Freiheit und Versuchung - Black Heart Chroniken 1 - Kim Leopold - E-Book
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Freiheit und Versuchung - Black Heart Chroniken 1 E-Book

Kim Leopold

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Beschreibung

Magie, uralte Märchen und eine verbotene Liebe! Wie schnell Magie real werden kann, erfährt Louisa an ihrem achtzehnten Geburtstag, als sie von einem Gestaltwandler angegriffen wird. Der attraktive Wächter Alex offenbart ihr kurz darauf, dass auch sie magische Fähigkeiten hat und er sie auf ein Internat für Hexen und Wächter bringen soll. Von diesem Tag an wird sie Teil einer Welt, in der jeder Mensch ein Geheimnis zu haben scheint und Intrigen genau wie Magie zur Tagesordnung gehören. Nur gut, dass der Palast der Träume den neuen Hexen und Wächtern ein sicheres Zuhause bietet. Doch die nahende Bedrohung ist größer als erwartet: Hexenjäger tauchen aus dem Nichts auf und greifen überall in der magischen Welt Clans an. Und noch während Alex und Louisa die gefährliche Reise zum Palast der Träume auf sich nehmen, bahnt sich ein Krieg an, der alles zerstören könnte … Eine große Portion Spannung, ein Hauch verbotene Liebe und eine feine Prise Humor! Die ersten vier Teile der beliebten Urban Fantasy Reihe Black Heart nun im neuen Sammelband!

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Freiheit und Versuchung

Black Heart Chroniken I

1. Auflage

© 2023 Kim Leopold

Antoniusstraße 4

48429 Rheine

[email protected]

Lektorat und Korrektorat: Tatjana Weichel, Wortfinesse

Illustrationen: Yvonne von Allmen

Grafische Gestaltung: Kim Leopold

Grafiken unter Lizensierung von 123rf (nadezhdash, tomertu) und Creative Market (Eclectic Anthology, Calamar Studio)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jeder Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Sogar eine weiße Rose hat einen dunklen Schatten.

1

Ein Mann

München, 2018

»Sie müssen das nicht tun.« Vorsichtig hebe ich die Hände in die Luft und fokussiere den Blick der verängstigten Frau. Ein paar Strähnen haben sich aus ihrer ordentlichen Frisur gelöst und fallen ihr in das verzweifelte Gesicht. Ihre blauen Augen schauen gehetzt von meinem Freund zu mir und wieder zurück und imitieren damit die Bewegung der Waffe in ihrer Hand.

»Ich weiß, dass Sie Angst haben«, spreche ich weiter und gehe auf sie zu. Die hohen Hauswände werfen unsere Stimmen zurück. »Aber ich weiß auch, dass Sie ein guter Mensch sind. Stecken Sie die Waffe weg.«

»Nein«, stößt sie hervor und weicht einen Schritt zurück. »Ich werd’ Sie erschießen. Sie beide. Ich kann nicht zulassen, dass Sie … dass Sie …«

Ich spüre, wie mein Freund neben mir unruhig von einem Fuß auf den anderen wechselt. Je länger wir in dieser Gasse festsitzen, umso wahrscheinlicher ist es, dass uns jemand entdeckt, der uns auf keinen Fall aufspüren soll. Uns und die Frau, die nichts verbrochen hat. Die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist.

»Wir könnten doch …«, setzt mein Freund an, aber ich schüttle den Kopf und bringe ihn damit zum Schweigen. Noch habe ich alles unter Kontrolle. Die Frau hat schon zu viel gesehen, da müssen wir uns nicht auch noch vor ihren Augen in Luft auflösen.

»Wenn Sie jetzt auf uns schießen, werden Sie sich das niemals verzeihen können«, rede ich auf sie ein und gehe noch einen Schritt auf sie zu. Dann noch einen und noch einen, bis sie die Wand im Rücken hat und sich der Lauf ihrer Pistole nur noch wenige Zentimeter vor meiner Brust befindet.

Die Angst vor Schusswaffen habe ich schon vor langer Zeit verloren.

Ich lächle sie mitfühlend an. »Sie sind ein guter Mensch«, wiederhole ich mit sanfter Stimme. »Das kann ich in Ihren Augen sehen. Schauen Sie mich an. Schauen Sie mir in die Augen. Bin ich wirklich einer von den Bösen?«

Sie begegnet meinem Blick und sucht nach der Antwort auf ihre Fragen. Einige Momente später werden ihre Gesichtszüge weich, sie lässt die Hände sinken und steckt die Pistole zurück in den Holster.

»Aber …«, flüstert sie und schaut an mir vorbei in die Gasse. In die Dunkelheit, in der eine ihrer Kolleginnen liegt. Womöglich sogar eine Freundin. Kein Wunder, dass sie uns am liebsten erschießen wollte.

»Wir haben sie nicht getötet«, verspreche ich ihr leise. »Sie lag schon dort, als wir vor ein paar Minuten hier entlanggekommen sind.«

Sie atmet laut aus und streicht sich die Haare hinter die Ohren, bevor die Angst in ihren Augen einer Entschlossenheit weicht, für die ich sie bewundere. Das muss an ihrer Arbeit liegen. So schnell könnte ich nicht umschalten, wenn die Tote meine Freundin gewesen wäre. »Haben Sie etwas Verdächtiges gesehen?«

Ich schüttle den Kopf. Die Leiche an sich ist schon verdächtig genug, aber die Polizistin ist ein Mensch und hat nichts mit all dem zu tun, also werde ich sie ganz sicher nicht auf die richtige Fährte setzen. Mein Freund räuspert sich und tritt neben mich.

»Ich glaube, ich habe einen Schatten verschwinden sehen«, fügt er hinzu und deutet in Richtung der belebteren Straße. »Er ist dort entlang.«

Die Frau nickt entschlossen und zückt ihre Waffe wieder. »Sie beide bleiben hier, bis meine Kollegen eintreffen«, erklärt sie mit fester Stimme, bevor sie sich an uns vorbeischiebt und die Gasse entlangläuft. Dabei fordert sie über ihr Funkgerät Verstärkung an.

Wir warten, bis sie um die Ecke verschwunden ist, bevor wir zur Leiche zurückkehren, um noch einen letzten Blick auf die Frau zu werfen. Sie liegt auf dem Boden, alle Viere von sich gestreckt, die langen, hellblonden Haare haben sich aus ihrem Zopf gelöst und sind wie ein Kissen unter ihren Kopf gebettet. Sie trägt noch ihre Uniform, was mich nicht wundert. Ihre Kollegin muss kurz nach ihr in die Gasse gekommen sein. Dem Angreifer blieb also nicht viel Zeit.

Ich hocke mich neben sie und taste nach ihrem Handgelenk. Ihre Haut ist noch warm.

Nichts davon wäre ungewöhnlich, wenn man ihr nicht mit Kohle Male auf die Haut gezeichnet hätte. Die Frau kommt mir bekannt vor.

»War das eine von ihnen?«, fragt mein Freund und zieht sein Handy aus der Tasche, um Fotos vom Gesicht der Frau zu machen. Ich beobachte ihn dabei und frage mich, wieso jemand eine Polizistin ermordet und ihr Gesicht mit Kohlezeichnungen versieht.

»Möglich.« Ich zucke vage mit den Schultern und stehe auf. Nachdem er mit den Fotos fertig ist, steckt er das Handy weg. Wir schauen uns um, bevor wir unauffällig mit der Dunkelheit verschmelzen.

»Ich werde nicht schlau daraus.« Mein Freund wirft sein Handy mit etwas zu viel Schwung auf den Tisch und lehnt sich frustriert zurück. Wir sitzen im Schankraum des kleinen Hotels, in das wir vor drei Tagen eingezogen sind. Das Abendessen ist grauenvoll, aber immerhin stellt hier niemand Fragen. Was vielleicht auch daran liegt, dass wir nicht die einzigen zwielichtigen Gestalten sind, die in dem Halbdunkel des Raumes ein Bier trinken. »Ich dachte, ich hätte mittlerweile schon alles gesehen, aber das hier ergibt keinen Sinn.«

Ich nehme das Gerät in die Hand und aktiviere das Display, um das Gesicht der Frau zu betrachten. Was aussieht wie die Zeichen eines Rituals, vermischt mit einer Handvoll Zahlen, ergibt auch auf den zweiten Blick keinen Sinn. Ich habe zwar keine magischen Kräfte, aber genug Erfahrung mit diesen Dingen, um sagen zu können, dass diese Frau nicht für einen Zauberspruch gestorben ist.

Noch dazu kommt mir diese Frau so bekannt vor, dass es schon fast gruselig ist. Vage Erinnerungen nisten sich in meinem Hinterkopf ein. Solche Zeichnungen habe ich auch schon mal gesehen … nur wo? Und wann?

»Meinst du, das ist eine Botschaft?«, fragt mein Freund und winkt dem Wirt zu, um noch eine Runde Getränke zu bestellen. Der Mann erhebt sich murrend von seinem Hocker, um zwei neue Gläser für uns fertigzumachen. Der Typ an der Bar schiebt ihm sein Schnapsglas entgegen und fordert ebenfalls eine weitere Runde.

»Für uns?« Ich zucke mit den Schultern und widme mich erneut dem Foto. Das Ganze ist ein Kauderwelsch aus Kohle, nichts, was irgendwie zusammenpasst.

