Frühling in Rom - Sandra Marton - E-Book
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Frühling in Rom E-Book

SANDRA MARTON

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Beschreibung

Niemals könnte Fürst Nicolo sich in ein Model verlieben: Die Schönheiten des Laufstegs sind doch bloß oberflächlich! Auch die hinreißende Caroline wird ihn nicht umstimmen - davon ist Nicolo überzeugt. Obwohl er wie gebannt ist, als sich ihre Blicke auf einer Mode-Gala begegnen. Spontan lädt er sie in seinen Palazzo nach Rom ein …

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IMPRESSUM

Frühling in Rom erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1993 by Sandra Myles Originaltitel: „Roman Spring“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1060 - 1995 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Andrea Schwinn

Umschlagsmotive: ajkkafe, akovKalinin/Thinkstock

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733742645

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY, CORA CLASSICS

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1. KAPITEL

Caroline konzentrierte sich auf einen unsichtbaren Fleck an der Wand, während Fabbiano vor ihr auf dem Boden kniete und mit Nadel und Faden den Saum des scharlachroten Seidenkleids festheftete, das sich wie eine zweite Haut an ihren Körper schmiegte.

„Umdrehen“, befahl der Modeschöpfer und versetzte ihrem Bein einen leichten Klaps. „Schnell, schnell, Signorina. So, und jetzt ganz still stehen.“ Er nähte weiter, und nach einer Weile lehnte er sich auf die Hacken zurück und betrachtete sein Werk missmutig.

In dem beengten Raum hinter der Bühne der Sala dell’Arte herrschte das typische Chaos der letzten Minuten vor einer Show; ein Dutzend Mannequins, unzählige Assistenten, Friseure, Visagisten – alles wimmelte hektisch durcheinander. Das Haus war bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Für gewöhnlich zogen Fabbianos Modenschauen immer solche Leute an, die im Grunde genauso waren wie seine Kreationen: schillernd, aber ohne Tiefgang. Doch an diesem Abend, bei dem ein Teil der Einnahmen einem wohltätigen Zweck zugutekommen sollten, waren Vertreter ausgewählter Medien erschienen sowie zahlreiche Persönlichkeiten, die über Geld und Titel verfügten.

„Signorina! Signorina, sind Sie taub?“ Caroline blickte nach unten. Fabbiano kniete noch immer vor ihr. Er hielt die Hände in die Seiten gestemmt und sah sie ungeduldig an. „Ich habe Sie gebeten, sich einmal im Kreis zu drehen! Wir müssen uns beeilen, die Show fängt gleich an!“

Eine Show, ja, das war das Ganze wirklich. Als Caroline den Jahresvertrag bei „International Models“ unterzeichnet hatte, hatte sie im Sinn gehabt, alles nur Erdenkliche über die Modebranche zu lernen. Ein Jahr in Mailand, Italiens großer Modemetropole, das hatte sich fast perfekt angehört. Zumindest hatte die Frau bei ihrem Einstellungsgespräch diesen Eindruck erweckt.

Für Caroline war die Modeltätigkeit nur eine Sprosse auf der Karriereleiter zum Modeschöpfer. Aber die Aussicht, genug Geld zu verdienen, um Designerkurse bei Pratt oder am New Yorker Fashion Institute belegen zu können, war sehr verlockend gewesen. Und ausschlaggebend war letztendlich der Gedanke gewesen, mit namhaften Leuten aus der Branche zusammenzuarbeiten.

Die Realität sah völlig anders aus. Oh, doch, Mailand gefiel ihr gut. Aber von den Verheißungen der Agentur hatte sich keine einzige erfüllt. Caroline war Model bei Fabbiano und seinesgleichen, Eintagsfliegen des Modebetriebs. Und was das große Geld betraf … die Hälfte ihres Honorars wurde sofort von der Agentur geschluckt, teils als Kommission für Carolines Vermittlung, teils als ihr Anteil der Miete für die schäbige Wohnung, die sie mit drei anderen Mädchen teilte.

Am schlimmsten war jedoch, dass ihr klar wurde, wie wenig ihr die Auftritte bei Modenschauen gefielen. Die Arbeit vor der Kamera machte ihr nichts aus, aber wenn sie in einem ausgefallenen, oft sehr aufreizenden Kleid zu Popmusikklängen über den Laufsteg schreiten musste und die Leute sie anstarrten, dann fühlte sie sich unbeschreiblich verwundbar. Natürlich wusste sie, dass das dumm war; sie war ein Model, und die Leute mussten sie ja ansehen, das erwartete man schließlich von ihnen. Nur Caroline konnte nicht anders, sie sah unwillkürlich tiefer, sah den Neid der Frauen und die berechnende, unverhohlene Lüsternheit der Männer.

