwar aus wie eine sexy Barbie, ist aber verdammt arrogant. Ich denke, es ist kein Zufall, dass jede unhöfliche Frau, mit der ich in meinen fünfunddreißig Jahren zu tun gehabt habe, entweder aus der Stadt kommt oder sich gerade dorthin aufmacht.

Es ist klar, dass ich von dieser Frau keine Entschuldigung bekommen werde, selbst wenn ich eine erwarten würde. Aber ich muss immer noch pinkeln, und jetzt, wo mir das bewusst wird, wird es ernst.

»Wenn der Klempner nicht in den nächsten zehn Minuten hier ist, muss ich die Toilette eigenhändig reparieren, und wenn meine teuren Kleider und ich schmutzig werden, werde ich sehr sehr unleidig«, kündigt Amelia an.

Ich glaube, mir würde es gefallen, ihr dabei zuzusehen, wie sie auf dem Boden der Toilette ihr spießiges Outfit schmutzig macht.

Einige Leute stöhnen auf.

Ich öffne den Mund, um zu fragen, wie viel unleidiger sie noch werden kann, vielleicht auch um die Stimmung mit einem kleinen Scherz zu heben, aber Sadie schüttelt hastig den Kopf und hält mich davon ab. Stattdessen frage ich: »Haben Sie nicht gesagt, dass es vier Männer in diesem Stockwerk gibt?«

»Ja.«

»Warum kann nicht einer von denen die Toilette reparieren?«

Amelia wirft den Kopf zurück und lacht, aber es klingt nicht unbekümmert, sondern kalkuliert. »Ist die Hölle zugefroren? Diese Jungs würden einen Schraubenschlüssel nicht einmal erkennen, wenn ich ihnen einen über den Schädel ziehen würde. Und glauben Sie mir, mit dem Gedanken habe ich schon gespielt.«

Ich sehe auf meine Uhr, auch wenn ich nicht sicher bin, wieso. Ich habe keinen Termin – außer, hoffentlich, die Toilette. »Haben Sie Werkzeug hier? Dann sehe ich es mir einmal an.«

»Andrew ist unglaublich geschickt«, sagt Sadie.

Amelia verliert keine Zeit. Sie bedeutet mir, ihr zu folgen. »Hier entlang, Herr Heimwerker.«

Während wir den kurzen Flur entlanglaufen, folgt uns das Trappeln von Füßen. »Kann ich helfen?«, ruft Bell mir nach.

Amelia wirft einen Blick über die Schulter zu mir. »Ist das Ihr Kind?«, fragt sie, als würde sie mich eines Verbrechens bezichtigen.

»Ja. Ist das ein Problem?«

»Nein.« Sie zuckt mit einer Achsel und öffnet dann die Tür zu einer Abstellkammer. Auf dem Boden steht ein beeindruckender Werkzeugkasten. »Aber warum will sie dabei helfen, die Toilette zu reparieren?«

»Weil sie, ebenso wie ihr alter Herr, weiß, dass man es selbst machen muss, wenn man will, dass etwas fertig wird. Wenn Sie gewusst hätten, wie es geht, wären Sie vielleicht nicht in dieser Situation.«

»Oh, ich weiß, wie es geht«, sagt sie und wirft mir einen Blick zu. »Aber mir ist es lieber, andere machen es für mich.«

Bevor ich etwas dagegen tun kann, sehe ich wieder Amelia vor mir, diesmal ist sie aber vornübergebeugt, und ihr Rock rutscht die Rückseite ihrer Oberschenkel hinauf. Ich schiebe den Gedanken beiseite und bin nicht einmal sicher, wo er hergekommen ist. Sie vereint vieles in sich, was ich bei Frauen nicht mag. Ihre Kleidung ist schick, ihr Haar und das Make-up sind perfekt, und es scheint ihr nicht leidzutun, mich für einen Klempner gehalten zu haben, im Gegenteil, sie wirkt eher erfreut darüber. Ich bin hin- und hergerissen, ob ich beleidigt oder beeindruckt sein soll, weil sie es geschafft hat, mich binnen weniger Minuten nach unserer ersten Begegnung dazu zu bringen, ihre Drecksarbeit zu machen.

Ich ignoriere ihren letzten Kommentar, drehe mich um und gehe vor Bell in die Hocke. »Ich habe das im Griff, Kleines. Geh und warte bei Tante Sadie.«

Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen. »Aber ich will helfen«, jammert sie. »Du hast gesagt, ich kann gut mit Werkzeug umgehen.«

»Süße«, sagt Amelia von oben herab, »wenn ein Mann dir anbietet, deine Drecksarbeit zu machen, dann lass ihn auch. Immer.«

Ich sehe hilfesuchend zu Sadie, die meine Verärgerung erkennt und sofort Bell zu sich ruft. Als Bell außer Hörweite ist, stehe ich auf und drehe mich zu Amelia um. »Setzen Sie meinem Kind nicht diese Flausen in den Kopf.«

Und wieder scheint es ihr nicht in den Sinn zu kommen, sich zu entschuldigen. Zwei Grübchen erscheinen auf ihren Wangen, als würde sie ein Lächeln zurückhalten. »Wieso sollten das Flausen sein?«

»Ich ziehe keine privilegierte, verwöhnte Rotzgöre auf. Falls Bells Toilette kaputt ist, wird sie wissen, wie sie sie selbst reparieren kann.«

»Nennen Sie mich eine privilegierte, verwöhnte Rotzgöre?«

Ich mustere sie. Die Art, wie ihr Rock ihre schmale Taille betont und direkt unterhalb ihrer Brüste endet, ist schwer zu ignorieren. Eines hat sie gemeinsam mit Shana, und das ist ein toller Vorbau. Meine Augen wandern wieder zu ihrem Gesicht. »Wem der Rock passt…«

Amelia sieht rasch auf ihr Outfit hinab und deutet dann auf das Werkzeug. »Na ja, ich werde nicht versuchen, Ihre Meinung zu ändern«, sagt sie. »Also, was ist jetzt mit der Toilette?«

Zwei

Als wir wieder draußen sind, bringe ich Sadie und Bell noch zu ihrer U-Bahn-Haltestelle. »Wir sollten vielleicht noch etwas für das Abendessen einkaufen«, sage ich. »Bell hat nichts mehr gegessen seit…«

»Seit?«, fragt Sadie.

»Seit der Fahrt hierher.«

Sadie sieht mich scharf an. »Ich habe die Zutaten für das Abendessen schon zu Hause. Nathan und ich waren gestern Abend einkaufen.«

Ich öffne den Mund.