Aber das muss es.

Niemand tötet eine Frau und malt ihr ohne Grund sinnlose Zeichen ins Gesicht.

»Wenn es eine Hexe war, wieso benutzt sie dann Kohle und kein Blut?«

Mein Freund runzelt die Stirn. »Ganz schön … unschuldig für eine Hexe.«

»Vielleicht war die Frau schon tot, bevor unsere Hexe sie gefunden hat«, überlege ich und denke darüber nach, wie die Frau in die dunkle Gasse gekommen ist. »Die wenigsten Hexen würden jemanden umbringen, um eine Nachricht zu übermitteln.«

»Sie hätte auch einfach eine SMS schreiben können.«

Der Wirt stellt unser Bier auf den Tisch. Ich sperre den Bildschirm, bevor er die Fotos von der Leiche sehen kann. Sobald er zurück hinter seiner Theke ist, stecken wir die Köpfe zusammen und reden weiter.

»Vielleicht ist sie nicht der Typ für ein Handy«, gebe ich zu bedenken. »Nicht alle sind so vernarrt in diese Dinger wie du.«

Mein Freund lacht schnaubend auf und nimmt mir das Gerät ab. »Dieses Ding hat uns jetzt schon so oft geholfen. Du solltest dir auch eins zulegen.«

Das stimmt allerdings. Wenn er nicht so verdammt geschickt mit der neuen Technik wäre, würden wir vermutlich noch immer in Bulgarien hocken und darauf warten, dass die Lösung für unser größtes Problem vom Himmel fällt.

Ich denke an mein Zuhause, an die alten Teppiche, die Bilder, die Geschichten erzählen, und die Wände, die mir zuletzt immer mehr wie ein Gefängnis vorgekommen sind. Gerade in den letzten Monaten, da die Zeit zum Greifen nah war, und die Lösung so fern wie noch nie.

Wenn ich doch bloß wüsste, wo …

»Das ist es!«, stoße ich hervor. »Gib noch mal her.«

Mein Freund reicht mir das Handy. Dieses Mal konzentriere ich mich nicht auf die Zeichen, sondern auf die Frau selbst. Auf die langen, getuschten Wimpern und die weißblonden Haare, die feinen Gesichtszüge, die unter den Kohlezeichnungen beinahe untergehen. Wenn sie jetzt die Augen öffnen würde …

Wie kann es sein, dass jemand ihr so ähnlich ist?

»Ich glaube, ich weiß, worum es hier geht.« Ich lege das Handy auf den Tisch. »Die Frau erinnert mich an jemanden. An eine Hexe, um genau zu sein. Ihr Name ist Freya.«

Ich kann nicht glauben, dass sie noch leben soll. Ich dachte, sie wäre lange tot.

Mein Freund runzelt die Stirn. »Die Freya?«

Ich nicke mit einem mulmigen Gefühl im Magen und werfe noch einen Blick auf die Kohlezeichnungen, die plötzlich einen Sinn ergeben. »Und das hier, mein Freund, ist eine Karte zu ihrem Aufenthaltsort.«

2

Freya

Norwegen, 1768

Das Gefühl von rauem Backstein unter meinen Fingerspitzen wiegt mich in Sicherheit. Ich lasse meine Finger an der Hauswand entlanggleiten, bis ich schließlich den kleinen Vorsprung spüre und die Wand loslasse, um vierunddreißig Schritte geradeaus zu gehen. Mein Weg führt mich vom Schatten in die Sonne, und ich verharre einen Augenblick bei dreiundzwanzig Schritten, um das warme Gefühl auf meinem Gesicht zu genießen. Anschließend setze ich meinen Weg fort, elf Schritt vor, zehn nach links, dann zwanzig nach rechts, bis ich nur noch die Hand ausstrecken muss, um die gewohnten Steine des Brunnens unter meinen Händen zu-

Ein Ruck reißt mich zu Boden. Dumpfe Schmerzen jagen durch meinen Oberarm, und mein Eimer fällt mit einem lauten Poltern zu Boden.

»Oh nein, entschuldige bitte.« Eine angenehme Stimme füllt mein Ohr, während ich mich aufrichte. »Habe ich dir wehgetan?«

Ich schüttle den Kopf und reibe meinen Oberarm. Die Stimme ist tief und männlich, und ich würde gerne das Gesicht dazu sehen. Jemand, der klingt wie er, muss einfach hübsch sein.

»Es geht schon«, murmle ich verlegen.

»Ich«, setzt der Mann an und scharrt mit den Füßen. Mir wird bewusst, dass mein Anblick ihn nervös machen muss, also schließe ich die Augen.

»Ich bin Mikael«, stellt er sich plötzlich vor.

Verwundert öffne ich die Augen wieder, obwohl ich ihn sowieso nicht sehen kann. Wieso läuft er nicht weg? Wieso bleibt er hier und stellt sich vor? Hat er keine Angst vor einem Krüppel wie mir?

»Freya«, erwidere ich schüchtern und erstarre, als er nach meiner Hand greift. Seine Finger sind schlank und lang, die Haut weich und trocken. Sein Griff verleiht mir ein merkwürdiges Gefühl von Sicherheit, und als ich dann noch seine zarten Lippen auf meinem Handrücken spüre, ist es um mich geschehen. Noch nie hat sich ein Mann die Mühe gemacht, sich mir vernünftig vorzustellen, geschweige denn mir einen Handkuss zu geben. Für alle anderen bin ich nicht viel besser als Garall, der mit seinem fehlenden Bein noch viel schlimmer dran ist.

»Du bist nicht von hier«, stelle ich fest, während er sich wieder von mir löst. »Ich … ich erkenne deine Stimme nicht.«

»Du hast gute Ohren. Ich bin aus Christiania«, antwortet er. Seine Stimme entfernt sich kurz. Er hebt den Eimer auf, bemerke ich verblüfft. Ohne seine Hilfe hätte ich mich auf den Boden hocken und jeden Zentimeter absuchen müssen, bis ich den Eimer wiedergefunden hätte. Und dann hätte ich vielleicht die Orientierung verloren und wäre noch weiter umhergeirrt.

Plötzlich spüre ich seine Hand an meinem Ellbogen. Zögernd wartet er darauf, dass ich ihm die Erlaubnis gebe, mich zu begleiten. Mein Herz klopft schneller, während ich die Kontrolle in seine Hände übergebe und mich von ihm zum Brunnen leiten lasse.

»Was verschlägt dich hierher?«, frage ich ihn, um mich von meiner Aufregung abzulenken.

»Der Dienst am königlichen Hof.« Seine Stimme ist genau die richtige Mischung aus sanft und männlich. Wenn ich mir den Menschen dazu vorstelle, sehe ich einen hochgewachsenen, schlanken Mann, ein paar Jahre älter als ich vielleicht. Mit blondem Haar und blauen Augen, wie das hier im Norden so üblich ist. Wie blondes Haar aussieht, weiß ich nicht. Ich weiß nur, wie es sich anfühlt, wenn ich meine eigenen Haare bürste und flechte.

»Du kennst den König?«, frage ich aufgeregt. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der dem Hof so nah war. »Ist es wahr, was man über ihn sagt?«

Er lässt meinen Ellbogen kurz los, um den Eimer mit Wasser zu füllen, bevor er mir wieder seine Führung anbietet, um mich zurück zum Haus zu bringen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich nicht die erste Blinde bin, die er führt. Er wirkt erfahren, was das angeht.

»Hm«, macht Mikael belustigt. »Was sagt man denn über ihn?«

»Du weißt schon.« Verlegen beiße ich mir auf die Unterlippe. Hätte ich doch bloß nicht von dem Thema angefangen. Jetzt denkt er, ich bin eins von diesen Klatschweibern. »Man sagt, er wäre … geistig nicht ganz beisammen.«

»Ich wusste nicht, dass sein Zustand sich schon so weit herumgesprochen hat.« Mikael spricht in gedämpftem Ton weiter: »Seine Verwalter haben mich hergeschickt, um nach jemandem zu suchen, der ihm vielleicht helfen kann.«

»Bei uns?« Erstaunt horche ich auf und gehe die Menschen des Dorfes in Gedanken durch. Die Einzige, die Krankheiten heilen kann, würde diese Grenze niemals überschreiten. Es ist unmöglich, dass er am Hof von ihr gehört hat.

»Vielleicht fällt dir jemand ein.« Er bleibt stehen. »Mir ist gerade klargeworden, dass ich keine Ahnung habe, wo ich dich hinführen soll.«

»Es ist das rote Haus«, erwidere ich und unterdrücke ein Lächeln. Meinetwegen hätte er mich gerne noch ein bisschen länger durchs Dorf führen können. »Mutter hat es rot gestrichen, damit ich immer weiß, wie ich unser Haus beschreiben soll.«

»Das hört sich nach einer sehr lieben Mutter an«, antwortet er ernst und führt mich zur Haustür. Er stellt den Eimer ab, bevor er nach meiner Hand greift. »Es hat mich sehr gefreut, dich kennenzulernen, Freya.«

Freude durchströmt meinen Körper, weil ich spüre, dass er seine Worte ehrlich meint. Auf meinen Lippen breitet sich ein Lächeln aus. »Die Freude ist ganz meinerseits, Mikael.«

Drinnen lege ich Holz nach und bringe anschließend etwas altes Brot hinters Haus, um es für die Hühner zu verteilen, die nie genug davon kriegen können. Danach räume ich die Kräuter und Tücher auf dem Esstisch weg, die Mutter dort liegen lassen hat, weil sie heute Morgen zur Geburt gerufen wurde. Ich weiß genau, dass sie sich über ein aufgeräumtes Haus und eine heiße Tasse Tee freuen wird, um ihre angestrengten Glieder aufzuwärmen.

