Freak Like Me - J. Moldenhauer - E-Book

Freak Like Me E-Book

J. Moldenhauer

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Beschreibung

Wenn du vor deiner Vergangenheit flüchten willst - dann ziehst du in eine neue Stadt. Wenn du ein Geheimnis verbergen willst - dann verstellst du dich. Wenn du allerdings beginnst, dein Herz an einen Jungen zu verschenken ... dann bist du heillos verloren. Ann Clancy widerfährt genau das. Mit New York will sie auch einen gesamten Lebensabschnitt hinter sich lassen. Ein neues Leben in einer neuen Kleinstadt beginnen. Doch eine Disneyclique und tanzende Pinguine stellen ihr Leben mit der Zeit gehörig auf den Kopf. Allen voran Jason - ihr Froschkönig. Jetzt neu: die Never-Reihe - Never Felt Like This Before - der Doppelband Never Expected You und Never Expected Us - der Doppelband The Things I Never Said und The Things I Never Did  

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J. Moldenhauer

Freak Like Me

Liebesroman

Für meine Mama, meinen Papa, meinen Bruder, den Covermaker und meine treuen Leser. Weil sie genau so durchgeknallt sind wie ich. BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Prolog

„Ich werde dich unendlich doll vermissen!“, jaulte meine beste Freundin unter starkem Alkoholeinfluss.

„Jaja“, murmelte ich, verkniff mir einen spitzen Kommentar, als ich sah wie, ihr Blick zu meinem Freund wanderte. Gierig zog sie ihn mit ihren Augen aus und ließ mich nur völlig entnervt die Augen verdrehen. Ich drehte meinen Kopf leicht zur Seite damit, ich mir nicht ausmalte, was die beiden anstellen würden wenn ich weg war.

„Hey Ann. Können wir reden?“, hörte ich eine vertraute Stimme neben meinem Ohr. Kurz wendete ich meine müden Augen auf die hübsche Person mit der Igelfrisur. Mein Freund sah gut aus und seine nussbraunen Augen sahen mich erwartungsvoll an. Mit einem leisen Seufzer stand ich von dem Barhocker auf und folgte dem Muskelpaket nach draußen. Ich wusste, dass ich zuviel getrunken hatte, denn mein Blick war getrübt und die Musik dröhnte unnormal laut in meinen Ohren.

Bevor ich richtig wahrgenommen hatte wo ich war, traf mich die frische Luft wie eiskaltes Wasser. Schlagartig war ich wieder wach, merkte meinen Alkoholkonsum stärker als mir lieb war. Der Bodybuilder lief weiter und achtet nicht darauf, ob ich hinter her kam.

Arschloch!

Mit einer leichten Wut im Magen torkelte ich dem hübschen Hintern hinter her. Ich kam mir dabei vor wie ein sabbernder Hund. Lässig lehnte die Kante sich gegen eine Laterne, wartete bis ich ihn auf meinen unbequemen Absatzschuhen erreicht hatte. Ab und zu knickte ich bedrohlich zur Seite und konnte mich gerade so noch fangen. Er sah das, machte aber nichts. Wie immer.

„Was?“, lallte ich und wusste, dass es kein nettes Gespräch werden würde.

„Hör zu Ann, nimm das nicht persönlich was jetzt kommt. Es hat nichts mit dir zu tun, es ist nur diese Entfernung“, sagte er, nahm dabei meine Hand und fuhr mit dem Daumen die Konturen nach.

„Ich denke nur, dass ich eine Beziehung über diese Entfernung nicht aufrechterhalten kann.“

Ein Stich durchfuhr mein Herz und selbst der Alkohol konnte dieses fiese Gefühl nicht verhindern.

„Wieso habe ich mit so was bloß gerechnet?“, entfuhr es mir ironisch, während ich nun unsere ineinander verschränkten Hände betrachtete.

„Komm schon Ann. Das kannst du mir nicht übel nehmen“, hörte ich ihn sagen.

„Schon gut. Ich wünsch dir viel Spaß mit Natalie.“ Die Worte spuckte ich regelrecht aus und entzog dem Schönling ruckartig meine Hand. Bevor er ein weiteres Wort sagen konnte, drehte ich mich um und lief auf die ausgestorbene Straße zu, die sich am Ende der Gasse befand. Einen Blick zurück würde ich nicht ertragen. Nicht mit diesem Alkoholpegel im Blut. Ich wusste genau, dass er mir nicht nachlaufen würde. Für Cole war ich nie mehr als eine Spielpuppe gewesen. Austauschbar. Ich wusste das die ganze Zeit und trotzdem hatte ich mich drauf eingelassen. Nicht das Intelligenteste, das war mir bewusst.

Leise fluchend trat ich eine Blechdose die auf dem Bürgersteig lag beiseite und verlor fast mein Gleichgewicht. Ich war mir sicher, dass Cole jetzt mit Natalie rummachte. Auch wenn beide immer abstritten, dass sie sich attraktiv fanden wusste ich genau, dass es nicht stimmt. Ich kannte beide. Und die hatten gerne ihren Spaß. Eine weitere Bestätigung meiner Theorie waren die Blicke gewesen, die sie sich gegenseitig schenkten.

Schnaubend blieb ich vor einem Schaufenster stehen und betrachtete mein Spiegelbild nachdenklich. Meine rote, kurze Bobfrisur war zerstört und auch mein grünes Kleid war verrutscht. Die löchrige Strumpfhose hat ungewollt noch mehr Löcher bekommen und meine roten Lackpumps waren voll mit Bier. Nur mein überdimensionaler Schmuck war heil geblieben.

Ich strich mir eine Strähne aus meinem schmalen Gesicht, sah, dass die Lippen zu einem freudlosen Lächeln verzogen waren. Meine Augen waren glasig und zeugten von meiner Unzurechnungsfähigkeit. Im Licht der Straßenlaterne wirkte meine Haut fast käsig. Ich war angepisst von mir selber. Kein Wunder, dass mich kein normaler Typ wollte. Ich war ein Freak. Ich wendete mich von meinem getrübten Spiegelbild ab und machte mich auf dem Heimweg.

In keinen vierundzwanzig Stunden würde ich New York verlassen haben. Ebenso meine Freunde und meinen Vater. Wenn man einen Mann, der sich nicht für einen interessiert, als Vater und Natalie, die sich an meinen Freund (wenn auch jetzt Ex-Freund) ranmachte, als Freundin bezeichnen konnte. Mal abgesehen von Grace war das der einzige Mensch, den ich noch als Freund bezeichnen konnte.

Vor mir lag das letzte Jahr Highschool. Das würde ich in einem kleinen Kaff verbringen. Dort hatte meine Mutter nämlich ohne mein Einverständnis eine Wohnung gemietet. Direkt über der eines alten Schulfreundes. Ich war froh, dass ich von meinem Vater weg kam. Er war ein Idiot, der mit dem Zerstören anderer Firmen Geld macht. Einen Profithai nannten ihn viele. Ich auch. Das einzige Problem, was ich mit der ganzen Aktion meiner Mutter hatte, war, dass sie es gemacht hatte ohne mich zu fragen. Denn ich hasste es, wenn jemand über mich hinweg entschied.

 

Soviel zum Thema keinen schlechten Eindruck machen…

Gelangweilt blickte ich aus dem Fenster des fahrenden Autos und versuchte mich damit abzufinden, dass ich New York für eine lange Zeit nicht wieder sehen würde. Schon jetzt vermisste ich den widerlichen Großstadt-Smog! Nein, ehrlich gesagt vermisste ich ihn nicht. Und leider konnte ich auch nicht behaupten, dass ich meine Freunde vermisste. Ich hatte keine. Grace war mit ihrem Job beschäftigt und Natalie war nur mit mir befreundet gewesen, weil wir uns seit dem Kindergarten kannten. Ansonsten hing sie mit ihren coolen Cheerleaderinnen ab. Diese Hinterhältigkeit, die bei dieser Gesellschaftsgruppe fast schon angeboren war, trieb mich immer wieder in den Wahnsinn. Zu meinem Leidwesen musste ich gestehen, dass ich ebenfalls für lange Zeit zu dieser Sorte Mensch gehört hatte.

„Alles in Ordnung, Ann Schätzchen?“, hörte ich meine Mutter sanft fragen, nachdem ich tief aufgeseufzt hatte.

„Alles super“, grummelte ich und würdigte sie keinen Blickes. Stattdessen betrachtete ich die Landschaft, die endlos zu sein schien. Es erinnerte mich ein wenig an Wüste, wenn ich diese unbewohnten Weiten sah. Auch wenn diese nicht so trocken war.

„Es tut mir Leid“, hörte ich meine Mutter leise flüstern. Ich atmete tief aus, wusste, dass ich gegen ihre traurigen Augen keine Chance hatte. Langsam wandte ich mich ihr zu und strich mir eine Strähne hinters Ohr. Als ich meine Mutter erblickte, wurde es mir wieder schwer ums Herz. Ihre aschblonden, langen Haare fielen glatt und nur das bunte Tuch, welches mit Blumen verziert war, erweckte den Eindruck dass sie fröhlich war. Doch ich kannte sie und mich konnte diese bunte, ausgefallene Kleidung, die sie trug, nicht täuschen. Nein, ich sah den Schmerz und die Traurigkeit in ihren grünen Augen.

„Ist schon gut. Ich fand es nur nicht toll, dass du über meinen Kopf hinweg entschieden hast“, erklärte ich sanft. Eine kleine Träne rollte die Wange meiner Mutter herunter, die sie schnell mit dem Handrücken wegwischte.