»Und nein«, schneidet sie mir gleich das Wort ab, »du kannst nicht mitkommen.«

Ich bin noch nicht bereit, mich zu verabschieden, aber ich weiß einfach nicht, wie ich mich selbst einladen soll, ohne verzweifelt zu wirken.

»Was hältst du von Mindy?«, fragt Sadie.

»Wem?«

»Die Neue. Die Frau, die du gerade vor dreißig Minuten oben getroffen hast? Die, die dir gezeigt hat, wo mein Arbeitsplatz ist?«

»Oh.« Ich werfe Sadie einen Seitenblick zu. »Ich glaube, alle deine Kollegen werden sich darüber freuen, wieder eine funktionierende Toilette zu haben, dank des gutaussehenden Fremden.«

Sadie knufft mich mit den Ellenbogen in die Seite. »Andrew.«

»Könnten wir bitte nicht vor dem Kind darüber sprechen?«, frage ich.

»Wir sprechen über gar nichts«, erwidert Sadie.

Ich sehe hinunter zu Bell, die noch kein Wort gesagt hat, seit wir Sadies Büro verlassen haben. Sie läuft zwischen uns, beobachtet den Bürgersteig und nimmt ihre Umgebung gar nicht wahr. »Du bist ziemlich still, Bluebell.«

Sie sieht zu mir auf und lächelt mit geschlossenem Mund – ein Zeichen dafür, dass sie nervös ist. Ich bin auch nicht wirklich ruhig, aber das muss sie nicht wissen. Ich wuschle durch ihre Haare. »Freust du dich auf deinen Übernachtungsbesuch?«

»Ja«, sagt sie.

Ich warte darauf, dass sie begeistert und schnell wie eine Rakete all die Dinge aufzählt, die sie heute Abend machen wird. Einsilbige Antworten sind eine Seltenheit bei ihr.

»Ginger freut sich schon auf dich«, springt Sadie ein.

Bell nimmt einfach nur meine Hand und sagt: »Sie ist ein Hund. Sie weiß nicht, dass ich komme.«

Ich wechsle einen Blick mit Sadie. »Vielleicht ist das doch keine so gute Idee«, flüstere ich.

»Entspanne dich. Das wird uns allen guttun. Du brauchst mal eine Pause, und sie muss auch einmal etwas Neues ohne dich ausprobieren. Du gibst immer damit an, wie unabhängig sie ist, aber wenn es um dich geht, ist sie das nicht.«

Ich starre auf meine Schuhe. Ich will ja, dass Bell unabhängig ist – nur nicht von mir. Das ist wahrscheinlich das Letzte, was ich will. Sie ist immer noch mein Baby. Ich weiß nicht einmal, ob ich heute Nacht schlafen kann, wenn ich weiß, dass sie nicht zu Hause ist, wo ich sie beschützen kann. »Was ist mit dir?«

»Nathan und mir wird es guttun.« Sadie lächelt. »Wir können üben.«

Meine schlechte Laune wird ein wenig besser. In etwa vier Monaten wird Bell nicht mehr das Baby der Familie sein. Ich vermisse Bell als Baby, auch wenn es sehr hart war, vor allem, weil Shana sich nicht in ihre Rolle als frischgebackene Mom einfinden konnte. Bell war damals schon so übereifrig wie heute, und auch wenn ich es damals nicht wusste, war es doch der Beginn der besten Jahre meines Lebens.

An der Haltestelle bleiben wir stehen. Ich reiche Sadie Bells Übernachtungstasche und gehe in die Hocke. »Ich hole dich am Sonntag ab. Du kannst mich jederzeit anrufen, falls du etwas brauchst.«

»Wie?«

»Mit Tante Sadies Telefon.«

»Aber…« Sie sieht zu Sadie auf und dann wieder zu mir. »Kannst du nicht auch mitkommen?«

»Dads machen bei Übernachtungsbesuchen keinen Spaß«, sagt Sadie. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob Onkel Nathan bleiben darf.«

Bell schluckt, und ihre Augen füllen sich mit Tränen. »Ich will nicht gehen.«

»Oh, komm schon, Kleine«, sage ich lächelnd, auch wenn ihre Worte mir das Herz zerreißen, als wäre es dünn wie Reispapier. »Du hast dich schon die ganze Woche darauf gefreut.«

»Ich hab’s mir anders überlegt.«

»Bell, du bist schon ein großes Mädchen«, sage ich. »Nicht weinen. Was sagst du mir immer, wenn es ums Weinen geht?«

Sie atmet zittrig ein, aber nach ein paar Sekunden sacken ihre Schultern ein paar Zentimeter herab. »Das machen nur kleine Jungs.«

»Genau.« Ich nicke. »Also, jetzt geh mit Tante Sadie, und gib Ginger einen Kuss von mir.«

Ihre Wangen sind rot, weil sie die Tränen zurückhält, aber sie heben sich, weil sie sich ein kleines Lächeln abringt. »Was ist mit Onkel Nathan?«

»Hast du jemals gesehen, dass ich Onkel Nathan küsse?«

Sie kichert, und ich drücke ihr einen Schmatzer auf die Stirn, ehe ich wieder aufstehe. Ich möchte, dass sie stark ist. Dass sie sagt, was sie denkt, und für sich selbst einstehen kann. Ich will auch, dass sie aufhört, so schnell erwachsen zu werden. Dieser Kampf in mir wird wohl niemals enden – ein kluges, erwachsenes, selbstbewusstes Mädchen aufziehen zu wollen und gleichzeitig Bell immer mein kleines Baby bleiben zu lassen. Manchmal habe ich Angst, ich versaue es.

»Was wirst du jetzt machen?«, fragt mich Sadie.