Während ich schließlich ein einfaches Abendessen zubereite, wandern meine Gedanken wieder zurück zu Mikael und seinen sanften Händen. Der melodische Klang seiner Stimme geht mir nicht aus dem Kopf. Ich frage mich, ob er nach meiner Mutter sucht. Wenn es eine Frau in diesem Dorf gibt, die Krankheiten heilen kann, dann ist es meine Mutter. Aber sie wird ihm nicht helfen. Sie hat ja nicht einmal Vater geholfen, als er vor ein paar Jahren krank geworden ist und schließlich starb.

Krankheiten und der Tod gehören zum Leben dazu, hat sie gesagt. Mit dem Schicksal soll man nicht spielen, um das Leben von Menschen zu verändern.

Bauchschmerzen kurieren, Schwangere untersuchen und sie bei der Geburt begleiten – das sind die Dinge, für die sie im Dorf bekannt ist. Ich frage mich, was ich tun würde, wenn ich so viel wüsste wie sie. Würde ich dem König helfen? Hätte ich meinen Vater gerettet? Was hätte das geändert? Wäre mein Leben dann grundsätzlich anders verlaufen?

Ein Rumpeln an der vorderen Tür lässt mich aufhorchen. Kurz darauf stößt jemand die Haustür auf und stolpert ins Haus. »Freya? Freya!«

»Mutter?« Überrascht über den panischen Ausruf stehe ich auf und gehe meiner Mutter entgegen. Sie fällt mir um den Hals und drückt mich fest an sich. Sie riecht nach dem Schweiß anderer und ihren eigenen Sorgen.

»Den Göttern sei Dank, dir geht es gut.«

»Was ist passiert?«, frage ich beunruhigt. Mutter lässt mich los und eilt durch den Raum, um einige Sachen zusammenzusammeln.

»Wir müssen verschwinden.«

»Was? Wieso?«

»Jetzt ist nicht die Zeit für Fragen. Nimm, was du tragen kannst. Na los!«, feuert sie mich an. Mir liegen tausend Fragen auf der Zunge, doch ich befolge ihre Anweisung und eile zum Alkoven, um meinen Geldbeutel und das Märchenbuch einzupacken, aus dem sie mir immer vorgelesen hat. Der Geldbeutel fällt klimpernd zu Boden. Ich gehe auf die Knie, um danach zu tasten. In dem Augenblick höre ich die ersten Stimmen vor dem Haus. Aufgeregtes Getuschel, das sich schnell zu einem Singsang aus Anklagen erhebt.

Mörderin.

Hexe.

»Mutter, was ist passiert?«, frage ich. Meine Hände schließen sich um den Geldbeutel. Schnell springe ich auf.

»Jetzt nicht, mein Schatz«, erwidert Mutter, deren Schritte immer noch durch den Raum trippeln, während sie weitere Sachen einpackt. Sie drückt mir ein weiteres Buch in die Hand.

»Hedda, wir wissen, dass du da drin bist!« Jemand pocht mit der Faust gegen die Haustür. Einmal, dann noch einmal, immer lauter. Schon bald verschwimmen die Geräusche zu einer undurchdringlichen Wand aus Lärm. Ich kneife die Brauen zusammen, überfordert damit, die Stimmen den Personen zuzuordnen, und versuche mich auf meine anderen Sinne zu verlassen, während Mutter mich zur Hintertür führt.

Anders als erwartet laufen wir nicht sofort los, sondern bleiben stehen. Mutter umarmt mich und drückt mir einen hektischen Kuss auf die Stirn, der sich zu sehr nach Abschied anfühlt. »Das Buch, das ich dir gegeben habe. Verlier es nicht.«

»Aber …«, setze ich an. Die Stimmen werden immer lauter.

»Und vergiss nicht, was ich dir über das Schicksal beigebracht habe.«

Die vordere Tür fliegt mit einem lauten Knall auf. Die schweren Schritte auf dem Holz lassen mich zusammenzucken. So viele Menschen.

»Ich liebe dich, mein Schatz«, flüstert sie noch, bevor man meine Mutter von mir reißt. Ich kann die Geräusche nicht mehr zuordnen, das Klatschen, das Reißen und Zerren, die Schreie, all die Wut und die Angst … Alles, was ich weiß, ist, dass meine Mutter in Gefahr ist. Sie werden ihr wehtun.

»Du hast sie getötet«, erhebt sich schließlich eine Stimme aus dem Pulk. Ich erkenne sie sofort. Isak. Der Vater, dessen Kind heute das Licht der Welt erblicken sollte. »Du hast sie mit deinen Kräutern umgebracht.«

»Ich war das nicht.« Mutter weint, was mir nur noch mehr Angst einjagt. Sonst ist sie immer die Stärkere von uns beiden. »Bitte, Isak. Du kennst mich. Ich habe Thea wie eine Schwester geliebt.«

Mir wird klar, dass die Geburt nicht gut gelaufen ist. Das Kind und seine Mutter haben es nicht überstanden, und ihr Vater gibt meiner Mutter die Schuld daran. Ich muss zu ihr, ich muss ihm sagen, dass sie nichts dafür kann. Dass das Schicksal ihm einen miesen Streich gespielt hat.

Aber jemand packt meinen Arm und hält mich zurück.

»Lass mich los«, fauche ich und reiße an meinem Arm.

»Hexe!«, brüllt jemand. »Sie soll brennen für ihre Taten!«

Der Pulk übernimmt den Ausruf, um daraus einen Gesang zu machen. Entsetzen breitet sich in meinen Gliedern aus, weil sich unser Wohnraum mit dem schrecklichen Wunsch füllt, Mutter für ihre Taten hinzurichten.

Als sich die Stimmen der anderen entfernen und man meine weinende Mutter auf den Dorfplatz trägt, schiebt mich jemand vor sich her. Ich stolpere mehrmals über meine eigenen Füße und werde schließlich unsanft zu Boden gestoßen.

Um mich herum sind so viele Geräusche, dass es mir schwerfällt, die Orientierung zurückzugewinnen und aufzustehen. Immer wieder rempelt mich jemand an, und ich stolpere zurück zu Boden, während sich die Schreie meiner Mutter in meinen Kopf fressen.

Es könnten Sekunden vergangen sein, Minuten oder sogar Stunden, bis ich schließlich den Geruch von Feuer vernehme.

Mir wird schlecht. Das können sie nicht ernst meinen. Sie wollen sie nicht wirklich brennen lassen.

Die Schreie werden schriller, schmerzvoller. Setzen sich in meiner Erinnerung fest, bis mir der Atem wegbleibt und die Galle hochkommt. Als sie plötzlich ganz verstummen, muss ich mich übergeben. Der Singsang der Menge lässt nach … sie merken, was sie getan haben.

Ich kauere mich zusammen, die beiden Bücher meiner Mutter an meine Brust gepresst, mein Tuch um den Kopf geschlungen, um mich so vor dem Zorn der Dorfbewohner zu verstecken. Oder vor den Todesqualen meiner Mutter.

Es funktioniert nicht, denn es dauert nicht lange, da reißt mich jemand auf die Füße. Die Bücher fallen zu Boden, während er mich zum Feuer zerrt. Der Geruch von verbranntem Menschenfleisch frisst sich in meine Schleimhäute. Ich würge.

»Was machen wir mit ihrer Tochter?«, fordert derjenige zu wissen, der mich festhält.

Jonas.

»Lass mich los«, fauche ich ihn an und reiße mich los. Hilflos versuche ich einen Ausweg zu finden, doch in meinem Rücken spüre ich das knisternde Feuer und vor mir wütet die Menge. Entschlossen wähle ich den Weg nach vorne. Ich werde nicht kampflos sterben.

»Nein!«, schreie ich. Mehrere Hände greifen nach mir, um mich festzuhalten. Mein Schrei ist so laut, dass er von den umliegenden Hauswänden zurückgeworfen wird. Die Hände verschwinden, die Stimmen verblassen. Es wird still um mich herum, so still, dass sich die Härchen auf meinem Rücken aufstellen.

Ich strecke meine Hände aus, um nach den Körpern zu tasten, die gerade noch mein Gefängnis waren, doch ich greife ins Leere. Mein Fuß stößt gegen etwas Warmes. Entsetzen breitet sich in mir aus. Meine Beine geben nach, und ich stürze zu Boden. Meine Hände landen auf einem weichen Gegenstand.

Nein, kein Gegenstand.

Ein Mensch.

Meine Fingerspitzen gleiten über den Stoff, das Leder seines Gürtels, die warme Haut an seinem Hals und die kratzigen Barthaare, aber seinen Herzschlag fühle ich nicht.