„Fertig!“ Caroline zuckte zusammen. Fabbiano war aufgestanden und lächelte über das ganze Gesicht, weil die Krise nun überstanden war. „Amüsieren Sie sich gut, Signorina“, wünschte er und eilte davon.

Caroline rückte die dünnen Träger zurecht und strich dann über den Rock, als könne sie ihm dadurch ein paar Zentimeter Länge mehr über den Oberschenkeln entlocken. Nach dem Auftritt auf dem Laufsteg wartete an diesem Abend auch noch eine Cocktailparty auf die Models – alles für die sogenannte gute Sache. Sie würden angestrengt lächelnd durch den Ballsaal schreiten und dafür sorgen, dass möglichst viele Bestellungen zusammenkamen. Und die Männer würden ein Mal mehr versuchen, die Ware gleich mit den Fingern zu befühlen. Caroline kniff die Lippen zusammen, als sie daran dachte.

„Signorine?“ Die Mädchen drehten sich um. Eine von Fabbianos Assistentinnen stand hinter ihnen und klatschte in die Hände. „E ora di farlo!“, rief sie aufgeregt. „Zeit zum Auftritt!“

Wie er fand, war das wirklich nicht der Ort, an dem ein Mann seinen Donnerstagabend verbringen sollte. Nicht, dass er keine Frauen gemocht hätte. Nicolo Sabatini lächelte unwillkürlich vor sich hin. Nein, bestimmt nicht, das konnte vom Principe di Cordia wirklich niemand behaupten.

Das Problem war nur, hier gab es einfach zu viele. Schöne, Biedere, Junge, Alte. Es war auch beileibe nicht so, dass Nicolo sich nicht für Frauenkleider interessiert hätte. Er liebte das Gefühl von knisternder Seide unter seinen Händen, wenn er in einem dämmrig beleuchteten Schlafzimmer eine Frau entkleidete. Aber hier sitzen und Interesse heucheln zu müssen, wenn eine scheinbar endlose Parade von zu stark geschminkten und gelangweilt dreinschauenden Mannequins absurde Modelle vorführte: nein danke. Das schaffe ich nicht, dachte er, nicht einmal der Principessa zuliebe. Obwohl er eigentlich alles für seine Großmutter, seine geliebte „Nonna“, getan hätte. Hatte er das nicht bewiesen, indem er sie heute Abend zu dieser Veranstaltung begleitet hatte, die zugunsten des von ihr unterstützten Kinderhilfsfonds organisiert worden war?

Doch in Gesellschaft so vieler Narren, oder noch schlimmer, von Männern wie Antonini, Ferrante und anderen, die damit prahlten, eins dieser langbeinigen Geschöpfe erobert zu haben, die sich so bereitwillig verkauften – in solcher Gesellschaft kam er sich irgendwie beschmutzt vor.

Dabei brauchte er das doch gar nicht. Er konnte aufstehen, in den Vorsalon gehen, rauchen, ja, sogar eine Runde um den Block machen und trotzdem rechtzeitig zurück sein, um die Principessa nach dem Ende der Modenschau abzuholen und durch das Gedränge nach draußen zu begleiten.

Er beugte sich zu der alten Dame an seiner Seite. „Nonna?“, sagte er leise.

Die Principessa sah auf. „Si, Nico?“

„Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mir ein wenig die Beine vertrete?“

„Du bist nervös und fühlst dich fehl am Platze. Ich hätte es wissen müssen.“ Liebevoll berührte sie seine Wange. „Ein Mann wie du zieht es vor, Frauen einzeln um sich zu haben, hm?“

Er lächelte ebenfalls, und seine weißen Zähne blitzten in dem gebräunten Gesicht auf. „Du kennst mich einfach zu gut.“

„Geh nur, Nico“, meinte die Principessa und winkte ihm ermutigend zu.

