Frühstück in Amsterdam - Marcus Luft - E-Book
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Frühstück in Amsterdam E-Book

Marcus Luft

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Beschreibung

In diesem Moment sehe ich sie zum ersten Mal. Sie strahlt. Nicht, dass sie die ganze Zeit lacht. Nein, es ist etwas anderes. Diese Frau leuchtet. Das große Glück, was ist das eigentlich? Oliver dachte immer, er könnte diese Frage leicht beantworten: Karriere machen, Geld verdienen und sich hin und wieder mit der Gelegenheitsgeliebten amüsieren. Doch dann endet sein Leben auf der Überholspur unsanft mit einer fristlosen Kündigung. Was tun? Eigentlich wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, in einem Luxushotel in Marrakesch zu relaxen. Stattdessen landet Oliver in Amsterdam – und begegnet dort einem Wunder namens Muk: Die attraktive Holländerin liebt wilde Blumenmuster, näht bunte T-Shirts und träumt von einem eigenen kleinen Laden. Muk ist das komplette Gegenteil von Oliver … und trotzdem genau die Frau, von der er schon immer heimlich geträumt hat. Auf einmal ist es zum Greifen nah, das große Glück. Nur: So einfach ist es nicht im Leben. Eine warmherzige Geschichte über schlechtes Timing, richtige Entscheidungen und eine ganze Reihe kurioser Persönlichkeiten, die das Herz am rechten Fleck haben. „Ein Mann, der's kann: Schreiben mit Witz und Feeling!“ Tina Grube, Autorin des Bestsellers „Männer sind wie Schokolade“. Jetzt als eBook: „Frühstück in Amsterdam“ von Marcus Luft. dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 426

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Über dieses Buch:

Das große Glück, was ist das eigentlich? Oliver dachte immer, er könnte diese Frage leicht beantworten: Karriere machen, Geld verdienen und sich hin und wieder mit der Gelegenheitsgeliebten amüsieren. Doch dann endet sein Leben auf der Überholspur unsanft mit einer fristlosen Kündigung. Was tun? Eigentlich wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, in einem Luxushotel in Marrakesch zu relaxen. Stattdessen landet Oliver in Amsterdam – und begegnet dort einem Wunder namens Muk: Die attraktive Holländerin liebt wilde Blumenmuster, näht bunte T-Shirts und träumt von einem eigenen kleinen Laden. Muk ist das komplette Gegenteil von Oliver … und trotzdem genau die Frau, von der er schon immer heimlich geträumt hat. Auf einmal ist es zum Greifen nah, das große Glück. Nur: So einfach ist es nicht im Leben.

Eine warmherzige Geschichte über schlechtes Timing, richtige Entscheidungen und eine ganze Reihe kurioser Persönlichkeiten, die das Herz am rechten Fleck haben.

»Ein Mann, der's kann: Schreiben mit Witz und Feeling!« Tina Grube, Autorin des Bestsellers Männer sind wie Schokolade.

Über den Autor:

Marcus Luft, geboren 1969 in Darmstadt, studierte Philosophie, arbeitete als Journalist für verschiedene Magazine und verbrachte einige Jahre in Amsterdam, was ihn zu seinem ersten Roman inspirierte. Heute lebt er in Hamburg, wenn er nicht gerade –als Modechef der Zeitschrift GALA – in New York, Mailand und London unterwegs ist.

***

Neuausgabe Mai 2014

Copyright © der Originalausgabe 2005 Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Motiven von XiXinXing / shutterstock.com

ISBN 978-3-95520-317-7

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Marcus Luft

Frühstück in Amsterdam

Roman

dotbooks.

Prolog

Wer etwas von Brot versteht, versteht das Leben.

Bereits die Ägypter wussten, wie wichtig die Kunst des Brotbackens ist – und zwar nicht nur für die Ernährung. Am Hofe der Pharaonen gab es Bäcker, denen hohe Ehren zuteil wurden. Archäologen haben herausgefunden, dass Brot schon früh bei Ackerbau treibenden Völkern als heilig galt. Und auch heute noch bekreuzigen sich viele Menschen, bevor sie ihr tägliches Brot essen.

Ursprünglich stellte man Brot als Fladen auf einem Herd her, später im Backofen als Laib. Seit dem 9. Jahrhundert ist das Backen ein selbstständiges Gewerbe. Zunächst aß man hauptsächlich Hafer-, Gersten- oder Roggenbrot, seit dem 18. Jahrhundert auch Weizenbrot. Ende des 18. Jahrhunderts entstanden dann die ersten Brotbackmaschinen, die Wegbereiter der modernen Brotfabrikation.

Bei uns in Deutschland verwendet man zur Brotherstellung Getreidemehl oder -schrot, Wasser und Salz. Um den Teig aufzulockern, fügt man ihm Gärmittel wie Hefe zu. Sauerteig entsteht aus einer Verbindung von Wasser und Mehl, die bei konstanter Wärme Hefepilze bildet und dadurch säuerlich schmeckt.