»Oh Gott«, flüstere ich und rapple mich auf, weg von dem leblosen Körper, weg von dem Grauen, das sich um mich herum ausgebreitet hat. Ein anderer regungsloser Körper beendet meine Flucht. Hilflos falle ich erneut auf die Knie und raufe mir die Haare. Noch nie in meinem Leben habe ich mir dringlicher gewünscht, sehen zu können.

»Ist da jemand?«, presse ich schließlich hervor. Die aufkeimende Panik legt sich wie eine eiskalte Hand um mein Herz.

»Irgendjemand?«

3

Louisa

Düsseldorf, 2018

Es vibriert.

Schon wieder.

Mit einem leisen Seufzen ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und schaue aufs Display. Mama - wer hätte das gedacht? Ich drücke ihren Anruf weg und schalte das Handy auf stumm, bevor ich es auf den Sitz neben mir werfe und mich erneut auf das konzentriere, was sich vor mir befindet.

Ich atme tief ein, schließe die Augen und strecke die Hände aus, um sie vorsichtig über die Instrumente gleiten zu lassen. Im Kopf benenne ich jedes einzelne Teil: Höhenmesser, Variometer, Kompass. Tankmengenanzeige, Funkgerät. Die Kreiselinstrumente, den künstlichen Horizont, Wendezeiger und Kurskreisel. Die Rundungen fühlen sich unter meinen Fingerspitzen so gewohnt an, dass ich zufrieden die Augen aufschlage. Ich kenne das Cockpit der kleinen Maschine besser als meinen eigenen Kleiderschrank.

Dass ich durch die Prüfung falle, ist mehr als unwahrscheinlich. Ich kenne jedes Bauteil meines Babys auswendig, weiß, wie ich sie im Ernstfall reparieren kann oder mit ihr eine Notlandung hinbekomme. In den Bergen und auf dem Wasser!

Noch besser war nicht mal mein Vater auf seine erste Flugprüfung vorbereitet.

Durch die Scheibe kann ich in den Hangar schauen. Das große Tor ist geöffnet und lässt einen Blick auf das Rollfeld zu, das im Regen glänzt und einsam und verlassen daliegt. Mein Blick bleibt an der Reflexion meines Gesichts hängen. Unter meinen Augen liegen tiefe Schatten und erinnern mich daran, dass ich viel zu viele Emotionen in diesen Teil meines Lebens investiere. Wenigstens habe ich die Prüfung bald hinter mir und kann mich anderen Dingen widmen.

Ich nehme mein Handy, steige aus dem Cockpit und verschließe das Flugzeug, bevor ich durch den menschenleeren Hangar gehe. Helmut sitzt noch immer im Büro und arbeitet an der Steuererklärung für das letzte Jahr. Er hört mich kommen, hebt den Blick und schaut mich neugierig an. »Du bist ja immer noch hier. Solltest du dich nicht auf einen Neujahrsball vorbereiten?«

»Du kennst mich doch«, erwidere ich belustigt. »Ich konnte ihr nicht widerstehen.«

Helmut blickt an mir herab. »Deine Mutter wird mich umbringen, wenn sie erfährt, dass ich hier war und dich nicht nach Hause geschickt habe.«

»Von mir wird sie es nicht erfahren.« Ich grinse ihm zu, bevor ich seinem Blick folge und mein Äußeres aufnehme. Mein weißes Shirt ist ölverschmiert, die Hose zerrissen. Mama würde einen Herzinfarkt bekommen, dessen bin ich mir sicher. »Ich beeile mich besser, bevor sie mich noch als vermisst meldet.«

»Genieß den Abend, Lou.« Er zwinkert mir zu. »Denk mal für ein paar Stunden nicht über Flugzeuge nach, sondern tanz dir die Nacht um die Ohren und trink einen Schluck für mich mit.«

Ich schmunzle und nehme meinen Rucksack aus dem Spind, um damit ins angeschlossene Badezimmer zu gehen. Seinen Wunsch zu befolgen wird schwierig. Ich war noch nie besonders begabt im Tanzen, und Alkohol trinke ich normalerweise auch nicht. Aber morgen ist mein achtzehnter Geburtstag. Vielleicht sollte ich mal eine Ausnahme machen und ein normaler Teenager sein. Das wird den Schatten unter meinen Augen zwar auch nicht guttun, aber vielleicht hilft es dabei, die Sorgen mal für ein paar Stunden zu vergessen.

Ich stelle die Tasche auf der Bank ab und packe mein Duschzeug und die frische Kleidung raus, bevor ich meiner Mutter eine kurze SMS schicke, damit sie weiß, dass ich bald nach Hause komme. Immerhin haben wir noch zweieinhalb Stunden Zeit, bevor der Neujahrsball beginnt. Kein Grund, jetzt schon in Panik zu verfallen.

Am Waschbecken beuge ich mich hinunter, um etwas zu trinken. Im Spiegel betrachte ich mein von Öl verschmiertes Gesicht. Meine blauen Augen funkeln mir aufgeregt entgegen. So einen Gesichtsausdruck habe ich nur, wenn ich den ganzen Tag auf dem Flugplatz gewesen bin. Wenn ich an Motoren schrauben darf und Lehrbücher über Flugzeuge wälze. Für mich gibt es nichts Schöneres auf dieser Welt.

Mit einem Lächeln auf den Lippen springe ich unter die Dusche und beeile mich damit, meinen Körper von unnötigen Haaren zu befreien und die notwendigen mit Shampoo und Pflegespülung zu verwöhnen, damit Mama später nichts zu meckern hat. Nach der Dusche trockne ich mich ab und schlüpfe in meinen dünnen Kaschmirpullover, die feinen Jeans und meine Stiefeletten mit dem Absatz, der mich eines Tages noch umbringen wird.

Lou bei Tag, Louisa von Stein bei Nacht.

Ich wische mit dem Handtuch über den Spiegel und erstarre. Hinter mir bewegt sich etwas! Jemand! Ein blasses Gesicht, ernste braune Augen. Nervös drehe ich mich um und blicke durch den Raum.

Mein Herz rast wie verrückt. Da ist niemand.

Was war das? Habe ich mir das bloß eingebildet?

Unsicher drehe ich mich zurück zum Spiegel und schaue hinein. Nichts zu sehen. Trotzdem ist es mir nicht geheuer. Gestalten zu sehen, die nicht existieren … das hatte ich schon. Dahin will ich nicht zurück.

Schnell packe ich meine Sachen in die Tasche, flechte meine nassen Haare zu einem Zopf und verlasse das Badezimmer. Helmut sitzt noch immer an seinem Platz.

»Mach nicht mehr so lange«, rufe ich ihm zu und winke. Er hebt eine Hand zum Abschied, löst sich aber nicht noch einmal von seinen Unterlagen. Ich gehe durch den Hangar, schlüpfe dabei in meine Jacke und werde das Gefühl nicht los, dass mich jemand beobachtet. Meine Schritte werden immer schneller, bis ich schließlich draußen bin.

Gott sei Dank ist es noch nicht dunkel, denke ich und ziehe mir meine Kapuze auf, um meine nassen Haare vor der Kälte und dem Regen zu schützen. Mama wird mich umbringen, wenn sie mich im Januar mit nassen Haaren nach Hause kommen sieht. Besser, ich schleiche mich hinein und begegne ihr erst, wenn ich aussehe wie die Dame, die sie sich als Tochter wünscht.

Außer Atem biege ich in unsere Straße ein und winke Lina und Justus zu, die gerade ihrer Mutter dabei helfen, die Einkäufe reinzutragen. Von meinem besten Freund Thomas keine Spur, aber da er uns in zwei Stunden abholen soll, wird er sicher gerade im Bad stehen.

Bei unserer Auffahrt bremse ich überrascht ab und steige vom Fahrrad. Vor der Garage parkt ein Auto. Ein schwarzer Porsche Cayenne mit dem Logo eines Mietwagenverleihs.

»München«, murmle ich und präge mir das Kennzeichen ein. Aber das sagt ja nichts über die Herkunft des Besuchers aus.

Ich schiebe mein Fahrrad zur Garage und stelle es abgeschlossen an die Seite, um es später auf seinen angedachten Parkplatz zu bringen und meine Mutter nicht mit dem Krach des Garagentors auf mich aufmerksam zu machen. Ein kurzer Blick in das Innere des Mietwagens verrät mir nichts über den Besucher, aber ich vermute, dass es ein Kunde meines Vaters ist. Wer sich einen Stellplatz für sein Flugzeug in unserem Hangar leisten kann, für den ist auch ein Porsche als Mietwagen kein Problem.

Immer noch fest entschlossen, mich hineinzuschleichen, schiebe ich vorsichtig den Schlüssel ins Schloss und drehe ihn langsam um. Die Haustür geht auf, und ich schlüpfe ins Innere des Hauses. Zuerst ist es still, aber dann höre ich die Stimmen aus dem Wohnzimmer.

Erfreut darüber, dass ich noch nicht aufgefallen bin, schlüpfe ich aus meinen Stiefeletten und der Jacke. Die Garderobe zu öffnen, wäre jetzt viel zu laut, also nehme ich die Sachen lieber gleich mit hinauf.

»Louisa?«

Mist. Ertappt drehe ich mich um und sehe Mama in der Tür zum Wohnzimmer stehen. Neben ihr taucht ein mir fremder Mann mit verstrubbeltem braunen Haar auf.