„Ich weiß, dass es nicht richtig von mir war. Und ich hoffe, du verzeihst mir“, fuhr sie theatralisch fort.

„Es war kein Kapitalverbrechen!“, stöhnte ich genervt, verdrehte meine Augen. Künstler konnten einen mit ihrer Dramatik wirklich in den Wahnsinn treiben! Ich sah, dass sie mir einen fragenden, leidenden Blick von der Seite zuwarf.

„Ich verzeihe dir ja!“, lachte ich lauthals los, weil ich diesen lächerlichen Anblick nicht länger ertragen konnte.

„Damit hatte ich gerechnet!“, stimmte sie in das Lachen ein und widmete sich wieder der verlassenen Straße. Kopfschüttelnd betrachtete ich einen kurzen Moment meine verrückte Erzeugerin, ehe ich mir meinen Kopfhörer nahm und in der Musik versank.

 

„Was sagst du?“, hörte ich meine Mutter sagen, als sie am Straßenrand vor einem großen Gebäude hielt.

„Es ist….interessant“, antwortete ich zögerlich und starrte aus dem Fenster auf die heruntergekommene Fabrikhalle. Soweit ich meine Mom richtig verstanden hatte, hatte ein Architekt die Fabrik vor Jahren zu einem Mehrfamilienhaus umgebaut. Das eben dies vor Jahren geschehen war, sah man dem Haus an. Trotzdem wirkte es relativ einladend. Ich wollte mich gerade abschnallen, als ich hörte, wie meine Mutter sich räusperte. Schlagartig hielt ich inne und mein Kopf flog hoch. Dieses Räuspern kannte ich nur zu gut und bis jetzt hatte es nie was Gutes verheißen.

„Was?“, fragte ich argwöhnisch, suchte in dem Blick meiner Mutter nach Antworten. Und dann sah ich es. Sie knabberte auf ihrer Unterlippe! Mein Herzschlag beschleunigte sich ungewollt. Das letzte Mal, als sie sich erst geräuspert und anschließend auf die Lippe gebissen hatte, war, als mein Fisch, mein bester Freund, gestorben war. Für mich war damals die Welt untergegangen.

„Es gibt da etwas, was ich dir noch sagen muss“, sagte sie, nahm meine Hände in ihre und lächelte mich zaghaft an. Das wurde immer schlimmer!

„Ja?“, hakte ich vorsichtig nach, versuchte diesen liebevollen Blick der grünen Augen zu ignorieren.

„Die Wohnung, die ich gemietet habe ist leider noch nicht vollständig renoviert.“

„Dann schlafen wir halt auf Matratzen“, antwortete ich schulterzuckend und war schon erleichtert, dass es nichts Schlimmeres war, doch zu meinem Bedauern machte sich ein schuldbewusster Ausdruck auf ihrem Gesicht breit.

„Mom..?“, fragte ich mahnend und blickte sie bedrohlich an.

„Wir können frühestens in drei Wochen in die Wohnung.“

„Wir schlafen im Auto?!“, spuckte ich empört aus, doch sie schüttelte nur leicht den Kopf.

„Du weißt, dass mein alter Schulfreund George ebenfalls in diesem Haus wohnt. Und er hat mir angeboten, dass wir vorerst bei ihm unterkommen“, erklärte sie langsam.

Noch hörte ich nichts Schlimmes, doch ich ahnte, dass noch etwas folgen würde, also schwieg ich.

„Ich werde in dem Bett mit meinem besten Freund schlafen, während du bei seinem Sohn im Zimmer auf der Couch schlafen kannst.“

Ungläubig starrte ich meine Mutter an. Nur langsam realisierte ich ihre Worte und doch fehlte noch etwas. Denn das war noch nicht so gravierend, dass sie solche Schuldgefühle hatte.

„Ich schlafe in einem Zimmer mit einem fremden Typen?“, stellte ich monoton fest.

„Wo ist der Haken und wieso kann ich nicht auf einer Couch im Wohnzimmer schlafen?“, fügte ich nach einem kurzen Moment des Überlegens hinzu.

„Die Couch im Wohnzimmer ist zu klein und ich will nicht, dass du dir den Rücken kaputt machst“, sagte sie gewollt streng. Dann wurde ihre Miene sanfter, Falten bildeten sich auf ihrer Stirn. Sie dachte nach.

„Er ist nicht ganz einfach“, erklärte meine Mutter lässig.

Zu lässig. Das passte nicht zu den Falten, die sie jetzt im Gesicht hatte.

„Was meinst du mit nicht ganz einfach?“, bohrte ich nach.

„George kommt nicht so gut mit ihm aus und er wurde schon mit Drogen erwischt. Er ist ein kleiner Draufgänger. Mehr nicht“, winkte sie locker ab, ließ mich sprachlos werden.

„Du steckst mich in ein Zimmer mit einem Drogendealer?“, fragte ich ungläubig. Sie spitze die Lippen, suchte an der Decke nach etwas, ehe sie langsam anfing zu nicken.

„Du bist echt unglaublich. Andere Mütter würden ihre Töchter von solchen Jungs fernhalten. Und du steckst mich freiwillig mit so einem in ein Zimmer“, murmelte ich vor mich hin, sah den entschuldigenden Blick.

„Noch irgendetwas was ich wissen sollte, bevor ich mich zu meinem Drogenboss geselle?“, fragte ich ironisch und schnallte mich ab um auszusteigen.

„Er ist ein Arschloch. Und ich kenne deine Schwäche für diese Art von Mann. Also halt dich bitte von ihm fern“, ertönte es neben mir. Fassungslos blickte ich sie an.

„Mom!“, rief ich empört, woraufhin sie abwehrend ihre Hände hob.

„Ich wollte es dir nur sagen“, rechtfertigte sie sich, löste ihren Gurt und stieg aus. Ich bewegte mich kein Stück, starrte meine Mutter an, die seelenruhig ihren Koffer aus dem Kofferraum nahm. Sie steckte mich tatsächlich mit einem Dealer in ein Zimmer und ermahnte mich, dass ich nichts mit ihm anfangen sollte.

„Künstler“, grummelte ich, immer noch geschockt von dem Verhalten meiner Erzeugerin, und stieg ebenfalls aus.

 

Ein wenig skeptisch stand ich neben meiner Mutter vor der Haustür ihres Schulfreundes. Mein Blick glitt durch das heruntergekommene Treppenhaus, das mich persönlich an einen Rohbau erinnerte, mit den Betontreppen und rostigen Treppengeländern. Trotzdem hatte es irgendwie Stil. Ich wandte mich der Tür zu, die geöffnet wurde und betrachtete neugierig den älteren Herren mit hohem Haaransatz. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht und bevor meine Mutter oder ich ein Wort sagen konnten, hatte er die aschblonde Künstlerin neben mir in die Arme geschlossen.

„Es ist so schön dich zu sehen, Esmeralda!“ hörte ich ihn ausrufen, während er meine Mutter wie eine Anakonda zerquetschte.

„Du musst die bezaubernde Ann sein“, sagte er mit dem Ausdruck eines Honigkuchenpferdes auf dem Gesicht an mich gewandt, während meine Mutter um ihr Leben kämpfte. Stumm nickte ich, konnte mir einen ironischen Kommentar gerade noch so verkneifen. Ich reichte ihm meine Hand, die er mit seiner Pranke fest umschloss und wie einen Cocktail durchschüttelte.

„Kommt doch bitte rein“, meinte er freundlich, als er meine Hand losließ und uns die Tür aufhielt. Ich schüttelte meine Hand, die schmerzte, als hätte sich ein zweihundert Pfund schwerer Kerl drauf gesetzt und versuchte meinen Gesichtsausdruck von Schmerzhaft zu Angenervt zu wechseln. Doch irgendwie blieb der schmerzhafte Ausdruck einen Moment länger, als ich gehofft hatte. Blöde Anakonda.

Also folgte ich den beiden Erwachsenen etwas miesslaunig in die Wohnung und wedelte immer noch mit meiner Hand, während ich mit der anderen meinen Koffer trug. Eine warme Atmosphäre lag in der Luft, beruhigte mich. Schwere Holzmöbel, die mich an Einzelstücke erinnerten, standen im Kontrast zu den warmen, hellen Tönen an der Wand. Die Künstlerin war mit der Anakonda in ein Gespräch verwickelt und ich existierte nicht. Sie schwebten in der Vergangenheit, verloren sich in vergangenen Tagen. Ich räusperte mich kurz, erweckte damit die Aufmerksamkeit meiner Mutter. Mit hochgezogenen Augenbrauen deutete ich auf meinen schweren Koffer.

„Oh, George, könntest du Ann sagen, wo sie ihren Koffer hinbringen kann?“, wandte meine Mutter sich an den schlaksig wirkenden Mann. Dass er keineswegs so schwach war wie er wirkte, hatte meine Hand zu spüren bekommen.

„Natürlich. Den Flur um die Ecke gehen und dann die letzte Tür“, erklärte er mit einem Lächeln. Ich nickte und quetschte mich inklusive meines Gepäcks an den beiden Menschen vorbei, die ich für mich persönlich schon für verrückt erklärt hatte. Bei meiner Mutter war das nichts Neues, aber dass ihr schwuler Schulfreund genauso durchgeknallt war wie sie, hätte ich nicht gedacht. Allerdings hätte es mich auch gewundert, wenn meine Mutter mit jemand Normalem verkehrt hätte. Also schlurfte ich ein wenig demotiviert den Flur entlang. Ich bog um die Ecke und erblickte am Ende des Ganges eine Zimmertür, an der ein Plakat mit Schimpfwörtern klebte.

