Fünf sind sechs zu viel - Anja Hitz - E-Book

Fünf sind sechs zu viel E-Book

Anja Hitz

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Beschreibung

Rose kommt gut damit klar, dass ihre Eltern geschieden sind. Aber dann verliebt sich ihre Mutter in den vollbärtigen, mega-chaotischen Frank, der sage und schreibe fünf Kinder hat. Alles Jungs! Rose ist entsetzt. Zum Glück entpuppt sich »Renée« dann doch noch als Mädchen – und als die beste Schwester der Welt. In ihrem Geheimquartier auf dem Dachboden schmieden die beiden jede Menge Pläne. Roses Papa braucht z.B. dringend eine neue Frau – und Renée hat da schon so eine Idee. Und dann ist da noch die Sache mit der Ballonfahrt.

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ANJA HITZ: FÜNF SIND SECHS ZU VIEL

Rose kommt gut damit klar, dass ihre Eltern geschieden sind. Aber dann verliebt sich ihre Mutter in den vollbärtigen, mega-chaotischen Frank, der sage und schreibe fünf Kinder hat. Alles Jungs! Rose ist entsetzt. Zum Glück entpuppt sich »Renée« dann doch noch als Mädchen – und als die beste Schwester der Welt. In ihrem Geheimquartier auf dem Dachboden schmieden die beiden jede Menge Pläne. Roses Papa braucht z.B. dringend eine neue Frau – und Renée hat da schon so eine Idee. Und dann ist da noch die Sache mit der Ballonfahrt.

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VORGESCHICHTE

Erst gab es nur Mama und mich.

Und Papa und mich.

Nein, zuallererst gab es Mama, Papa und mich, eine richtige, echte Familie – aber daran kann ich mich nur erinnern, weil ich es von Fotos kenne.

Mama, Papa und ich in einem Garten – ich habe eine alberne Bommelmütze auf und sitze auf Papas Schulter. Wir lachen alle drei in die Kamera.

Papa und die halbe Mama in einem Auto irgendwo im Safari-Park. Zwischen ihnen sieht man hinter der Windschutzscheibe den Kopf einer Giraffe. Mama sagt, ich hätte das Foto geknipst. Ich kann mich nicht daran erinnern ... aber wer sollte es sonst gemacht haben?

Ein Scheidungskind zu sein war wirklich in Ordnung, ehrlich, bis meine Mutter eines Tages in mein Zimmer kam und sagte: »Süße, ich muss dir etwas sagen.« Und dann erzählte sie mir alles von ihrem neuen Freund, Frank Fünfer, und einer Menge Plänen, die sie zusammen gemacht hatten. Das mit dem Fünfer habe ich mir ausgedacht – ich erzähle auch gleich, wieso.

»Er hat Kinder«, sagte Mama und klatschte dabei in die Hände, »genau wie du es dir immer gewünscht hast!«

»Was habe ich mir immer gewünscht?«, fragte ich.

»Geschwister! Du beklagst dich doch immer darüber, dass du ein Einzelkind bist.«

»Halt, stopp!«, sagte ich. »Ich meinte damit, dass ihr mehr Kinder bekommen solltet, also du und Papa, als ihr noch zusammen wart.«

Man muss aufpassen, was man sich wünscht, hat ein kluger Mensch mal irgendwann gesagt – es könnte nämlich in Erfüllung gehen. Deshalb ist es wichtig, beim Wünschen genau zu sein – sehr genau. Frank hatte nämlich nicht nur ein oder zwei Kinder, er hatte fünf! Und in den Augen meiner Mutter waren diese fünf offenbar die passenden Geschwister für mich. Aber das hatte sie ja wohl nicht allein zu entscheiden!

EIN HAUFEN IRRER

Das erste Treffen mit den Fünf sollte bei Frank zu Hause stattfinden. Mama stand über eine Stunde vorm Spiegel und zog sich ungefähr dreißig Mal um. Ich sagte ihr, dass es mir egal wäre, wie ich aussah. So wichtig war das jetzt echt nicht.

Wenig später standen wir vor einem Garten, der buchstäblich über den Zaun wucherte. Das Tor stand sperrangelweit offen, die Büsche waren zwischen die Scharniere gewachsen, man konnte es gar nicht zumachen. Hier hatte lange keiner eine Heckenschere benutzt, geschweige denn einen Rasenmäher. Der Briefkasten hing schief, von den Fensterrahmen blätterte der Lack und die Topfpflanzen vor der Haustür waren welk.