Die Missbilligung in Mamas Blick füllt den Raum mit stickiger Luft. Ich öffne den Mund, bringe aber keinen Ton hervor. Mich für mein Äußeres zu entschuldigen, bringe ich allerdings auch nicht übers Herz.

»Tja, das ist dann wohl meine Tochter Louisa«, stellt sie mich dem Unbekannten vor. »Louisa, das ist Alexander Romanovic. Ein Freund der Familie.«

Der Mann neben ihr hebt eine Braue und mustert mich neugierig. Ich trotze seinem Blick und verschränke die Arme vor dem Oberkörper, weil ich mich wie ausgezogen fühle. Das muss an diesen grünen Augen liegen oder den geschwungenen Lippen oder … vielleicht auch an seinem Bartschatten oder der Narbe auf seiner Wange, die von einem Messer stammen könnte. Er kann nicht viel älter sein als ich und stammt aus ähnlichen Verhältnissen, denn er trägt eine moderne Jeans und einen blauen Pullover, der teuer aussieht. Und doch ist er anders als die anderen Männer in seinem Alter. Seine Haltung ist nicht nur elegant und angemessen, sie ist gleichzeitig so viel mehr.

Wachsam beinahe. Fast so, als wäre er jederzeit bereit, es mit einer Horde wilder Tiere aufzunehmen.

Irritiert über meine Gedanken reibe ich mir durchs Gesicht. Als ich meinen Arm sinken lasse, fällt mir auf, dass der Stoff schwarz gefärbt ist.

»So ein Scheißdreck«, fluche ich und beiße mir sofort auf die Lippen. Gott, ich hätte mehr Zeit mit anderen Mädchen und ihren Barbies verbringen sollen und weniger mit den Männern vom Flugplatz. Aber Alexander hebt einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln und hat mich damit sofort in seinen Bann gezogen. Er ist einer dieser Menschen, über die man alles wissen möchte.

Mama schnalzt mit der Zunge. »Tut mir leid, Alexander«, sagt sie an unseren Besucher gewandt. »Louisa ist manchmal …« Sie hebt hilflos die Hände.

»Sehr sympathisch«, fällt Alexander ihr ins Wort. Die Überraschung über seine Worte übertrumpft die Enttäuschung darüber, dass Mama sich schon wieder für mich entschuldigt. Ich schaue zu ihm und erkenne in seinem Blick, dass er es vollkommen ernst meint.

Ohne auf Mama zu achten, kommt er zu mir und streckt mir eine Hand entgegen. Ich ergreife sie misstrauisch. Sie ist warm und trocken, trotzdem entgehen mir die rauen Stellen nicht, die von körperlicher Arbeit zeugen. Damit hätte ich bei dem Outfit und dem Auto vor der Tür nicht gerechnet.

»Freut mich, dich kennenzulernen, Louisa.« Der Klang meines Namens jagt mir einen Schauder über den Rücken. Ich vergesse tatsächlich meine Erziehung und bringe kein Wort hervor. Er hat eine angenehme Stimme, sein leichter Akzent zeigt, was sein Name längst aussagt: Seine Wurzeln liegen irgendwo im Osten. Mama seufzt enttäuscht, sodass ich meinen Blick wohl oder übel von Alexander lösen muss, um sie anzusehen. Sie hebt eine Braue und erinnert mich an gutes Benehmen.

»Die Freude ist ganz meinerseits«, schieße ich hervor, bevor sich unsere Hände voneinander lösen.

»Du solltest dich frischmachen.« Mama verschränkt die Arme vor der Brust. Ihre sonst so sanften Züge sind angespannt, ihre Augen funkeln mich wütend an. »Habe ich dir denn gar nichts beigebracht?«

»Ich glaube, Louisa ist eine von den Frauen, die bei jeder Gelegenheit gut aussehen – auch mit Öl im Gesicht«, meldet sich Alexander verschmitzt zu Wort. Ich erstarre und werde knallrot.

Er zwinkert mir zu, bevor er sich meiner Mutter zuwendet und sie in ein Gespräch verwickelt, um sie von mir abzulenken. Ich schaue seinem breiten Kreuz hinterher und unterdrücke ein irres Kichern, während ich mir einrede, dass das Gefühl in meiner Magengrube von seinem östlichen Akzent herrührt oder davon, dass sein Lächeln so sympathisch ist. Aber in Wahrheit muss es wohl daran liegen, dass mich gerade zum ersten Mal ein Mann vor meiner Mutter verteidigt hat.

4

Ein Mann

Kurz vor Österreich, 2018

»Alles okay?« Mein Freund wirft mir einen besorgten Blick zu, bevor er seine Konzentration wieder auf die Straße richtet.

»Geht schon«, presse ich hervor und versuche das irritierende Gefühl in meiner Magengrube zu unterdrücken.

Er lacht. »Solltest du dich nicht nach all den Jahren an Autos gewöhnt haben?«

Ich grummle verstimmt und halte mich fest, während er die nächste Serpentine mitnimmt. »Du fährst ja auch wie ein Rennfahrer.«

»Ein paar Vorteile muss unser Leben doch haben«, erwidert er und beschleunigt, bevor er kurz vor der nächsten Kurve wieder abbremst. Jedem anderen hätte ich schon den Kopf abgerissen, aber er ist nun schon so lange mein Freund, dass wir fast wie Brüder sind. Da fällt es mir schwer, ihn zur Sau zu machen, weil er Spaß hat.

Ich versuche mich abzulenken, in dem ich über Freya nachdenke und darüber, ob wir sie wirklich mitten in den Alpen finden werden. Ich bezweifle, dass wir den Hinweis auf ihren Aufenthaltsort richtig gedeutet haben, denn laut Internet befindet sich dort … nichts.

Nur Berge, Blumenwiesen und Geröll.

Nicht, dass Hexen sich nicht vor den Augen neugieriger Menschen schützen könnten, aber vor Satelliten und GPS? Irgendwann erreicht auch Magie ihre Grenzen.

»Meinst du, Freya befindet sich wirklich dort?« Mein Freund verliert den Spaß daran, mich mit seiner Fahrerei zu ärgern, wenn ich nicht darauf reagiere. Gut so. »Ich meine, müsste sie nicht längst … tot sein?«

»Sie ist eine Hexe«, erwidere ich, als würde das alles erklären. Aber das tut es nicht. »Wenn jemand das Geheimnis der Unsterblichkeit kennt, dann ist es Freya.«

Mein Freund seufzt. »Das hört sich alles ganz schön verrückt an. Aber andererseits ist unser Leben sowieso nicht normal. Wieso also nicht auch noch unsterbliche Hexen?«

Ja, wieso nicht? Wenn Gestaltwandler es schaffen, ewig zu leben, muss es auch für Hexen oder sogar Menschen möglich sein … oder? Was ist an uns schon großartig anders? Abgesehen von den offensichtlichen Dingen natürlich.

»Was machen wir, wenn wir angekommen sind? Haben wir einen Plan?«

Ich lache auf. »Du kennst mich doch. Hatte ich jemals einen Plan?«

Mein Freund rollt mit den Augen, ein leichtes Grinsen auf den Lippen, und damit scheint alles gesagt. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Natürlich gibt es einen Plan, und der ist einfach: Freya finden, das zurückholen, was mir gehört, und mit ein bisschen Glück dabei sterben.

Endgültig.

5

Freya

Norwegen, 1768

Sie leben noch.

Manche von ihnen.

Erleichtert höre ich, wie ihre Kleidung raschelt und ihre Schuhe auf dem Boden aufkommen. Sie rappeln sich auf und ziehen sich eilig zurück. Mein Atem geht hektisch, ich kämpfe mit der Übelkeit und den Tränen. Ich wünschte so sehr, ich könnte etwas sehen, damit ich den Ausweg aus diesem Grauen finde.

»Freya?«

Ich erstarre beim Klang meines Namens. Mikael. Wieso ist er noch hier? Nach allem, was gerade geschehen ist? Wie-

»Darf ich dich berühren?«

»Was?«, frage ich verwirrt. Wieso fragt er das?

Er kommt näher und bleibt kurz vor mir stehen. An seinen Worten höre ich, dass er vor mir in die Hocke gegangen ist. »Bitte, ich will dir helfen. Lass mich dir aufhelfen.«

»In Ordnung.« Ich strecke vorsichtig eine Hand aus. Ein paar Augenblicke später ergreift er sie und gibt mir mit seinem festen Griff den Halt, den ich so bitter brauche. Er hilft mir hoch, und ich stolpere gegen ihn. Er stößt mich nicht von sich, sondern zieht mich an seinen Körper und spendet mir Trost.

»Schhh«, macht er und wischt mir die Tränen von den Wangen. »Es ist alles gut. Ich bring dich hier weg.«

»Aber …«

Er legt mir einen Finger auf die Lippen und schiebt ihn kurz darauf unter mein Kinn, um mein Gesicht zu heben. »Was ist mit deiner Nase?«

Verwirrt hebe ich eine Hand, um meine Nase zu befühlen. Etwas Feuchtwarmes benetzt meine Fingerspitzen. Blut?

»Ich weiß nicht«, stottere ich.

»Hat dich jemand geschlagen?«

»N-nein.«

Mikael greift nach meiner Hand und zieht mich mit sich. Ich erinnere mich an die Bücher und bitte ihn, mir bei der Suche zu helfen. Es dauert nicht lange, da hat er sie aufgespürt und bückt sich, um sie aufzuheben.