Um diese Zeit bereite ich sonst das Abendessen vor. Gehe mit Bell einkaufen oder höre ihr dabei zu, wie sie mir von ihrem Tag erzählt, während ich Gemüse schneide. Für einen Drink ist es noch zu früh, aber vielleicht gehe ich in die Timber Tavern, mein übliches Wasserloch. »Ich schätze, ich fahre nach Hause.«

Sie breitet die Arme aus. »Aber du bist in New York City. Warum machst du nicht etwas Schönes? Lebe mal ein bisschen.«

»Ich hasse diesen Ort schon, seit wir Kinder waren. Er ist voller oberflächlicher Snobs, Anwesende eingeschlossen.«

Sie grinst. Diese Art von Neckerei ist sie bereits von mir gewöhnt. »Ich meine ja nur, du bist für achtundvierzig Stunden Junggeselle. Nutze sie weise.«

»Ich bin auch ein fünfunddreißig Jahre alter Dad«, sage ich todernst. »Ich gehe kaum noch auf Sauftouren.«

»Dann schlage ich vor, du machst die Mitte-Dreißig-Version einer Sauftour und schlägst dir den Bauch mit gutem Essen voll. Um die Ecke gibt es ein Lokal mit großartiger Pizza. Ernsthaft. Dafür könnte man sterben.«

Sadie hat die seltsame Angewohnheit, zu sagen, sie könnte für eine Mahlzeit sterben. »Mir gefällt mein Leben«, sage ich. »Aber ich denke darüber nach.«

»Fertig?«, fragt Sadie Bell und nimmt sie bei der Hand.

Wir verabschieden uns, und die beiden wichtigsten Frauen in meinem Leben gehen ohne mich die Stufen hinab.

Ich schiebe die Hände in die Taschen und sehe ihnen noch lange nach, nachdem sie verschwunden sind. Bis zur Penn Station sind es fünfzehn Minuten, aber bei dem Gedanken an mein leeres Haus werde ich langsamer und schleiche nur noch dahin. Ich bin das gesamte Wochenende allein – zum ersten Mal, seit Bells Mutter mich vor fast vier Jahren verlassen hat. Die Jungs aus meinem Geschäft laden mich immer wieder mal ein, mit ihnen wegzugehen, aber die meiste Zeit ziehe ich es vor, mit Bell zu Hause zu bleiben. Und selbst zu den seltenen Gelegenheiten, an denen ich wirklich einen Babysitter kommen lasse, weiß ich doch, dass Bell sicher in ihrem Bett liegen wird, wenn ich nach Hause komme. Zwei Nächte ohne dieses beruhigende Wissen fühlen sich an, als hätte ich gerade einen Arm oder ein Bein verloren.

Auf meinem Weg zurück zum Zug bleibt mein Blick an der unglaublich heißen Blondine hängen, die aus Sadies Bürogebäude tritt, noch bevor ich bemerke, wer sie ist. Sadies Boss, Amelia, bleibt ein paar Meter vor mir stehen und wühlt in ihrer Handtasche. Sie trägt ein kleines Paket, eine Laptoptasche und eine Handtasche über die Schulter gehängt, unter die Arme hat sie eine Kladde und diverse Magazine geklemmt und einen Thermobecher in der Hand.

Ich gehe auf sie zu, bis ich direkt vor ihr stehe. »Brauchen Sie Hilfe?«

Sie hält den Kopf gesenkt. »Nein.«

Ihre knappe Antwort bringt mich dazu, die Arme zu verschränken. »Ich versuche nur freundlich zu sein.«

»Klar«, schnaubt sie. »In dieser Stadt? Da bedeutet Freundlichkeit -« Sie sieht auf und mustert mich. »Oh. Sie sind der Klempner.«

»Zum letzten Mal, ich bin kein Klempner«, sage ich. »Ich bin Sadies Bruder.«

Die Winkel ihres roten Mundes zucken, als würde sie gleich grinsen, aber sie schafft es, das zu verbergen, was fast noch schlimmer ist. »Natürlich. Mein Fehler.«

Der Thermosbecher, den sie eben unter ihren Ellenbogen gestopft hatte, fällt scheppernd zu Boden. »Scheiße«, sagt sie und versucht ihn aufzuheben und gleichzeitig den Rest zu balancieren.

»Lassen Sie mich Ihnen helfen«, sage ich und hebe den Becher auf. »Wo wollen Sie hin?«

»Ich brauche keine Hilfe.« Sie nimmt mir die Kanne ab. Einige Blätter Papier rutschen aus der Kladde und drohen herauszufallen. »Nur weil Sie meine Toilette repariert haben, heißt das noch lange nicht, ich wäre hilflos.«

»Das wollte ich damit auch nicht andeuten.« Da meine Hilfe unerwünscht ist, stecke ich mir die Hände unter die Arme, um mich selbst davon abzuhalten, die Blätter aufzuhalten, die drohen, ganz aus der Kladde zu fallen. Ich schaue aber in Richtung der gelben Blätter, die offensichtlich aus einem Block gerissen wurden, und hoffe, sie versteht den Wink. Die Handschrift – wie ich vermute, ihre – ist unordentlich, aber ich kann die Worte Vermögenswerte und Alimente lesen.

»Versuchen sie nicht so offensichtlich auf meine Brüste zu starren.«

»Das habe ich gar nicht«, sage ich und lasse meinen Blick ein paar Zentimeter höher wandern. Wenn ihr BH nicht gerade von der NASA entwickelt wurde, trägt sie mehr Holz vor der Hütte als ihre schmale Figur vermuten lässt. »Aber jetzt schon.«

Amelia versteckt sich hinter den Stapeln in ihren Armen, und die Blätter in der Kladde fallen, eines nach dem anderen, heraus. »Verdammt«, sagt sie und lässt die Magazine mit einem Klatschen auf den Bürgersteig fallen. Eine Windböe pustet die verstreuten Papierblätter davon.

Ich habe noch immer die Arme vor der Brust verschränkt und sehe ihr dabei zu, wie sie herumläuft, um alles wieder einzusammeln. »Stehen Sie nicht einfach so herum«, faucht sie und sieht dabei kaum auf. »Das sind wichtige Papiere.«

Ich schüttle den Kopf, lache leise und laufe schnell an ihr vorbei, um die Blätter aufzusammeln, die am weitesten weggeflogen sind. Ich schaffe es, sie alle aufzusammeln, allerdings erst, nachdem ein Anzug auf zwei Beinen, der ein Handy an sein Ohr gedrückt hält, es geschafft hat, darüber zulaufen. «Hey, Arschloch«, sage ich laut genug, dass er es hören kann. Er reagiert gar nicht darauf.

Als ich mich wieder umdrehe, begrüßt mich ein erstaunlicher und willkommener Anblick. Amelia ist vornübergebeugt und legt den Inhalt der Kladde auf den Zeitschriftenstapel. Die Frau hat kaum ein Gramm Fett an sich, aber einen Hintern wie eine Melone, und auf einmal verspüre ich einen Hunger, der sich nicht mit Pizza stillen lässt. An ihr ist eindeutig mehr als eine Hand voll dran – und steht ihrem Vorbau in nichts nach.