Das Gewicht eines Brotes muss hierzulande per Gesetz mindestens 500 Gramm betragen und durch 250 teilbar sein. Der Verbrauch von so genannten Brotgetreideerzeugnissen betrug 1913 in Deutschland pro Einwohner 121,7 Kilogramm Und auch heute noch liegt er bei rund 86 Kilogramm, so hoch wie nirgendwo sonst in Europa. Der Deutsche isst pro Jahr rund 1500 Scheiben Brot sowie 350 Brötchen, Semmeln oder Schrippen. Mittlerweile gibt es 134 Brotsorten. Die deutsche Bäckerinnung weist jedoch darauf hin, dass es beim Brotbacken noch immer auf die richtige Mischung der Zutaten ankommt.

Brot hat eine Seele. Und deshalb gilt noch immer jener Satz, an den bereits die Ägypter glaubten: Wer etwas von Brot versteht, versteht das Leben.

Kapitel 1 Unverhofft kommt oft

Es ist nicht so, dass einen das Leben warnt, wenn es plötzlich die Richtung ändern will. Dass es einem vielleicht ins Ohr flüstert: »He, stell dich schon mal darauf ein: Ab heute Abend wird nichts mehr so sein, wie es einmal war.« Nein, das Leben hat kein Frühwarnsystem. Man kann sich nicht darauf verlassen wie auf den Wetterbericht und sich vorsichtshalber etwas wärmer anziehen.

Ausgerechnet an einem sonnigen Dienstag passiert es. An einem jener Herbsttage, an denen sich die Sonne noch einmal richtig Mühe gibt, um bis zum nächsten Frühjahr in guter Erinnerung zu bleiben. Der Himmel ist mediterran blau, die Luft morgens klar, aber kühl. Beim Sprechen atmet man bereits Kondensnebel aus. Langsam färben sich die Blätter rostbraun. Kastanien knallen auf den Boden, Kinder werden sie später aufheben und mit Streichhölzern Kastanienmännchen aus ihnen basteln. Was man eben macht im wunderschönen Herbst.

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass ich mich heute auf ein Unwetter einstellen muss. Gegen acht Uhr morgens komme ich vom Joggen nach Hause. Wie jeden Tag bin ich meine Runde durch den Englischen Garten gelaufen – von Montag bis Freitag die kleine, am Wochenende natürlich die große. Ich will meinen durchtrainierten Körper noch ein bisschen behalten, von nichts kommt nichts, sagt man doch immer. Eins achtzig bin ich groß, siebzig Kilo schwer, und einen Sixpack habe ich auch. Zumindest, wenn ich die Luft anhalte und ganz genau hinschaue.

Mit einer Tüte warmer Laugenbrezeln in der Hand und der Süddeutschen Zeitung unterm Arm trabe ich verschwitzt die Treppe zu meiner Wohnung in Bogenhausen hoch. Hier gefällt mir München am besten. So ein Altbau wie meiner hat einfach was. Ich mag es, wenn die Eingangstüren verschnörkelt sind und die Lampe im Treppenhaus schon ein wenig Patina angesetzt hat. Wie immer nehme ich jeweils zwei Treppenstufen auf einmal. Im dritten Stock angekommen, schließe ich meine schwere Wohnungstür auf. Sie knarrt laut, so als wolle sie mich darauf hinweisen, ihr endlich ein wenig Schmieröl zu gönnen. Sorry, keine Zeit. Ich stelle die Espressomaschine an und gehe ins Bad duschen. Burt Bacharachs Raindrops keep fallin' on my head verbreitet gute Laune. Ich pfeife mit. Zwar falsch, aber durchaus fröhlich und hochmotiviert.

Während ich frisch geduscht die Milch für meinen Cappuccino aufschäume, muss ich an mein heutiges Gespräch mit Herrn Dr. Brienzle denken, dem CEO von Happy Food Europe. Um zwei Uhr will mich mein Boss sprechen. Wir gehen die ersten Verkaufszahlenauswertungen von Landbrot Thüringen durch, jener Backmischung, die ich als Produktmanager im Bereich Modern Innovative Food zu verantworten habe.

Ein Jahr lang habe ich daran gearbeitet, das herzhafte Landbrot zu entwickeln. Meine ganze Leidenschaft habe ich in dieses Projekt gesteckt, für das mein Chef mir nahezu freie Hand gelassen hat. Ich liebe Brot. Seit meiner Kindheit. Andere Jungen wollen Feuerwehrmann werden oder Fußballnationalspieler oder Erfinder. Seit ich mit knapp sieben Jahren zum ersten Mal in der Sendung mit der Maus erklärt bekommen habe, wie Sauerteig gemacht wird, war es immer mein größter Traum, eine eigene Brotbackmischung zu entwickeln.

***

Keine Ahnung, warum ich nie ernsthaft auf die Idee gekommen bin, das Brot selbst backen zu wollen. Für mich stand schon als Kind ganz einfach fest: Ich will backen lassen. Früh aufstehen und bemehlt in der Backstube stehen – ach nein, das ist nun wirklich nichts für mich. Beim Gucken der Sendung mit der Maus taten mir die verschwitzten Kerle am Ofen auch sofort Leid. Ich überlegte mir schon damals lieber, wie viele Brote sie wohl backen müssen, damit sie ihrem Sohn ein Bonanzarad kaufen können. Sofort kam mir die Idee, überall ein wenig von den Zutaten wegzulassen, aber das damit ersparte Geld trotzdem auf den Brotpreis aufzuschlagen.