Was tust du mir bloß an, Mutter, dachte ich theatralisch und konnte einen kleinen Seufzer nicht unterdrücken. Mutlos trat ich auf die Tür zu und klopfte an diese. Ich wartete, doch es kam keine Reaktion, sodass ich erneut um Einlass bat. Als nach einer weiteren, gefühlten Ewigkeit immer noch keine Antwort kam, öffnete ich einfach die Tür.

Geschockt von dem Chaos das ich erblickte, blieb ich regungslos im Türrahmen stehen. Meine Mutter war nun wirklich schon chaotisch, aber das was ich hier erblickte, stellte alles Dagewesene in den Schatten. Die Regale waren zugestellt mit alten Flaschen und Klamotten flogen in jeder erdenklichen Ecke des Zimmers rum. Leicht angewidert betrachtete ich die alten Socken und den vollen Aschenbecher, der auf einem kleinen Tisch in der Ecke stand. Dann fiel mein Blick auf das Bett, auf dem eine Person lag. Ich räusperte mich, denn ich wollte keineswegs einen schlechten Eindruck machen. Doch derjenige gab keine Reaktion von sich. Lebte es überhaupt noch?

„Hallo?“, hörte ich mich zaghaft fragen. Plötzlich bewegte das Etwas sich und stand auf. Ein großer junger Mann erhob sich langsam vom Bett. Sein schwarzes T-Shirt passte perfekt zu diesen nachtschwarzen Haaren. Augen, die mich an blaue Eiskristalle erinnerten, starrten mich wütend an. Der Mann griff nach seinem Skateboard, das neben dem Bett stand und der schwarzen Lederjacke, die an einem kleinen Haken, der neben der Tür angebracht war, hing. Ein gutaussehender, verdammt durchtrainierter und wirklich angsteinflößender Kerl stand mir gegenüber und schien nicht besonders erfreut über mein Kommen zu sein. Dabei kannte ich ihn überhaupt nicht!

„Solange du mit mir in einem Zimmer pennen musst, wirst du nichts anfassen, aufräumen oder anschauen. Wenn ich sage verpiss dich, verpisst du dich. Es ist mir egal wer du bist, was du tust und was du willst, also kümmere dich auch nicht um meinen Kram“, zischte er. Verdattert starrte ich den bösen Adonis vor mir an. Bevor ich jedoch fragen konnte, für wen er sich eigentlich hielt, hatte er sich an mir vorbeigedrängt. Die Zimmertür wurde zugeknallt und ich blieb alleine in dem chaotischen Zimmer zurück. Soviel zum Thema keinen schlechten Eindruck machen.

 

Rumpelstilzchen, Rapunzel, Rotkäppchen und der Froschkönig

 Ein wenig sehnsüchtig betrachtete ich mein zukünftiges Zimmer, das sich leider noch im Rohbauzustand befand. Die Wohnung war groß und wir hatten einen kleinen Keller, den meine Mutter als Atelier nutzen konnte. Große Fenster ließen die noch sommerlichen Sonnenstrahlen in die Wohnung fallen. Der Staub, der bei meinen Schritten aufgewirbelt wurde, leuchtete in dem Licht.

„Es ist schön“, sagte ich zu meiner Mutter, die ungeduldig neben mir stand.

„Es gefällt dir?“, fragte sie zögerlich nach, hatte ihre Hände vor Aufregung immer noch verschränkt.

„Ja“, stellte ich mit einem leicht erzwungenen Lächeln fest und riss meinen Blick von dem tanzenden Staub.

„Oh Schätzchen!“, rief sie erleichtert aus und schloss mich in eine feste Umarmung, die mich an die Anakonda namens George erinnerte.

„Ist gut Mom“, brachte ich atemlos hervor und versuchte die blonden langen Strähnen, die mir ins Gesicht fielen und mich kitzelten, wegzupusten.

„Pass auf, dass du Ann nicht erdrosselst“, hörte ich George hinter meiner Mutter kichern. Zu meiner Erleichterung wirkten seine Worte und sie löste sich ein Stück von mir. Ich betrachtete den Schwulen in seiner Arbeitskleidung, der einen Eimer Farbe trug. Ein breites Grinsen zierte sein eigentlich schmales Gesicht und wirkte ansteckend auf die Künstlerin.

„Hast du Lust mit zu streichen?“, fragte George, legte seinen Kopf leicht schräg sodass seine Zottelhaare zur Seite fielen.

„Klar. Ich ziehe mich nur schnell um“, erwiderte ich und machte mich auf den Weg zu meiner derzeitigen Unterkunft.

Das Treppenhaus wirkte immer noch heruntergekommen und stand völlig im Kontrast zu den neuen Wohnungen, die sich in dieser alten Fabrikhalle befanden. Ich schritt über die kaputten Fliesen, die die Treppe zierten, als in meiner Hosentasche mein Handy vibrierte. Ein kurzer Blick auf den Display verriet mir, dass es Natalie war. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, da sie sich wirklich meldete. Also war ich ihr trotz der Entfernung nicht unwichtig. Hatte ich mich geirrt, was unsere Freundschaft anbelangte? Ein kleines Lächeln umspielte meine Lippen als ich abnahm und die vertraute, hohe Stimme meiner sogenannten besten Freundin hörte.

„Hey!“, freute ich mich in den Telefonhörer.

„Man Ann ich vermisse dich voll!“, schmollte sie.

„Ich vermiss dich auch. Und New York erst! Du kannst dir nicht vorstellen was das für ein Kaff ist!“, fing ich an mich auszulassen und lehnte mich gegen das rostige Treppengeländer. Das ich New York eigentlich, tief in meinem Inneren nicht vermisste, musste ich ihr ja nicht erzählen. So konnte ich wenigstens behaupten, dass ich eine Freundin in New York hatte. Grace trieb sich irgendwo in der Weltgeschichte rum und war vorerst beschäftigt.

„Ist es wirklich so schlimm?“

„Es ist schlimmer“, seufzte ich, verschwieg ihr vorerst meinen wundervollen Zimmerkollegen, dessen Namen ich nicht kannte.

„Ich würde außerhalb New York nicht überleben können.“

„Ich hoffe, ich schaffe es“, sagte ich leicht verzweifelt, als ich plötzlich eine Stimme im Hintergrund hörte.

„Natalie?“, fragte ich, als ein leises Stimmengewirr am Ende der Leitung ausbrach.

„Hallo?“, wiederholte ich nach einigen Sekunden. Das hohe Kichern meiner Freundin und zweideutige Sätze drangen an mein Ohr. Also hatte sie gestern, nachdem ich gegangen war, wieder jemanden abgeschleppt. Ungläubig schüttelte ich meinen Kopf und betrachtete eine Spinne, die sich in einer Ecke ein Netz baute.

„Leg doch auf und lass uns böse Dinge machen“, ertönte es aus meinem Handy und ich erstarrte. Diese Stimme kannte ich. Diese Art der Verführung und erst recht diese Überredungskünste. Auch wenn ich nur zwei Monate mit ihm zusammen war.

„Cole?!“, brachte ich verwirrt hervor, sah den Bodybuilder vor meinem inneren Auge. Augenblicklich verstummten die Stimmen, ließen mich Böses erahnen.

„Hör zu Ann. Deswegen habe ich dich angerufen“, sagte die hohe Stimme von Natalie zögerlich.

„Nachdem du gestern weg warst, da hat es auf einmal zwischen mir und Cole gefunkt“, fuhr sie fort.

„Das ist echt eine Glanzleistung. Ich bin keine vierundzwanzig Stunden weg und schon hast du dir meinen Freund geschnappt. Echt gigantisch, Natalie“, sagte ich abfällig, konnte nicht glauben, dass es so schnell gegangen war. Das war es dann wohl doch gewesen mit der Freundschaft.

„Ihr seid doch gar nicht mehr zusammen! Du bist Hunderte von Kilometern weg!“

„Es geht ums Prinzip! Ich habe nie was mit einem deiner Typen angefangen!“, keifte ich wütend zurück.

„Meine Typen wollten auch nie was von so einem Freak wie dir! Schau dich doch mal an! Jeder hat mich gefragt, wieso ich mit so jemandem wie dir abhänge. Vor allem nach dem was du geleistet hast! Ich bin eine Cheerleaderin! Ich bin was besseres als du!“, schrie sie wütend durchs Telefon. Ich ignorierte ihre fiese Anspielung auf Vergangenes, die unter die Gürtellinie ging.

„Jetzt hast du mich nicht mehr am Hals. Viel Spaß mit deinen kleinen Pompons Nutten und dem Monster von Frankenstein“, sagte ich tonlos und legte auf. Ich starrte mein Handy an, hoffte für einen kurzen Moment, dass sie mich zurückrufen würde, doch ich wusste, dass sie das nicht tun würde. Daraufhin verspürte ich diesen unglaublich verführerischen Drang, mein Kommunikationsmittel gegen die Wand zu schleudern, zu sehen wie es in tausend Stücke zerbrach. Leider hatte mich dieses kleine Elektroteil zuviel Geld gekostet, als das ich es wegen einer hirnlosen Schaufensterpuppe oder einem idiotischen Neandertaler zerstören würde.