„Hast du wirklich nichts dagegen?“

„Natürlich nicht. Ich werde mich gut unterhalten.“

„Ich gehe nicht weit. Wenn du mich brauchst …“

„Das werde ich nicht. Nun geh schon.“ Er erhob sich von dem lächerlichen Stuhl und verließ vorsichtig die voll besetzte Sitzreihe. Wenn er namentlich gegrüßt wurde, antwortete er höflich, und er unterdrückte gekonnt seine Überraschung, als er zwei Frauen, die ihm vertraulich zulächelten, einträchtig nebeneinander sitzen sah. Offenbar ahnten die beiden nicht, dass sie außer ihrer Freundschaft zueinander noch eine Gemeinsamkeit mehr teilten.

Im hinteren Teil des Saals herrschte etwas weniger Gedränge, und er beschloss, einfach dort zu bleiben, weil er von dort aus die Principessa im Auge behalten und dennoch etwas frischere, nicht so parfumschwere Luft schnappen konnte.

Schon gingen die Lichter aus, und ohrenbetäubende Musik begann, aus den Lautsprechern zu dröhnen. „Dio mio“, schimpfte Nicolo leise vor sich hin. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, verschränkte die Arme vor der Brust und wappnete sich widerwillig für das Kommende.

Discobeleuchtung tauchte die Bühne in zuckende Farbspiele, der Vorhang teilte sich, das erste Mädchen trat vor, bewegte sich hektisch zum Rhythmus der Musik, und dann folgten ihm die anderen Models auf den Laufsteg. Das Publikum applaudierte, die Parade hatte begonnen.

Mit spöttischer Miene verfolgte Nicolo die Show. Eine Show, in der die Mädchen ebenso käuflich waren wie die Kleider, die sie vorführten. Es wollte ihm nicht in den Kopf gehen, wie ein halbwegs vernünftiger Mann an so etwas Interesse haben konnte. Was so bereitwillig angeboten wurde, war doch völlig ohne Reiz, selbst wenn die betreffende Frau so schön war wie …

Ihm stockte der Atem. Eine Frau in einem roten Kleid betrat die Bühne. Nein. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Das bisschen rote Seide, das sich an ihren Körper schmiegte, als Kleid zu bezeichnen, erschien ihm lächerlich. Wie die Hände eines Mannes umspannte es ihre Brüste, ihre Hüften. Nicolo ballte die Hände zur Faust und vergrub sie in den Jackentaschen.

Sie machte eine Drehung zur Musik. Ihr Gesicht war vollkommen, hohe Wangenknochen, eine gerade Nase, ein sinnlicher, weicher Mund. Das Haar mit den sonnengebleichten Strähnen fiel ihr in schweren Wellen über die Schultern, es reichte ihr bis in den Rücken und schwang bei jedem Schritt, den sie auf dem Laufsteg tat, schimmernd hin und her. Sie wiegte sich leicht in den Hüften, wie zum Klang einer Musik, die nur sie allein hörte. Ihr Gesichtsausdruck war kühl und leidenschaftslos, und Nicolo fragte sich, ob sie so wohl auch aussehen mochte, wenn sie in den Armen eines Mannes lag. Ein auf Liebkosungen reagierender Körper, aber eine stets unberührbare Seele.

Seine Muskeln spannten sich, brennende Glut strömte plötzlich durch seine Adern. Seine Erregung nahm zu, wie gebannt richtete er den Blick auf sie, auf das flammend rote Kleid …

Und auf einmal sah sie ihn direkt an. Sie hatte den Kopf gewendet, den Blick über den Raum schweifen lassen und ihn dann auf Nicolo fixiert. Dio, was für ein Gesicht! Schön wie das einer Madonna, aber mit den Verheißungen einer Kurtisane.

„Sie heißt Caroline Bishop und ist Amerikanerin.“

Nicolo zuckte zusammen wie unter einem Stromschlag. Gianni Antonini stand mit zur Seite geneigtem Kopf neben ihm, auf seinen zu weichen Zügen spielte ein durchtriebenes Lächeln.