Ich bin stolz auf mein Landbrot Thüringen; stolzer könnte ich auch nicht sein, wenn ich jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe aufstehen und es höchstpersönlich in den Ofen schieben würde. Diese Kruste: dunkel und kross. Dieser Geschmack: herzhaft und lecker. Und erst die Verpackung: gemütlich wie rot-weiß karierte Bettwäsche. Nicht zu vergessen der Name: Ost-West-verbindend. Ganz klar: ein Topprodukt für die Brotbackmaschine zu Hause. Und das bei minimalem Arbeits- und Zeitaufwand. Einfach den Tüteninhalt in die Maschine geben, ein wenig Butter und Wasser dazu, anstellen: In sechzig Minuten inklusive Knetzeit duftet deutsche Geselligkeit in heimischen Reihenhaus-Einbauküchen.

Während ich in meine gebutterte Laugenbrezel beiße – die Bäckerei Konrad macht wirklich die allerbesten –, überlege ich mir, wie ich während des Meetings das Thema Karriereplanung am besten ansprechen könnte. Deutschlands jüngster CEO in der Lebensmittelbranche will ich werden. Und jetzt, mit einunddreißig Jahren, wäre dafür eigentlich der richtige Zeitpunkt. Gründe, mich zu befördern, gibt es eine Menge: die erfolgreiche Lancierung einer Mikrowellen-Currywurst, gefrorene Schlagsahne im praktischen Dosierspender, Kartoffelchips, von denen man beim Essen keine fettigen Finger bekommt, ein geschmacksverstärktes, aber kalorienreduziertes Trockenpulver, das sich innerhalb von Sekunden durch simples Aufgießen in ein Chicken Curry Bangkok Dreams verwandelt. Alles meine Verdienste.

Das weiß Herr Dr. Brienzle garantiert zu schätzen, kein Problem also, ihm nach der Analyse der Verkaufszahlen unseres neuen Umsatzbringers auch gleich dieses Thema aufs Brot zu schmieren.

Ich schaue auf die Uhr: fast neun. Zu lange mit den Laugenbrezeln herumgetrödelt. Schnell anziehen: brauner Anzug mit beigefarbenen Nadelstreifen, weißes Hemd, dezente Krawatte, dazu braune Schnürschuhe. Jetzt nur noch die Haare mit Out-Of-Bed-Gel gekonnt verwuscheln. Fertig ist mein Winneroutfit. Ein Blick in meinen Barockspiegel im Flur, ein Erbstück meiner Großtante, gibt mir Recht. Ich sehe verdammt gut aus. Schnell wische ich noch über meine handgenähten Pferdelederschuhe. Teure Teile. Ich pose vor dem Spiegel. Übe den Winnerblick, mit dem ich heute Mittag meinem Boss gegenübertreten möchte.

Punkt halb zehn klingelt es an der Tür. Das Taxi ist da. Ich selbst fahre kein Auto. Meinen Führerschein habe ich eher meinem Charme zu verdanken als meinen Fahrkünsten. Wer nicht rückwärts um die Kurve einparken kann, sollte sich nicht in den Straßenverkehr wagen. Die U-Bahn nehme ich allerdings erst recht nicht. Ich verabscheue öffentliche Verkehrsmittel. Schließlich gibt es für mich nichts Schöneres, als gut riechend das Haus zu verlassen und mich auf dem Weg zur Arbeit ein wenig meinen Tagträumen hinzugeben. Sich jeden Morgen in einen überfüllten Waggon zu quetschen ist nichts für mich. Natürlich habe ich es versucht. Natürlich hatte ich jedes Mal das Pech, dass ausgerechnet neben mir ein nach Schweiß riechender Geschäftsmann im schlecht sitzenden Anzug stand. Und das war beileibe nicht immer derselbe – es sei denn, er hätte mich von Hamburg über Berlin, Barcelona und Paris bis nach München verfolgt. Vor zwei Monaten bin ich spätabends außer der Regel dann doch noch einmal U-Bahn gefahren. Prompt haben sie mich beim Schwarzfahren erwischt. Zu dritt haben sie mich aus dem Wagen gezogen – entwürdigend war das. Ein deutliches Omen, besser das Taxi zu nehmen.

»Guten Morgen, Herr Schandlmeier, zum Sendlinger Tor bitte«, begrüße ich meinen Fahrer, nachdem ich hinten eingestiegen bin.

