Frauen lügen anders - Catharina Lohmann - E-Book

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Catharina Lohmann

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Beschreibung

Warum lügt der Mensch? Lügen Frauen öfter als Männer? Sind Frauen gar die besseren Lügner? Catharina Lohmann zeigt, daß die Wahrheit nicht zwingend das Rezept für eine heile Welt ist. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Catharina Lohmann

Frauen lügen anders

Die Wahrheit erfolgreich den Umständen anpassen

FISCHER Digital

Inhalt

AppetizerDie »organische Verlogenheit des Weibes«Über die Wahrheitsliebe der MännerSelbsttäuschung und LebenslügenÜber Psyche und WahrheitWer sich selbst belügt, lebt längerGeschminkte WahrheitenTraumtanz in der WirklichkeitHilfen für den SelbstbetrugVor dem Erfolg steht der SelbstbetrugSex, Lügen und LiebeÜber die Treue des MannesÜber die Treue der FrauBrauchen Singles nicht zu lügen?Das »wahre Ich« lügtÜber weibliche und männliche Moral, oder: Die Wahrheit hat viele GesichterDie Anatomie der Lüge, oder: So lügen Sie richtigDie Lüge nach PlanList und Tücke im Dialog1. Persönlich werden2. Zur Raserei bringen3. Unangenehmes Gesprächsklima schaffen4. Autoritäten ins Spiel bringen5. Erwartungshaltung enttäuschen6. Versicherungsvertreter-Tour7. Die Stimme und Launen wirkungsvoll zur Geltung bringen8. BluffenDas wahrhaftige AuftretenIntrigenDigestivumLiteratur

Appetizer

Hab’ ich des Menschen Kern erst untersucht,

So weiß ich auch sein Wollen und sein Handeln.

 

Schiller, »Wallenstein«

Heute schon gelogen?

Der Mensch lügt täglich über hundertmal. Glaubt man den Vorurteilen, trägt der weibliche Mensch den Löwenanteil zur beachtlichen Höhe dieses Durchschnittswertes bei. Das belegen die wissenschaftlichen Studien der Lügenforscher.

Wem jetzt danach ist, mit erigiertem Zeigefinger auf die Schlechtigkeit der Welt und die verschärfte Boshaftigkeit der Frau zu deuten, der liegt voll im Trend unserer Doppelmoral. Obwohl jeder lügt, heuchelt und täuscht so gut er kann, wird die Lüge vom geballten Volksempfinden verdammt, verurteilt, diffamiert. Nur wer die Wahrheit sagt, ist ein guter Mensch. Lügner hingegen sind verachtenswert und böse, Charakterschweine in Reinkultur – solches lehrt uns die herrschende Moral.

Es ist höchste Zeit, mit diesem Vorurteil Schluß zu machen und die Moral eines Besseren zu belehren. Wir müssen der Lüge den Stellenwert geben, den sie verdient – gleichberechtigt an der Seite der Wahrheit. Denn die Wahrheit war und ist niemals so unschuldig, wie sie verkauft wird – im Gegenteil. Geschickt mißbraucht, steht sie manchen Lügen an Gemeinheit in nichts nach. Mehr noch: Sie werden am Ende mit Staunen feststellen, daß vor allem Lügnerinnen unter Umständen die besseren Menschen sind.

Das halten Sie für absurd? Für die Ausgeburt eines kranken Hirns? Ihr Gewissen meldet sich? Schuldgefühle? Lächerlich und völlig fehl am Platze. Das werden Sie gleich feststellen, wenn wir der Lüge auf ihren tief verwurzelten Zahn gefühlt haben.

Als unsere Spezies noch das Feuer hütete, gehörten Lug und Trug zur Grundausstattung im Überlebenskampf. Wer nicht fähig war, Täuschungsmanöver meisterhaft auszuführen, dem war der baldige Abflug in die ewigen Jagdgründe so sicher wie das Schwarze unter seinen Fingernägeln.

