Flirt mit Nerd - Leah Rae Miller - E-Book

Flirt mit Nerd E-Book

Leah Rae Miller

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Beschreibung

Was macht einen eigentlich zum Nerd? Na klar … heimlich Comics lesen im Bett. Zumindest fängt es so an, glaubt Maddie – blond, beliebt und Freundin des heißesten Footballstars der Schule. Manche Dinge bleiben also besser geheim. Das funktioniert auch ganz gut, bis zu dem Tag, als ihr Lieblings-Comic es nicht in ihren Briefkasten schafft. Maddie muss ernsthaft höchstpersönlich in den freakigen Comic-Laden in der Stadt. Wenn das ihre Freundinnen wüssten! Incognito, mit Riesen-Sonnenbrille und Kapuze, trifft sie dort aber Logan, den süßesten, tollsten Nerd überhaupt. Für Maddie beginnt ein verrückter Sommer voller Flirts und Versteckspiele!

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Seitenzahl: 356

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© Privat

DIE AUTORIN

Leah Rae Miller ist Mutter, Ehefrau und Autorin von YA-Romanen, die auf einem windumtosten Hügel in Natchitoches, Louisiana lebt. Sie mag kuschlige Socken, Comics, Cherry Cola und nagelneue Büromaterialien. »Flirt mit Nerd« ist ihr groß- artiges und witziges Debüt über die Liebe, Comics und andere Katastrophen.

Leah Rae Miller

Aus dem Englischen von Larissa Rabe und Edigna Hackelsberger

Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House

1. Auflage

Erstmals als cbt Taschenbuch Juni 2015

© 2013 by Leah Rae Miller

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Summer I became a Nerd« bei Entangled Teen, LLC, New York

© 2015 für die deutschsprachige Ausgabe cbt Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Larissa Rabe und Edigna Hackelsberger

Lektorat: Catherine Beck

Umschlaggestaltung: semper smile, München

Umschlagmotiv: © Shutterstock / blackstroke

MG · Herstellung: kw

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-15843-9

www.cbt-buecher.de

Für meine Eltern, Clyde und Nancy.

ich noch an der Junior Highschool war, gab es an unserer Schule jedes Jahr eine Halloween-Party in der Sporthalle. Dort wurden kleine Buden aufgestellt, an denen man nach Äpfeln schnappen oder mit Darts auf Luftballons zielen konnte. Wer gewann, bekam schrottige kleine Preise wie Plastikringe mit einer Spinne drauf oder Pfeifen, die nicht richtig funktionierten. Es gab auch ein »Gefängnis«, das eigentlich nichts weiter war als ein großer Pappkarton mit einer Tür und einem Fenster, vergittert mit Stäben aus Plastikstangen, die schwarz angesprüht waren. Für einen Dollar konnte man jemanden eine Minute lang ins »Gefängnis« schicken. Weiß der Geier, warum, aber es war eine Liebeserklärung, wenn ein Junge ein Mädchen ins Kittchen steckte.

Der Höhepunkt dieser Party war immer der Kostümwettbewerb, wahrscheinlich weil man als ersten Preis tatsächlich Geld bekam. In der sechsten Klasse war ich wild entschlossen, diesen Wettbewerb zu gewinnen. Schon Wochen vorher werkelte ich an meinem Kostüm herum. Ich dachte mir, wenn ich mit etwas ankäme, das der Jury – sie bestand aus unserem Softball-Trainer, der Leiterin der Cafeteria und unserer Direktorin – noch nie untergekommen war, würde ich sicher gewinnen.

Damals war ich glühender Fan der Comic-Reihe The Pigments. Meine Lieblingsheldin war Spectrum Girl. Sie trug eine pinkfarbene Afrofrisur und ein supercooles Cape. Für das Cape brauchte ich am längsten. Ich besorgte mir lange breite Stoffstreifen in allen Regenbogenfarben und nähte in die Ränder jedes Streifens Draht ein, sodass ich das Cape biegen konnte. Wenn es hinter mir hochstand, sah es aus, als würde es hinter mir herflattern – als würde ich fliegen.

Am Abend der Party hatte ich derartiges Muffensausen, dass ich mich beim Warten vor dem Auftritt fast übergeben musste. Meine Konkurrenten hatten alle die üblichen Verkleidungen gewählt: Hexe, Roboter oder die Hauptfigur des letzten erfolgreichen Animationsfilms. Im tiefsten Inneren glaubte ich fest daran, dass mir der Sieg sicher war.

Dann kündigte Mrs. Birdhill mich an.

»Als Nächste gibt uns Maddie Jean Summers Süßes oder Saures. Sie ist verkleidet als …« – und hier beschlichen mich die ersten Zweifel, denn nun klang ihre Stimme so, als lese sie Wörter ab, die sie noch nie zuvor gehört hatte – »… Spectrum Girl, die Chefin des Superhelden-Teams The Pigments?«

Die Ankündigung meines tollen Auftritts endete wie eine Frage.