»Sind sie gerade erst eingezogen?«, fragte ich.

»Nein ... Frank wohnt schon ewig hier ... bestimmt über zwanzig Jahre«, antwortete meine Mutter.

»So ein Durcheinander ist sonst ja nicht so dein Ding, oder?«, sagte ich, gerade in dem Moment, als Mama über einen Roller stolperte, den jemand auf dem Weg hatte liegen lassen.

»Was meinst du?«, fragte sie, nachdem sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte.

Und da wurde mir klar, dass sie vollkommen neben sich stand. Bis über beide Ohren verliebt, total von der Rolle und diesem Frank Fünfer hilflos ausgeliefert. Ich kannte sie in diesem Augenblick besser als sie sich selbst. Ich kannte ihren Putzwahn, ihr Staubsaugen, ihr Wischen und Waschen, ihr Kissenaufschütteln und Glattstreichen. Wo meine Mutter war, da herrschte Ordnung. Und hier bei Frank Fünfer herrschte das Gegenteil von Ordnung – Chaos! Und dabei hatten wir seine Kinder noch gar nicht zu Gesicht bekommen. Fünf Kinder auf einmal ist ja für sich schon ein ziemlich chaotisches Erlebnis, das weiß jeder. Nein, ich sah keine große Zukunft für Mamas neue Beziehung.

Wenn du jemals in der Situation warst, viele neue Menschen auf einen Schlag kennenzulernen, dann weißt du, dass es ein bisschen schwierig sein kann, sich zu merken, aus welchem Mund welcher Name gekommen ist.

Frank Fünfer war leicht von den anderen zu unterscheiden. Er war der Einzige, dessen Mund von einem Bart eingerahmt wurde, und Mamas Augen leuchteten jedes Mal, wenn sie ihn ansah.

»Und das hier sind meine fünf Goldstücke«, sagte Frank und breitete die Arme aus.

»Papa arbeitet daran, das ganze Viertel zu vergolden«, sagte ein Junge mit Pickeln.

»Warum nicht gleich das ganze Land«, sagte einer mit Segelohren.

»Also wirklich ...!«, sagte Frank Fünfer und stürzte sich auf die beiden Jungs, die einen Satz zur Seite machten, woraufhin eine wilde Jagd durchs Haus begann. Ein paar Minuten später war die einzige Topfpflanze des Hauses vom Sofatisch gefallen und auf dem Boden lag ein zappelndes Knäuel aus unglaublich vielen Armen und Beinen.

Nur der eine, der ungefähr so groß war wie ich – ein Junge, der seine Strickmütze tief in die Stirn gezogen hatte – stand noch da und starrte mich an.

»Rose«, sagte ich und streckte ihm die Hand hin.

»Renée«, sagte er und ließ die Hände in den Hosentaschen stecken.

Ungezogenes Kind, dachte ich – genauso bescheuert wie die Jungs in meiner Klasse.

Aber da stürmte der mit den Segelohren an Renée vorbei und riss ihm die Mütze vom Kopf. Lange blonde Locken fielen in weichen Wellen auf seine Schultern.

»Du bist ein Mädchen?«, platzte ich heraus.

Renée warf mir einen Blick zu, als hätte man ihn – sie – gerade beim Klauen erwischt. Dann stürzte sie sich auf den mit den Segelohren.

Wir standen daneben und konnten nur zuschauen. Mama mit einem dämlichen Lächeln auf den Lippen. Sie zwinkerte mir zu und ich antwortete mit einer Grimasse.

»Kann ein Mädchen Renée heißen?«, fragte ich sie.

»Viele Mädchen heißen so, Süße«, antwortete sie. »Genau wie Kim, Eike oder Janne.«

»Ja, und Bruno und Bernhard«, antwortete ich.

»Also das habe ich noch nie gehört«, sagte sie und blickte verzückt auf den Haufen tobender Irrer.

Woran auch immer diese Familie litt, meine Mutter hatte sich schon angesteckt.

Ehrlich, es war mir egal – aber als wir an diesem Abend nach Hause kamen, in unsere eigene friedliche Wohnung, war Mama total besessen davon, mir beizubringen, wie Franks Kinder hießen.

Sie zeichnete die fünf dem Alter nach auf und schrieb den jeweiligen Namen darunter.

Sixten war fünfzehn, er war der Größte und hatte Pickel. Dann kam Max, dreizehn und mit Segelohren. Renée war elf. Sie war das einzige Mädchen – auch wenn man es ihr nicht ansah. Elias war auch elf, aber weder Mama noch mir fiel etwas ein, was ihn kennzeichnete. Morris war fünf Jahre alt und rothaarig, ein typischer Nachzögling.