Der Stärkere hatte immer recht, nahm es sich und überlebte. Der Stärkere oder die Klügere? Wo Muskelmasse und Statur nicht ausreichten, um sich zu behaupten – sei es nun bei Weiblein oder Männlein, sei es nun gegen den Wollmammut oder den gemüseklauenden Stiefbruder –, bedurfte es einer anderen Strategie, um zu überleben. Und so ward die Lüge geboren.

Was nützt mir mein Faustkeil, wenn Meister Petz nicht damit einverstanden ist, daß ich seine Höhle zu eigenen Wohnzwecken nutzen will? Nichts! Hier hilft nur List und Tücke – ab mit ihm in die Fallgrube! Was mache ich, wenn der Nachbar an meinen mühsam gesammelten Wintervorräten Interesse zeigt, ohne die ich und meine Lebensgefährtinnen verhungern würden? Kriegt er derart eins auf die Rübe, daß er nie mehr was zu essen braucht? Nein! Viel cleverer ist es, ihn anzulügen, der Geier hätte alles geklaut; denn was nützt mir ein toter Nachbar im Kampf gegen befeindete Horden?

Lügen gehörte zu den Verhaltensweisen, die dringend notwendig waren, um das nackte Leben zu retten. Die Alternative zu Lug und Trug waren Hunger und Tod. Evolutionsforscher vermuten, daß sich das Gehirn des Menschen überhaupt erst aus dem Zwang heraus weiterentwickelt hat, überlebensfördernde Täuschungsmanöver zu erfinden. Blicken wir der Wahrheit also ins Auge: ihre Widersacherin, die Lüge, liegt uns im Blut.

Der Gehirnforscher Paul MacLean lokalisiert die Reaktionen und instinktiven Verhaltensweisen, die schon den Urtieren das Überleben ermöglichten, in einem Gehirnteil, das alle Reptilien und Säugetiere inklusive Mensch aufweisen. Es ist unter dem Namen Reptiliengehirn bekannt und funktioniert – in Zusammenarbeit mit dem limbischen System – bei uns genauso wie bei Maus und Walroß. Das Verhalten, das uns von den Tieren unterscheidet, das, was man gemeinhin die menschlichen Qualitäten nennt, wird von der Hirnrinde aus gesteuert. Dort werden die Informationen gespeichert, die wir lernen und antrainieren können. Die vererbten Urinstinkte, wie zum Beispiel der Drang zu kämpfen, sich zu verstellen, zu fliehen oder sich zu verstecken, werden dadurch lediglich überlagert, keinesfalls aber ausgelöscht.

Ihre Eltern – und wer auch immer sich berufen fühlte – haben sich enorme Mühe gegeben, Ihr Reptiliengehirn auszutricksen und Ihnen eine neue Sicht der Dinge zu übermitteln – die gängigen Moralvorstellungen und das, was sie für richtig hielten.

Leider haperte es allzuoft an Überzeugungskraft und an der Methode. Ein Kind, das einem wutentbrannten Erwachsenen auf die Frage »Warst du das?!« mit der klaren Lüge »Nein!« antwortet, hat gelernt, daß es sich eine Ohrfeige einfängt, wenn es die Wahrheit sagt.

Einen weiteren »Lügenverstärker«, die Vorbildfunktion von Mama und Papa, haben auch Sie sicher live erlebt:

Wie oft mußten Sie Tante Hilde am Telefon abwimmeln, weil Mama keine Lust hatte, mit ihr zu plaudern?

Wie oft wurden Sie mit der wissentlichen Falschaussage »Es tut überhaupt nicht weh!« auf den Zahnarztstuhl gelockt?

Wie oft verbrachten Sie nach der Lüge »Ich bin gleich wieder da!« lange, einsame Stunden in der menschenleeren Wohnung?

»Wir haben es ja nur gutgemeint«, rechtfertigen sich heute die Lügner von damals. »Wir haben ja nur zu deinem Wohl gelogen«, schmollen sie beleidigt. Das kann sein, es kann aber auch sein, daß die lieben Eltern zu ihrem eigenen Wohl gelogen haben, um sich nervenzermürbende, endlose Diskussionen über Sinn und Zweck ihres Tuns zu ersparen, oder?