In der Ferne höre ich Menschen tuscheln. »Sie kommen zurück.«

»Sie haben gemerkt, dass sie nicht die einzige Hexe umgebracht haben«, stößt er verbittert hervor. »Hier, nimm die Bücher und halt’ sie fest. Ich trage dich.«

»Aber«, setze ich an, doch da hat er mir die Bücher schon in die Hand gedrückt und mich auf seine Arme gehoben. Mit einer Hand presse ich sie an meine Brust, mit der anderen klammere ich mich notdürftig an seinen Hals, während er zügig durch das Dorf läuft.

Ein paar Kurven weiter habe ich mich an das Gefühl gewöhnt, von ihm getragen zu werden, und die Erschöpfung ergreift Besitz von mir. Schließlich erreichen wir sein Pferd. Er hilft mir in den Sattel, bevor er hinter mir aufsteigt. Am liebsten würde ich mich zusammenrollen und einschlafen.

»Alles in Ordnung bei dir?«

»Nein«, murmle ich ehrlich. »Ich kann nicht mehr. Ich bin so müde.«

»Das ist normal.« Er greift um meine Taille herum nach den Zügeln und treibt sein Pferd an. »Was da gerade geschehen ist, hat viel Kraft erfordert. Dein Körper braucht jetzt eine Pause. Lehn dich zurück und schlaf ein bisschen. Saga bringt uns hier weg.«

Ich nehme seine Einladung an, lehne mich gegen seine Brust und schließe die Augen. Es ist das erste Mal, dass ich auf einem Pferd sitze. Ich mag das Gefühl nicht. Dieses Schaukeln und Wackeln, dieses Klackern der Hufen auf dem Untergrund. Kalte Luft an meinen Schienbeinen, weil mein Kleid hochgerutscht ist. Wenigstens spendet das Fell des Tieres Wärme.

Und Mikael.

Seine Wärme ist es, die mich schließlich einlullt und dafür sorgt, dass ich für einige Zeit vergesse, was geschehen ist.

Fröstelnd wache ich auf und versuche mich daran zu erinnern, was gestern gewesen ist. Viel zu schnell fällt es mir wieder ein.

Mutter.

Eine Hexe?

Und mein Schrei, der … der Menschen getötet hat?

Das Entsetzen kehrt zurück in meinen Körper und lässt mich fassungslos die Ereignisse des gestrigen Abends abspielen. Wieder und wieder.

Es hilft mir nicht einmal, mich auf meine Umgebung zu konzentrieren, um herauszufinden, wo ich bin. Viel zu laut ist die Erinnerung der Schreie meiner Mutter, viel zu beißend der Geruch des Feuers.

»Du bist wach.« Mikaels melodische Stimme reißt mich aus den Gedanken. Jetzt höre ich das Knistern eines Lagerfeuers und das Plätschern eines weit entfernten Baches. Ein paar Schritte neben uns scharrt Saga mit den Hufen. Mikael sitzt links von mir und packt raschelnd etwas aus. »Hast du Hunger? Ich habe noch einen Laib Brot.«

Ich nicke und strecke die Hand aus, damit er mir etwas davon geben kann. »Wo sind wir?«

»Etwa zwei Tagesritte von Christiania entfernt«, erwidert er kauend. »Du hast unsere erste Rast verschlafen.«

Überrascht horche ich in mich hinein. Die Erschöpfung spüre ich immer noch überdeutlich, aber wenigstens bin ich nicht mehr so müde. So fühle ich mich, wenn ich den ganzen Tag Wäsche gewaschen oder die Böden geschrubbt habe.

»Wie kann es sein, dass ich nicht aufgewacht bin?«, überlege ich laut. »Mein Schlaf ist doch sonst nicht so tief.«

»Ich schätze, das liegt an der Magie.«

»Magie?« Ich lache auf. »So etwas gibt es doch gar nicht.«

»Deine Mutter war auch eine Hexe.«

Wut durchzuckt mich, weil er sie so bezeichnet. »Nenn sie nicht so.«

»Entschuldige.« Mikael schweigt so lange, dass mich das schlechte Gewissen packt. Er will mir doch nur erklären, was passiert ist. Immerhin hat er mich gerettet. Ohne ihn hätte mich früher oder später das gleiche Schicksal ereilt wie meine Mutter.

Ich schnuppere am Brot und beiße ein Stück davon ab. Das Aroma breitet sich auf meiner Zunge aus und entlockt mir Hungergefühle. Meine letzte Mahlzeit muss Stunden her sein, wenn nicht sogar Tage.

»Mutter kannte sich mit Kräutern aus«, erkläre ich ihm schließlich. »Sie wusste, welches Kraut gegen welche Schmerzen hilft, und sie wusste, wie man Krankheiten heilt. Aber das macht sie noch lange nicht zu einer Hexe. Sie hätte niemals jemandem absichtlich wehgetan.«

Nicht so wie ich, schießt es mir durch den Kopf. Ich denke an das, was mein Schrei angerichtet hat.

»Ich fürchte, wir denken an zwei unterschiedliche Dinge, wenn wir das Wort Hexe benutzen«, meint Mikael. »Ich wollte ihr damit nicht unterstellen, dass sie ihre Fähigkeiten genutzt hat, um anderen Menschen wehzutun. Ich wollte bloß sagen, dass sie welche hatte.« Er macht eine bedeutungsvolle Pause. »Und du hast diese Fähigkeiten von ihr geerbt.«

Ich will ihm widersprechen, aber die Erinnerung an den gestrigen Abend ist noch zu lebhaft. Ich weiß genau, dass mein Schrei etwas in mir ausgelöst hat, was die Menschen um mich herum … verletzt hat. Etwas in mir, das nicht normal ist. Nicht menschlich.

Nachdenklich kaue ich auf meinem Brot herum. Ich wünschte, ich wüsste, was ich tun soll. Ich wünschte, ich könnte Mutter um Rat bitten …

Beim Gedanken daran, dass ich sie nun nie wieder um Rat fragen kann, vergeht mir der Appetit. Ich lege das Brot in meinen Schoß und ziehe mein Tuch enger um mich herum.

»Es tut mir leid, dass du deine Mutter verloren hast.« Mikael berührt mein Knie. »Und es tut mir leid, dass du auf so schreckliche Weise herausfinden musstest, wer du wirklich bist. Ich wünschte, es gäbe einen Weg, all das rückgängig zu machen.«

»Danke«, flüstere ich und kämpfe gegen die Tränen an. Zwecklos. Sie kommen trotzdem.

Mikael steht auf und kommt kurz darauf mit einer Decke wieder, die er mir um die Schultern legt. Sie riecht nach Saga.

»Wir bleiben über Nacht hier«, erklärt er, bevor er aufsteht, um sich um das Pferd zu kümmern und mir die Zeit zu geben, die ich so dringend brauche.

6

Louisa

Düsseldorf, 2018

Auf dem Weg durchs Haus komme ich an der geöffneten Tür zum Arbeitszimmer meines Vaters vorbei. Er sitzt in seinem großen Ohrensessel und ist in ein Buch vertieft. Die Brille auf die Spitze seiner Nase gerutscht, die Hand in den schütteren Locken vergraben, würde er mich nicht einmal bemerken, wenn ich ein Elefant wäre.

Er liest sicher wieder einen Krimi eines italienischen Autors. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das seine einzige Möglichkeit ist, für ein paar Stunden in die Heimat zurückzukehren. Warum sonst liest er kaum deutsche Bücher?

Ich lasse ihn allein, bringe meine Sachen in mein Zimmer und suche dann nach Alina, um ihr Bescheid zu sagen, dass ich wieder da bin. Ich finde meine Schwester im Kräuterzimmer meiner Mutter, wo sie sich gerade einen Tee kocht. Sie ist schon komplett fertig und verspricht mir, in fünfzehn Minuten zu kommen, um mir mit dem Make-up und meiner Frisur zu helfen.

»Danke«, erwidere ich und schnappe mir ihre Tasse Tee. Sie flucht mir hinterher. Grinsend gehe ich zurück in mein Zimmer und stelle die Tasse auf meinem Schreibtisch ab, bevor ich meine Tasche auspacke und ins angeschlossene Badezimmer gehe, um mir das Gesicht zu waschen und die Haare zu föhnen.

Vor dem Spiegel schaue ich mich unsicher um, aus Angst davor, wieder Dinge zu sehen, die gar nicht existieren. Die Erinnerung an Liam ist selbst nach fünf Jahren noch zu frisch.

Zu meiner Erleichterung geschieht nichts. Ich kehre in mein Zimmer zurück, ziehe mein Kleid an und warte auf Alina, die kurz darauf mit ihrem Make-up-Kit und dem Lockenstab zu mir kommt. Während sie mich schminkt, reden wir über meinen Flugunterricht und die anstehende Prüfung. Im Gegensatz zu Mama kann ich mit Alina über die Dinge reden, die mich beschäftigen. Erst als wir bei den Haaren angelangt sind, merke ich, dass sie eigentlich über etwas ganz anderes reden möchte.