»Geht in Ordnung.« Schandlmeier nickt. »Alles paletti.« Klar weiß er das, schließlich fährt er mich jeden Morgen. Ich bin sein letzter Gast in der Nachtschicht. Wie immer begutachtet er mich im Rückspiegel. Wie immer lächle ich kurz und unverbindlich zurück, ohne ihn dabei wirklich anzusehen. Ich weiß, was mich erwarten würde: Seine letzte Haarsträhne legt Schandlmeier stets akkurat über die Stirn. Nach zwei Jahren Fahrgemeinschaft bin ich fest davon überzeugt, dass er mit seiner Wildlederweste verwachsen ist. Er trägt sie tagtäglich, jeweils mit einem anderen bunten Schnupftuch in der Brusttasche. Am Rückspiegel baumeln ein Rosenkranz und ein Duftbäumchen Markt Landblumen-Potpourri extra frisch, auf dem Armaturenbrett klebt ein Foto seiner Enkelkinder vor einem äußerst fragwürdig geschmückten Christbaum.

In Filmen verbindet Chauffeur und Fahrgast nach einer Weile meistens eine tiefe, wunderbare Freundschaft. Aber ich bin nicht Miss Daisy. Und auch mein freundliches Grinsen beim Einsteigen kann Herrn Schandlmeier nicht von seiner Meinung abbringen, dass ich ein dunkelblonder, oberflächlicher Schnösel mit Dreitagebart bin – zumal genau in diesem Moment mein Handy klingelt. Er kann nicht ahnen, dass es sich dabei weder um einen geschäftlichen Anruf handelt noch um meinen nichtexistenten Vermögensberater, der mir schnell die neuen Aktienkurse durchgibt. Es ist meine Mutter.

Annemarie wird im nächsten Jahr sechzig Jahre alt. Sie ist eine kleine, resolute Person, die sich selbst als Morgenmuffel bezeichnet – was sie aber nicht davon abhält, bereits nach dem Aufstehen lange Reden zu halten. Am liebsten trägt sie schwarze, weit geschnittene Hosen, vorzugsweise von japanischen Designern, weil die angeblich »für kleine Frauen wie mich« so vorteilhaft schneidern. »Yamamoto muss beim Kreieren an mich denken«, sagt sie oft und lacht. Außerdem passen japanische Jacken ihrer Meinung nach am besten zu ihrem asymmetrischen Haarschnitt, den sie sich regelmäßig von einer japanischen Friseurin in Form bringen lässt. Nur Sushi mag meine Mutter nicht. Sie ist geschieden, lebt in Hamburg und hängt sehr an ihrem »Bub«. Schließlich bin ich ihr einziger Sohn. Unsere Beziehung ist eng, sehr eng, manchen vielleicht zu eng. Bei Frauen, mit denen ich geschlafen habe, schlafe oder schlafen möchte, lande ich mit meiner guten Beziehung zu Annemarie meistens Pluspunkte. Zumindest so lange, wie sie meine Mutter nicht kennen lernen. Dann stehen sie plötzlich in Konkurrenz zu ihr. Aber solange ich nur von meinem guten Verhältnis erzähle, finden sie mich sensibel. Sensitive, wie eine Bekannte mal zu mir sagte, wobei ich mir allerdings vorkam wie ein alkoholfreier, duftstoffarmer Deoroller. »Der versteht uns«, flüstern sie sich wahrscheinlich auf der Damentoilette zu – und sei es im größten Abschleppschuppen. Kumpel und Kollegen finden es dagegen eher weniger anziehend, dass ich aus den tiefen Gefühlen für meine Mutter keinen Hehl mache. Für sie bin ich die Memme, die Schwuchtel. Das Weichei, das sich drei Tage Urlaub nimmt, um zu ihr zu fliegen, weil sie wegen ihrer Schilddrüse zur Beobachtung ein paar Tage im Krankenhaus bleiben muss. Aber diejenigen, die so etwas sagen, kennen die Geschichte nicht, die uns beide für immer zusammengeschweißt hat.

Als ich gerade zu Hause ausgezogen war und mit meinem BWL-Studium begonnen hatte – das ist jetzt gut zwölf Jahre her –, beschloss mein Vater Gunther, ein erfolgreicher Steuerberater, dass er mit meiner Mutter nicht mehr sprechen wollte. Zwei Jahre lang kam er abends nach Hause und redete keinen Ton mit ihr. Er missachtete seine Frau gänzlich. Während des Frühstücks, beim Fernsehen, abends im Bett. Kein »guten Abend«. Kein »das schmeckt heute aber gut«. Nicht mal ein »können wir umschalten, ich will die Nachrichten sehen«. Es war, als existierte sie nicht mehr für ihn. Zuerst dachte meine Mutter noch, Gunther sei verstimmt, vermutete großen Stress im Büro. Dann suchte sie die Schuld bei sich. Und als auch das sie nicht weiterbrachte, konsultierte sie verschiedene Psychologen – vielleicht hatte er ja Probleme? Vielleicht musste ihm geholfen werden? Auf die Idee, dass ihr geholfen werden sollte, kam sie nicht. Geduldig ertrug sie den stummen Psychokrieg, den Gunther über Monate aufrechterhielt. Niemand verstand, warum Annemarie meinen Vater nicht verließ. Vielleicht, weil er ihr alle drei Monate ein Fax aus der Kanzlei nach Hause schickte und darin andeutete, er werde wieder mit ihr sprechen, irgendwann. Sie glaubte ihm. Liebe macht blind, sagt man. Bestimmt auch naiv. Ich weiß es beim besten Willen nicht.