Schnaubend betrat ich die Wohnung, versuchte mich abzureagieren. Ich redete mir ein, dass ich was Besseres verdient hatte, als solche Trottel. Nur war das Problem, dass mich keiner wollte. Denn wer wollte schon etwas mit einem Freak zutun haben? Ich seufzte kurz auf, hörte das Holz unter meinen Füßen knirschen. Innerlich brodelte es und ich wusste, dass ich beim Streichen meinen Frust rauslassen musste. Andernfalls würde ich ziemlich unfreundlich zu meiner gesamten Umwelt sein. Meistens hatte das für mich Konsequenzen, die oft ziemlich unschön waren.

Genervt öffnete ich die Zimmertür und erblickte einen Haufen Jungs, die mich neugierig anstarrten und am Rauchen waren. Ich hatte also mal wieder das perfekte Timing. Wortlos betrat ich das Nebelzimmer, wollte an meine Tasche, vor der sich ein Typ breit gemacht hatte, der mich an einen Bodybuilder erinnerte. Cole. Das war gar nicht gut für mich und die anwesenden Personen. Ich setzte mein bestgekünsteltes Lächeln auf und versuchte meine Stimme so nett wie möglich klingen zu lassen.

„Könnte ich bitte einmal an meine Tasche?“ Die grauen Augen, die leicht grün schimmerten, musterten mich von oben bis unten, ließen mein Lächeln immer krampfhafter werden. Das etwas längere blonde Haar von dem Riesen fiel ihm leicht ins kantige Gesicht, auf dem sich ganz langsam ein süffisantes Grinsen breit machte.

„Das ist die Kleine, die bei dir pennt?“, fragte er jemanden hinter mir, ohne mich zu beachten.

„Die ist heiß, auch wenn ein wenig verrückt aussieht“, hörte ich jemanden sagen. Langsam drehte ich mich um, erblickte einen durchtrainierten Jungen mit braun-schwarzen Haaren, die er unter einer roten Cappy versteckte. Mein Geduldsfaden war am Reißen. Stück für Stück lösten sich die einzelnen kleinen Fäden.

„Ich würde sie auch nicht von der Bettkante schmeißen“, fügte ein kleiner, schlaksiger Typ mit Brille hinzu und zog an seiner Zigarette, während er mich lüstern betrachtete, obwohl er ziemlich schüchtern wirkte. Vielleicht spornten seine Kameraden ihn an?

„Sie ist ganz okay“, fügte nun Mr. Unbekannt hinzu, lehnte sich zurück und blies den Rauch der Zigarette genau in meine Richtung. Ein Funkeln von Überlegenheit und Belustigung war in seinen Augen zu sehen, ließ mich erbeben vor Wut. Meine Maske fiel und ein unfreundlicher Ausdruck trat auf mein Gesicht. Ich drehte mich zu dem großen Blonden, der mich immer noch abschätzig betrachtete.

„Beweg deinen fetten Arsch da weg, sonst muss ich dir deine langen Haare abschneiden, Rapunzel“, keifte ich den Typen an, der mich an Cole erinnerte. Ich sah, wie er seine Augenbrauen hochzog und mich ungläubig anschaute. Eine ungewohnte Stille breitete sich in dem Raum aus. Ganz langsam erhob sich der Riese und ich musste mir eingestehen, dass ich ihn mir nicht so groß vorgestellt hatte. Er stand vor mir, ungefähr drei Köpfe größer als ich, und blickte mich kritisch an. Diesen Blick erwiderte ich mit zusammengekniffenen Augen. Ohne den Augenkontakt zu brechen, trat Rapunzel zur Seite und ließ mich an meine Tasche. Mir fielen eine Milliarden Schimpfwörter für diese Kerle ein, die immer noch schwiegen und sich wahrscheinlich amüsierten.

„Hast du ihn gerade Rapunzel genannt?“, durchbrach der mit der roten Cappy die Stille, in der ich nach meinen alten Klamotten gesucht hatte. Schnaubend stoppte ich meinen Suchvorgang, wendete mich dem zu, der das Wort ergriffen hatte.

„Hast du ein Problem damit, Rotkäppchen?!“, fuhr ich den Möchtegern an.

„Rotkäppchen?“, kicherte der Schlaksige mit der spitzen Nase.

„Halt die Klappe, Rumpelstilzchen“, wandte ich mich an den Kleinen, der ein wenig irritiert aussah.

„Bist du noch ganz dicht!?“, ertönte es plötzlich von dem Arschloch, mit dem ich so eine wundervolle Begegnung gehabt hatte. Ja, das war Ironie.

„Ob ich noch ganz dicht bin?!“, wiederholte ich rhetorisch und blickte den Jungen mit den schwarzen Haaren, die einen kleinen Blaustich hatten, an. Erneut versuchten die Eiskristalle, die seine Augen waren, mich zu Boden zu bringen, doch diesmal war ich nicht auf den Mund gefallen. Ich war stocksauer auf meinen Ex-Freund und meine Ex-beste Freundin. Heute konnte mich, wahrscheinlich zu meinem Bedauern, niemand aufhalten.

„Hör mal zu, Froschkönig. Nur weil wir in deinem Disneyland sind, heißt das nicht, dass ich nach deinen Regeln spielen muss. Wenn mich jemand dumm anmacht, bekommt er eins aufs Auge. Und es ist mir scheißegal ob es dein Rapunzel, Rumpelstilzchen oder Rotkäppchen ist“, zischte ich und bemerkte die ungläubigen Blicke im Augenwinkel.

„Märchenscheißer“, knurrte ich, während ich aus dem Zimmer stampfte und die Tür hinter mir zuknallte. Die Lust aufs Streichen war mir jetzt definitiv vergangen. Ich musste hier raus. Weg von diesen Disneyfiguren, die mich an Cole erinnerten.

 

Ich starrte in den Himmel, der sich langsam verfärbte. Die warmen Sonnenstrahlen trafen nicht mehr meine Haut und so langsam verflog der Sommerzauber des Maisfeldes, auf dem ich mich befand. Es war spät geworden und ich war den ganzen restlichen Tag sinnlos umher gerannt, bis ich schließlich dieses unendlich große Feld gefunden hatte. Ohne zu zögern, hatte ich beschlossen mich einfach mitten rein zu legen und nachzudenken, was mir leider Kopfschmerzen bereitet hatte.

Mit einem sehnsüchtigen Seufzer stand ich auf und kämpfte mich zurück durch die hohen Pflanzen. Der glühende Asphalt, den ich betrat, erfüllte mich mit Gedanken an New York und ich wurde von einer neuen Welle von Schmerzen überrannt. Ich richtete meinen Blick auf den Boden, während ich das kurze Stück zu der Wohnung zurück lief. Eigentlich hätte ich gerne einen Umweg gemacht und wäre die ganze Nacht gelaufen, doch ich konnte die sorgenvollen Anrufe meiner Mutter nicht länger ignorieren. Sie war schließlich nicht Schuld an dem, was mir widerfahren war.

Ich trat einen Stein mit meinen Chucks beiseite und beobachtete, wie er wenige Meter vor mir zum Stillstand kam. Zuerst wollte ich mir vorstellen, dass Cole dieser Stein wäre, doch dann erinnerte ich mich, was mit der Blume geschehen war, die ich durch Zufall am Wegesrand gefunden hatte. Und diese war nur in tausend Stücke gerissen worden, weil Cole mir genauso eine Blume mal geschenkt hatte. Was würde dann wohl mit dem Stein passieren?

Wenn ich noch in New York wäre, wäre ich jetzt alleine. Im Grunde war es also gut, dass ich gegangen war. Ich war Natalie, Cole, die dummen Cheerleader und meinen Vater los. Und ich hatte mir geschworen, dass ich mich an Natalie rächen würde, wenn ich sie je wieder sah. Ich würde das kleine Biest auseinander nehmen. Allerdings war die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie nie wieder sah, sehr hoch. Ich blieb vor der Haustür der ehemaligen Fabrikhalle stehen und drückte auf die Klingel. Keine zehn Sekunden später, wurde die Tür aufgerissen und meine aufgewühlte Mutter schaute mich an.

„Ann!“ Bevor ich etwas sagen konnte, hatte sie mich in ihre Arme gerissen und presste mich an ihre üppige Brust.

„Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Wo warst du?“, fragte sie hysterisch.

„Nachdenken“, murmelte ich, ohne in diese grünen Augen zu gucken, die mich immer durchschauten. Ich drängelte mich an ihr vorbei, stieg die Treppe empor, denn ich wollte jeder Diskussion aus dem Weg gehen und hungrig war ich auch. Das Treppenhaus war zu dieser Uhrzeit dunkel, sodass ich nicht sah, wo ich hinlief, bis meine Mutter das Licht anschaltete.

Kaum hatte ich die Wohnungstür ihres besten Freundes erreicht, erblickte ich diesen auch schon. Er schien ebenfalls besorgt gewesen zu sein und lächelte mich zaghaft an, während ich an ihm vorbei ging.

„Essen ist schon fertig“, hörte ich den etwas älteren Herren sagen. Schweigend trat ich in das Wohnzimmer und setzte mich an den Esstisch, an dem ein Teller noch nicht angerührt worden war. Dass der Froschkönig mir gegenüber saß und mich neugierig betrachtete, ignorierte ich.