Ich lasse meine Augen über ihre wohlgeformten Waden wandern – ist sie eine Läuferin? –, weiter zu ihren schmalen Knöcheln und den hohen, hohen schwarzen Absätzen. Der schlafende Riese in mir erwacht, als würde mein Körper wissen, dass ich ein Wochenende ohne Termine vor mir habe – ein paar der wenigen Tage ohne die zeitfressende Verantwortung, eine Sechsjährige großzuziehen.

Meine Stimmung ändert sich. Die Neugier weicht Faszination. Ich gehe wieder zu ihr hinüber, und als sie ihre Blätter wieder eingesammelt und sich aufgerichtet hat, halte ich ihr den Stapel Papier entgegen, den ich aufgehoben habe. Auf einem der Blätter, auf dem Geschäftsbedingungen abgedruckt sind, prangt ein Schuhabdruck. Sie sieht ihn an, blinzelt und beginnt zu lachen.

Ich grinse, überrascht von ihrer plötzlichen Offenheit. »Das ist auch eine Möglichkeit, die Botschaft rüberzubringen«, sage ich.

»Das ist es.« Sie wischt sich über die Augenwinkel und hält inne. »Warten Sie mal, wer soll die Botschaft bekommen?«

»Ihr Ehemann.«

Ihr Gesicht wird zu Stein. Sie will die Papiere

entgegennehmen, aber in der einen Hand hat sie bereits einen Stapel Blätter und in der anderen den Thermobecher. Sie breitet die Ellenbogen ein wenig aus, gerade genug, damit ich die Papiere darunter klemmen kann. Das mache ich aber nicht.

»Darum handelt es sich doch, oder?«, frage ich, werfe einen Blick darauf und bemerke die zahlreichen Anmerkungen am Rand. »Scheidungsvereinbarung oder etwas in der Art.«

Ihr Ausdruck wird merklich kühler, und auch wenn sie, seit wir uns begegnet sind, nichts anderes getan hat, als mich herumzukommandieren und kleinzureden, fühle ich mich sofort schlecht, weil ich ihr die gute Laune verdorben habe. Sie scheint nicht der Typ Frau zu sein, der oft lacht.

»Schon gut.« Ich streiche die Blätter auf meinem Stapel glatt, schiebe die Seite mit den handgeschriebenen Notizen ganz nach unten und nehme ihr weitere Seiten aus der Hand.

»Was tun Sie -«

»Sie sagten, die sind wichtig.« Ich schaue auf die Seitenzahlen und beginne, den Vertrag wieder in die richtige Reihenfolge zu bringen, während sie mir dabei zusieht.

»Die wissen nicht, dass wir noch verheiratet sind«, sagt sie.

Ich sehe kurz auf, ehe ich mich wieder meinem Projekt widme. »Wer?«

»Alle. Ich habe allen schon vor Monaten gesagt, dass es erledigt ist, wie es eigentlich auch geplant war, aber bisher ist das noch nicht geschehen. Erwähnen Sie es also bitte ihrer Schwester gegenüber nicht.«

»Warum nicht?«

»Es ist… kompliziert, und ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen müssen wegen -«

»Nein«, unterbreche ich sie. Es gibt für mich keinen Grund, es Sadie gegenüber zu erwähnen, und es ist Amelias gutes Recht, es geheim zu halten. »Ich meine, warum ist die Scheidung noch nicht durch?«

»Oh.« Sie sieht weg. »Wie ich bereits sagte: Es ist kompliziert.«

»Was ist das nicht?«

»Ich schätze, heutzutage nicht viel.« Sie sieht auf die Papiere zwischen uns. »Ich sollte gehen.«

Ich gebe sie ihr nicht. Ich bin noch nicht bereit, mich zu verabschieden. In den vier Jahren, in denen ich Single bin, habe ich schon bei vielen Gelegenheiten mit ehrgeizigen Frauen zu tun gehabt. Aber keine davon hat mir das Gefühl gegeben, eine solche Nervensäge zu sein. Es ist fast schon nett, mal etwas anderes, und ich habe nichts weiter vor, also kann ich genauso gut abwarten, wo das hier noch hinführt. Ich deute mit einem Nicken hinter sie. »Das ist also Ihre Firma?«

Sie sieht an dem Gebäude hinauf zu ihrem Stockwerk und nickt. »Und nein, mein Daddy hat mir das Startkapital dafür nicht gegeben.«

Die Frau ist nicht auf den Mund gefallen, aber je genervter sie wirkt, umso mehr will ich sie piesacken. »Also haben Sie das Geld von Ihrer Mom?«

Sie beißt die Zähne zusammen. »Tatsächlich nein. Ich habe gearbeitet, während ich auf dem College war, und habe in meinen Zwanzigern jeden Dollar gespart, den ich verdient habe. Ich habe einen Investor, aber das bedeutet nicht, ich hätte mir nicht den Hintern aufgerissen, um so weit zu kommen.«

»Entspannen Sie sich. Ich ziehe Sie nur auf. Ich habe auch ein eigenes Geschäft.«

Sie verlagert das Gewicht von einer Seite auf die andere, und ihre Augen wandern von den Papieren, die ich ihr nicht geben will, zu meinem Gesicht. »Hören Sie, ich gehe nicht mit Leuten aus. Also können Sie aufhören mit dem, was Sie da gerade machen. Ich bin nicht interessiert.«

Ich hebe das Kinn. Hätte das, was sie eben gesagt hat, nicht meine Aufmerksamkeit erregt, hätte mich ihre Offenheit beeindruckt. »Mit wem gehen Sie nicht aus?«, frage ich. »Klempnern? Jemandem, der nicht aus New York kommt?«

»Nein, ich gehe nur einfach nicht aus. Mit niemandem. Punkt.«

Ich beuge mich ein wenig vor und erhasche etwas von ihrem Parfum. Es riecht satt, elegant und so anders als die nach Zitrone duftenden Lotionen, die die Frauen zu Hause benutzen. »Weil Sie verheiratet sind?«

»Nein.«

»Hat es etwas mit ihrem baldigen Exmann zu tun?«

Sie hält meinen Blick fest. »Um das zu erkennen, muss man kein Genie sein.«

»Na, dann werden Sie sich freuen, dass ich ebenfalls nicht ausgehe. Weder mit süßen Biker-Mädels in engen Jeans, auch wenn sie mein Typ sind, und auch nicht mit zickigen Frauen aus der Stadt, die eindeutig nicht mein Typ sind.«