Nach zwei Jahren, einem Monat und vierundzwanzig Tagen brach Gunther eines Morgens tatsächlich sein Schweigen. Gerade als er sein Fünfminutenei mit dem Messer anschlug, sagt er etwas. Meine Mutter erschrak zunächst, denn sie hatte den Klang seiner Stimme fast vergessen. Hatte er etwa immer schon so monoton und gelangweilt geklungen? Aber immerhin, er sprach wieder. Es gab noch Hoffnung. Erst mit ein paar Sekunden Verzögerung verstand meine Mutter, was er da gerade von sich gegeben hatte: »Ich ziehe aus, ich habe seit einem Jahr eine Freundin!« Zehn Wörter, die Klarheit schafften. Er aß sein Vollkornbrot mit Ei auf, packte einen Koffer und ging, ohne sich zu verabschieden. Noch am gleichen Nachmittag holte ein bereits seit Wochen beauftragtes Umzugsunternehmen einen Großteil der Möbel ab, darunter eine alte Stereoanlage, die sich meine Eltern in den frühen Siebzigern nach einem Lottogewinn gekauft hatten, eine goldene Taschenuhr sowie einen Karton voller Fotos. Sorgsam waren sämtliche Aufnahmen aussortiert, auf denen meine Mutter zu sehen war.

Annemarie wurde depressiv und saß tagelang alleine in einem vierhundertfünfzig Quadratmeter großen Haus. Nicht einmal ans Telefon ging sie in jener Zeit. Auch ich erreichte sie nicht. Sie weigerte sich, die Vorhänge zu öffnen. Als kurz darauf auch noch meine Großmutter starb, hielt nur die Liebe zu mir und ihrem Vater Heinrich sie davon ab, mit ihrer täglichen Flasche Veuve Cliquot eine Überdosis Tabletten hinunterzuspülen. Erst vor kurzem hat sie mir gestanden, dass die Packung schon neben ihr auf dem Couchtisch gelegen hatte. Ich studierte damals in Berlin und hatte gerade meine Unterlagen für ein Auslandsstipendium in Paris eingereicht. Wie noch nie zuvor hatte ich das Gefühl, dass das Leben mir endlich die Tür zur Welt aufgestoßen hatte. Ich sah mich schon morgens im Marais in meiner kleinen Stammbäckerei Baguette kaufen. Trotzdem zögerte ich nicht eine Sekunde, kündigte meine kleine Studentenbude in Kreuzberg und zog sofort nach Hamburg zurück. Ich hatte mich meiner Mutter immer nah gefühlt und stets betont, dass ich sie sehr liebte. Nun war es an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen.

In jener Zeit habe ich meine Mutter mit aller Kraft unterstützt. Seelisch sowieso, aber auch finanziell, da mein Vater sich bis zur gerichtlichen Scheidung weigerte, Unterhalt zu zahlen. Leicht war das alles nicht. Viel Geld hatte ich ja selbst nicht. Doch ich nahm einen Nebenjob in einem Klamottengeschäft an und überwies ihr, was ich entbehren konnte. Außerdem telefonierten wir lange und oft. Sicher war die moralische Unterstützung für sie noch viel wertvoller als die finanzielle. Aus Wut brach ich damals den Kontakt zu meinem Vater ab. Allerdings schrieb ich ihm einen letzten Brief.

Lieber Pa,

ich habe nie verstanden, warum Annemarie es so lange ertragen hat, dass du sie quälst. Ich glaube sicher nicht daran, dass eine Ehe halten muss, bis der Tod die Partner scheidet. Woran ich aber fest glaube, sind Regeln, die man in einer Familie einzuhalten hat. Die hast du verletzt, in dem du zwar über Jahre nicht mit Annemarie gesprochen, ihr aber trotzdem die Hoffnung gegeben hast, du würdest dich lediglich - wie hast du das so hübsch formuliert? - in einer »Phase des Nachdenkens« befinden. Alles wird schon wieder gut. Ein Satz, der nie gestimmt hat. Jedenfalls für dich nicht. Doch Annemarie hat gehofft. Der Satz war eine Art Silberstreif am Horizont, ein Seil, an dem sie sich festgehalten hat, um über eine schmale Hängebrücke gelangen. Dieses Seil hast du von einem Tag auf den anderen durchgeschnitten. Annemarie ist von der Brücke gefallen, und niemand kann sagen, wie sehr sie sich bei diesem Sturz verletzt hat. Der Schuldige ist nicht derjenige, der an etwas Falsches glaubt. Sondern derjenige, der einen im falschen Glauben lässt. Freunde, die so handeln, wie du es getan hast, kündigt man die Freundschaft. Und wir? Wir waren Freunde, Pa. Wir sind zusammen mit einem alten Golf durch Irland gefahren und hatten eine Menge Spaß. Wir haben viele schöne gemeinsame Erinnerungen. An unsere Männerurlaube denke ich noch oft. Damals, nach dem Abi, als wir zusammen mit dem Rad durch Schottland gefahren sind und abends in irgendeinem Bed and Breakfast übernachtet haben. Aber irgendwann, genau weiß ich selbst nicht mehr, wann das war, hat sich unser Verhältnis abgekühlt. Du hast dich nicht mehr so oft bei mir gemeldet. Und wenn, warst du meist fordernd und schlecht gelaunt. Doch mit deinem Verhalten in den letzten beiden Jahren haben sich ohnehin alle schönen Erinnerungen relativiert.