„Du hättest ruhig mal einen meiner Anrufe entgegen nehmen können“, schimpfte meine Mutter, als sie sich neben mich setzte. Nein, sie schimpfte nicht wirklich, sie versuchte es. George nahm neben dem Froschkönig Platz und blickte mich ebenfalls an. Ich ignorierte die Bande, griff nach dem Brot.

„Als Jason uns sagte, dass du ziemlich aufgebracht warst, habe ich mir schreckliche Sorgen gemacht, Schätzchen“, fuhr meine Mutter fort. Ich hielt inne und blickte auf. Direkt in diese blauen Augen, die mich schelmisch anfunkelten. Jason. Das war sein Name. Der Name des schleimigen, stinkenden Frosches war Jason.

„Hat er das?“, fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen und einer erneut aufsteigenden Wut nach.

„Ja. Und ich weiß, dass du gerne nach New York zurück fahren würdest. Ich dachte, du hättest deinen Vater angerufen und ihm gesagt, dass er dich abholen soll“, hörte ich meine Mutter mit einem traurigen Unterton sagen.

„Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich zu diesem Profithai ziehe“, sagte ich scharf, belegte mir das Brot mit Käse. Das waren die letzten Worte, die ich sagte. Meine Mutter und George redeten wie ein Wasserfall, doch das störte mich nicht. Mich störte dieser Blick von dem Froschkönig, der auf meiner Haut brannte. Der Typ war mir nicht geheuer. Er war gefährlich für mich, das wusste ich und genau das bereitete mir Sorgen. Denn meistens nahm ich solche unausgesprochenen Kampfansagen an. Die Frage war nur, ob ich diesen Kampf gewinnen würde.

 

Ich legte mich auf das provisorische Bett in Jasons Zimmer und drehte mich um, sodass ich die Wand anstarrte. Auf den Kontakt mit diesem Typen konnte ich bestens verzichten. Ich war froh, wenn ich hier weg kam. Die Zimmertür wurde geschlossen und das Licht erlosch. Ein Quietschen verriet mir, dass der Froschkönig sich in sein Bett gelegt hatte. Ich schloss meine Augen, genoss die Ruhe und versuchte, nicht an New York zu denken.

„Das war nicht besonders nett von dir“, durchbrach die Stimme von Jason die Stille, die ich mir so herbei gesehnt hatte.

„Was?“, fragte ich verwirrt, setzte mich auf und suchte Jason, der in einem T-Shirt in seinem Bett saß und mich anstarrte.

„Mich als Froschkönig zu bezeichnen. Und die anderen drei Jungs sind auch keine Disneyfiguren, sondern Danny, Zack und Mike.“

„Es ist mir egal, wer die sind. Die sollen mich in Ruhe lassen und alles ist gut. Du hast es bei unserem Kennenlernen schon auf den Punkt gebracht. Es ist mir egal wer du bist, was du tust und was du willst, also kümmere dich auch nicht um meinen Kram“, zitierte ich seine liebevolle Ansprache.

„Dann sind wir uns ja einig“, stellte er fest.

„Ja, das sind wir zu meiner Verwunderung wirklich“, zischte ich in die Schwärze der Nacht und legte mich wieder hin. Ich hörte, wie er es mir gleichtat und schloss die Augen. Die Tatsache, dass der erste Tag in der neuen Stadt so beschissen gelaufen war, bereitete mir Magenschmerzen. Wie würde dann wohl morgen mein erster Schultag verlaufen? Ich ahnte jetzt schon, dass ich als Freak abgestempelt werden würde und das hieß, ich musste eine Schutzmauer aufbauen. Oder mich verstellen.

Attraktion der Schule und die ersten Fettnäpfchen, die ich natürlich nicht auslassen konnte…

Genervt betrachtete ich, wie Jason lässig auf seinem Skateboard davon fuhr und mich alleine zurück ließ. Soviel zum Thema, er würde mir den Weg zur Schule zeigen. Immer weiter verschwand der Froschkönig in der Ferne und ließ mich ein schnelles Tempo anschlagen, damit ich mich am Ende nicht verlief. Allerdings bezweifelte ich, dass das in diesem Kaff möglich war. Ich meine, hier brauchte man wahrscheinlich keine zwanzig Sekunden um einmal die Innenstadt zu durchqueren!

Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und fing an zu rennen, als mein wundervoller Zimmermitbewohner um eine Ecke bog. Es war der erste Schultag, und da wollte ich nicht gleich einen schlechten Eindruck machen. Solche guten Vorsätze verwarf ich meistens nach kurzer Zeit, weil meine große Klappe mir einen Strich durch die Rechnung machte. Deswegen ging ich auch diesmal davon aus, dass der Tag nicht perfekt verlaufen würde. Ich hoffte allerdings, dass er nicht horrormäßig werden würde.

Immer noch rannte ich und hoffte, dem Skateboard fahrenden Froschkönig auf den Fersen bleiben zu können. Dieser gab jedoch ein ziemlich rasches Tempo vor, was mich langsam an den Rand meiner Ausdauer trieb. Ich war gut in Sport, woran die Zeit als Cheerleader nicht ganz unbeteiligt war. Aber das hier und bei den Temperaturen, brachte mich an meine Grenzen.

Ich bog um die Ecke und erblickte ein Gebäude, das mich an eine Schule erinnerte. Aber es war edel, ordentlich, nicht so wie in New York. Nein, das hier war ein Spießerbunker. Und ich sollte nun in Gefangenschaft genommen werden. Mit einem Seufzer verlangsamte ich meine Schritte, als ich das Tor zum Schulgelände passierte. Außer Atem achtete ich nicht auf meine Umwelt, sondern sah nur das hämische Grinsen, das auf Jasons Lippen lag, ehe er sich zu seiner Disneyland-Gang gesellte.

Ich murmelte ein paar Schimpfwörter und krachte mit irgendwem zusammen. Eine Tasche knallte zu Boden und die Bücher fielen raus. Ich wirbelte leicht überrascht herum, war kurz davor, einen Schwall von Beschimpfungen über meine Lippen zu bringen, als ich dieses ungewöhnliche Geschöpf erblickte.

„Kannst du nicht aufpassen?!“, keifte mich ein Mädchen mit pinkfarbenen Haaren an. Doch auch sie schien irritiert über mein Aussehen zu sein, denn sie fing an, mich verwundert von oben bis unten zu mustern. Ich tat es ihr gleich und betrachtete die türkisfarbenen Strähnen, die aus den langen Haaren hervorstachen. Grau-blaue Augen glitten über meine ungewöhnliche Kleidung und auch ich wunderte mich über ihr Hello-Kitty-Shirt. Pinke Sneakers zierten ihre schmalen Beine, die in einer türkisenen Jeans steckten. Eine Spange mit bunten Blumen hatte sich in ihrer Farbenpracht, die sich Haar nannte, verirrt. Ich persönlich würde sie als lebendes Kunstobjekt beschreiben. Ihr Blick glitt weiter über meine schwarze, zerrissene Jeans, unter der ich eine lila Strumpfhose trug. Mein pinkes, übergroßeses T-Shirt war mit bunten Buttons verziert und in auf meinem Kopf saß ein weißer Haarreif, der mit schwarzen Punkten verziert war.

„Coole Schuhe“, meinte sie mit einem Grinsen und deutete auf meine Fußbekleidung, die ihrer bis aufs Haar glichen.

„Danke“, gab ich schief grinsend zurück. Scheinbar gab es an dieser Schule auch noch Leute, die aus der Norm heraus fielen. Denn wenn ich diese Ansammlung von Schülern betrachtete, breitete sich ein mulmiges Gefühl in meinem Magen aus. Jeder hier sah ordentlich und gepflegt aus. Durchschnitt. Perfekt. Also nichts, was mir im Geringsten ähnelte, außer dem zierlichen Mädchen mit der olivfarbenden Haut, das direkt vor mir stand.

„Sorry. Ich wollte dich nicht umrennen“, gab ich ein wenig überrumpelt zu erkennen und bückte mich, um ihre Sachen aufzuheben. Einen kurzen Moment später hatte sie sich ebenfalls gebückt und packte ihre Sachen ein.

„Kein Problem“, murmelte sie, während ihr Blick immer wieder kurz zu mir wanderte.

„Du bist neu, oder?“, fragte sie, als wir wieder aufstanden. Mit einem kurzen Nicken beantwortete ich ihr die Frage, was sie mit einem schiefen Lächeln zur Kenntnis nahm.

„Ich bin Gwendolyn, aber nenn‘ mich bitte Gwen. Ich hasse meinen Namen“, sagte sie fröhlich und streckte mir eine Hand mit Hello Kitty bemalten Fingernägeln hin, die ich freundlich entgegen nahm.

„Ann“, erwiderte ich kurz angebunden.

„Weißt du schon, wo du hin musst?“, hörte ich sie neben mir fragen.

„Ich habe keine Ahnung“, gab ich lachend zu.

„Dann nehme ich mir einfach mal das Vorrecht, dich zum Sekretariat zu führen“, stellte sie ebenfalls lachend klar. Zusammen gingen wir zum Schuleingang, als ich die Disneyland-Clique herumlungern sah, die mich grinsend betrachtete.

„Sportlich, sportlich“, ertönte es von dem blonden Riesen, der lässig an dem Treppengeländer lehnte. Die Jungs brachen in schallendes Gelächter aus und ernteten von mir einen bösen Blick.