Ich trat auf die Bühne und erwartete lauter Oohs und Aahs, aber es herrschte Totenstille. Ich erinnere mich genau, dass ich irgendwo eine Grille zirpen hörte, als ich zum Mikrofon ging.

»Hi. An diesem Kostüm hab ich zwei Wochen gearbeitet. Ich hab mich für Spectrum Girl entschieden, weil sie von allen Pigments die Stärkste ist, und ich finde, sie ist für junge Frauen von heute ein tolles Vorbild.« Nach dieser Erklärung machte ich ein paar Schritte zurück und drehte mich langsam um die eigene Achse.

Als ich die 360 Grad vollendet hatte, blieb ich stehen und blickte aufs Publikum – ein Meer von Klassenkameraden, alle, mit denen ich zur Schule ging und denen ich unbedingt imponieren wollte. In der ersten Reihe saß meine beste Freundin, die namenlos bleiben soll. Sie machte sich immer lustig, wenn ich irgendwas über Comics sagte, daher hatte ich gelernt, nicht darüber zu reden.

Ich erinnere mich, wie ich sie in ihrem Cheerleaderinnen-Kostüm dort unten sitzen sah. Und ganz sicher hab ich ihr einen flehenden Blick zugeworfen, damit sie mir half und die Stille durchbrach – denn selbst wenn sie keine Comics mochte, so waren wir doch immerhin beste Freundinnen. Bestimmt würde sie mich unterstützen.

Stattdessen beugte sie sich zu ihrer Nachbarin rüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Die beiden kicherten, dann rief Sie-die-nicht-mit-Namen-genannt-werden-soll laut zu mir herauf: »Wie bist du denn auf die Idee für dieses Kostüm gekommen?«

Ich trat zum Mikrofon, überzeugt, dass meine Erklärung die Situation retten würde. Superman und Batman finden doch alle toll, wieso sollten sie dann nicht auch ein anderes Kostüm mögen, das von einer Comic-Figur inspiriert war?

»Die Idee stammt aus dem Comic The Pigments, der mir total gut gefällt«, sagte ich.

»Ein Comic? So was Bescheuertes!«

Ich habe keine Ahnung, ob alle dieser Meinung waren, aber es lachten alle mit. Sie fegten mich mit ihrem Lachen geradewegs von der Bühne. Gott sei Dank lungerte keiner am Hinterausgang rum. Es hätte mir gerade noch gefehlt, dass mich jemand sah, wie ich da allein in einer dunklen Ecke rumheulte.

Später riss ich mein kunstvoll angefertigtes Cape in Fetzen, stopfte es in eine Mülltüte und schwor mir, niemandem mehr die Chance zu geben, mich derart zu verletzen.

Und damit begann mein Doppelleben.

Sommer in Louisiana ist gnadenlos. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur viel zu ungeduldig, um die übliche Hitze von 35 Grad im Schatten zu ertragen. Heute erscheint das letzte Heft der Comic-Reihe The Super Ones, nach der ich seit Jahren süchtig bin. Und ich warte darauf, dass Randy Henderson, der die Straße weiter runter wohnt, endlich unseren Rasen zu Ende mäht, damit ich an den Briefkasten kann. Normalerweise lade ich mir meine Comics aus dem Internet runter und lese sie am Computer, denn so gibt es keinen nachvollziehbaren Beweis für mein Doppelleben. Aber der Autor von The Super Ones hat darauf bestanden, dass der letzte Band seiner Reihe nur als gedruckte Ausgabe erscheint.

Nun mach doch endlich, Randy! Aber inzwischen fürchte ich, dass meine Ungeduld die Sache nur noch verschlimmert. Ich bin mir ziemlich sicher: Randy glaubt, ich würde ihn abchecken! Er hockt da oben auf seinem Rasenmäher, wirft mir alle paar Minuten einen komischen Blick zu und bemüht sich, ein schiefes Grinsen hinzukriegen, so als wäre er Robert Pattinson. Ich wette, das hat er vor dem Spiegel geübt. Hoffentlich baggert er mich morgen in der Schule nicht an. Mein Freund Eric hat noch nie jemandem eine reingehauen, der mich abgecheckt hat. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, mit seinen Jungs einen auf »He, Alter, Kumpel« zu machen. Dabei geht es immer um Football und Mädels und »He, Alter, Kumpel, wir sollten am Wochenende unbedingt zum Mud Riding gehen« – das ist so eine Art »Sport«, bei dem Quads durch Schlammtümpel brausen und zur Freude der Zuschauer immer mal wieder stecken bleiben und sich immer mehr einsauen. Aber wenn Eric nun Randy erwischen würde, wie der mich abcheckt, wäre das eine tolle Gelegenheit für ihn, endlich mal jemandem körperlich Schaden zuzufügen. Denn darum geht’s ja beim Football hauptsächlich, das muss man ganz klar sagen. Und Eric ist Quarterback und beim Football richtig gut.