Manche sagen, Blut sei dicker als Wasser. Ich glaube nicht an diesen Unsinn, sondern bewerte Menschen nach ihrem Handeln. Dein Handeln ist für mich weder verständlich noch entschuldbar. Leicht fällt es mir dennoch nicht, dir das zu schreiben, was ich nun auszudrücken versuche:

Ab heute habe ich keinen Vater mehr.

Alles Gute

Oliver

Seitdem habe ich meinen Vater nicht mehr gesehen, und ich gehe auch nicht davon aus, ihm jemals wieder zu begegnen. Zuerst hat mich dieser Gedanke erschreckt. Inzwischen ist es mir egal. Er ist mir egal. Anfangs habe ich noch versucht, ihn zur Rede zu stellen. Ich wollte wissen, wie sich ein Mensch so verändern kann. Doch er ist mir ausgewichen, hat nicht zurückgerufen oder einfach den Telefonhörer aufgeknallt.

Es hat Jahre gedauert, bis meine Mutter wieder Vertrauen in das Leben gewonnen hat, Hoffnung, eine Perspektive. Sie hat sich eine kleine Wohnung genommen, mit einem Balkon voller Hängegeranien und Kletterrosen. Sie kümmert sich um meinen Großvater, geht mit Freundinnen aus. Sie kann wieder lachen. Sie reist gerne und viel. Und sie sagt jedem, wem sie das zu verdanken hat: mir. Vielleicht stimmt das. Auf jeden Fall bin ich derjenige, der sich darüber am meisten freut. Wenn man so weit voneinander entfernt wohnt wie wir seit einigen Jahren, kann man sich nicht oft sehen. Deshalb habe ich regelmäßig ein schlechtes Gewissen, aber ich kann nichts dagegen tun. Landbrote und Tiefkühlschlagsahne im Portionierer lassen sich nicht mit einer Vierzigstundenwoche oder mit mehr als zwanzig Urlaubstagen im Jahr entwickeln.

Wann immer Annemarie sich doch einsam fühlt – und manchmal auch, wenn es mir so geht –, schicke ich ihr ein Bahnticket und lade sie in München zum Essen ein. Im Restaurant wählen wir dann nach dem ersten Glas Wein unter den anderen Gästen immer das »stumme Paar«. Wenn man darauf achtet, sieht man erschreckend viele Paare, die nicht miteinander sprechen oder sich nichts zu sagen haben. Abschreckende Beispiele als Behelfstherapie.

»Willst du das lieber?«, frage ich Annemarie.

»Du hast ja Recht«, antwortet sie und drückt dann immer fest meine Hand.

Meine Mutter und ich telefonieren fast jeden Tag miteinander. Irgendetwas ist immer passiert. Zumindest wollen wir kurz unsere Stimmen hören. Sollen andere uns doch für verrückt halten.

»Einen schönen Tag noch«, verabschiedet sich mein Chauffeur nun von mir. »Morgen wie immer?«

»Morgen wie immer, Herr Schandlmeier. Ciao.«

***

Auf dem Flur vor meinem Büro kommt mir meine Assistentin Marianne entgegen und wedelt aufgeregt mit einer Telefonnotiz. »Dein Gespräch mit Brienzle wurde vorverlegt. Du sollst jetzt gleich zu ihm kommen«, informiert sie mich hektisch. Wie immer, wenn Brienzle sie überraschend anruft, hat sie diese kleinen roten Flecken am Hals, die leuchten wie Windpocken im fortgeschrittenen Stadium.

»Erst einmal: Guten Morgen, Marianne.« Ich kann an dieser Terminverschiebung überhaupt nichts Beunruhigendes erkennen. »Wahrscheinlich ist Brienzle für nachmittags irgendetwas dazwischengekommen«, füge ich lässig hinzu.

Ich bin gut vorbereitet auf das Gespräch. Aus dem Ausland habe ich mir Marktanalysen besorgt, damit wir eventuell gleich die Strategie für Europa besprechen können. Auch über Marketingkooperationen mit deutschen Food-Zeitschriften habe ich nachgedacht, um den Verkauf noch weiter anzukurbeln. Sicher, ich weiß, dass die Absatzzahlen der ersten Wochen schlechter waren als erwartet. Aber ich werde Brienzle schon davon überzeugen, dass es mit Thüringen immer weiter aufwärts gehen wird. Alles eine Sache des Timings. Wieso soll ich mir also Sorgen machen?