„Antonini.“ Nicolo räusperte sich und zwang sich, seine Aufmerksamkeit von dem Mädchen abzulenken. „Ich habe dich eben schon von Weitem gesehen. Wie geht es dir?“

„Wenn du möchtest, kann ich dich mit ihr bekannt machen.“ Antoninis Lächeln wurde breiter. „Ich – wie soll ich sagen – bin mit einer ihrer Zimmergenossinnen enger befreundet.“

Nicolos Miene wurde eisig. „Das überrascht mich gar nicht.“

Der andere Mann lachte leise. „Sie ist natürlich nachher auf der Party, wie alle Mädchen. Dort knüpfen sie schließlich die besten Kontakte. Möchtest du sie dann kennenlernen?“

Nicolo drehte sich zu ihm um. „Warum?“, meinte er beinahe liebenswürdig. „Bekommst du eine Provision, Antonini?“

„Nicolo, Nicolo! Du versuchst mich zu beleidigen, obwohl ich nur nett zu dir bin. Du weißt ja, wie diese Amerikanerinnen sind, so weit fort von zu Hause …“ Er nickte lächelnd zur Bühne, wo Caroline gerade hinter dem Vorhang verschwand. „Das ist mit Abstand die Interessanteste. Sie spielt zwar die Unnahbare, aber für Geld ist alles zu haben.“

Nicolo verzog angewidert den Mund. „Dadurch wird der Käufer genauso billig wie die Ware“, stellte er schonungslos fest. „Arrivederci, Gianni.“

Damit trat er hinaus ins Foyer, schloss die Tür hinter sich und sog tief die kühle, parfumfreie Luft ein. Verdammt, warum hatte er sich von Antonini nur so aus der Fassung bringen lassen? Sollte der Mann doch machen, was er wollte, ihn ging das alles nichts an. Er hatte wohl einfach zu viel gearbeitet in letzter Zeit, nur so war es zu erklären, warum er überhaupt auf Antoninis dumme Bemerkungen eingegangen war und warum er so ungewöhnlich auf diese Frau reagiert hatte.

Er lächelte gezwungen. Nun, im Grunde brauchte ein Mann gar keine Erklärung dafür, wenn eine Frau ihn faszinierte, diese Gründe waren so alt wie die Menschheit selbst. Und doch, es war ein beunruhigendes Gefühl gewesen, so als hätte er plötzlich eine dunkle, unkontrollierbare Seite an sich entdeckt, von deren Existenz er bis dahin nichts geahnt hatte.

Die Modenschau musste jetzt bald zu Ende sein, und dann konnte er endlich die Principessa holen und verschwinden. Die Musik drinnen änderte sich, die Veranstaltung schien endlich aus zu sein. Er atmete tief durch und öffnete die Tür zum Saal. Richtig. Das Publikum hatte sich erhoben und applaudierte, während die Mannequins den strahlenden Fabbiano auf die Bühne zogen.

Nicolo bahnte sich seinen Weg durch die Menge zur Principessa. Sie hob den Kopf und sah ihn mit funkelnden Augen an, als er sich zu ihr gesellte.

„Du hast ja alles verpasst, Nicolo!“, sagte sie und bedeutete ihm, sich zu ihr herabzubeugen. „Die Kleider waren schrecklich“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Du machst dir keine Vorstellung davon.“

Er lachte. „Oh, doch, durchaus, Liebes.“

„Nein“, widersprach sie energisch. „Selbst sie … was sie da vorführen musste, war so … so orrenda!“

Er lachte erneut und ließ den Blick in die Richtung folgen, in die sie zeigte. „Wer? Wer musste denn so etwas Entsetzliches vorführen?“ Sein Lachen erstarb, der Atem stockte ihm in der Kehle. Da war sie wieder, zusammen mit den anderen auf der Bühne, und ihr schönes Gesicht wirkte unverändert kühl und distanziert. Sie trug nun nicht mehr das rote Seidenkleid, sondern ein langes, ganz schmal geschnittenes Abendkleid mit dunkelblauen Pailletten, die die Scheinwerferlichter in allen Regenbogenfarben reflektierten. Auf den ersten Blick machte das Kleid einen fast züchtigen Eindruck, doch als die Frau ihre Haltung veränderte, wurde plötzlich ihr Oberschenkel sichtbar. Und als sie sich umdrehte, sah Nicolo, dass das Kleid hinten bis zur Taille ausgeschnitten war und den Blick auf ihren nackten Rücken freigab.

„Nicolo? Nicolo!“

Er schluckte und riss sich von diesem Anblick los. „Ja, Nonna?“

Die alte Dame nahm seinen Arm und erhob sich langsam. „Das geht wenigstens halbwegs, trotzdem ist es nicht das, was sie tragen sollte. Nicht mit diesem Gesicht. Habe ich recht?“

„Sicher“, bestätigte er zerstreut.