List und Tücke wurden Ihnen in der Regel nicht nur vorgelebt, sondern auch vorgelesen. Die meisten Märchengestalten, wie das tapfere Schneiderlein, Aschenputtel oder Rumpelstilzchen, brillieren durch hinterlistige Täuschungsmanöver. Die nette Mär vom Klapperstorch erscheint in einem anderen Licht, wenn man weiß, daß sie aus der Verklemmtheit einer Generation entstand, die Tatsachen nicht beim Namen nennen wollte. Struwwelpeters sogenannte Lebenserfahrungen sind Erziehungshilfen, die auf faustdicken Lügen basieren. Den Durchblick, daß das Wetter in keinem Zusammenhang mit den Eßgewohnheiten steht, gewinnen Kinder noch bevor der nächste Spinattag graut. Hänsel und Gretel durften lügen, um sich aus einer verfahrenen Situation zu befreien. Genauso die Eltern. Warum nur? Warum durften die tun, was Kindern verboten war?

Clevere Kids erkennen früher, als es den Eltern lieb ist, daß Lug und Trug die Privilegien derer sind, die das Sagen haben. Und sie erkennen auch, daß es nicht zu verachtende Vorteile bringt, die Wirklichkeit so aufzuweichen, daß sie sich flexibel an die momentanen Bedürfnisse anschmiegen kann.

Wenn Sie sich jetzt darüber empören, daß Sie in die geächtete Spezies der Lügner eingeordnet werden, nur weil Sie, sagen wir mal, eine Spontanheilung erfahren durften, nachdem Sie Sekunden vorher noch ein Essen wegen entsetzlicher Kopf- und Magenkrämpfe absagen mußten – dann ist es an der Zeit, die Lüge zu definieren.

Im Lexikon steht, die Lüge sei eine bewußt falsche oder täuschende Aussage – also ist ein Lügner einer, der – aus welchen Gründen auch immer – etwas sagt, was nicht wahr ist. Ganz einfach. Ganz einfach?

Die Philosophen aller Zeiten und aller Herren Länder haben unzählige Federkiele zerschlissen und sich die Zungen trocken geredet, um die Wahrheit über die Lüge herauszufinden. Für Sokrates und Platon war es schon gelogen, wenn man etwas nicht wußte, Gottfried Büchner benannte eine Disharmonie in Gedanken und Worten als Lüge, was jeden höflichen Menschen zum Schwindler werden läßt, und die Anhänger der Scharia schicken Sie mit einem Kopfschuß in das Reich Allahs, wenn Sie die Lüge von der Gleichberechtigung der Frau verbreiten.

Ist es gelogen, wenn einer davon überzeugt ist, ein UFO gesehen zu haben und diese Nachricht seinen Kindern weismacht? Lassen Sie sich als Lügnerin titulieren, wenn Sie bei einem Einstellungsgespräch zu erwähnen vergessen, daß es Ihr größter Wunsch ist, in nächster Zeit schwanger zu werden?

Für den Philosophen Christian Thomasius ist die Lüge zulässig, »wenn der Fall vorliegt, daß der Andere kein Recht auf die Wahrheit hat«.[1] Immanuel Kant zwingt mit kategorischem Imperativ zum Nachdenken über das ethische und rechtliche Verbot der Lüge, das selbst dann einzuhalten ist, »wenn ein Angreifer mit erklärter Mordabsicht und mit der Waffe in der Hand nach dem Aufenthaltsorte des Unschuldigen fragen sollte, den er zu ermorden gewillt ist«.[2]

Wie titulieren Sie den einen Zahnarzt, der Sie mit der Zange und den Worten »Der muß dringend raus!« von einem schmerzenden Zahn befreit, weil er keine andere Möglichkeit als die der Extraktion kennt, um Ihre Qual zu beenden; und wie den andern, der dasselbe tut, allerdings mit dem Wissen darum, daß eine konservierende Behandlung möglich wäre, sie aber nicht anwendet, weil er damit weit weniger verdient als an einer Brücke oder einem Implantat?