»Hast du ihn schon gesehen?« Alina steckt das Kabel vom Lockenstab in die Steckdose und wirft mir über den Spiegel hin einen neugierigen Blick zu. Ihre braunen Augen sind mit einem dicken Lidstrich geschminkt, ihre Lippen glänzen in einem satten Rot. Sie sieht toll aus. Wie jedes Mal, wenn sie sich zurechtmacht. Das muss daran liegen, dass sie die Vorzeigetochter der Familie ist. Vielleicht aber auch daran, dass ihr – seit sie ihre Liebe zum Fotografieren entdeckt hat – niemand mehr entkommen kann, wenn sie sich einmal in den Kopf gesetzt hat, denjenigen für ihre Fotos vorzubereiten. Dabei weiß ich, dass sie insgeheim viel lieber die Natur fotografiert.

»Du meinst unseren Gast?«, frage ich unnötigerweise nach. Sie kann unmöglich von der Gestalt im Spiegel sprechen.

Ich frage mich, wieso sie Alexander noch nicht kennengelernt hat. An Mamas Stelle hätte ich ihm lieber Alina vorgestellt. »Ganz kurz. Mama hat fast einen Herzinfarkt bekommen, weil ich noch Öl im Gesicht hatte.«

Alina kichert und unterteilt mein Haar in Partien, um es besser frisieren zu können. Ich sitze in meinem funkelnden, blauen Ballkleid vor dem Spiegel und spiele mit einem Haargummi, während ich darauf warte, dass sie endlich fertig wird. Aber offenbar ist sie abgelenkt.

»Alexander Romanovic«, seufzt sie theatralisch auf. Ihr Blick ist verklärt. »Ich fand ihn schon toll, als er vor ein paar Jahren das erste Mal hier war.«

»Warte mal – was? Vor ein paar Jahren? Du kennst ihn?« Verwundert schaue ich sie an. Wieso kann ich mich nicht an ihn erinnern, wenn er schon einmal hier gewesen ist?

»Das war, während du vor ein paar Jahren so krank warst.«

»Du meinst die Phase mit Liam?«, hake ich nach. Sie zuckt zusammen, weil ich das Thema so offensichtlich anspreche. Nach all den Jahren kann meine Familie immer noch nicht damit umgehen, dass ich als Kind einen Dachschaden hatte und nie ohne meinen imaginären Freund Liam weggegangen bin.

»Um genau zu sein, rede ich von der Zeit, in der du aus dem Fenster gestürzt bist, weil du Liam vor dem Absturz bewahren wolltest.« Alina wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Ich schließe die Augen, immer noch beschämt über das, was geschehen ist.

Dabei wollte ich Liam wirklich nur helfen. So macht man das doch mit Freunden.

Ich konnte ja nicht wissen, dass er meine Hand packt, um mich mit sich in die Tiefe zu reißen.

»Jedenfalls war Alexander da schon einmal hier. Deswegen erinnerst du dich wahrscheinlich nicht mehr an ihn. Und jetzt ist er älter … und ich bin älter.«

»Bist du verknallt in ihn?«, frage ich grinsend. Kein Wunder, der junge Mann dort unten hat sicher schon einigen Frauen das Herz gebrochen. Bei dem Lächeln wird ja selbst mir anders, obwohl ich noch nie der Typ für Schwärmereien gewesen bin.

Alina winkt ab und beschäftigt sich wieder mit meinen Haaren, aber dabei wird sie rot. »Meinst du, er kommt mit zum Ball?«

»Wieso sollte er? Der ist doch nur für Schüler.« Ich kann mir kaum vorstellen, dass Alexander uns zum alljährlichen Neujahrsball der Schule begleitet. Selbst wenn er dieses Jahr zufällig auf meinen achtzehnten Geburtstag fällt. Er ist ja nicht wegen uns hier.

Vorsichtshalber werfe ich trotzdem einen Blick in den Spiegel und kontrolliere meine dunkel geschminkten Augen. Smokey Eyes, wie Alina sie so passend genannt hat. Wenn ich meine Schwester nicht hätte, würde ich wahrscheinlich ungeschminkt zum Ball gehen. Und ganz sicher hätte ich mir dann nicht dieses blaue Kleid mit dem herzförmigen Ausschnitt gekauft, in dem ich mich viel zu nackt fühle.

»Du siehst toll aus, Lou.«

Sie beobachtet mich belustigt. Natürlich hat sie meine Zweifel bemerkt. Sie legt den Lockenstab weg und entwirrt meine Locken, bevor sie den oberen Teil wegsteckt und nur ein paar einzelne Strähnen in mein Gesicht fallen lässt. Dann reicht sie mir ein paar tröpfchenförmige Anhänger und eine passende Kette dazu. Nachdem ich den Schmuck angelegt habe und aufgestanden bin, zieht sie mich vor den Spiegel.

Obwohl sie noch keine Schuhe trägt, ist sie fast zwei Köpfe größer als ich. Sie ist zwar nur ein Jahr älter als ich, aber durch ihre Größe wirkt sie zehn Mal erwachsener. Im Gegensatz zu mir hat sie die unschuldigen braunen Augen unseres Vaters geerbt und auch die eleganten Gesichtszüge hat sie von ihm. Manchmal kann ich mir kaum vorstellen, wie ich mit meinem runden Gesicht und den blauen Augen in diese Familie passe. Die Augenfarbe ist dabei allerdings das Einzige, was ich von Mama geerbt habe.

Auch wenn Alina und ich uns kaum ähnlich sind, geben wir zusammen trotzdem ein tolles Bild ab. Ich erkenne mich selbst kaum wieder. Die Lou, die sonst ölverschmierte T-Shirts, Jeans und unordentliche Haarknoten trägt, sieht aus wie eine Prinzessin aus einem lang vergessenen Land.

»Fehlt ja nur noch das Krönchen«, witzle ich, um meine Bewunderung für ihre Künste zu überspielen.

»Urghs.« Alina lacht. »Du willst doch nicht wie Kristin aussehen.«

»Stimmt. Und die Ballkönigin will ich auch nicht werden. Viel zu viel Aufmerksamkeit.« Meine Finger gleiten über den Stoff des Kleides, und ich strecke einen Fuß nach vorne, entzückt darüber, dass das Kleid vorne kürzer ist als hinten. So wird man die silbernen Schuhe besser sehen können. Manchmal bin ich eben doch ein Mädchen.

Ich umarme sie zum Dank, bevor sie noch einmal in ihr Zimmer verschwindet und ich mir meine Schuhe, einen Seidenschal und die Handtasche schnappe, um hinunterzugehen. Thomas müsste jeden Augenblick vor der Tür stehen, und er ist froh, wenn ich ihn nicht zu lange mit Mama allein lasse. Wobei die ja sowieso gerade mit ihrem neuen Liebling beschäftigt ist.

Auf dem Weg nach unten kreisen meine Gedanken wieder um die Gestalt im Spiegel. Ich frage mich, ob ich sie mir nur eingebildet habe oder ob vielleicht doch mehr dahintersteckt.

War das vielleicht sogar Liam?

Fünf Jahre später?

Auf dem unteren Treppenabsatz entdecke ich eine Gestalt im Flur und bleibe abrupt stehen. Für einen Moment denke ich, dass ich schon wieder Dinge sehe, die gar nicht da sind, aber dann dreht sich der Mann um. Es ist Alexander! Ich atme erleichtert auf. Er hat sein Outfit gegen einen Smoking ausgetauscht und öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch dann bringt er nur ein Lächeln zustande.

Ich gehe die letzten Treppenstufen hinunter, bis ich vor ihm zu stehen komme, und schaue auf meine Hände, weil es mir plötzlich unangenehm ist, ihm so nah zu sein.

»Du siehst toll aus, Louisa«, sagt er mit leiser Stimme. Sein Akzent verleiht seinen Worten Stärke. Wieso werden meine Knie plötzlich so weich?

»Danke.« Ich hebe den Blick und lächle ihn fest entschlossen an. »Meine Schwester hat mir gerade erzählt, dass du schon einmal hier gewesen bist. Ich kann mich nicht daran erinnern. Tut mir leid, dass ich dich nicht gleich erkannt habe.«

Er hebt verblüfft eine Braue. »Wie könntest du? Damals wärst du beinahe gestorben.«

Also weiß er, wie ich aus dem Fenster gefallen bin und danach wochenlang eingegipst war, weil ich mir acht Knochen gebrochen habe.

»Aber jetzt geht es dir wieder gut, oder?«, fragt er vorsichtig.

Ich runzle die Stirn. »Das ist fünf Jahre her. Natürlich geht’s mir wieder gut.«

»Ich meine nicht … körperlich.«

Ich erstarre, und mir wird klar, dass er sogar weiß, wieso ich aus dem Fenster gefallen bin.

»Woher weißt du das?«, fahre ich ihn wütend an. Wahrscheinlich hat er mich deswegen vor meiner Mutter verteidigt. Das ist Mitleid, kein ehrliches Interesse. Er will antworten, doch in diesem Augenblick kommt Alina von oben hinunter und unterbricht uns.

»Alexander Romanovic«, ruft sie übertrieben freudig und schreitet die Treppe hinunter wie eine Königin. Sofort gleitet seine Aufmerksamkeit zu ihr. Verstimmt atme ich aus, weil er ihr einen Kuss auf den Handrücken drückt. Na klar, wieso auch nicht? Immerhin ist sie nicht nur die Hübschere von uns beiden, sondern auch diejenige, die nicht irre ist.