Endlich fährt Randy den letzten Bogen um den großen Pecan-Nussbaum im Vorgarten und mäht das allerletzte Stück Rasen. Dann fährt er auf unsere Einfahrt, biegt rechts nach Hause ab und winkt mir zu. Dabei wird ganz viel dichtes dunkles Haar in seiner Achselhöhle sichtbar. Habt ihr gewusst, dass Lächeln den Würgereflex unterdrückt? Ich weiß es, also lächle ich und winke höflich zurück.

Sobald der Lärm des Rasenmähers verklungen ist, springe ich von der Veranda und laufe los. Eigentlich ist es schon mehr ein Sprint. Oder ein Abdüsen? Wie auch immer, ich schaffe es in beinahe übermenschlicher Geschwindigkeit zum Briefkasten und hole die Post raus. Als ich den großen braunen Umschlag sehe, höre ich die Engel singen. Ich mache meinen Super-Lauf wieder zurück zum Haus und schmeiße die gesamte Post in der Küche auf den Tresen – nur den braunen Umschlag nicht. Dann sprinte ich, immer zwei Stufen auf einmal, die Treppe zum ersten Stock hoch, halte mich am Türrahmen fest, damit ich nicht hindurchfliege und abhebe, und katapultiere mich mit dem restlichen Schwung in mein Zimmer. Die Tür fliegt krachend hinter mir ins Schloss.

Ich werfe den Umschlag aufs Bett, denn ich will ihn noch nicht anschauen – erst wenn ich wirklich dazu bereit bin. Die Sache ist zu viel wichtig, als dass ich diesen wunderbaren Augenblick einfach so verschwenden würde. Ich wühle im Versteck im Schrank nach meinem Comic-Tagebuch – es liegt auf dem obersten Brett in einem Stapel aus Pullovern, die ich allerfrühestens Anfang Dezember erst wieder brauchen werde. Auch das Tagebuch werfe ich aufs Bett. Es ist einfach nur ein Notizbuch, in das ich alles schreibe, was mir beim Lesen meiner Comics in den Sinn kommt, aber für mich ist es eine Fundgrube geheimer Identitäten, voller Zitate und Lektionen fürs Leben, die man nur von Superhelden lernen kann.

Ich schleudere meine Flip-Flops ein bisschen zu schwungvoll von den Füßen; sie fliegen quer durchs Zimmer und hätten fast die Nachtischlampe umgerissen. Hoppla! Dann drehe ich mein blondes Haar zu einem unordentlichen Dutt zusammen, denn ich kann es nicht leiden, wenn mir beim Lesen Haarsträhnen im Gesicht rumhängen.

Und jetzt kommt’s. Ist Überschall-Marcus stark genug, um Baron Schwerkraft zu besiegen? Oder wird ihn eines der schwarzen Löcher einsaugen, die der Baron willkürlich im Weltraum verteilt hat? Wird Marcus dem Vergessen anheimfallen? Wird sich Wendy rechtzeitig darüber klar, dass sie Marcus liebt – und eilt sie herbei, um ihn zu retten? Muss Grayson, der liebenswerte, aber leicht vertrottelte Helfer, auch genannt Der Kleine, sterben, und muss ich dann heulen, weil er die Identität seiner wahren Eltern nie herausfinden konnte?

Ich lasse mich auf meiner Plüschdecke nieder und setzte mich im Schneidersitz zurecht. Dann ziehe ich den dunkelroten Stift heraus, der an der Spiralbindung des Comic-Tagebuchs steckt, blättere bis zur nächsten leeren Seite und schreibe: »The Super Ones – #400«.

Jetzt bin ich so weit.

Mit geschlossenen Augen ertaste ich die Klappe, reiße den Umschlag auf und ziehe den Comic raus. Er ist dünn, aber so wunderbar druckfrisch! Es gibt nichts Schöneres als den Geruch von frischer Druckerschwärze, also atme ich ganz tief ein und genieße diesen Augenblick, damit ich mich für alle Zeiten daran zurückerinnern kann. Ich mache mit der rechten Hand Daumenkino, streiche mit dem linken Zeigefinger über die Klammern der Heftung und vergewissere mich, dass ich den Comic richtig herum in der Hand halte. Dann hole ich tief Luft und öffne die Augen.

DEIN BIO-GARTEN UND DU

Was soll das denn?!

Ich werfe das Comic-Tagebuch vom Schoß, beuge mich zum Boden und schnappe mir den weggeworfenen Umschlag. Er ist leer! Auf der Küchentheke liegen nur noch die normalen kleinen Umschläge. Ich kann die Postsendung auf keinen Fall übersehen haben.

Ich stürze zum Schreibtisch und schalte meinen Laptop ein, und dabei muss ich mich schwer zurückhalten, ihn nicht als lahmes Schrottteil zu beschimpfen. Als ich mich in meinen E-Mail-Account einlogge, verfluche ich mich selbst, weil ich ihn noch nicht gecheckt habe, seit ich nach Hause gekommen bin. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, Randy zuzuschauen, wie er seine Robert-Pattinson-Nummer abgezogen hat. Und, es war ja klar, ich hab eine Mail bekommen!