»Wie kann es sein, dass Renée und dieser Elias gleich alt sind?«, fragte ich.

Mama lachte. »Sie sind Zwillinge, was denn sonst, Süße?«

»Woher soll ich das wissen – die beiden sehen sich ja kein bisschen ähnlich.« Es war so nervig, dass Mama viel mehr über diese Familie wusste als ich.

Sie summte vor sich hin, während sie weiter Details auf das Blatt kritzelte.

»Versprich mir, dass wir niemals zusammenziehen«, sagte ich.

»Es ist noch viel zu früh, um über so etwas zu reden«, antwortete sie.

»Versprich es einfach!«

»Ja, aber das kann ich dir nicht versprechen.«

Ich fühlte mich, als würde der Boden unter mir plötzlich nachgeben, als würde ich in rasender Geschwindigkeit in einen dunklen Tunnel gesaugt. Ich stand auf, stürmte in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu. So fest wie ich konnte.

EIN AUSFLUG UND ANDERE PEINLICHKEITEN

Mit welchem Recht werden wir Kinder eigentlich in solche Geschichten reingezogen? Können die Erwachsenen sich nicht einfach treffen, wenn wir beim jeweils anderen Elternteil sind? Wobei – die Fünf hatten leider keine Mutter mehr. Krebs. Aber es gab ja schließlich auch noch Tanten und Großeltern oder Freunde, zu denen sie gehen konnten. Also warum mussten wir Großfamilie spielen – noch dazu in aller Öffentlichkeit, wo jeder uns sehen konnte?

»Wir machen alle zusammen einen Ausflug!«, verkündete meine Mutter an diesem Samstagmorgen. Als würde ich bei dem Wort »Ausflug« vor Begeisterung in die Luft springen. Für wie alt hielt sie mich eigentlich? Ich machte aber keine Luftsprünge, im Gegenteil, ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Vorsorglich. Weil es SO PEINLICH werden würde!

»Aber du gehst doch gern mit mir ins Schwimmbad«, fuhr sie fort.

Da bekam ich einen Heulanfall, der damit endete, dass wir beide weinten – und danach unsere Badesachen packten.

Frank und die Fünf kamen zu spät. Wir warteten draußen. Zehn Minuten. Eine Viertelstunde. Meine Mutter hasst es, wenn sich jemand verspätet. Ich sah, wie sie verstohlen auf die Uhr schaute, aber sie wollte nicht zugeben, dass sie genervt war. »Es ist ja auch nicht leicht, wenn so viele gleichzeitig fertig werden müssen.«

»Können wir nicht einfach schon reingehen und uns umziehen?«, fragte ich.

»Wir müssen auf Renée warten, sie geht doch mit uns in die Umkleide.«

Ach so, ja. Richtig. Ich hatte immer noch nicht verinnerlicht, dass Renée ein Mädchen war.

Dann kamen sie. Frank parkte und die Fünf quollen aus seinem Minibus.

»Ist das nicht so ein Hippie-Auto?«, sagte ich.

»Ja, das ist ein Bulli«, antwortete meine Mutter. Und dann flüsterte sie alle fünf Vornamen leise vor sich hin, in der Reihenfolge, in der sie ausstiegen. »Morris, Elias, nein, Quatsch, Max, Renée, Elias, Sixten ... und Frank.«

Alle hatten ihre Badetaschen selbst in der Hand. Mama hielt meine. Ich nahm sie ihr ab und grüßte mit einem Nicken, das allen gleichzeitig galt.

In der Umkleide plauderte Mama mit Renée und mir. Sie wollte es uns beiden leichter machen, das konnte ich merken. Ich war schon gespannt, was Renée wohl für einen Badeanzug hatte, und es kam, wie ich befürchtet hatte: Sie zog eine Badehose an. Keine Bikinihose mit Oberteil, nein, eine Badehose. Garantiert ein Erbstück von einem ihrer Brüder. Vielleicht von dem mit den Pickeln. Brr. Aber eine Sache war eindeutig: Renée war ein Mädchen. Ein Mädchen, das untenrum aussah wie Mädchen eben aussehen, wobei obenrum noch nichts auf Brüste hindeutete. Meine fingen langsam an zu wachsen, wie zwei kleine, harte Knubbel. Anderen fiel das vielleicht noch nicht so auf, aber Mama und ich konnten es schon sehen. Ich würde jedenfalls nicht mehr nur in Badehose baden. Renée dagegen toppte ihren oberpeinlichen Look noch, indem sie ihre schönen blonden Haare unter einer blauen Badekappe verschwinden ließ. Musste sie wirklich unbedingt wie ein Junge rumlaufen, egal wo sie war?