„Erstaunlich, dass gerade sie hier sein soll, nicht wahr?“

Er blickte ein letztes Mal zu dem Mädchen hinüber und wandte sich dann endgültig der Principessa zu. „Verzeih mir, Nonna, aber wovon sprichst du eigentlich?“

„Von Arianna“, erklärte sie ungeduldig.

Nicolo starrte sie an. „Arianna?“, wiederholte er langsam.

Die alte Dame verzog das Gesicht. „Sieh mich nicht so an, als hätte ich plötzlich den Verstand verloren!“

„Liebste Nonna, Arianna ist nicht hier“, sagte er freundlich. „Sie ist schon seit langer Zeit nicht mehr in Italien, und du weißt das.“

„Natürlich weiß ich das“, stimmte sie zu. „Ich meinte auch nur, dass die Ähnlichkeit wirklich verblüffend ist.“ Sie nickte zur Bühne. „Findest du denn nicht auch? Sie sieht Arianna in der Tat unglaublich ähnlich.“

Ihm war, als legte sich eine kalte Hand um sein Herz. Er brauchte nicht zu fragen, wen sie meinte, und es wunderte ihn nur, dass er nicht von Anfang an selbst darauf gekommen war. Ja. Natürlich. Die Ähnlichkeit bestand nicht so sehr vom Aussehen her, sondern vor allem in der Haltung. Das Mädchen hatte die gleiche Art zu lächeln, diesen Gesichtsausdruck, der alle Welt davor warnte, ihr zu nahe zu kommen. Und es gab noch eine weitere Parallele … beide schienen gleich unmoralisch zu sein.

„Nico?“ Seine Großmutter drückte ihm den Arm. „Wir müssen sie kennenlernen.“

„Nein!“, stieß er heftig hervor, doch dann holte er tief Luft und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich halte das nicht für klug. Es ist schon spät, und die Ärzte haben dir Ruhe verordnet.“

„Du weißt genau, was ich von den Ärzten halte! Nicolo, bitte, es dauert doch gar nicht lange.“

Ein Raunen ging durchs Publikum. Der Bühnenvorhang war gefallen, die Türen zum angrenzenden Saal hatten sich geöffnet. Kristallleuchter verbreiteten strahlendes Licht, ein Quartett spielte. Richtige Musik, wie Nicolo am Rande registrierte, nicht dieses ohrenbetäubende Gedröhn wie vorhin noch, während der Modenschau. Auf mit weißem Damast gedeckten Tischen lockten köstlich aussehende Appetithappen, funkelte edles Kristall.

„Nicolo!“

Er sah zu ihr hinunter. Sie umklammerte seinen Arm und lächelte ihn erwartungsvoll an wie ein junges Mädchen. „Wenn es dir lieber ist, sprechen wir sie nicht an. Aber ich war schon so lange nicht mehr auf einem Fest“, flüsterte sie. „Nur ein kleines Glas Wein, nur fünf Minuten und dann gehen wir, ja?“

Die Menschen drängten bereits in den Saal, und Nicolo seufzte.

„Fünf Minuten, aber keine Sekunde länger. Capisce?“

Die Principessa lachte leise. „Natürlich“, versprach sie, und mit überraschend festem Schritt machte sie sich auf den Weg zum Ballsaal.

2. KAPITEL

Caroline trat hastig zurück, als der schwere Samtvorhang fiel. Sie war stets froh, wenn ihr Aufritt auf dem Laufsteg vorüber war, aber an diesem Abend atmete sie hörbar auf, als die Modenschau zu Ende war.

Irgendetwas hatte nicht gestimmt. Vielleicht übertrieb sie ja, aber zum ersten Mal seit Monaten hatte sie sich dem Publikum ausgeliefert gefühlt, war sie sich jedes Blickes nur allzu deutlich bewusst gewesen.

„Meine Damen, wir dürfen unsere Gäste nicht warten lassen!“

Der Ball. Das war das Letzte, worauf sie Lust hatte, vor allem jetzt. Es war schon lange her, seit die unsichtbare Barriere zwischen ihr und dem Publikum durchbrochen worden war …

„Denken Sie daran, meine Damen, lächeln, zuvorkommend sein und immer wieder durch den Saal gehen, damit alle Sie sehen können.“

… und es war eindeutig das erste Mal, dass sie ganz bewusst einen bestimmten Menschen unter den Zuschauern wahrgenommen hatte, ein aufmerksam beobachtendes Augenpaar …

„Kopf hoch, gerade Haltung. Haare, Make-up, alles muss perfekt sein, klar?“

… und es war beunruhigend gewesen, sehr sogar. Sie hatte gegen dieses Gefühl angekämpft, doch dann hatte sie etwas getan, was sie sonst nie tat. Sie hatte absichtlich in die Menge gesehen, ganz zielgerichtet in den hinteren Teil des überfüllten Saals … und dabei war ihr dieser Mann aufgefallen, der sie unverwandt angestarrt hatte, mit unverhohlenem erotischen Interesse im Blick.