Martin Luther, dem unterstellt wird, daß er des öfteren mal »falsch Zeugnis wider seinen Nächsten« redete, hielt die Nutz- oder Notlüge für eine »läßliche« Sünde. »Lüge darf eigentlich nur die unwahre Rede heißen, die dem andern zu schaden bezweckt«, predigte er seinen Anhängern.[3] Johann Gottlieb Fichte dagegen kannte wie Immanuel Kant kein Pardon, selbst wenn’s ans Leben ging: »Stirbt die Frau an der Wahrheit, so laß sie sterben«, erklärte er einem Ratsuchenden auf die Frage, ob er seine sowieso schon sterbenskranke Frau mit der Wahrheit vollends zu Tode bringen dürfe, daß ihr einziges, innigst geliebtes Kind zu Gott berufen worden sei.[4]

Was nun? Der Belogene ist ganz sicher nicht immer der Dumme, und daß Lügen Zigtausende Leben retten können, weiß man nicht erst, seitdem friedfertige Politiker Despoten austricksen. Gibt es demzufolge ein O.K. für die moralisch saubere Lüge? Ein Ja ist auch keine befreiende Antwort, denn die Moral prostituiert sich gerne und fällt somit als wertneutrale Konstante für eine Entscheidung pro oder kontra Lüge aus.

Rein theoretisch wäre es schön, wenn man immer die Wahrheit sagen könnte, aber da müßte man ja zugeben, daß man ab und zu auch lügt, und dummerweise wird in den fortschrittsgläubigen, aufgeklärten 90er Jahren immer noch ins Abseits gestellt, wer wahrheitsgemäß zugibt, das zu tun, was in unserer Gesellschaft keiner und keine mehr lassen kann, nämlich zu lügen, zu heucheln, zu vertuschen, zu täuschen, zu betrügen, zu verschweigen und das alles x-mal am Tag.

Die Betonungen liegen im letzten Satz auf keiner und keine und auf x. Das statistisch zugeteilte Lügenquantum gesteht der Frau gerne etwas mehr zu. Manche Lügenforscher wollen dieses »mehr« tatsächlich mit Zahlen beweisen können. Da tut sich die Frage auf, wie so eine Lügenstatistik unter der Bevölkerung erstellt wird. Seriöse Wissenschaftler erheben jetzt warnend den Zeigefinger: »Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!« Werden Studenten im Labor oder Passanten auf der Straße befragt, wie oft sie in den letzten zwölf Stunden gelogen haben? Die wahre Antwort weiß nur der Wind.

Ob falsch gezählt oder richtig geraten – Zahlen würden sowieso nichts an den Meinungen ändern. 1970 ergab eine seriöse Studie (Broverman und Broverman), daß zu den herausragenden weiblichen Charaktereigenschaften die Einschätzung »sehr falsch« gehörte. Befragt wurden Tausende von Otto Normalos, aber auch praktizierende Psychologen und Psychotherapeuten. Fragen Sie morgen Ihre Arbeitskollegen, ob die anderer Ansicht sind. Sind sie nicht.

Wahr ist, daß sich die Verlogenheit als Makel auf dem Charakter der Frau in den Köpfen von Hinz und Kunz über die Jahre fester eingefressen hat als Kalk in den Heizstab der Waschmaschine. Wahr ist, daß das Vorurteil von der ausgeprägten Ehrlichkeit des Mannes aus den Köpfen der Bundesbürger genauso schwer zu entfernen ist wie ein Rotweinfleck von seiner weißen Weste.

Warum ist das so, obwohl in Wirklichkeit alles ganz anders ist?

Ein Streifzug durch die Welt der frühen Dichter und Denker bringt uns der Beantwortung dieser Frage einen beachtlichen Schritt näher.

Die »organische Verlogenheit des Weibes«

In der Jugend meinen wir, das Geringste,

was die Menschen uns gewähren können,

sei Gerechtigkeit. Im Alter erfahren wir,

daß es das Höchste ist.