Hoffentlich ist keiner da, den ich kenne. Hoffentlich ist keiner da, den ich kenne. Das war mein größter Wunsch und ich wiederholte ihn in Dauerschleife in meinem Kopf, als wir in die Schwimmhalle gingen.

Das Erste, was uns am Becken erwartete, war lautes Gejohle, worauf einer der Fünf eine Arschbombe vom Fünf-Meter-Brett machte. Es platschte gewaltig und die Fontäne war fast schon ein kleiner Tsunami. Ein Tsunami, der über einem Mädchen zusammenschlug, das auf dem Einer-Brett stand. Sie stieß einen wütenden Schrei aus. Ich kannte diesen Schrei. Das war Caroline! Ausgerechnet ...

Caroline geht in meine Klasse, und mit niemandem habe ich so viel Stress wie mit ihr. Theoretisch haben wir einiges gemeinsam. Wir sind beide Einzelkinder, beide Mädchen, beide gut in der Schule. Aber das war es dann auch schon. Caroline wohnt bei ihren Eltern, die nicht geschieden sind, sie wohnen in einem riesengroßen Haus, haben zwei nigelnagelneue teure Autos und außerdem zwei Rassekatzen, die mindestens einmal im Monat auf irgendeiner Katzenausstellung einen Preis gewinnen.

Caroline besteht darauf, dass alle sie Caro nennen. »Auf Spanisch bedeutet caro teuer«, erklärte sie einmal in der großen Pause. Ich sage immer Caroline zu ihr.

Irgendwann wollte meine Mutter von mir wissen, was ich eigentlich gegen Caroline hätte.

»Sie sagt, dass Scheidungskinder uncool sind. Und ihre Mutter meint, wer seine Ehe nicht auf die Reihe bekommt, ist asozial«, erklärte ich.

Da bebten Mamas Nasenflügel so, wie sie es immer tun, wenn sie richtig sauer wird. »Ach ja? Und woher weiß sie das so genau? Weiß die Frau überhaupt, was asozial bedeutet?«

Danach hatte Mama nie wieder versucht, mich dazu zu überreden, Caroline mal einzuladen.

Aber nun waren sie also hier, im Schwimmbad, ausgerechnet heute, alle beide, Caroline und ihre Mutter. Ich wurde langsamer.

»Kommst du mit rüber zum Sprungturm?«, fragte Renée.

»Nein«, sagte ich schnell.

Mama schaute mich scharf an. »Natürlich gehst du mit. Das macht doch Spaß. Sonst springst du doch auch immer gern.«

»Es ist nur, weil ... äh, ich habe vorhin vergessen, aufs Klo zu gehen«, sagte ich und drehte mich um. Ich verließ die Halle so schnell ich konnte und schloss mich auf der Toilette ein.

Das darf doch nicht wahr sein, das gibt es nicht, wiederholte ich wieder und wieder leise für mich selbst vor dem Spiegel. Ich konnte unmöglich einfach verschwinden, Mama würde irgendwann kommen und mich suchen. Was sollte ich jetzt nur machen?

Da entdeckte ich in der Umkleide eine Kiste mit Fundsachen und schnappte mir eine geblümte Badekappe und eine Taucherbrille. Ich dachte wohl, ich könnte mich damit so verkleiden, dass mich niemand mehr erkennen würde – vor allem nicht Caroline. Also stopfte ich mir schnell die Haare unter die Kappe und setzte mir die ziemlich enge Brille auf, die mein Gesicht in ganz neue Formen quetschte.

Zunächst funktionierte das super. Solange ich noch etwas sehen konnte. Es war allerdings kein schöner Anblick, der sich mir bot: Mama, die sich mit Carolines Mutter und Caroline unterhielt.

Ich glitt ins Becken, ohne dass mich jemand erkannte oder meinen Namen gerufen hätte. Hier im Wasser konnte ich mir einen Überblick verschaffen. So gut man einen Haufen Ameisen im Ameisenhaufen eben im Blick behalten kann.

Sixten und Max, oder vielleicht waren es auch Max und Elias, waren damit beschäftigt, den Riesenkraken im Spaßbecken zu bezwingen.

Morris stand am Beckenrand und pieselte in einen Blumenkübel mit Plastikpalmen.