Das an sich war nichts Neues für sie. Männer hatten sie immer wieder so angesehen, seit sie sich mit sechzehn von einem schlaksigen Teenager in eine gut gebaute junge Frau verwandelt hatte. Caroline hatte sich nie recht daran gewöhnt, aber sie hatte gelernt, solche Blicke zu ignorieren, selbst hier in Italien, wo so etwas gang und gäbe war. Aber das jetzt war anders gewesen. Nicht nur sexuelles Verlangen hatte sich in seinem Blick widergespiegelt, sondern … Ja. Zorn, wie ihr plötzlich klar wurde. Wilder Zorn, so als machte er sie für die leidenschaftlichen Gefühle verantwortlich, die sich auf seinen Zügen abzeichneten.

Die Tür zum Ballsaal ging auf, Musik und Gelächter schallte Caroline entgegen. Sie spürte so etwas wie Panik in sich aufsteigen. Wenn der Mann nun noch da war und sie wieder so anstarrte? Na und? Sie tat ganz einfach ihre Arbeit, und kein liebeshungriger italienischer Romeo konnte sie daran hindern. Sie atmete tief durch, setzte ein kühles Lächeln auf und betrat den Saal.

„Es tut mir leid, damit kann ich Ihnen nicht dienen“, sagte Caroline immer wieder stereotyp. „Bitte wenden Sie sich mit Ihren Fragen zu Kleid Nummer zweiundachtzig an Fabbiano selbst.“

„Hallo, Süße, wie geht’s denn so heute Abend?“

Ein Mann verstellte ihr den Weg, dem Akzent nach offenbar ein Italiener. Caroline lächelte höflich. „Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte …“

„Allerdings habe ich Fragen“, meinte er und grinste anzüglich.

Zwei andere Männer traten zu ihm, ihr Schmunzeln war nicht minder zweideutig. „Wie heißt du denn, Schätzchen?“

„Es tut mir leid, aber …“

„Ach, komm schon, Süße, wir wollen doch nur deinen Namen wissen. Den kannst du uns doch sicher verraten.“

„Das könnte ich“, pflichtete sie liebenswürdig bei. „Und jetzt, wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen …“

Die Männer lachten, als sie mit aufgesetztem Lächeln weiterging. Sie sah ein paar der Mannequins am Buffet stehen, die gerade strahlend ein Glas Champagner von einigen allzu aufmerksamen Herren entgegennahmen. Fabbiano sah so etwas bestimmt gern, ein solches Verhalten förderte den Verkauf. „Geselligkeit macht sich bezahlt“, pflegte auch der Chef der Mailänder Zweigstelle von International Models immer zu sagen. Doch Caroline war nicht als Verkäuferin eingestellt worden und schon gar nicht als Gesellschafterin. Sie war nicht bereit …

Jemand packte sie am Handgelenk. „Da ist sie ja!“, ertönte eine zufriedene Stimme mit amerikanischem Akzent. „Die aufregendste Nummer der ganzen Kollektion. Komm her und lass dich mal genauer ansehen!“

Carolines Lächeln wurde eisig. Der Mann war klein und untersetzt und schwankte leicht. Sie nahm seine Weinfahne wahr.

„Na, das ist doch wirklich mal etwas Besonderes“, stellte er fest. „Diese Formen …“

Er betrachtete sie, nicht das Kleid, aber Caroline gab vor, das nicht zu bemerken. „Ich trage das Kleid Nummer zweiundachtzig“, erklärte sie höflich. „Bitte wenden Sie sich mit Ihren Fragen an …“

„Das gibt es nicht! Du bist Amerikanerin, nicht wahr?“ Er lachte. „Das hätte ich mir ja denken können – dieses blonde Haar, die großen blauen Augen …“ Er strich ihr rasch über die Hüfte und ließ die Hand dann an der Stelle liegen, wo der seitliche Schlitz in ihrem Kleid begann. Als Caroline zurückweichen wollte, hielt er sie fest. „Komm schon, Schätzchen, halt still. Wie soll ich sonst beurteilen können, was ich zu kaufen gedenke?“