Sie weicht zurück, als hätte ich sie geschlagen, aber es dauert einen Moment, ehe sie etwas sagt. Und in diesen Sekunden ist die Erkenntnis auf ihrem Gesicht zu sehen. »Sie haben auch eine Ex.«

»Ja.«

»Es macht mir nichts aus, als zickiges City Girl tituliert zu werden.«

»Das nahm ich auch nicht an.« Je länger ich hier stehe, umso mehr glaube ich, Amelia ist vielleicht genau das, was ich dieses Wochenende brauche. Ich kann mich nicht über mein Leben beschweren, aber bevor Bell kam, war ich viel spontaner. Manchmal habe ich sogar daran gedacht, aus New Jersey wegzuziehen. Aber die Wahrheit ist, Jersey ist meine Heimat. Ich hätte es nicht lange woanders ausgehalten und wäre dann zurückgekommen. Der Lebensrhythmus dort passt besser zu mir als der in der Stadt, aber es ist eine Weile her, seit ich woanders etwas getrunken habe als in der Timber Tavern, der einzigen Bar, in die ich gehe, seit Bell geboren wurde. Es ist auch eine Weile her, seit ich mit jemandem geflirtet habe, der keine Klassenkameradin aus der Highschool oder die Freundin einer Freundin oder die Freundin der Freundin einer Freundin war…

Aus Spaß verstecke ich die Scheidungspapiere hinter meinem Rücken. »Was haben Sie heute Abend noch vor?«

Sie schnaubt spöttisch. »Es ist Freitagabend. Was habe ich nicht vor? In einer Stunde gehe ich mit Freunden etwas trinken, dann kommt ein spätes Abendessen, und dann sehe ich weiter.«

»Sagen Sie das ab.«

Sie starrt mich an. »Absagen? Warum sollte ich?«

»Gehen Sie mit mir aus. Sadie sagt, hier in der Nähe gibt es ein Lokal mit großartiger Pizza.«

Sie lacht, legt dabei den Kopf schief und entblößt die glatte Haut ihrer Kehle. »Zuerst einmal esse ich keine Kohlehydrate, also können Sie mich mit Pizza zu gar nichts verlocken. Und außerdem habe ich es Ihnen bereits gesagt – ich gehe nicht aus.«

»Das mache ich auch nicht.«

»Warum bitten Sie mich dann, mit Ihnen auszugehen?«

»Da ich, trotz all dem, was Sie von mir denken, ein Gentleman bin, und es gehört sich einfach, Sie vorher zum Abendessen einzuladen.«

»Vorher?«, fragt sie und zieht die Nase kraus. »Was kommt danach?«

Wir starren einander an. Sie soll von allein darauf kommen. Es kommt selten vor, dass ich eine Frau treffe, die wie ich ist, jemand, der wirklich keinen Partner finden will. Das habe ich schon von genug Frauen gehört, um zu wissen, wann sie mir nur Schwachsinn erzählen. Und wenn Amelia nicht eine hochbegabte Betrügerin ist, hat sie keine Lust auf was Festes. Als sie es endlich versteht, glätten sich die Falten auf ihrer Stirn, und sie öffnet den Mund. Ich antworte ihr mit einem wissenden Lächeln. Normalerweise würde ich mir wahrscheinlich eine Ohrfeige einfangen, wenn ich einer Frau eine halbe Stunde nach der ersten Begegnung Sex vorschlage, aber ich habe das Gefühl, Amelia weiß so ein direktes Vorgehen zu schätzen.

»Ich gehe nicht auf Dates«, sage ich, »aber ich bin immer noch ein Mann mit Augen im Kopf.«

Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie mich von Kopf bis Fuß mustert. »Du bist auch nicht unbedingt mein Typ«, warnt sie mich.»Ich mag Männer, die eine Aktentasche bei sich haben und regelmäßig zum Friseur gehen.«

Ich fahre mir mit der Hand durch mein schwarzes Haar. Ich weiß, es ist zu lang. »Und wie sieht das für dich aus?«

Sie verengt die Augen. »Ja. Perfekt.«

»Ich habe auch ein paar Tattoos«, sage ich. »Und ich besitze ein Motorrad. Da ich normalerweise die meisten Frauen damit beeindrucke, gehe ich davon aus, dass dir das nicht gefällt.«

»Das stimmt«, sagt sie sofort und strafft ihre Schultern. »Ich habe den Reiz eines Bad Boys nie verstanden.«

»Dann sind wir heute Abend ja das perfekte Paar, oder? Es sollte für keinen von uns besonders schwer sein, anschließend auf Wiedersehen zu sagen.« Sie flattert ein paarmal mit den Wimpern, aber nicht, weil sie flirtet, sondern weil sie nachdenkt. Abwägt. Was bedeutet, es ist so gut wie beschlossen. Noch nie ist eine Frau einfach gegangen, nachdem ich so weit bei ihr gekommen bin. »Warum sollen wir dann überhaupt noch essen gehen?«, fragt sie.

Ich nehme mir einen Moment, um sie zu betrachten: ihr schulterlanges, blondes, perfekt frisiertes Haar. Ihre ausgeprägten roten Lippen, die die Form eines Herzens haben, wenn sie sie schürzt, was oft vorkommt. Ja, angesichts der Tatsache, dass ich Details an ihr bemerke – etwas, was ich versuche nicht mehr zu tun –, weiß ich, ich stehe auf sie. Die meisten Typen würden die Chance, den Smalltalk zu überspringen, nutzen, aber das ist nichts für mich. Ich mag Frauen, das war schon immer so. Nur weil Shana mich verarscht hat, heißt das nicht, dass ich Frauen nicht mehr zu schätzen weiß. Es bedeutet auch nicht, dass ich keine Zeit mehr mit ihnen verbringen will – solange es nicht zu sehr in die Tiefe geht.

Ich will sie nicht verschrecken, indem ich vorschlage, dass wir uns eventuell unterhalten könnten, also zucke ich nur mit den Achseln. »Weil ich verhungere.«

»Ich bin nicht hungrig.«

»Dann geh mir zuliebe mit. Ich brauche Energie.«

»Wofür?«, fragt sie.

Ich sehe sie an und hebe meine Augenbraue. Wenn ich sie heute Nacht richtig händeln will, brauche ich Nahrung.

Sie deutet meinen Gesichtsausdruck, und ihre Wangen röten sich. »Oh.«

Im Geiste klatsche ich mit mir selbst ab, weil ich es binnen kurzer Zeit geschafft habe, diese beherrschte Frau sowohl lachen als auch erröten zu lassen.