Liebe Madelyne Jean Summers,

wegen der unerwartet hohen Nachfrage ist The Super Ones #400 derzeit nicht verfügbar. Ihr Heft wird in fünf bis sieben Wochen geliefert. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeit.

Die entschuldigen sich? Das soll wohl ein Witz sein?! Ich kann doch nicht fünf bis sieben Wochen warten! Kann Wendy, auch Der Helle Wahnsinn genannt, sich gegen ihren Vater auflehnen? Schafft sie es, ihm zu sagen, dass er sich um seinen eigenen Kram kümmern soll? Wird sie zum kriegsverwüsteten Planeten Zocore fliegen und sich dort in den Kampf stürzen? Startet Marcus einen letzten Versuch, die schwere Strahlenexplosion abzublocken, die geradewegs auf das Gesicht Des Kleinen gerichtet ist?

Diese Ungewissheit halte ich nicht aus. Ich muss unbedingt #400 in die Finger kriegen! Und in dieser Stadt gibt es nur einen einzigen Ort, an dem ich dieses Comic-Heft bekommen könnte. Aber ist es das Risiko wert? Ich könnte gesehen werden und dann wäre mein Platz in der Elite der Natchitoches Central Highschool weg. Nein – das ist die Sache absolut nicht wert. Es ist nämlich ein verdammt langer und schwieriger Weg gewesen, auf der Beliebtheitsskala nach oben zu kommen. Ich habe jede Menge Finten und Tricks anwenden müssen, damit der-Vorfall-mit-dem-Kostüm in Vergessenheit geraten konnte. Und wenn man mit solchen Betrügereien erst mal angefangen hat, gibt es kein Zurück mehr. Ich habe fünf Jahre harte Arbeit investiert und während dieser ganzen Zeit konnte ich mit niemandem über den neuesten Superhelden-Film fachsimpeln (abgesehen von meinem Bruder, aber das zählt nicht). Ich durfte kein Wort über die ganzen Fangemeinden im Netz verlieren, denen ich angehöre, und immer, wenn ich unangekündigt Besuch bekam, musste ich lossausen und alle Beweisstücke verschwinden lassen … Ich bin ständig im Keiner-darf’s-erfahren-Modus und das ist echt beknackt.

Aber … Kann ich es zwei Monate lang aushalten, nicht zu wissen, wie es bei den Super Ones weitergeht? Kann ich zwei Monate überstehen und trotzdem Comic-Foren im Internet, auf Twitter oder Facebook lesen, ohne Angst, dass ich dort versehentlich irgendwas sehe, das mir den weiteren Fortgang der Handlung verrät?

Natürlich nicht.

Verdammt, warum seid ihr auch so supertoll, ihr Super Ones!

Ich schnappe mir einen Kapuzenpullover und die Baseballkappe meines Vaters, die grüne mit dem Emblem der Boston Celtics, und schaue zweimal nach, ob ich auch wirklich meine Sonnenbrille in der Handtasche habe.

Besondere Umstände erfordern schließlich besondere Maßnahmen.

bin ich also da. Am Phoenix.

Wisst ihr, dass es Leute gibt, die behaupten, Paris sei eine ihrer Lieblingsstädte, obwohl sie noch nie da gewesen sind? Genauso geht es mir mit dem Phoenix.

Ein flammend gelber und orangefarbener Vogel hängt über der Tür und durch die Schaufenster sehe ich jede Menge Comics in ihren glänzenden Plastikhüllen. Ich weiß nicht, wie oft ich schon an diesem Laden vorbeigefahren und dabei fast jemandem hinten reingekracht wäre, weil ich krampfhaft nach dem neuesten lebensgroßen Pappaufsteller von Wolverine oder Captain America oder weiß der Geier wem Ausschau gehalten habe.

Und jetzt bin ich hier. Natürlich stelle ich mein Auto nicht auf den Parkplatz vor dem Laden, sondern parke bei Mes Amis nebenan. Unsere Clique mag dieses Restaurant aus unterschiedlichen Gründen. Meine beste Freundin Terra bestellt immer den Cheesecake aus Magerquark und Eric den Double Bacon Cheeseburger. Und mir gefällt ganz besonders, dass ich von unserem Stammplatz bei Mes Amis einen guten Blick auf die Schaufenster vom Phoenix habe.

Ich mache den Motor aus, da ich eh keine Klimaanlage habe. Der Ventilator bläst mir nur heiße Luft ins Gesicht und ich schwitze, als wäre unsere Cheerleader-Truppe in der Halbzeitpause in Aktion und ich kurz davor, oben auf der Pyramide einen Toe-Touch zu machen. Ich setze Dads Baseballkappe auf, dazu meine riesige Retro-Sonnenbrille, und ziehe mir die Kapuze des sonnengelben Hoodies über den Kopf. Jetzt bin ich zufrieden mit meiner Tarnung, steige aus und husche, hinter andere Fahrzeuge geduckt, verstohlen auf den kleinen schattigen Weg zwischen dem Mes Amis und dem Phoenix.