 

Marie von Ebner-Eschenbach

»Für mich, der ich auf dem Boden des Kantischen Indeterminismus stehe, folgt das Unvermögen der Frauen zur Wahrheit aus ihrem Mangel an einem freien Willen zur Wahrheit – bedingt ihre Verlogenheit. Wer mit Frauen Umgang hatte, der weiß, wie oft sie, unter dem momentanen Zwang auf eine Frage zu antworten, ganz beliebig falsche Gründe für das, was sie gesagt oder getan haben, aus dem Stegreif angeben. (…) Verlogenheit, organische Verlogenheit, charakterisiert (…) somit sämtliche Frauen. Es ist ganz unrichtig, wenn man sagt, daß die Weiber lügen. Das würde voraussetzen, daß sie auch manches Mal die Wahrheit sagen. Als ob Aufrichtigkeit, pro foro interno et externo, nicht gerade die Tugend wäre, deren die Frauen absolut unfähig sind, die ihnen völlig unmöglich ist!«[5]

Der Autor dieser Zeilen ist Otto Weininger, ein österreichischer Philosoph und Psychologe. Seine Beweisführung für die »organische Verlogenheit des Weibes« können Sie dem 1903 erschienenen Buch »Geschlecht und Charakter« entnehmen, worin er auf über 600 eng beschriebenen Seiten dem sittlichen und geistigen Wert des Mannes die Triebhaftigkeit und geistige Unterlegenheit der Frau gegenüberstellt. Das Machwerk war für damalige Verhältnisse ein Bestseller, wurde bis 1920 jedes Jahr neu aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt. Karl Kraus, August Strindberg, Ludwig Wittgenstein und andere Frauenhasser fanden seine Ausführungen begeisternd. Vielleicht ist es – bevor Sie zur Lektüre greifen – für Sie noch interessant zu wissen, daß Weininger Antisemit war, eine starke Affinität zu Männern hatte und sich im Alter von 23 Jahren im Sterbehaus seines Idols Beethoven eine Kugel durch den Kopf jagte. Böse Frauenzungen behaupten zu wissen, warum er ausgerechnet im Erscheinungsjahr seines Buches Selbstmord beging.

Aristoteles, der größte altgriechische Philosoph, Erfinder der Logik und der Psychologie, der Erzieher Alexanders des Großen, zweimal verheiratet und Vater zweier Kinder, war davon überzeugt, daß der Frau Schamgefühl und Selbstachtung fehlen. Wen wundert’s, daß er daraus logisch folgerte, sie sei hinterlistiger und unehrlicher in ihren Worten als seine Geschlechtsgenossen! Er tritt mit dieser Überzeugung in die geistigen Fußstapfen seines zeitweiligen Freundes und Lehrers Platon, der die Frauen ebenfalls für verschlagen und wenig tugendhaft hält. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb?) kann er sich vorstellen, daß Frauen leitende Positionen in der Politik bekleiden.

Der deutsche Psychologe P.J. Moebius, ein seinerzeit anerkannter Wissenschaftler, fand folgendes über die Frau heraus: »Demnach ist nachgewiesen, dass für das geistige Leben ausserordentlich wichtige Gehirntheile, die Windungen des Stirn- und des Schläfenlappens, beim Weibe schlechter entwickelt sind als beim Manne, und dass dieser Unterschied schon bei der Geburt besteht.«[6] Daraus folgerte er, daß »Heuchelei, also Lüge, die naturgegebene und unentbehrliche Waffe des Weibes« sein müsse. Nachzulesen ist dieses und noch viel mehr in seinem 1907 erschienenen Werk »Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes«.

Arthur Schopenhauer (1788–1860), der als einer der großartigsten Denker des 19. Jahrhunderts gilt und das philosophische System des Pessimismus begründete (Das Leben ist Leiden), hat sich vermutlich durch sein gestörtes Verhältnis zu Mama und vielleicht auch durch seine Syphiliserkrankung, die er sich bei der Wurzel allen Übels, einer Frau, geholt hatte, zu einer philosophischen Abhandlung »Über die Weiber« hinreißen lassen. Darin kommt er zu folgenden Erkenntnissen:

»Demgemäß wird man als den Grundfehler des weiblichen Charakters Ungerechtigkeit finden. Er entsteht zunächst aus dem dargelegten Mangel an Vernünftigkeit und Überlegung, wird zudem aber noch dadurch unterstützt, daß sie, als die schwächeren, von der Natur nicht auf die Kraft, sondern auf die List angewiesen sind: daher ihre instinktartige Verschlagenheit und ihr unvertilgbarer Hang zum Lügen. Denn wie den Löwen mit Klauen und Gebiß, den Elephanten mit Stoßzähnen, den Eber mit den Hauern, den Stier mit Hörnern und die Sepia mit der wassertrübenden Tinte, so hat die Natur das Weib mit Verstellungskunst ausgerüstet, zu seinem Schutz und Wehr, und hat alle die Kraft, die sie dem Manne als körperliche Stärke und Vernunft verlieh, dem Weibe in Gestalt jener Gabe zugewendet. Die Verstellung ist ihm daher angeboren, deshalb auch fast so sehr dem dummen, wie dem klugen Weibe eigen. (…) Aus dem aufgestellten Grundfehler und seinen Beigaben entspringt aber Falschheit, Treulosigkeit, Verrath, Undank u.s.w.Des gerichtlichen Meineides machen Weiber sich viel öfter schuldig als Männer.«[7]

Schopenhauers Ansicht nach »hat die Natur den Mann mit Bartwuchs ausgestattet, damit er seine Gefühle vor den Feinden verbergen könne; das Weib hingegen bedürfe dieses Schutzes nicht, weil es sich instinktiv listig und hinterhältig verhalte«.[8] Letztendlich findet er auch den Grund für sittliche und moralische Ausrutscher der Männer: »(…) sondern die Weiber sind und bleiben, im Ganzen genommen, die gründlichsten und unheilbarsten Philister: deshalb sind sie, bei der höchst absurden Einrichtung, daß sie Stand und Titel des Mannes theilen, die beständigen Ansporner seines unedlen Ehrgeizes; und ferner ist, wegen der selben Eigenschaft, ihr Vorherrschen und Tonangeben der Verderb der modernen Gesellschaft.«[9]

Nietzsche hat auch einen Grund, weshalb er seinen Geschlechtsgenossen geraten hat, mit der Peitsche zu den Frauen zu gehen: »Was liegt dem Weibe an Wahrheit! Nichts ist von Anbeginn dem Weibe fremder, widriger, feindlicher als Wahrheit – seine große Kunst ist die Lüge, seine höchste Angelegenheit ist der Schein und die Schönheit.«[10]

Auch Honoré de Balzac, der begnadete Schriftsteller und Moralist, hat Probleme mit der Objektivität, wenn es um die Einschätzung von Frauen geht. Frauen geben »ein Bild kalter Verderbtheit, voll wollüstiger Grausamkeit, bedenkenlos genug, ein Verbrechen zu begehen, und stark genug, darüber zu lachen – ein teuflisches Wesen ohne Herz, das weiche und zärtliche Seelen für die Gefühle bestraft, die ihm selbst unerreichbar sind.«[11]

Wie kommt’s?

Durchkämmt man die Biografien derer, die den Frauen eine »organische Lügenhaftigkeit« unterstellen, finden sich schnell die Läuse, die den Herren über die Leber gelaufen sind: Probleme mit der Mutter und/oder sexuelle Vorlieben, die sie mit der Frau pur oder der Missionarsstellung allein nicht befriedigen konnten. Doch die sexuellen Problemchen honoriger Denker sind nicht allein die Ursache weiblicher Diffamierung. Frauenhasser schwimmen lediglich im Kielwasser einer langen Tradition und formulieren täglich neu, was jeder Mann schon immer wußte: Die Frau ist von Natur aus schlecht und minderwertig – wer das Gegenteil behauptet, lügt. Das läßt sich bereits bei denen nachlesen, die die Schrift erfunden haben sollen – bei den Sumerern. Als die im Land zwischen Euphrat und Tigris 10000 Jahre vor Christus erstmals Lehmbollen haushoch aufeinanderklatschten und auf diese Weise den sozialen Wohnungsbau begründeten, war die Welt der Frauen anfangs allerdings noch einigermaßen in Ordnung.