Sie sieht über meine Schulter und schüttelt nach ein paar Sekunden den Kopf. »Nein. Das ist eine dumme Idee. Tut mir leid.«

Oh. Ich hatte mit Widerstand gerechnet, aber nicht mit einem harten Nein. »Was daran ist dumm?«

»Ich bin einfach nur nicht mehr mit jemandem zusammen gewesen, seit -« Sie konzentriert sich auf einen Punkt hinter mir, als würde etwas dort ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich weiß, da ist nichts. Sie will mich eigentlich gar nicht absägen, aber es ist einfacher, mich nicht anzusehen, während sie es macht. »Also, ich wäre nicht… Es ist eine Weile her, seit ich es gemacht habe.«

»Was gemacht?«, frage ich. Ich weiß, was sie meint, aber sie will wohl ihre Fassade aufrechterhalten, und das macht mich nur umso neugieriger darauf, was sie darunter verbirgt.

Sie sieht wieder mich an. »Sex.«

»Oh, mach dir darum keine Sorgen.« Ich grinse. Eine Böe löst einige ihrer Haare aus ihrer Frisur, und sie bleiben an ihrem Lippenstift kleben. Sie kann nichts dagegen machen, denn ihre Hände sind voll, also hebe ich die Hand und löse die Strähnen, wobei meine Fingerspitzen über ihre Wange fahren. Ihre Haut ist überraschend weich, dafür, dass sie so eine harte Schale hat. Sie zuckt zusammen, aber ich versuche mein Glück und streiche ihr die Haare hinters Ohr. »Du wirst dich schnell wieder daran erinnern«, sage ich. »Dafür werde ich sorgen.«

»Aber -«

»Sieh mich an.«

Sie tut es, und was auch immer sie bisher zurückgehalten hat, wird schwächer. »Nur damit das klar ist: Du willst einen One-Night-Stand. Nur Sex.«

Das Bild, das ihre Offenheit in mir hervorruft, lässt meinen Magen Saltos schlagen – sie, wie sie mit herausgestreckten Brüsten unter mir liegt, das perfekte blonde Haar von meinen Händen zerwühlt, und ihr Mund, auf dem der rote Lippenstift verschmiert ist. Binnen kürzester Zeit könnte ich die langen, schlanken Beine dieser Schönheit um meine Hüften spüren. Sie verkörpert alles an einer Frau, was ich sonst zu vermeiden versuche – sie ist verklemmt, snobistisch, egozentrisch –, aber ich scheine einfach nicht gehen zu können. Vielleicht ist es wirklich eine dumme Idee, erst essen gehen zu wollen. Ich bin versucht, gleich zum angenehmen Teil zu kommen.

»Ja«, sage ich. »Nur Sex.«

»Völlig unverbindlich. Keine Bedingungen. Nur heute Nacht.«

Ich nicke. »Mehr habe ich nicht anzubieten.«

»Geht mir genauso.«

»Also fangen wir mit dem Abendessen an. Schauen wir, wie wir miteinander zurechtkommen.« Und da ich mir sicher bin, sie verführen zu können, füge ich hinzu: »Und falls du es dir anders überlegst, gehen wir getrennte Wege.«

»Okay.« Sie macht einen Schritt zurück. »Ich kenne ein tolles Lokal in der Gegend.«

»Gibt es dort Pizza?«

»Nein. Ich sagte dir doch, ich esse keine Kohlehydrate.«

»Den Satz verstehe ich nicht.« Ich bedeute ihr mit einem Nicken, mir zu folgen. »Komm mit.«

»Ich gehe nicht Pizza essen.«

Ich gehe weiter und lausche auf das Klicken ihrer Absätze hinter mir. »Magst du sie nicht?«

»Nein.«

»Na ja, ich mag die Stadt nicht, aber ich bin hier und verbringe den Abend hier. Heute Nacht versuchen wir mal etwas Neues.«

Sie schnaubt, protestiert aber nicht weiter. Nach ein paar Sekunden hat sie mich eingeholt. »Falls du mich für dich gewinnen willst, solltest du wissen, dass ich mich nicht gerne herumkommandieren lasse.«

Ich sehe aus dem Augenwinkel zu ihr hinüber und versuche, mein Lächeln zu verbergen. »Das wirst du, wenn ich mit dir fertig bin.«

Sie keucht. »Was soll das bedeuten?«

»Es bedeutet, dass es noch nie eine Herausforderung gegeben hat, die ich nicht angenommen hätte, und du hast mir gerade eine sehr verlockende Herausforderung gestellt. Wir werden später sehen, wie lange du dich meinen Befehlen verweigern kannst.«

Sie schaut mich skeptisch an. »Dann mach, was du willst. Ich wollte dir nur dabei helfen, mich zu verführen, aber wenn du dir lieber selbst mehr Arbeit machen willst…«

»Das heißt, du bist heute Abend nicht leicht rumzukriegen?« Ein junger Mann, aus dessen Handy laute Musik ertönt, tanzt ruckartig auf uns zu. Ich lege meinen Arm um Amelia und lotse sie aus dem Weg. »Mir macht es nichts aus«, fahre ich fort. »Wie ich bereits sagte, ich bin bereit für die Herausforderung.«

»Gut«, sagt sie und wirft sich das Haar über die Schulter. »Das bin ich auch.«

»Ich hasse es, dich enttäuschen zu müssen, aber ich bin heute auf jeden Fall leicht rumzukriegen.«

Sie sieht mich an und hebt eine Braue. »Na ja, du bist ein Mann.«

»Das ist nicht der Grund.« Ehrlich zu einer Frau zu sein, ist erfrischender, als ich gedacht hatte. »Ich finde dich einfach attraktiv, und mittlerweile gibt es fast nichts, was du sagen kannst, was meine Meinung ändern würde.«

Der Typ ist an uns vorbeigelaufen, aber Amelia löst sich anfangs nicht von mir. Als sie es doch tut, bin ich versucht, sie weiter an mich gedrückt zu halten. Aber ich merke, ich muss ihr mehr Zeit geben, um lockerer zu werden.

»Absolut nichts?«, fragt sie.

Ich stöhne auf. »Warum glaube ich, du stellst es dir als eine Herausforderung, mich zu verscheuchen?«

»Das würde ich nicht machen«, sagt sie, aber ich kann an ihrer Stimme hören, dass sie mich aufzieht. Vielleicht ist das so. Aber sie ist heiß, und ich bin scharf auf sie, also bin ich bereit für ein kleines Katz-und-Maus-Spielchen. Außerdem habe ich heute Abend ja ohnehin nichts anderes vor.