„Ich steck dir dein Sportlich, sportlich gleich an einen Ort, an dem nie die Sonne scheint, Rapunzel“, fuhr ich den Giganten an, der mich daraufhin etwas verdutzt anblickt. Die gesamte Aufmerksamkeit der anwesenden Schüler schien plötzlich auf mir zu liegen, was mich ziemlich verunsicherte, doch ich warf Rapunzel weiterhin tötende Blicke zu.

„Was?“, wiederholte er ein wenig verwirrt. Er sah nicht nur ein kleinen wenig dumm aus, er war es sogar. Ich verdrehte genervt über seine Dummheit meine Augen.

„Spreche ich Spanisch oder steckt das Hirn eines Zweijährigen in deinem Körper?“, fluchte ich, weil ich es nicht leiden konnte, mich mit Leuten anzulegen, die nicht kontern konnten. Als immer noch keine Regung kam, drehte ich mich um und stampfte in das Schulgebäude, dicht gefolgt von Gwen. Unglauben stand in ihrem Gesicht, was mich ziemlich verwunderte. Sie hielt mit mir Schritt, starrte mich jedoch unentwegt an.

„Wo muss ich hin?“, fragte ich sie, ignorierte ihren Gesichtsausdruck.

„Gwen?“, hakte ich nach mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Du hast dich allen Ernstes mit Mike Grantham angelegt!“, entfuhr es ihr verblüfft.

„Ach so hieß er“, fügte ich beiläufig hinzu, suchte nebenbei vergeblich nach einem Schild, dass mir den Weg zum Sekretariat aufzeigte.

„Ann!“, rief Gwen aufgeregt und packte mich am Arm, damit ich sie anschaute.

„Was ist?“, wollte ich aufgebracht wissen. Wieso starrten mich alle so an? Ich meine, so besonders konnte der Typ nicht sein, oder?

„Mike Grantham ist ein Schläger. Der Kerl ist ein Panzer auf zwei Beinen. Jeder, der sich mit ihm anlegt, landet im Krankenhaus“, erklärte sie mir langsam, betonte jedes Wort. Gleichgültig blickte ich sie an. Das musste ein Scherz sein. Hatte ich nicht bis gerade eben noch einen Vorsatz gehabt, dass der erste Tag gut verlaufen würde?

„Ist nicht dein Ernst“, kullerten die Worte aus meinem Mund. Mit einem stummen Nicken beantwortete sie meine Frage. Ich war diesmal von mir selber beeindruckt. Immerhin hatte ich es innerhalb weniger Minuten geschafft, die Ungunst des Schlägers der Schule auf mich zu ziehen. Vielleicht sollte ich mich in einer Talentshow bewerben. Denn ich war wirklich ein Naturtalent, wenn es darum ging, sich in Schwierigkeiten zu bringen.

Ich ließ meine Schultern hängen und schlug mir mit der flachen Hand vor die Stirn. Dieser Tag würde wahrscheinlich mein letzter sein. Obwohl. Ich hielt inne. Dann hätte theoretisch gestern schon mein letzter Tag sein müssen. Oder war ich einfach zu schnell weg gewesen? Wahrscheinlich letzteres.

„Dabei hatte ich mir vorgenommen, nicht sofort in Schwierigkeiten zu geraten“, seufzte ich.

„Mach dir nichts draus und genieße deinen letzten Tag“, meinte Gwen mit einem aufmunternden Lächeln, was ich erwiderte.

„Na komm, ich zeig dir den Weg zum Sekretariat.“ Und so machten wir beiden Paradiesvögel uns auf dem Weg.

 

„Wir treffen uns dann spätestens in der Cafeteria“, rief mir Gwen zu, während sie sich zu ihrer Klasse aufmachte. Ich hob meine Hand, lächelte ihr zu und betrat den düsteren Raum. Eine ältere Dame, die auf ihren Computerbildschirm konzentriert war, saß an einem robusten Holzschreibtisch. Ich trat an diesen heran, beobachtete, wie die Finger über die Tasten flogen und sie unter ihrer Brille die Worte, die sie schrieb, las. Da die Sekretärin mit etwas beschäftigt zu sein schien, ließ ich meine Augen über die spärliche Schuleinrichtung wandern, die schon einige Jahre auf dem Buckel hatte. Diese Schule war, wie ich schon an den Schülern erkannt hatte, sehr konservativ. Noch schlimmer als in New York.

Nachdem ich mir das Büro lange genug angeschaut hatte, räusperte ich mich kurz, da ich nicht die ganze Stunde verpassen wollte. Sofort schoss die Hand der Dame gebieterisch in die Höhe, bedeutete mir zu schweigen. Ich runzelte meine Stirn, öffnete den Mund, doch in dem Augenblick wo mir ein Wort über die Lippen kam, wurde die Tür des Büros geöffnet. Meine Augen und die der älteren Frau wanderten zu dem Eingang des Sekretäriats, durch den ein durchtrainierter Junge mit schwarzen Haaren und eisblauen Augen eintrat. Der Froschkönig schien mir nirgends erspart zu bleiben.

„Was hast du nun schon wieder angestellt, Jason?“, kam es scharf von der grauhaarigen Frau.

„Habe auf dem Schulgelände geraucht“, erwiderte er gelangweilt, lehnte sich neben mich lässig an den Tresen. Die Frau seufzte auf, fing an nach etwas zu suchen. Ich hingegen betrachtete den durchtrainierten Kerl neben mir. Den Vollidioten, der mich zur Schule hat rennen lassen. Er bemerkte meine Anwesenheit nach einigen Sekunden und blickte mich abschätzig an.

„Gut zur Schule gekommen?“, fragte er ziemlich gleichgültig, doch ich hörte diesen neckenden Unterton. Bloß nicht ausrasten. Genau das will der Kerl, also lass dich bloß nicht provozieren. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, versuchte aber nicht zu verbergen, dass seine Gegenwart mich störte.

„Ja. Ich habe noch ein wenig Frühsport betrieben“, antwortete ich, konnte mir die Ironie in diesen Worten nicht verkneifen.

„Wirklich?“, erwiderte er überrascht. Jason machte einen anerkennenden Gesichtsausdruck und ich wusste, dass er nur spielte. Allerdings spielte ich auch. Dasselbe Spiel. Und ich war gut. Verdammt gut.

„Was treibst du denn für Sport?“, fuhr er neugierig fort, stütze seinen Kopf auf seine Händen.

„Marathonlauf.“

„Interessant. Dann hast du bestimmt eine gute Ausdauer.“

„Ich bin unschlagbar, was das angeht“, redete ich weiter, verstand leider noch nicht, worauf er hinaus wollte. Der Froschkönig nahm den Zettel, den die Sekretärin ihm reichte, entgegen und grinste mich schelmisch an. Er beugte sich ein Stück vor, sodass ich sein Aftershave riechen konnte. Es roch angenehm nach Wald und Orangen. Auch konnte ich den Zigarettenrauch wahrnehmen, der in seiner Kleidung hing.

„Dann bist du in einer bestimmten Sportart fast so gut wie ich. Wir können irgendwann ja mal schauen, wer von uns besser darin ist“, flüsterte er in mein Ohr, wobei sein heißer Atem über meinen Nacken strich. Bevor ich richtig verstanden hatte, was er meinte, hatte er sich umgedreht und war aus dem Sekretariat verschwunden. Erst da dämmerte mir, dass er mir ein zweideutiges Angebot gemacht hatte. Dieser Mistkerl hatte mir nicht mal Gelegenheit gelassen zu kontern!

„Miss?“, unterbrach die ältere Dame meinen Gedankengang.

„Ja?“, ich wirbelte herum und brauchte eine Sekunde um mich zu ordnen. Fragend hob sie ihre fein gezupften Augenbrauen.

„Ich bin neu und brauche einen Stundenplan“, brachte ich mühsam hervor.

„Wie heißen sie?“, fragte sie, wandte sich erneut dem Computer zu.

„Ann Clancy.“

 

Unschlüssig stand ich vor der Tür, die zu meinem Physikkurs führte. Ich war bisher nie in der Rolle der neuen Schülerin gewesen, doch ich hatte schon immer mitbekommen, wie schwer es Neuen fiel, sich einzuleben, wenn sie nicht in die Norm passten. Und ich passte da definitiv nicht rein.

Allein schon mein Kleidungsstil weckte bei einer Menge Menschen Unbehagen, wenn sie mich erblickten. Ich war unbekannt und hatte meinen eigenen Kopf. Genau das machte den meisten Angst. Wenn jetzt noch ans Tageslicht kam, dass ich ein Physik- und Mathe-Crack war, hatte ich verschissen. Denn sind wir mal ehrlich, wer wollte mit einer Neuen, die sich wie ein Vogel anzog, Physik und Mathe liebte und eine große Klappe hatte, was zu tun haben? Exakt. So ziemlich keiner.

Zögerlich klopfte ich an die Tür und nach einem gefühlten ewigen Moment ertönte ein „Herein.“ Mit schwitzigen Händen drückte ich die Türklinke herunter und trat in den stickigen Klassenraum. Eine Masse an Augenpaaren war auf mich gerichtet, verunsicherte mich ein wenig, doch ich ließ es mir nicht anmerken. Ich schlenderte zu dem Lehrer, der an der Tafel stand und etwas aus der Quantenphysik anschrieb.

„Ich bin neu“, murmelte ich, reichte dem Lehrer einen Zettel, den er mit einem Nicken entgegennahm. Er sah aus wie ein richtiger Professor. Eine Halbglatze und die Haare, die er besaß, waren weiß und standen wirr vom Kopf ab. Eine dicke Kartoffelnase zierte das rundliche Gesicht und seine Kleidung schien ein wenig zu groß, denn sie hing schlabberig an seinem Körper hinab.