Ich begebe mich in Lauerstellung und warte. Wenn ich um die Ecke des Gebäudes spähe, kann ich den Eingang vom Phoenix sehen. Die Luft ist rein. Ich warte noch eine Weile und stelle mir vor, wie ich in einem klimatisierten Zimmer sitze und mich in The Super Ones #400 vertiefe.

In diesem Augenblick höre ich, wie ein Auto hält.

Aus einem Toyota Corolla steigt ein Typ, vermutlich so um die dreißig. Er hat schon den Ansatz einer Glatze und außerdem einen Fleck auf seinem roten T-Shirt. Ehe er die Ladentür erreicht, lasse ich ein lautes »Psst!« vernehmen.

Er bleibt stehen und schaut sich um, dann sieht er mich. Ich winke ihn heran und verdrücke mich wieder in den Schatten. Einen Moment später taucht sein Kopf um die Ecke auf, und er fragt mit hochgezogener Augenbraue: »Ja?«

»Wollen Sie sich mit zwei Minuten Arbeit fünf Dollar verdienen?« Ich versuche so unbeteiligt wie möglich zu klingen.

»Wie denn?«

»Ich geb Ihnen Geld und Sie gehen da rein« – ich deute mit dem Daumen auf die Mauer hinter mir – »und kaufen mir ein Heft von The Super Ones, nämlich#400. Sie können das Wechselgeld behalten und dazu bekommen Sie fünf Dollar. Abgemacht?« Ich fixiere ihn über den Rand meiner Sonnenbrille hinweg.

»Und warum kaufst du es nicht selbst?«

»Das geht eben nicht, okay? Also, machen Sie’s?«

»Für zehn Dollar plus Wechselgeld.« Er verschränkt die Arme wie beim Feilschen auf dem Flohmarkt.

Ich schlucke. »Aber ich hab nicht mehr. Nur zehn Dollar, drei kostet der Comic, dann bleiben sieben Dollar für Sie. Jetzt sagen Sie schon Ja.«

»Keine Chance.« Er schüttelt den Kopf und geht.

Die Ladenglocke bimmelt und ich lasse mich gegen die Mauer zurücksinken. So ein Blödmann!

»Dann halt nicht«, rufe ich ihm hinterher. »Dann macht es eben jemand anders!«

Nach ein paar Minuten höre ich wieder die Ladenglocke und dann ein »Psst«.

Der Typ steht vor mir, in der Hand eine Papiertüte mit dem Phoenix-Logo drauf. Langsam zieht er einen Comic heraus, hebt die Cellophanhülle an, hält seine Nase daran und atmet tief ein.

»Ahhh«, stöhnt er genussvoll beim Ausatmen. »Bilder und Text. Und dieser Duft von Druckerschwärze! Einfach berauschend.«

»Was ist das?«, platze ich heraus und hole tief Luft, in der Hoffnung, dass ich auch was von dem Duft abkriege.

»The Super Ones, #400.«Grinsend schiebt er den Comic wieder in die Papiertüte zurück.

»Zeigen Sie mir nur mal das Cover, bitte«, sage ich, als er das Auto aufschließt.

»Sorry, keine Zeit. Ich muss lesen.« Bevor er losfährt, lässt er das Fenster herunter und ruft: »Ich würd mich an deiner Stelle aufraffen und reingehen. Es ist nur noch ein Exemplar übrig.«

Mein Herz fängt an zu rasen und meine Handflächen sind schweißnass. Ist es das Risiko wert? Unsicher mache ich mich auf den Weg.

Es wird ja wohl keiner von meiner Clique ausgerechnet jetzt hier vorbeikommen, und wenn, dann wäre ich sowieso bis zur Unkenntlichkeit verkleidet.

Nur noch ein Exemplar übrig?

Ich muss die Gelegenheit beim Schopf packen.

Ich hole tief Luft und richte mich energisch auf, dann gehe ich auf die Glastür des Ladens zu.

Ich fasse es nicht! Ich bin drauf und dran, den Comicladen Phoenix zu betreten!

Als ich die Tür aufziehe, klingelt die Ladenglocke, die ich schon von draußen gehört habe, über mir. Der Laden ist einem Buch nachempfunden. Ich stehe am Ende eines langen leeren Gangs und zu beiden Seiten ziehen sich Metallregale entlang, wie Seiten, die darauf warten, ihren spannenden Inhalt preiszugeben. Quer durch den Laden stehen Drehständer verteilt und daran hängen originalverpackte Sammelfiguren und Schlüsselanhänger mit Superhelden-Logos. Ein Drehständer ist voller folienverpackter Spielkarten mit Motiven von Magic. The Gathering. Wollte ich nicht so gewieft meinen Plan verfolgen, dann würde ich jetzt diesen Ständer mit Krimskrams und Raritäten schwungvoll in Rotation versetzen. Und dann könnte ich sehen, wie sich das Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinfällt, in den schimmernden Päckchen spiegelt.

»Willkommen im Phoenix, kann ich dir helfen?«, fragt eine männliche Stimme vom Ende des Korridors her.