Drei

Vor dem Pizzaladen steht eine Schlange, die sich bis vor die Tür windet, und als Amelia und ich näher kommen, sehen wir, dass es sich mehr um eine Bude als ein Restaurant handelt. Es gibt nur Stehplätze, und die Leute lungern mit ihren Pizzastücken vor dem Laden herum.

»Ich wusste nicht, dass wir uns hier nicht hinsetzen können«, sage ich zu Amelia und bemerke dann erst ihren finsteren Blick. »Sollen wir woanders hingehen?«

»Irgendwohin, wo es keine Pizza gibt?«

Ich lache leise. »Nein. Heute gibt es Pizza.«

»Dann nein.« Sie lächelt schmal und verlagert die Sachen auf ihren Armen. »Das ist schon in Ordnung. Es hat nicht viel von einem ersten Date, aber -«

»Wow – Moment Mal. Falls das ein Date sein soll, führe ich dich ganz woanders aus. Dann wirst du dich vor Romantik kaum retten können.«

Sie wirkt amüsiert. »Das war nur ein Witz. Mir wäre es lieber, wir lassen die Romantik außen vor.«

»Oh.« Ich reibe mir über den Nacken und bin überrascht, weil ich gleich an Romantik gedacht habe. In Jersey gibt es eine Frau, Denise, eine Freundin aus Highschool-Zeiten. Sie versteht mich – weiß, dass ich emotional nicht zu haben bin. Aber als Denise und ich etwas miteinander angefangen haben, hat sie dennoch versucht, mich dazu zu bringen, romantisch zu sein. Sei es beim Abendessen oder indem sie mich nach Bell fragte. Seit Shana gegangen ist, ist das nicht mehr mein Ding. »Wie heißt er?«

Amelia blinzelt und sieht zu mir auf. Gemeinsam rücken wir einen Platz in der Schlange vor. »Wer?«

»Der Ex.«

»Ist das wichtig?«

»Ich schätze nicht.« Ich stecke mir die Hände in die Hosentaschen. »Würdest du lieber über das Wetter reden?«

Ihre Schulter sacken ein wenig herab. »Reggie. Er arbeitet in der Innenstadt. Finanzwesen.«

»Ist das immer noch dein Typ? Männer in Anzügen?«

»Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch einen Typ habe. Ich hatte schon darüber nachgedacht, lesbisch zu werden, aber…«

Ich presse die Lippen zusammen und lächle. Eng an eine andere Frau geschmiegt zu sein, steht ihr. Oder an mich. Und seit ich weiß, wo das hinführen soll, ist mir nichts lieber, als dass sie ihren Satz beendet. »Aber?«

Sie sieht mir in die Augen. »Aber ich kann nicht.«

»Warum nicht?«

»Mir fehlt…«

»Dir fehlt…?«, stachle ich sie an.

»Ein Mann«, sagt sie hastig. »Die Art und Weise, wie es sich anfühlt, von einem Mann berührt zu werden.«

Es kostet mich viel Mühe, ihrem Blick standzuhalten und meine Augen nicht tiefer wandern zu lassen. Ihr Rock ist eng, und ich will ihn tiefer schieben und sehen, was sich darunter verbirgt. Ihr Hintern ist ohne Zweifel weich und rund. Ich muss an später denken, wenn ihre Beine ganz mir gehören – die Innenseite ihrer Schenkel, die Kuhle ihrer Knie, der Spann ihrer Füße. Ich räuspere mich. »So heiß das auch wäre, aber ich bin froh, dass du keine Lesbe bist.«

»Was ist mit dir?«, fragt sie.

»Ich habe nichts gegen Lesben«, sage ich und ziehe den Mundwinkel hoch. »Ich bin sogar ein Fan.«

Die Andeutung eines Lächelns wandert über ihre Lippen. »Ich meine, ich habe deutlich gemacht, dass du nicht mein Typ bist. War deine Ex dieses ›Biker-Mädel‹, von dem du vorhin gesprochen hast?«

Ich blicke zu Boden. Es ist fast vier Jahre her, und ich kann endlich an Shana denken, ohne gleich wütend zu werden. Aber sie gehört noch immer nicht zu meinen liebsten Gesprächsthemen. »Ja.«

»Das ist alles?«, fragt Amelia. »Ja? Du hast doch angefangen, über Exfreunde zu sprechen.«

Ihre Augen funkeln. Sie weiß genau, was sie tut und dass ich lieber nicht darüber reden will. Aber dass Amelia nichts über mich oder Shana weiß – im Gegensatz zu allen anderen Menschen in meinem Leben -, hat etwas für sich. Und was ist so schlimm daran, wenn wir uns ein wenig unterhalten, wenn wir ohnehin nur eine Nacht miteinander verbringen werden? Ich seufze. »Ich bin bei dem Typ Frau geblieben, auch wenn sie mir wehgetan hat. Anwesende ausgenommen.«

Sie legt den Kopf schief. »Warum dann ich?«

»Kann ich dir nicht sagen«, sage ich mit einem Zwinkern. Es gefällt mir, sie aufziehen zu können, ohne mir darüber Sorgen machen zu müssen, wie sie darauf reagiert. Wenn ich sie beleidigen wollen würde, müsste sie etwas darauf geben, was ich von ihr halte, und offensichtlich ist ihr das völlig egal.

Sie grinst ein wenig. »Wie heißt sie?«

»Shana.«

»Ist sie die Mutter des Mädchens, mit dem du vorhin bei uns warst?«

»Du meinst meine Tochter? Ja.« Ich lache. Dass ich ein Kind habe, ist ihr eindeutig unangenehm. Wir machen ein paar Schritte vorwärts und nähern uns dem Tresen. »Shana lief eine halbe Meile bis zu meiner Werkstatt, weil ihr Tank leer war, also habe ich sie zurück zu ihrem Wagen gefahren, den Tank aufgefüllt, und der Rest ist Geschichte. Nachdem wir ein paar Wochen miteinander ausgegangen sind, wurde sie schwanger. Etwa um Bells dritten Geburtstag herum verließ uns Shana. Ende.«

Amelia reißt den Kopf zu mir herum. »Ende? Das ist alles?«

Ich sehe nach vorn. Mag sein, dass ich gelernt habe, mit Shanas Weggang zu leben, aber das Mitleid in den Augen der Leute ist für mich noch immer schwer zu verdauen. »Es ist fast vier Jahre her. Wir kommen ohne sie zurecht. Sogar sehr gut.«