Sie tauschen ein paar Höflichkeiten aus, bevor er sich wieder mir zuwendet. In dem Moment kommen Mama und Papa in die Eingangshalle.

»Ah, hier bist du, Alexander.« Mama breitet die Arme aus und schaut ihn von oben bis unten an. Hat sie Muttergefühle für ihn? »Du siehst toll aus. Deine Eltern wären sicher stolz auf dich.«

»Danke«, erwidert er verlegen.

Ich werfe Papa einen fragenden Blick zu, aber er zuckt bloß mit den Schultern und richtet seine Aufmerksamkeit erneut auf unseren Gast.

»Und?« Mama klatscht in die Hände. »Habt ihr euch schon besser kennengelernt?«

»Wie –«, beginne ich, doch Alexander unterbricht mich.

»Louisa hat mir gerade gesagt, wie sehr sie sich darüber freut, dass ich sie zum Ball begleiten werde«, erklärt er, und spätestens damit hätte er sich einen Faustschlag ins Gesicht verdient, wenn ich damit nicht ganz offiziell enterbt werden würde. Was glaubt er eigentlich, wer er ist? Meint er, er kann hierherkommen und alles durcheinanderwerfen?

Ich verschränke trotzig die Arme vor der Brust und lasse sie gleich wieder fallen, weil ich damit seine Aufmerksamkeit auf meinen Ausschnitt lenke. »Und was ist mit Thomas?«

»Ich kann ihn auch mitnehmen«, wirft Alina ein. Alexander schmunzelt, als er meinen Blick sieht. »Also, Alexander, mein ich. Immerhin habe ich keine Begleitung.«

»Nein, nein, Alexander ist wegen Louisa hier«, erklärt Mama. »So viel Zeit, wie die beiden in den nächsten Wochen miteinander verbringen werden, ist der Ball die perfekte Gelegenheit, um sich besser kennenzulernen.«

Zeit miteinander verbringen? »Wie bitte?«

»Ach, Liebes, hörst du überhaupt zu, wenn ich mit dir rede?«, beklagt sie sich. »Ich habe dir doch gestern schon erzählt, dass die Romanovics alte Freunde unserer Familie sind und ihr Sohn ...« Sie deutet auf Alex und redet mit mir wie mit einem kleinen Mädchen. »... uns für ein paar Tage besuchen kommt. Und da ihr doch fast das gleiche Alter habt, wird er natürlich die meiste Zeit mit dir verbringen.«

»Toll«, japse ich wenig begeistert und zucke zusammen, als es an der Haustür klingelt. »Das muss Thomas sein.«

»Alina, fahr doch schon mal mit Thomas zum Ball«, schlägt Mama vor. »Alexander und Louisa können zusammen fahren.«

Alina presst die Lippen aufeinander und nickt einmal knapp, bevor sie die Haustür öffnet und Thomas mit einer Umarmung überrumpelt. Ich habe kaum Zeit, ihm zu winken, da sind die beiden schon wieder verschwunden.

Alex schnappt sich eine schwarze Trainingstasche, die bisher unbeachtet neben dem Treppenabsatz lag, und geht hinaus, um draußen auf mich zu warten. Mama schafft es tatsächlich, mir ein ehrliches Lächeln zu schenken, bevor sie mich in den Arm zieht.

Überrumpelt von ihrer plötzlichen Zuneigung tätschle ich ihren Rücken. »Mama?«

»Pass auf dich auf«, erwidert sie leise, bevor sie mich loslässt und zu Papa schiebt. Auch er überrascht mich mit einer Umarmung.

»Was ist los mit euch?« Verunsichert schnuppere ich an seinem Hemd. Der bekannte Geruch beruhigt meine Nerven. Trotzdem kommt es mir komisch vor, weil mein Vater mich sonst so gut wie nie umarmt. Das ist einfach nicht sein Ding. Er zeigt seine Zuneigung lieber mit Worten. »Ist alles in Ordnung?«

Er lächelt mich an, doch das Lächeln erreicht seine Augen nicht. »Aber natürlich. Du siehst toll aus, Liebling.«

»Wie eine Dame«, stimmt auch meine Mutter zu. »Sei nett zu Alexander. Ich bin sicher, ihr werdet eine gute Zeit miteinander haben.«

Ich ziehe verwirrt eine Schnute. »Worum geht es hier eigentlich? Wollt ihr uns verkuppeln oder so?«

Scheinbar ist meine Frage so lächerlich, dass mein Vater lauthals loslachen muss. Mama wirft ihm einen Blick zu, den ich nicht deuten kann.

»Natürlich nicht«, besänftigt sie mich. »Nur ... egal, was passiert: Du kannst Alexander vertrauen. Viel Spaß heute Abend.«

Sie drückt meine Schulter leicht und schiebt mich aus der Haustür. Da sie sowieso nichts mehr sagen wird, gebe ich es auf und verlasse das Haus.

Draußen regnet es noch immer. Alexander lehnt lässig an der Hauswand, die Hände in den Hosentaschen vergraben, das Hemd leicht geöffnet, die Krawatte lose. Er sieht aus wie das Covermodel eines Magazins und das trotz seiner Narbe und den Zähnen, die nicht perfekt geradestehen.

»Fertig?«, fragt er und mustert mich neugierig. Sein Blick bringt mich beinahe aus der Fassung. Er sieht mich an, als wüsste er etwas über mich, wovon ich keinen blassen Schimmer habe.

»Hab ich etwas im Gesicht?« Meine Stimme klingt wütend, und das macht mich rasend. Wieso lasse ich mich überhaupt so sehr aus dem Konzept bringen?

Er schüttelt grinsend den Kopf und tritt einen Schritt vor, um mir seinen Arm hinzuhalten.

Pah! Mit erhobenem Kopf stolziere ich an ihm vorbei zur Beifahrerseite seines Autos und lasse mich in den komfortablen Ledersitz sinken.

»Also, erzählst du mir, was hier eigentlich los ist?«, frage ich, nachdem er von der Einfahrt gebogen ist. »Deswegen fahren wir doch allein, oder?«

Er wirft mir einen kurzen Blick zu, und ich wickle mein Seidentuch enger um meine Schultern. »Wollen wir nicht den Abend genießen? Wir haben in den nächsten Tagen noch alle Zeit der Welt, um alles zu klären.«

»Um was zu klären?«, frage ich entsetzt.

Er lacht erneut, leise, nicht so, als ob er damit nach Aufmerksamkeit suchen würde, sondern so, als würde er es tatsächlich lustig finden, mich so auf die Folter zu spannen.

»Familiendinge ... du ... und ich.«

Oh Gott, sie wollen uns doch verkuppeln. Ich wusste es! Ich drehe mich zu ihm, soweit es mir die Korsage meines Kleides ermöglicht. »Du erzählst mir jetzt sofort alles, was du weißt«, flüstere ich möglichst bedrohlich.

»Sonst was?«

Gute Frage. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich verziehe den Mund, drehe mich zurück und blicke aus dem Fenster. Der Regen fällt immer noch in großen Tropfen auf die Frontscheibe, eine dunkle Wolke hat sich über den Himmel geschoben und scheint nicht mehr weiterzuziehen.

Für einen Moment frage ich mich, ob das ein schlechtes Zeichen ist. Ich bin zwar nicht besonders abergläubisch, aber der Schatten im Duschraum, das Auftauchen dieses merkwürdigen Typens und ein Tag nicht enden wollenden Regens fallen doch definitiv in die Kategorie böses Omen, oder? Wenn ich heute noch eine schwarze Katze sehe, ziehe ich in den nächsten Wochen bei Thomas ein.

»Deine Mutter hat mir erzählt, dass du nicht so viel über eure Familiengeschichte weißt.« Ich werfe ihm einen Blick zu, doch er schaut konzentriert auf die Straße. »Unsere Familien sind schon seit langer Zeit befreundet. Sie haben mal eine Weile an einem Ort gewohnt, bis sich ihre Wege getrennt haben. Später habe ich den Kontakt zu deiner Familie gesucht.«

»Was ist mit deinen Eltern?«

»Sie sind vor ein paar Jahren gestorben«, erwidert er knapp.

Und schon fühle ich mich schlecht, dass ich ihn vor ein paar Minuten am liebsten schlagen wollte. »Das tut mir leid. Das wusste ich nicht.«

Er zuckt mit den Schultern, aber weil er mich nicht ansieht, weiß ich, dass es ihn trotzdem mitnimmt. »So wie ich das sehe, weißt du sehr viele Dinge nicht.« Bei seinem kurzen Seitenblick liegt Mitleid in seinen Zügen. »Ich denke, deine Eltern wollten warten, bis du alt genug bist.«

»Alt genug wofür?« Ich kneife die Augen zusammen, während ich rätsle, was er mir wohl gleich erzählen wird. Für Hogwarts bin ich definitiv zu alt, also verwerfe ich den irrsinnigen Gedanken gleich wieder. Vielleicht ... »Oh Gott, ich bin adoptiert, oder?«

Genügend Bücher gelesen habe ich ja, in denen die Protagonisten es von anderen Leuten erfahren haben. Das würde auch erklären, wieso Alina so gut in unsere Familie passt und ich nicht.

Alexander lacht. »Nein, bist du nicht.«

»Oh.«

»Enttäuscht?«