Den Kopf weiterhin gesenkt, gehe ich schnell vor einem Regal links von mir in die Hocke. »Ich schau nur ein bisschen rum«, sage ich und mokiere mich über mich selbst und meinen stümperhaften Versuch, wie ein Mann zu klingen.

»Sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst.«

Ein Hauch von Misstrauen schwingt in seiner Stimme mit, aber ich bleibe in meinem Versteck. Jetzt wäre Superspeed echt praktisch. Ich könnte mein Buch aufspüren und das Geld auf die Theke legen, ohne gesehen zu werden. »Okay.«

Dann tauche ich ein – in die Welt der bunten Cover, in stapelweise wunderbare Comics. Sie sind nach Verlagen, dann alphabetisch nach Serien und dann nach Nummern sortiert. Da steht Marvel’s Ant-Man neben The Avengers, dann kommen Booster Gold und Blue Beetle aus DC. Als ich zu Fables komme, meinem drittliebsten Titel von Vertigo, habe ich die Regale auf dieser Seite durch. Ich husche über den leeren Korridor und versuche mich auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren. Die Super Ones müssen hier irgendwo in der Mitte dieses Regals liegen. Da ist Sandman,Superman, aha, hier: The Super Ones.

Ich ziehe den obersten Comic vom Stapel.

#399?

Ich prüfe die benachbarten Stapel, denn vielleicht hat dieser Geldschneider von vorhin das letzte Exemplar der #400 versteckt, aber ich finde es nicht.

Jetzt bin ich an dem Punkt, an dem jeder normale Mensch, der nicht erkannt werden will, aufgeben und den Laden verlassen würde. Eigentlich hätte sich ein normaler Mensch gar nicht erst verkleidet, aber das steht auf einem anderen Blatt. Ich bin aber alles andere als ein normaler Mensch und werde nun den Typen an der Kasse fragen müssen und ich hoffe, es ist irgendein Collegestudent, dem ich ziemlich schnuppe bin.

Ich hole noch einmal tief Luft und gehe zur Kasse. Der Typ dort sitzt so tief über einen Comic gebeugt, dass ich nur seinen unordentlichen braunen Haarschopf sehen kann. Ich räuspere mich, um auf mich aufmerksam zu machen, aber er blickt nicht hoch. Ich hebe meine Sonnenbrille ein klein wenig, um zu sehen, was er da liest – und mein Blick fällt auf eine ganzseitige Zeichnung von Marcus. Sein ganzer Körper ist schmerzverzerrt und er schreit – ich weiß, dass er schreit, denn die Sprechblase neben seinem Kopf ist langgestreckt – »NEIIIIIN!!!« Ich kneife die Augen zusammen, denn ich will noch nicht zu viel sehen, aber es ist schon geschehen. Ich habe keine andere Wahl.

»Haben Sie eine Ausgabe von The Super Ones #400?«,frage ich, und das nicht mehr mit verstellter Männerstimme.

Schließlich blickt er auf und ich erkenne ihn. Ich erkenne ihn nicht nur, ich kenne ihn. Ich könnte vermutlich sogar sagen, was für Schuhe er trägt (schwarz-weiße Chucks mit ausgefransten Schnürsenkeln), obgleich seine untere Körperhälfte vom Tresen verdeckt ist. Ich weiß es, weil er seit einiger Zeit mein Lieblings-Nerd an der Schule ist … und ich ihn mir genauer angesehen habe.

Vergangenes Jahr hatte er Stress an der Schule, weil er irgendwas Obszönes anhatte. Zumindest wurde das den Schülern so verkauft, dabei hatte er eigentlich nur ein T-Shirt mit einem Aufdruck von Power Girl an, gezeichnet von Adam Hughes. Lächerlich, das Ganze, völlig klar. Adam Hughes ist schließlich einer der Comiczeichner, die weibliche Formen am besten hinbekommen, auch wenn er eine Tendenz hat, gewisse Körperteile überzubetonen.

Seitdem habe ich ein Auge auf Logan Scott geworfen. Nicht so direkt, denn ich hab ja einen Freund, aber Logan hat so süße Sommersprossen auf Nase und Wangen, vermutlich vom Fußballspielen – er ist nämlich Torwart beim Team der Natchitoches Central High School –, und er liest ständig irgendwas, meistens Comics. Ab und zu ertappe ich ihn aber auch mit einem Fantasy-Schinken mit Drachen oder Elben auf dem Cover. Nur um das hier klarzustellen: Ich stalke ihn nicht oder so was in der Art, ganz bestimmt nicht.

Aber Logan hat wirklich schöne Augen.

Als er mich ansieht, legt sich seine Stirn in Falten. »Tut mir leid, ist ausverkauft.«

»Wirklich? Und was ist das da?« Ich deute auf den Comic, den er gerade unter dem Tresen verstaut.