Nach der Vorstellung der Sumerer entstand das Universum aus der Vereinigung von Himmel und Erde, und ihre Göttinnen und Götter waren Kinder der Liebe zwischen Wasser und Land. Die Menschen wurden geschaffen, um dem Göttergeschlecht zu dienen. Männer und Frauen gleichermaßen. Die Betonung lag damals auf gleichermaßen. So gesehen, ist die Gleichberechtigung 12000 Jahre alt. Mit großer Wahrscheinlichkeit sogar noch älter. Denn daß die Jäger und Sammler der Steinzeit ihre Frauen an den Haaren von Höhle zu Höhle geschleift haben, um ihnen zu zeigen, wo sie hingehören, nämlich unter den Mann und an die Feuerstelle, ist nichts als Spekulation. Die Geschichte ist von Männern geschrieben.

Bei den Sumerern hielt der Glaube an die göttliche Abstammung und die daraus resultierende Gleichbehandlung beider Geschlechter etwa so lange, bis Hammurapi (1800 v. Chr.) seine berühmte Gesetzessammlung in den noch berühmteren Dioritblock meißeln ließ. Zwar wurde unter seiner Regie die Frau eine Zeitlang noch zusammen mit ihrem Lover ersäuft, wenn sie bei ehebrecherischen Aktivitäten ertappt wurde, aber solche Auslegung des »Codex Hammurapi« – gleiches Recht für alle – hielt nicht lange an. Mit Beginn der patriarchalischen Götter- und Weltordnung wurde die Schuldfrage in zwischenmenschlichen Belangen zuungunsten der Frau neu geklärt. Der neue Gott Marduck, der nach der Unterwerfung der Sumerer unter babylonische Herrschaft das himmlische Sagen hatte, wollte nach Ansicht seiner männlichen Erfinder keine gleichberechtigten Göttinnen neben sich haben. Deshalb dünnte er die göttliche Belegschaft von 3600 sumerischen gemischtgeschlechtlichen Exemplaren mitsamt ihren feministischen Einstellungen aus – wer blieb, war er. Fortan waren Verrat und Ehebruch reine Frauenverbrechen – Männer waren von Natur aus nicht zu solch üblen Machenschaften imstande.

Die weitere Entwicklung hin zum lügenhaften Sündenpfuhl Weib läßt sich nachlesen, wenn wir das meistverkaufte Buch aller Zeiten, die Bibel, zur Hand nehmen. In der Genesis, der Schöpfungsgeschichte, steht es: Gott kam zum einen ohne eine Frau an seiner Seite zurecht, erschuf demzufolge Adam und nicht etwa auch Eva aus freien Stücken, nein, er hat Eva aus der Rippe Adams geschaffen. Das ist in den Augen der Gottesgelehrten genügend Beweis für ihre Zweitrangig- oder Minderwertigkeit. Die weitere Argumentation ist von ähnlich verblüffender Logik: Da die Rippe ein gebogener Knochen ist, kann man folgerichtig schließen, daß auch der Geist, bzw. Charakter der Frau, verbogen oder pervertiert ist. Der Beweis: Eva, charakterlos, wie sie war, ließ sich vom Satan verführen, führte danach auch den armen Adam in Versuchung, war also verantwortlich für den Sündenfall des Mannes. Kurzum: durch die hinterlistige Eva war die Sünde in die Welt gekommen.

Eine andere Religion steht dem jüdisch-christlichen Monotheismus bezüglich weiblicher Diskriminierung in nichts nach: Der Islam profiliert sich bekanntermaßen nicht dadurch, daß er die Frauen auf Erden bezüglich ihrer Rechte in den Himmel hebt. Die Araber waren davon überzeugt, daß die Frau aus der Sünde Satans bzw. aus dem Schwanz des Affen entstanden ist. Es erübrigt sich wohl, an dieser Stelle die Meinung der Herren über die Spezies der Affen genauer zu erläutern. Unter dem Buddhismus oder dem Polytheismus der Antike hätten die Frauen ein angenehmeres Leben gehabt – beide Glaubensrichtungen konnten sich allerdings aufgrund mangelnder Blutrünstigkeit und Raffgier ihrer Vertreter leider nicht durchsetzen. Bleiben wir bei der Religion, die das Denken und das Frauenbild der westlichen Welt prägte. Lesen wir, was die Schriftgelehrten damals über das Weib herausfanden und veröffentlichten:

Quintus Septimus Florens Tertullian (160–225), ein lateinischer Kirchenschriftsteller, dessen Schriften die praktischen Fragen des Gemeindelebens behandelten, schrie es von der Kanzel aus seinen Schafen zu: »Weißt du nicht, daß auch du Eva bist? Der göttliche Richterspruch hat auch heute noch seine volle Gültigkeit für dieses Geschlecht, also besteht auch seine Sünde weiterhin. Du bist das Tor zum Teufel, du hast seiner Versuchung nachgegeben, du hast das göttliche Gebot als erste übertreten.«[12]

Ein paar hundert Jahre später sprach Odo von Cluny, Sproß der berühmten französischen Benediktinerabtei, noch deutlichere Worte über das Werkzeug des Bösen: »Die Schönheit des Leibes wohnt nur in der Haut. Und wahrlich, wenn die Männer sähen, was sich unter der Haut befindet, würde der Anblick der Frauen ihnen Ekel einflößen. Wir würden es nicht ertragen, Auswurf und Kot auch nur mit den Fingerspitzen anzufassen; wie können wir dann den Wunsch haben, einen solchen Haufen Kot zu umarmen?«[13]

Hildebert von Lavardin, ein christlicher Dichter, der mit mehreren Weibern in »wilder Ehe« lebte und 1133 als Erzbischof von Tours starb, dichtete folgendes: »Die Frau, ein schwaches Ding, beständig nur im Verbrechen, hört niemals aus eigenem Antrieb auf, zu schaden. Die Frau, gierige Flamme, heftigster Wahn, ärgste Feindin des Mannes, lernt und lehrt alles, was schaden kann. Die Frau ist ein ruchloses Forum, eine öffentliche Sache, geboren, um zu betrügen, glaubt sie durch Verbrechen siegreich zu bleiben. Alles im Laster verzehrend, wird sie von allen verzehrt; sie wird selbst zur Beute.«[14]

Solche »Wahrheiten« über die »wahre« lügenhafte Natur der Frau konnte Mann selbstverständlich nicht tatenlos auf sich beruhen lassen. Es verstand sich von selbst, daß das »Werkzeug des Bösen«, die personifizierte Sünde, an die Kandare genommen werden mußte, damit sie nicht noch mehr Unheil anrichten konnte. Über die Gebrauchsanweisung für die verdorbenen, lügenhaften Weiber brauchte Mann Gott sei Dank nicht lange nachzudenken. Denn als ER zu Eva sprach »(…) und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein und er soll dein Herr sein!«, machte er mit fünf einfachen Worten die Frau für die nächsten zwei Jahrtausende zur Minna des Mannes.

Einmal gesagt und für immer getan. Es wäre ja gelacht, wenn Mann das lasterhafte weibliche Wesen nicht in den Griff bekäme. Johann Fischart philosophierte 1578 (mit leichtem Augenzwinkern) in seinem »Ehezuchtbüchlein«, daß der Mann in einer harmonischen Partnerschaft für die Frau Kaiser und König sein müsse; er gab er auch gleich vor, wie das »vollkommen Weib« zu sein hatte, nämlich »holdselig, gefügig, keusch und mit einfachem Geist«. Entsprach die Gattin nicht diesem Ideal, mußte der Ehemann etwas nachhelfen. Daß die Faust aufs Auge nicht nur bei den Frauen blindes Vertrauen schafft, konnte er beweisen: »(…) seien doch Hunde und Pferde ihren Herrn auch dann treu, wenn diese sie hart hielten und übel schlügen«. Ein Aufbegehren der so Disziplinierten war weder angesagt noch rechtens, denn »in göttlichen und menschlichen Gesetzen stehet, daß man auch einer tyrannischen Obrigkeit soll untertan sein«.[15]

Daran orientierte sich die Familienpolitik auch noch 300 Jahre später, und dieser Ansicht war auch schon 2000