Trotzdem werden meine Hände ein wenig feucht, als ich mich auf den Weg zur Vorstandsetage mache. Es ist immer ein merkwürdiges Gefühl, plötzlich mit dem höchsten Boss einen Termin zu haben. Es muss einfach alles gut werden. Es muss. Ich atme tief durch. Sicherheitshalber wasche ich mir in der Herrentoilette die Hände und werfe einen prüfenden Blick in den Spiegel. Alles perfekt.

Mit dem Lift fahre ich in den zwölften Stock des Happy-Food-Hauptgebäudes. Schwere Orientteppiche schlucken dort das Geräusch jedes Schrittes. Stattdessen beschallt leise, unverbindliche Musik den langen, holzvertäfelten Flur.

»Guten Morgen, Frau Siebold-Mischlich«, begrüße ich die Vorstandssekretärin.

Sie nickt freundlich und meldet mich an.

»Nehmen Sie doch schon mal im Besprechungsraum Pizza Paolo Platz«, bittet sie mich. »Herr Dr. Brienzle kommt sofort zu Ihnen.«

Ich gehe den Gang entlang. Wie jedes Mal amüsiere ich mich über die absurden Zimmernamen: Besprechungsraum Fischfilet Barcelona, Konferenzraum Creme-Eisbombe Neapolitana und so weiter. Die Bestseller von Happy Food. Sobald Landbrot Thüringen dazugehört, bestehe ich darauf, dass auf den Tischen karierte Decken liegen und Rotkäppchen-Sekt kredenzt wird. Oder noch besser Grabower Küsse, die weltbesten Neger... Verzeihung: Schokoküsse.

Pizza Paolo ist einer der kleineren Besprechungsräume. Hier trifft man sich zu vertraulichen Gesprächen unter vier Augen, und schon so manches Projekt von mir hat hier sein offizielles Okay von Seiten der Geschäftsführung bekommen. Ich nehme auf einem der schwarzen Stühle Platz und greife mir vom Tablett aus gebürstetem Edelstahl eine Flasche stilles Wasser, ein Glas und einen Butterkeks mit Erdbeermarmeladenfüllung aus der Gebäckselektion Cafeteria. Wie gut sich diese verkauft, weiß ich nicht Zumindest ist kein Raum nach ihr benannt.

Kurz darauf kommt Dr. Brienzle herein, schüttelt mir die Hand. »Herr Schmetter, guten Morgen!«

»Grüße Sie, Herr Dr. Brienzle«, antworte ich in ähnlich energischem Tonfall. Während mein Chef sich ebenfalls ein Wasser einschenkt und dann noch einen Moment seine Unterlagen ordnet, fällt mir auf, dass er eine Krawatte mit kleinen Teddybärchen trägt. Was wollen Männer mit einer solchen Krawattenwahl sagen? Dass sie das Leben ein bisschen leichter nehmen als andere? Dass in ihnen auch in hohen Positionen noch immer ein kleines Kind steckt? Ich überlege. Dr. Brienzle gibt sich gerne als Familienmensch. Seine Gattin ist eine repräsentative Erscheinung, die bei Opernpremieren und Firmenevents stets eine gute Figur macht. Sie sieht ein bisschen aus wie eine gut erhaltene Margot Werner. Auf Brienzles Schreibtisch stehen gleich fünf Fotos seiner Kinder und Enkelkinder. Vielleicht weiß er, dass er mit seinen 1,95 Metern, der massigen Figur und der Glatze eher wie ein frühpensionierter Diskothekenbesitzer auf Ibiza aussieht, und möchte mit Teddybärchen-Krawatten, der silbergerahmten Ahnengalerie und der herzeigbaren Margot-Werner-Gattin eine sympathischere, persönlichere Seite zeigen?

»Wir haben die ersten gesicherten Abverkaufszahlen Ihres Landbrots Thüringen bekommen«, unterbricht Brienzle meine kleine Krawatten-Psychologie.

Ich nehme einen Schluck Mineralwasser, hole mein Notizbuch und einen Stift heraus und sage: »Ich bin sehr gespannt!« Auch wenn sich mein Magen gerade umdreht wie nach dem Genuss verschimmelter Roggenbrötchen, bin ich fest überzeugt, dass die erfolgreichen Verkaufszahlen meiner knusprigen Brotbackmischung der Countdown für den nächsten Schub meiner Karriere sein werden. Schließlich habe ich als Oberverantwortlicher die Produktentwicklung genauso betreut wie den Vertrieb, die Werbekampagne und alle anderen Marketingaktivitäten. Bei Happy Food ist es nämlich üblich, jeweils einer Person die komplette Verantwortung für ein Produkt zu übertragen und sie damit natürlich auch für dessen Erfolg verantwortlich zu machen. In diesem Fall: mich! So ist das in allen europäischen Niederlassungen des Unternehmens. Tausende von Mitarbeitern arbeiten, und jeweils eine kleine Elitegruppe genießt den Erfolg. Gutes Konzept.

An Dr. Brienzle also liegt es, die Rakete nun zu starten.