„Stellen Sie sich doch vor“, meinte er mit einer Handbewegung in Richtung Klasse. Ich unterdrückte ein lautes Stöhnen und wandte mich der gierigen Masse zu.

„Mein Name ist Ann Clancy. Ich bin achtzehn Jahre alt und komme aus New York“, erzählte ich das Nötigste und hatte keine Lust, länger die Attraktion des Unterrichts zu sein.

„Dann setzten Sie sich doch bitte“, meinte der zerstreute Professor und deutete mit einer Hand auf einen freien Platz. Dieser freie Platz war schön und gut, jedoch saß neben mir eine Person, die ich kannte. Die Brillenschlange, die ich Rumpelstilzchen getauft hatte und die zu der Disneyland-Gang gehörte, blickte mich mit Augen, die zu engen Schlitzen verzogen waren, an.

Unter seinem bohrenden Blick nahm ich neben ihm Platz und packte meinen Schreibblock und Stift aus, während der Lehrer ohne Namen mit seinem Unterricht fort fuhr. Ich schrieb mit, versuchte mich voll auf die Formel zu konzentrieren, doch dieser gaffende Blick von der Seite entging mir nicht. Generell schien ich weiterhin die Aufmerksamkeit des Kurses auf mich zu ziehen.

„Gaff mich nicht so an“, zischte ich leise, wusste, dass er es gehört hatte. Und sieh einer an, er senkte ertappt seinen Kopf und schien urplötzlich auf etwas anderes fixiert zu sein. Der Kleine war scheinbar gar kein so cooler Typ, wie er vorgab zu sein. Er wirkte verdammt schüchtern.

 

Den ganzen Tag hatte ich gaffende Blicke ertragen müssen. Zum Glück endete der erste Schultag bereits um eins, sodass ich nach Hause konnte. Bisher war ich Rapunzel nämlich gekonnt ausgewichen und auch sonst hatte keiner sich weiter mit mir befasst. Natürlich gab es erstes Geflüster, doch noch hielt es sich in Grenzen. Morgen würde der Horror werden, dessen war ich mir sicher. Auch wenn ich Gwen an meiner Seite hatte, würde ich am folgenden Tag der gesamten Schülerschaft ausgesetzt sein. Sie würden mich angaffen wie ein Zootier.

Ich hob die Hand zum Abschied und winkte Gwen zu, die mit ihrem gelb gestreiften Fahrrad davon fuhr. Ich hatte den Weg noch im Kopf, also beschloss ich möglichst schnell nach Hause zu kommen, denn ich wusste nicht, welchen Weg Rapunzel nach Hause nahm. Einer Konfrontation wollte ich ehrlich gesagt aus dem Weg gehen. Es klang feige, das war mir bewusst. Und das war ich zu diesem Zeitpunkt auch. Meine Mutter würde es wahrscheinlich nicht gutheißen, mich zwei Tage nach der Ankunft im Krankenhaus besuchen zu müssen. So schlenderte ich über die abgenutzten Bordsteine und betrachtete die einzelnen Löwenzähne, die sich der Sonne entgegen reckten. Mir war ziemlich heiß und ich ärgerte mich, dass ich nichts Kürzeres angezogen hatte.

Und dann hörte ich es. Während ich in Gedanken versunken war, näherte sich dieses unheilvolle Geräusch von Rollen auf dem Asphalt. In dem Moment, wo ich aufblickte wusste ich, dass es die Disneyland-Gang war. Langsam rollten sie neben mir her, lachten sich gegenseitig an. Ich versuchte sie zu ignorieren, bis plötzlich ein großer Schatten neben mir auftauchte und mir das Sonnenlicht stahl. Es gab bestimmt nur eine Person in dieser Stadt, die so gewaltig war. Und mit eben jener hatte ich mich heute angelegt.

„Hallo Ann“, sagte die vertraute Stimme von Rapunzel bedrohlich. Er hielt an, nahm sein Skateboard und lief neben mir her. Ganz ruhig. Es ist bloß eine dumme Ausgabe von Rapunzel. Doch diese dumme Ausgabe von Rapunzel stand auf einmal vor mir und blickte auf mich hinab.

„Willst du mich nicht begrüßen?“, fragte er vorsichtig nach, machte einen Schritt auf mich zu. Keine Angst zeigen. Dann weiß er, dass er gewonnen hat, redete ich mir selber ein.

„Sollte ich dich begrüßen wollen?“, fragte ich monoton nach, versteckte meine zitternden Hände in meiner Hosentasche.

„Nein, aber du solltest Angst haben“, flüsterte er. Die Drohung entging mir nicht.

„Vor einer Disney-Figur, die in einem Turm eingesperrt ist und zu dumm ist auszubrechen, habe ich keine Angst“, erklärte ich schulterzuckend. Da dachte ich, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte. Er holte aus - und klopfte mir lachend auf die Schulter.

„Ich mag dich, Kleine! Du hast Mumm. Das gefällt mir!“, grunzte er amüsiert. Und nicht nur ich war verdutzt über seine herzliche Art. Auch auf den Gesichtern der anderen Typen lag ein Ausdruck von Verwunderung.

„Was?!“, kam es verdattert von Jason und mir gleichzeitig. Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen. Dieser schleimige Froschkönig sollte sich verurinieren!

„Komm schon Jay. So schlimm ist dieses kleine, bunte Vögelchen nicht“, sagte der böse Schläger mit einem amüsierten Lächeln.

„Jay?“ Ich kannte keinen Jay.

„Ist sein Spitzname“, wandte sich Rapunzel, auch Mike genannt, wie ich mich erinnerte, an mich. Ich nickte kaum merklich, betrachtete das genervte Gesicht von dem Jungen mit den schwarzen Haaren, die im Sonnenlicht leicht schimmerten.

„Können wir?“, kam es von dem Rotkäppchen, das das Schauspiel interessiert betrachtete hatte.

„Man sieht sich Ann“, verabschiedete sich der große Blonde und machte sich mit dem Skateboard davon. Dicht gefolgt von den anderen drei Jungs. Doch der Blick von Jason entging mir nicht. Er musterte mich, wartete auf eine Reaktion, die ich nicht gab. Stattdessen starrte ich zurück, bis er sich abwandte und mit seinem Board davon raste. Die Verwunderung war jedem anzusehen gewesen. Es war also nicht normal, dass Rapunzel alias Mike jemanden mochte. Gut für mich. Das hieß, ich würde nicht im Krankenhaus landen. Doch gerade Jason schien das Ganze nicht so gut zu gefallen. Das hatte ich in seinen eiskristallblauen Augen gesehen.

Das Rumpelstilzchen, das mein Geheimnis kennt…

Der zweite Schultag begann zu meinem Glück ziemlich gut. Ich hatte Gwen auf dem Weg zur Schule getroffen, sodass wir zusammen zur Schule schlenderten und sie mir ein wenig von sich erzählte. Wir stellten fest, dass wir Sport und Mathe zusammen hatten. Soweit nicht schlecht, doch ich hoffte, dass sie meine Vorliebe für Mathe und Physik nicht sofort bemerken würde. Dann würde mein Ruf als Freak nämlich nur noch mehr bestätigt werden.

Die ersten paar Stunden hatte ich gut und ohne Vorfälle überstanden. Natürlich hatte ich als „die Neue“ die einen oder anderen Augen auf mich gezogen. Doch es hielt sich in Grenzen. Ich verließ den Klassenraum, in dem ich gerade Englisch gehabt hatte, und traf Gwen vor der Tür. Sie hatte mir versprochen mich abzuholen, damit wir in der Mittagspause gemeinsam essen konnten. Sie hielt sich dran, weswegen ich erleichtert ausatmete.

„Na, den Tag gut überstanden bis jetzt?“

„Den einen oder anderen Gaffer gab’s noch“, erklärte ich mit einem Grinsen.

„Das ist normal“, winkte sie ab, während wir uns durch die Schülermasse drängten.

„Ich hoffe, du bist nicht zu wählerisch. Das Schulessen ist nicht besonders gut.“

„Schlimmer als in New York kann’s nicht sein“, erwiderte ich schulterzuckend und betrat neben dem Paradiesvogel die volle Cafeteria. Ich tat es Gwen gleich, nahm eins der grauen, abgegriffenen Tabletts und stellte mich an die Schlange der Essensausgabe. Währenddessen glitt mein Blick kurz durch die moderne und gut erhaltene Einrichtung, die im Kontrast zu der sonstigen Schulausstattung stand. Ich war es gewohnt, dass die Tische bemalt waren und Essen überall herumflog. Hier war es jedoch ziemlich aufgeräumt.

Mein Blick glitt zum Essen, das ausgeteilt wurde und ich betrachtete die gräuliche Masse, die eine ziemlich grimmig aussehende Frau auf den Teller eines Schülers klatschte. Ich wusste, dass es sich um Kartoffelpüree handelte, so geriet ich ins Zweifeln. Vielleicht war das Essen hier wirklich schlechter, als das, was ich gewohnt war. Ich schob mein Tablett weiter, nahm mir rasch etwas Schokopudding und wartete auf die Masse, die gleich auf meinem Teller landen würde. Ungewollt verzog sich mein Gesicht zu einer etwas angewiderten Maske, als das Kartoffelpüree mit einem widerlichen Geräusch auf meinem Teller landete.