»Das ist …« Er stockt, als er bemerkt, wie ich gekleidet bin, und legt den Kopf schräg, als wollte er hinter mich blicken. Ich wirble herum, weil ich denke, dass da jemand steht, aber der Laden ist immer noch leer. Als ich mich wieder umdrehe, spielt ein vielsagendes Lächeln um seine Mundwinkel. Jetzt zu seufzen, wäre uncool, aber für einen Jungen hat er einfach perfekte Lippen – nicht zu voll, nicht zu schmal.

Er stützt das Kinn auf die Faust. »Kenn ich dich nicht?«

»Ähm, nein, ich meine, vermutlich nicht. Ich bin nur auf der Durchreise. Ich meine, ich wohne nicht hier oder so, wie könntest du mich da kennen?«, sprudelt es aus mir heraus.

»Okay.« Er kneift die Augen zusammen, als könne er mir allein durch seinen Blick ein Geständnis entlocken. »Das ist ja blöd, denn das hier ist das letzte Exemplar.«

Er zieht #400 hervor und wedelt damit herum, und das jagt mir einen Schauer über den Rücken, denn: 1. Der Comic ist jetzt direkt vor meiner Nase und ich kann das tolle Cover sehen, und 2. So, wie er es aufgeschlagen hat, verknickt er das Heft, und so was bricht mir das Herz. Man sollte meinen, dass einer, der in einem Comic-Laden arbeitet, ein bisschen vorsichtiger damit umgeht.

Mein Instinkt schaltet sich ein und ich strecke entsetzt die Hände aus, als richte er ein Gewehr auf einen Welpen. Er hält inne und legt den Comic zwischen uns auf den Tresen.

»Warum soll das blöd sein?«, frage ich. »Ich bin ein zahlender Kunde. Ich gebe dir Geld und du gibst mir dafür #400. So läuft das üblicherweise.« Ich strecke versuchsweise die Hand nach #400 aus, aber er legt schnell seine Hand auf das Heft.

»Es ist wirklich blöd, dass du nur auf der Durchreise bist und nicht hier wohnst und dass du mich nicht kennst, denn das hier ist mein Exemplar und wenn du nicht einfach nur auf der Durchreise wärst, sondern hier wohnen und mich kennen würdest, dann hätte ich es dir vielleicht geliehen.«

Wieder setzt er dieses vielsagende Lächeln auf und ein weiterer Schauer läuft mir über den Rücken, aber aus ganz anderen Gründen: 1. Dieses Lächeln ist echt unwiderstehlich und ich muss es einfach erwidern, und 2. Seine Stimme hat einen sanften, schmeichelnden Unterton, der mein Gehirn in Pudding verwandelt.

Ich schiebe diese Gedanken beiseite, doch dann meldet sich meine innere Stimme: Du hast einen Freund, du bist mit dem Quarterback zusammen!

»Nun, mit Durchreise meine ich, ich besuche hier jemanden. Wahrscheinlich bin ich die nächsten paar Tage hier, also könnte ich es dir ziemlich bald zurückbringen.«

Er kratzt sich am Hinterkopf. »Hmm.«

»Ich versprech’s«, platze ich heraus und kralle die Hände ineinander. Nicht zu fassen, dass ich hier so vor ihm stehe und winsle. »Ich kann es dir sogar schon in ein paar Stunden zurückbringen.«

Und da ist es wieder, dieses Lächeln. Gut, er sieht süß aus, aber nett ist es nicht gerade, dass er mich so zappeln lässt.

»Nun, in ein paar Stunden haben wir schon zu. Ich geb dir besser meine Nummer, dann kannst du mich anrufen, wenn du es ausgelesen hast.«

»Super. Überhaupt kein Problem.« Ich nicke so oft energisch, bis ich fast ein Schleudertrauma kriege.

Er drückt einen Knopf an der Registrierkasse und ein unbeschriebener Kassenzettel kommt oben aus dem Schlitz. Er reicht mir #400 und ich verschlinge das Cover mit den Augen, während er den Kassenzettel abreißt und seine Nummer draufkritzelt. Als er wieder nach dem Comic greifen will, reiße ich ihn weg. Meiner!

»Ich will nur den Zettel reinstecken, damit du ihn nicht verlierst«, sagt er, als versuche er ein angriffslustiges Tier zu besänftigen.

»Oh.« Ich reiche ihm den Comic und er legt den Zettel hinten rein. »Kann ich eine Tüte haben? Ich möchte nicht, dass es von der Sonne ausgebleicht wird.«

Die Tüte könnte ein weiteres Beweisstück sein, das ich gut verstecken muss, aber vielleicht werde ich mich nie wieder trauen, einen Fuß in diesen Laden zu setzen. Dann will ich, verflixt noch mal, wenigstens ein Andenken haben.

war einfach unglaublich! Nein, es war verblüffend! Oder verblüfflich? Oder vielleicht unglaubend? Wie auch immer – es war grandios, es war einfach der perfekte Schluss für eine perfekte Comicreihe. Natürlich sind ein paar Kleinigkeiten offen geblieben, damit man möglicherweise später mal eine andere Reihe rausgeben kann, die auf The Super Ones beruht, aber das war ja nicht anders zu erwarten.