Zehn:

»Wie schon erwähnt, haben wir unlängst die Verkaufszahlen für Landbrot Thüringen bekommen. Mehrere Wochen nach der Markteinführung haben wir nun also ein repräsentatives Ergebnis vorliegen, wie der Endverbraucher das Produkt angenommen hat.«

Neun:

»Sie kennen die überdurchschnittlich hohen Investitionskosten für dieses Produkt. Allein die Entwicklung des Holzofengeschmacks, auf dem Sie so beharrlich bestanden haben, hat Millionen verschlungen. Dazu kommt die riesige Werbekampagne, die wir auf Ihre Empfehlung hin vor allem in den neuen Bundesländern gestartet haben.«

Acht:

»Werfen Sie einfach selbst mal einen Blick auf die Statistik. Besonders auf Blatt zwei können sie die Verkaufsentwicklung sehr genau verfolgen.«

Sieben:

»Alles wurde natürlich noch einmal rechecked.«

Sechs:

»Unsere Key-Account-Manager haben außerdem mit ihren Großkunden gesprochen, die unsere erste Einschätzung bestätigt haben.«

Fünf:

»Ein Fehler ist ausgeschlossen.«

Vier:

»Nein, das ist nicht das Verkaufsergebnis in einem unserer Testsupermärkte.

Drei:

»Schmetter, ich muss Ihnen nicht erklären, was diese Zahlen bedeuten: Niemand will Ihr Scheißbrot kaufen.«

Zwei:

»Ihnen ist bekannt, dass wir Sie für einen unserer fähigsten Mitarbeiter halten und für eine unserer ganz großen Hoffnungen … Wir wissen aber jetzt, dass Sie uns nicht alle Informationen, die auch gegen die Produkteinführung hätten sprechen können, offen gelegt haben. Thüringen ist für viele Kunden negativ besetzt. Eine hausinterne Untersuchung hat das bereits vor einem Jahr ergeben. Warum haben Sie uns das nicht mitgeteilt? Die Zeiten sind nicht so, dass man Millionen Euro teure Investitionsflops einfach abschreiben kann.«

Eins:

»Wir müssen dem Aufsichtsrat gegenüber Rechenschaft ablegen. Und man hat uns nahe gelegt, die nötigen Konsequenzen zu ziehen.

Null:

»Sie sind entlassen, Schmetter. Wir werden Sie mit sofortiger Wirkung freistellen. Unsere Anwälte regeln alles.«

Die letzten Sätze von Dr. Brienzle hören sich dumpf an, so wie kurz nach dem Aufwachen aus der Narkose bei meiner Blinddarmentzündung. Ich fange an zu schwitzen, sehe alles etwas unscharf, wie durch einen Weichzeichner. Die Teddybärchen verschwimmen zu einem großen braunen Brei. Ich zittere leicht. Ich kann nichts sagen, mich nicht beschweren, nicht verteidigen. Nichts. Knallhart erwischt. Schockzustand.

Brienzles obligatorische Dankesworte für meinen jahrelangen Einsatz ziehen diffus an mir vorbei wie Werbespots im Kino: Ich nehme sie zwar wahr, erinnere mich aber zwei Sekunden später nicht mehr daran.

»Kopf hoch, Schmetter, einem jungen Mann wie Ihnen stehen doch alle Türen offen.« Dr. Brienzle verlässt den Raum.

Ich bleibe sitzen, trinke noch einen Schluck Wasser und schaue aus dem Fenster. Ein schöner Herbsttag. Ganz hinten sind die Alpen zu sehen, davor die Türme der Frauenkirche. Ein grandioses Postkartenmotiv. Ein Gute-Laune-Tag.

Schweigend verlasse ich Pizza Paolo. Frau Siebold-Mischlich sieht hochkonzentriert auf die Unterlagen vor sich, als ich an ihr vorbeigehe.

Ich fahre mit dem Lift in die fünfte Etage. Gehe auf die Herrentoilette. Und übergebe mich.

***

In knapp einem Jahr wird Oliver wissen, dass dies einer der besten Tage seines Lebens war.

Kapitel 2 Katerstimmung

Endlich einmal ausschlafen! Endlich auch mal in der Woche die große Runde durch den Englischen Garten joggen und nicht nur sonntags, wenn der Park schon morgens voll ist von Touristen und Vätern in praktischen Windjacken, die gelangweilt die neuesten Kinderwagenmodelle vor sich herschieben. Endlich die ganze Süddeutsche lesen und sie nicht schon nach einem flüchtigen Durchblättern in die Ecke werfen, weil für den Rest keine Zeit mehr ist.

Endlich einmal Zeit haben!

Was hätte ich bis gestern dafür gegeben.

Ab heute habe ich genug davon. Ich könnte locker ein wenig länger im Bett liegen bleiben. Niemand erwartet mich da draußen. Ich habe keine Termine, muss mich nicht mehr mit Quartalszahlen herumärgern oder dem Chef der Gourmetversuchsküche von erklären, wie die neue Vanillepuddingmischung schmecken muss – nach »heimlich den Topf mit dem Finger ausschlecken wollen« natürlich, nach »Decke über den Kopf ziehen und sich geborgen fühlen«. Nein, niemand will so etwas heute von mir wissen.

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