„Ist was?!“, keifte mich die Frau an. Ihr Haar war unter einem Netz versteckt und die weiße Uniform ließ ihre tiefen, dunklen Falten deutlicher hervortreten. Die Augen waren zu schmalen Schlitzen verzogen und machten mir etwas Angst.

„Hab Kopfschmerzen“, murmelte ich, obwohl ich ihr gerne an den Kopf geworfen hätte, wie schrecklich die Pampe aussah. Doch ich musste mich nicht gleich am zweiten Tag mit der Cafeteria-Frau anlegen. So glitt ihr musternder Blick kurz über mich ehe sie sich dem nächsten zu wand. Rasch gesellte ich mich zu Gwen, die das ganze amüsiert betrachtete.

„Sie ist ein Monster“, sagte sie wissend, betrachtete die etwas rundliche Frau vom weiten.

„Ich hab’s gemerkt.“

„Na gut. Dann stelle ich dir jetzt mal meine Freunde vor“, fuhr sie mit einem Lächeln fort und setzte sich in Bewegung. Ich folgte ihr schweigend, war gespannt auf was für verrückte Leute ich treffen würde. Wir liefen zwischen den gefüllten Tischen her, ernteten neugierige Blicke, doch zu meinem Verwundern blieb es dabei. Keine dummen Sprüche oder Getuschel.

„Ann, darf ich vorstellen, das ist meine Clique“, hörte ich Gwen erfreut sagen. Neugierig wirbelte ich herum und erblickte einen Haufen von gutsaussehenden und durchtrainierten Leuten. Gwen brauchte nichts sagen, ich wusste, was das für Leute waren. Es waren Cheerleader und Footballer. Genau die Gesellschaftsgruppe, die ich nicht leiden konnte.

„Setz dich“, ertönte es neben mir und wortlos gehorchte ich Gwens vertrauter Stimme.

„Das ist Ann“, sie deutete auf mich, während die Augenpaare mich neugierig beobachteten.

„Und das sind…“ Sie fing an mir alle vorzustellen, doch ich hörte nicht zu. Ich erzwang ein Lächeln, folgte ihren Handzeichen und versuchte zu akzeptieren, dass ich genau mit den Personen am Tisch saß, die ich hatte meiden wollen.

„…Chloe und Jeffrey“, beendete sie ihren Vortrag. Ich betrachtete die zuletzt genannten Personen. Eine junge Frau mit wunderschönen langen, braunen Haaren. Die Augen waren groß, braun und strahlten Stolz aus. Hinzu kamen die makellose Haut und die Designerkleidung, sowie die perfekte Figur. Lange Beine, schöne Kurven. Mit anderen Worten: Leader der Cheerleaderin und Schulgöttin. Der Junge war das männliche Gegenstück. Hübscher Sunnyboy mit blonden Haaren und strahlend blauen Augen. Durchtrainiert und ebenfalls teuer eingekleidet. Wahrscheinlich begehrtester Footballer der Schule.

„Hi“, brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, doch ich wurde schon gar nicht mehr beachtet.

„Gwen, kommst du heute Nachmittag zum Training? Wir wollten ein paar neue Schritte ausprobieren. Ich habe mir in den Ferien eine neue Choreo ausgedacht“, plapperte Miss Schulgöttin los. Ungläubig blickte ich zu Gwen. Sie gehörte zu diesen Leuten?! Ich meine, eigentlich konnte ich mich auf meine Menschenkenntnisse verlassen, doch diesmal schien ich total daneben zu liegen.

„Klar bin dabei“, antwortete sie, stachelte lustlos in ihrem Essen. Es wirkte, als würde sie sich cool fühlen, weil die Schulgöttin mit ihr sprach. Irgendwie erbärmlich.

„Willst du mitkommen? Du kannst von der Tribüne aus zusehen?“, hörte ich den Paradiesvogel mich fragen. Irritiert blickte ich auf, bemerkte, dass alle Blicke auf mich gerichtete waren.

„Klar. Gerne“, stammelte ich, wusste dass es total unsicher klang, was ich eigentlich nicht war. Doch das hier, schmiss mich voll aus der Bahn. Ich bemerkte, die belustigten Blicke der Cheerleaderinnen. Natürlich hielten sie sich für Götter, dachten, dass ich ihretwegen so aufgeregt war. Was ich in gewisser Weise auch war. Nur war ich nicht aufgeregt, sondern schockiert.

„Dann kannst du auch unsere Footballer begutachten. Die trainieren nämlich zur selben Zeit wie wir“, klärte Gwen mich weiter auf. Ich musste hier weg und zwar ganz schnell! Trotzdem nickte ich freundlich, sah, dass Chloe sich ein Salatblatt in den Mund steckte und es genüsslich kaute. Natürlich. Wie hätte es auch anders sein können? Immer und überall mussten diese verrückten Hühner auf ihre Ernährung achten. Ein weiterer Grund, wieso ich aufgehört hatte. Mir war das Diät halten zu doof. Und sind wir mal ehrlich, es geht nichts über einen fetten Cheeseburger.

„Und Ann, woher kommst du?“, erklang die glockenhelle Stimme der Schulgöttin.

„Aus New York“, kam es kurz von mir. Ich wollte nichts mit diesen Menschen zu tun haben und schon gar nicht befreundet sein. Normalerweise wäre ich aufgestanden und hätte einen dummen Spruch raus gehauen bezüglich ihrer Ernährung, doch diese Situation war anders. Gwen war die Einzige, die ich kannte und mit der ich mich gut verstand. Und dieses verrückte Huhn, das mir ziemlich ähnlich zu sein schien, wollte ich nun wirklich nicht abschießen. Außerdem würde ich mich damit zur Zielscheibe der gesamten Schule machen. Das hatte ich nun wirklich nicht vor. Also lächeln, mitspielen und toll fühlen, weil das tollste Mädchen der Schule mit dir spricht. Was für ein Schwachsinn. Und trotzdem tat ich es.

 

„Ann, könntest du das mal halten?“, ertönte die Stimme von der eingeschnappten Ziege. Ich wirbelte herum, konnte gerade noch den Sack mit den Pompons auffangen, den sie mir zuschmiss.

„Vielen Dank“, sagte sie zuckersüß, klimperte mit ihren Augen und drehte sich weg. Wütend betrachtete ich die Bande, die sich nun warm machte. Ich kannte diese kranke Kuh keine Stunde und schon war ich ihr Butler! Dieses Mädchen war die reinste Miss Piggy mit ihren rosa gepuderten Wangen. Mir fiel soviel ein was ich ihr an den Kopf werfen könnte, doch ich sagte nichts. Ich musste mich beherrschen. Tief atmete ich aus und legte den muffigen Sack beiseite.

„Die Mädels sind sich schon am aufwärmen“, hörte ich einen Jungen brüllen. Ich suchte nach der Lärmquelle und erblickte einen Haufen an Typen, die auf den Sportplatz traten, während sie zweideutige Witze rissen. Eingepackt in dicken Schutzanzügen und den Helm lässig tragend, schlenderten die Footballer über den trockenen Rasen in meine Richtung.

Manchmal glaubte ich, dass Gott mich hasste. In diesem Moment war ich davon zumindest fest überzeugt. Angenervt schnappte ich meine Tasche, um mich möglichst schnell auf die Tribüne zu verpissen. Auf eine Begegnung mit den Strohköpfen in Footballer-Montur konnte ich wirklich verzichten. Nicht jeder der Sportler war dumm, aber die meisten waren es doch. Ich warf einen letzten Blick auf den Sack mit den Pompoms und lief los. Gerade als ich meinen Kopf nach vorne drehte, knallte ich mit jemandem zusammen.

„Kannst du nicht aufpassen?!“, zischte die Person, die ich an der Stimme erkannte.

„Pass selber auf, wo du hinrennst“, keifte ich den Froschkönig an, der anstatt einer Krone einen Schutzhelm trug. Ich musste ein paar Mal blinzeln, bis ich bemerkt hatte, dass er zu den Strohköpfen gehörte. Irgendwie passte er in die Reihe der Hohlköpfe.

„Hey, ihr Streithähne, beruhigt euch!“, ging Rapunzel dazwischen und legte Jason beruhigend die Hand auf die Schulter.

„Sie ist einfach zu dumm, um geradeaus zu laufen. Kein Wunder, dass sie bei den Cheerleadern ist“, sagte Jason und pfefferte seine Sporttasche auf den Boden.

„Sagt ein Typ der sich um einen eiförmigen Ball prügelt“, erwiderte ich, falsch lächelnd.

„Football ist ein verdammt anstrengender Sport“, fuhr er mich an und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

„Cheerleading auch. Und nur so nebenbei: Ich gehöre gar nicht zu ihnen“, stellte ich klar und drängte mich an den beiden Typen vorbei. Am liebsten hätte ich meine Aussage mit ein paar Schimpfwörtern unterlegt, doch das konnte ich nicht bringen. Am Ende würden die Kerle noch wie Babys auf dem Boden liegen und weinen.

Ich hasste diese Schule und dieses verdammte Kaff jetzt schon. Die Disneybande fühlte sich toll und ich wurde als Mädchen für alles behandelt. Es war schrecklich. Und trotzdem machte ich mit. Nur ein Jahr noch, danach würde ich weggehen. Irgendwohin, wo mich keiner kannte, wo es keine Möglichkeit gab, meiner Vergangenheit auf die Spur zu kommen.