Ich blättere die letzte Seite von #400 um und will den »Brief des Autors« lesen, als mir der Kassenzettel mit Logans Telefonnummer auf den Schoß flattert. Ich würdige ihn keines Blickes, bis ich auch noch das allerletzte Wort des Autors gelesen habe, à la »all das wäre ohne die Fans niemals möglich gewesen«.

Ich schreibe meine Gedanken ins Comic-Tagebuch und setze ein Zitat aus dem Heft an den Schluss: Steh zu dir selbst, dann stehen die anderen auch zu dir. Das ist ein schöner Gedanke, aber realistisch ist er nicht gerade.

Jetzt, da ich fertig bin, kann ich das Heft zurückgeben und vergessen, dass ich beinahe einem anderen Menschen meine dunkle Seite offenbart hätte. Ich bin schon fast dabei, die Nummer auf dem Zettel zu wählen, als ich sehe, dass da noch etwas anderes steht:

Ich weiß, wer du wirklich bist.

»Was weiß er?« Ich mache einen Riesensatz vom Bett und starre auf den Zettel.

Wie kann er wissen, wer ich bin? Ich hab mich schließlich angemessen getarnt und ihm noch dazu gesagt, ich wäre gar nicht von hier.

Das ist eine Katastrophe!

Was soll ich jetzt bloß machen? Ihn anrufen und so tun, als hätte ich keine Ahnung, wovon er redet? Oder soll ich versuchen, ihn zu bestechen, damit er den Mund hält? Ich merke, dass ich #400 anstarre, als wäre das Heft an allem schuld, aber dann schaue ich schnell wieder weg und entschuldige mich in Gedanken bei ihm.

Logan erwartet, dass ich ihn heute Abend anrufe. Wahrscheinlich sitzt er jetzt schon am Telefon, mit einem vielsagenden Lächeln auf seinen perfekten Jungs-Lippen.

Mein Telefon klingelt und ich springe vor Schreck mindestens einen Meter hoch in die Luft. Kann er denn nicht wenigstens warten, bis ich ihn anrufe? Muss er mir sofort unter die Nase reiben, dass ich genauso bin wie er und bloß nicht den Mumm habe, es zuzugeben? Na gut, es stimmt ja, aber es ist nicht besonders höflich, jemandem etwas unter die Nase zu reiben, es sei denn … Aber wo ich jetzt darüber nachdenke, glaube ich, dass es überhaupt niemals höflich sein kann.

Ich beuge mich vor, schaue auf mein Handydisplay, und sofort bin ich wieder entspannt: Es ist bloß Terra. Ich hätt’s wissen müssen, wir telefonieren schließlich jeden Abend eine halbe Stunde miteinander.

Was Terra angeht, hab ich echt Schwein gehabt. Sie ist großartig und außerdem ist sie erst nach dem Vorfall-mit-dem-Kostüm hergezogen. Seit der neunten Klasse sind wir die allerbesten Freundinnen, seit der zehnten zusammen im Cheerleader-Team, und Seelenverwandte sind wir schon, seit wir auf der Welt sind. Das haben wir zumindest beschlossen. Wir sind der Beweis dafür, dass sich Gegensätze anziehen: Wo ich zurückhaltend und schüchtern bin, ist Terra offen und kontaktfreudig bis zum Gehtnichtmehr. Jetzt mal ehrlich, wer witzelt denn schon mit seinen Lehrern rum? Dieses Mädchen würde es sogar schaffen, sich mit einem zusammengerollten Gürteltier anzufreunden. Und ich bin ihr ungeheuer dankbar, dass sie so toll ist. Ohne sie wäre ich nie so weit gekommen.

»Hallo Terra.«

»O Gott, Maddie, weißt du’s schon?«, fragt sie und mir stockt der Atem.

Irgendjemand weiß es. Irgendjemand hat mich gesehen, als ich mit der Tüte aus dem Laden kam oder als ich mit Mr. Ich-will-mehr-Geld gesprochen habe.

»Was soll ich schon wissen?«, frage ich schwach.

»Allison Blair gibt nächsten Monat ein Konzert in Shreveport!«, schreit sie mir ins Ohr und ich seufze erleichtert.

»Das ist ja wirklich cool«, lüge ich. Wie fast alle hier in den Südstaaten mag ich Country-Musik und Allison Blair ist echt das Beste, was in den letzten Jahren in der Country-Szene so aufgetaucht ist. Aber trotzdem kapier ich den ganzen Hype nicht. Ihre Lieder sind mir zu kitschig, sie haben einfach kein Fleisch auf den Knochen, und sie werden im Radio so oft rauf und runter gespielt, dass ich’s echt nicht mehr hören kann. Aber meine ganze Clique liebt Allison heiß und innig. Und deshalb hab ich ihre beiden CDs strategisch klug auf der Rückbank platziert, damit alle, die einen Blick in mein Auto werfen, denken, dass ich auch ein Fan von Allison bin.

So was mach ich, um dazuzugehören.

»Und?«, drängt Terra.

»Wie – und?«

ENDE DER LESEPROBE