»Ich verstehe, warum du nicht mit Frauen ausgehst. Ich würde das auch nicht tun.« Sie sieht zu mir auf. Ihre Augen sind ein wenig zu groß für ihr Gesicht, und sie sieht trügerisch unschuldig aus. »Wirst du jemals wieder heiraten?«

»Das bezweifle ich. Du?«

»Niemals.«

Die prompte Antwort sollte mich nicht überraschen, aber ich lege den Kopf schief. »Einfach so? Was, wenn du dich verliebst?«

»Nicht, wenn ich es verhindern kann.«

Ich öffne den Mund, will ihr sagen, dass es eine Schande ist – sie ist zwar kratzbürstig zu mir, aber ohne Zweifel gibt es da draußen genug Männer, die sich um eine clevere, wunderschöne Blondine reißen würden. Aber wenn ich das sagen würde, wäre ich ein Heuchler. Ich wäre ein Idiot, wenn ich mich wieder verlieben würde, nachdem ich so verletzt wurde, und ich werde mich sicherlich nicht noch einmal zum Idioten machen lassen. »Ich glaube, du und ich werden richtig gute Freunde werden«, sage ich.

»Wenn wir wirklich nur Pizza essen, Sex haben werden und dann jeder in sein eigenes Leben zurückkehren wird, bist du der beste Freund der Welt.«

Ich grinse. »Bedeutet das, du wirst dir auch ein Stück genehmigen?«

»Eher friert die Hölle zu.«

»Nächster«, ruft ein Mann hinter dem Tresen. Wir kommen zu ihm.

Bevor ich den Mund öffnen kann, bestellt Amelia schon. »Ich nehme einen Salat, ohne Käse und das Dressing extra.«

»Wir haben nur Beilagensalate«, sagt der Mann und gibt etwas in die Kasse ein. »Ist auch nicht gerade unsere Spezialität.«

»Schon in Ordnung. Ich bin nicht besonders hungrig.« Sie knallt ihre Magazine, Kladden, den Becher und das Päckchen auf den Tresen und durchwühlt eine ihrer Taschen.

»Ich übernehme das«, sage ich ihr.

Sie ignoriert mich und reicht dem Kassierer einen

Fünfdollarschein.

Mir macht es nichts aus, für eine Nacht den Freund zu spielen, weil ich weiß, es ist nicht real, aber wie es aussieht, will sie alles streng getrennt halten. Ich würde ihr das ausreden wollen, aber die Schlange hinter uns ist lang.

»Ich nehme zwei Stücke von der Fleischliebhaber-Pizza«, sage ich, »und ein Stück von der Käsepizza. Sie können den Käse von ihrem Salat da draufmachen.«

Amelia starrt mich an. »Drei Stücke? Mit extra Käse? Die Stücke sind so groß wie dein Kopf.«

»Schon gut.« Ich reibe mir über den Bauch. »Ich habe seit dem Mittag nichts mehr gegessen.«

»Es ist sechs Uhr.«

Ich zucke mit den Achseln und bezahle meine Pizza. Sie nimmt ihre Sachen wieder und balanciert den Plastikbehälter mit dem Salat darauf. Jedes meiner Pizzastücke ist so groß wie der Pappteller, auf dem sie liegen, also staple ich sie übereinander. Ich nehme eine Plastiktüte, die mir der Kassierer reicht, weil Amelia und ich vollbepackt sind.

»Du hast zu viel Zeug.« Ich lege mein Essen auf dem Sattel eines angeketteten Fahrrads ab und werfe ihren Thermobecher zusammen mit den Scheidungspapieren, Zeitschriften, dem Päckchen und was sonst noch so hineinpasst in die Plastiktüte. »Wozu brauchst du das alles?«

»Für die Arbeit.«

Ich schiebe mir die Tüte über den Arm und nehme meine Pappteller. »Verdammt. Ich habe vergessen, mir etwas zu trinken zu bestellen.«

»Ich werde mich nicht wieder anstellen.«

»Hier kostet es doppelt so viel wie in einer Bodega. Lass uns gehen.«

Ich nehme einen großen Bissen von meinem ersten Stück Pizza, während wir den Block entlanggehen, und kaue. Amelia pickt ein paar verstreute Stückchen Feta aus ihrem Salat. Endlich träufelt sie Dressing auf die Salatblätter und isst eine Gabel voll.

»Das ist widerlich«, sage ich.

Ihre Augen werden groß. »Salat? Hast du eine Ahnung, wie viel Kalorien eines deiner Pizzastücke hat, ganz zu schweigen von allen drei Stücken?«

»Nennst du mich gerade fett?«

»Wohl kaum. Du musst einen Weg gefunden haben, die ganzen Kalorien zu verbrennen.«

»Habe ich«, sage ich und beuge mich ein wenig zu ihr herunter. »Und ich werde dabei gerne kreativ.«

Ich versuche, sie wieder zum Erröten zu bringen, aber das macht sie nicht. »Geht mir genauso«, sagt sie. »Ich mache seit Jahren Yoga, aber manchmal gibt es nichts Besseres als ein paar Stunden mit ehrlichen, harten, schweißtreibenden Cardioeinheiten.«

Meine Phantasie überschlägt sich. Als Erstes stelle ich mir Amelia nackt im nach unten schauenden Hund vor, der einzigen Yogaposition, die ich kenne. Sie ist nicht einmal eine Sekunde lang vornübergebeugt, als ich schon hinter ihr stehe, für die schweißtreibende, harte Cardioeinheit. Ich habe meine Pizza ganz vergessen, und eines der Stücke rutscht über den Rand des Papptellers. Ich taste danach und schaffe es gerade noch, es aufzufangen, bevor es auf den Boden fällt.

Amelia versucht nicht einmal, ihr Lachen zu verstecken. »Elegant.«

Gott, ich muss diese Frau in meinem Bett haben, SOFORT. Ich weiß noch nicht, ob es mir lieber ist, dass sie zwischen den Laken eher frech ist, oder dass sie ihre Maske fallen lässt und sich hingibt. Ein bisschen von beidem. Das könnte die ganze Nacht dauern. »Ich hoffe, du musst morgen nicht früh raus«, sage ich.

»Möglicherweise muss ich früh aufstehen, aber das hat keinen Einfluss auf heute Nacht.«

Gott. Verdammt.