„Ganz einfach. Indem Sie Fabbiano zu diesem Kleid befragen.“

„Nun, alle Fragen kann er mir nicht beantworten.“ Er schmunzelte. „Zum Beispiel, wohin du gern mit mir zum Abendessen gehen möchtest.“

„Danke, aber ich habe keinen Hunger.“

„Gut, dann auf einen Drink?“

„Danke, aber durstig bin ich auch nicht.“

Er lächelte unbeirrt weiter, aber Caroline konnte sehen, wie sich seine Augen verdunkelten. „Hör mal, Schätzchen, du wirst doch nett zum guten alten Eddie sein wollen“, meinte er gedehnt. „Ich glaube, du weißt nicht, wer ich bin.“

Sie wusste auf jeden Fall, was er war, nämlich widerlich. Und sie wusste, wie man mit solchen Typen umgehen musste. Man musste ihnen geradewegs in die Augen sehen und ihnen klarmachen, dass man keinerlei Lust hatte, auf ihr Niveau herabzusteigen. „Richtig“, erwiderte sie ruhig. „Das weiß ich nicht. Und es ist mir auch ehrlich gesagt gleich.“

Sein Lächeln wurde eine Spur dünner. „Ich bin ein Käufer, und zwar einer mit einem ziemlich dicken Scheckheft. Ich bin bereit, Fabbiano eine größere Bestellung zukommen zu lassen, wenn mir die Ware gefällt.“

„Sagen Sie das Fabbiano, nicht mir. Ich trage die Ware, er verkauft sie.“

Der Mann grinste. „Was ist denn, Süße? Bin ich etwa zu diskret für dich? Ich könnte dir bei deiner Karriere helfen, wenn du …“

„Wahrscheinlich bin ich diejenige, die zu diskret ist“, gab Caroline kalt zurück. „Hier steht nur das Kleid zum Verkauf und sonst nichts.“

Seine Augen nahmen einen vielsagenden Ausdruck an. „Hör mal, Kleine, du willst doch sicherlich nicht, dass Fabbiano erfährt, wie du ihn um einen umfangreichen Auftrag bringst, oder?“

Sie hätte ihn am liebsten geohrfeigt, aber sie hatte keine Lust, hier eine Szene zu machen. Die Situation war schon erniedrigend genug. „Hören Sie, wenn Sie mich jetzt in Ruhe lassen, werde ich vergessen, was soeben vorgefallen ist“, bot sie ihm ganz ruhig an.

„Sie wollen das vergessen?“ Seine Stimme schwoll an, und Caroline sah sich peinlich berührt um. Schon streiften sie die ersten neugierigen, amüsierten Blicke der Umstehenden. „Verdammt, ich bin derjenige, der vergessen sollte! Ich bin hier der Beleidigte, der …“

„Gibt es ein Problem?“

Die tiefe Männerstimme klang hart und kalt und hatte nur einen ganz leichten italienischen Akzent. Obwohl Caroline sie nie zuvor gehört hatte, wusste sie sofort, zu wem sie gehörte. Sie verspürte ein Prickeln im Nacken, als sie sich umdrehte und in die Augen des Mannes sah, der sie während der Modenschau so eindringlich beobachtet hatte.

Er war groß, sogar im Vergleich zu ihren fast einsachtundsiebzig. Er trug ein perfekt sitzendes schwarzes Dinnerjackett, aber die elegante Aufmachung täuschte nicht über seine breiten Schultern und seinen athletischen Körperbau hinweg. Sein Haar war dunkel und gewellt, seine Haut leicht gebräunt. Seine extrem männlichen Gesichtszüge wirkten beinahe klassisch, eine gerade, aristokratische Nase über einem sinnlichen Mund und einem kantigen Kinn. Das Erstaunlichste an ihm aber waren seine Augen. Sie waren von dunklem Saphirblau, umgeben von einem Kranz dichter schwarzer Wimpern. Auf dem Laufsteg hatte Caroline die Glut gespürt, die von ihnen ausging, jetzt jedoch wirkten sie eiskalt und verächtlich, als er den Amerikaner musterte.

„Ich glaube, Sie haben mich nicht verstanden, Signore“, wiederholte ihr Retter gefährlich leise. „Gibt es hier ein Problem?“