Fürsten-Roman 2571 - Marion Alexi - E-Book

Fürsten-Roman 2571 E-Book

Marion Alexi

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Beschreibung

Seine Walzerprinzessin
Eine Ballnacht wird Lilly zum Schicksal
Von Marion Alexi

Auf Schloss Graneck hängt der Haussegen schief. Mal wieder geht es an diesem Morgen nur um den bevorstehenden Frühlingsball auf Schloss Rosingk, das gesellschaftliche Ereignis der Saison - vielmehr ein royaler Heiratsmarkt, wie es die neunzehnjährige Prinzessin Lilly von Graneck so treffend auf den Punkt bringt. Es ist ein Sehen und Gesehenwerden, alles dreht sich nur um die eine Frage, wer wohl den "Hauptgewinn" in diesem Jahr ergattert: Maximilian von Rosingk, der begehrteste Junggeselle weit und breit.
Ortrud von Graneck sieht Lilly schon in ihren Träumen zu den Walzerklängen dahinschweben, doch die Pferdenärrin fühlt sich in Reitstiefeln wesentlich wohler als in High Heels und weigert sich vehement, zu diesem "peinlichen" Ball zu gehen und darüber hinaus auch noch ihre Freiheit aufzugeben. So gibt ein Wort das andere, es kommt zu einem riesigen Streit, und Lilly verlässt wutentbrannt das Schloss. Und sie soll so schnell nicht mehr zurückkehren ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Seine Walzerprinzessin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: forma82 / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-7879-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Seine Walzerprinzessin

Eine Ballnacht wird Lilly zum Schicksal

Von Marion Alexi

Auf Schloss Graneck hängt der Haussegen schief. Mal wieder geht es an diesem Morgen nur um den bevorstehenden Frühlingsball auf Schloss Rosingk, das gesellschaftliche Ereignis der Saison – vielmehr ein royaler Heiratsmarkt, wie es die neunzehnjährige Prinzessin Lilly von Graneck so treffend auf den Punkt bringt. Es ist ein Sehen und Gesehenwerden, alles dreht sich nur um die eine Frage, wer wohl den „Hauptgewinn“ in diesem Jahr ergattert: Maximilian von Rosingk, der begehrteste Junggeselle weit und breit.

Ortrud von Graneck sieht Lilly schon in ihren Träumen zu den Walzerklängen dahinschweben, doch die Pferdenärrin fühlt sich in Reitstiefeln wesentlich wohler als in High Heels und weigert sich vehement, zu diesem „peinlichen“ Ball zu gehen und darüber hinaus auch noch ihre Freiheit aufzugeben. So gibt ein Wort das andere, es kommt zu einem riesigen Streit, und Lilly verlässt wutentbrannt das Schloss. Und sie soll so schnell nicht mehr zurückkehren …

So plötzlich, wie der Regenschauer gekommen war, hörte er auch auf. Elisabeth von Graneck, von allen liebevoll Lilly genannt, groß, schlank und langbeinig, wartete die letzten fallenden Tropfen nicht mehr ab, sondern fasste die Zügel kürzer und gab ihrem Braunen zu verstehen, dass sie weiterreiten wolle. Dazu genügte ein kurzer Schenkeldruck. Sogleich setzte sich der aufmerksame Chardonnay in Bewegung und verließ das schützende, maigrüne Blätterdach.

Rasch ging es weiter, denn beide waren ungeduldige Naturen, die Prinzessin und der Vollblüter, beste Freunde, seit sie ihrem Vater bei Chardonnays Geburt drüben im Pferdestall auf Alt-Graneck bemerkenswert furchtlos assistierte.

Lilly hatte den Namen des Hengstfohlens bestimmen dürfen. Und Prinz Hagen hatte nur flüchtig die Brauen gehoben, als sie spontan „Chardonnay!“ ausrief. Übrigens so entschieden, dass das Neugeborene auf den dünnen, wackligen Beinchen, sich an die Stute drängend, den Kopf nach ihr umdrehte.

In der Neunzehnjährigen stieg eine brausende Freude auf, als sie über den Reitweg ritt, der vor langer Zeit in den familieneigenen Forst geschlagen worden war. Himmlisch war es, ganz nach ihrem Geschmack, sich in aller Herrgottsfrühe aus dem Haus zu stehlen, wenn alle anderen noch schliefen, um Chardonnay aus seiner Box zu holen und mit ihm in das zarte Licht des erwachenden Sonntags zu traben.

In schrägen, flimmernden Bahnen fielen die Morgensonnenstrahlen durch die Wipfel. Nach dem kurzen Schauer roch es erfrischend würzig, goldgeränderte Wolken zogen über den Himmel und das Licht nahm stetig zu. Eine leichte Brise kühlte Lillys Wangen und spielte mit der blonden Locke, die es geschafft hatte, der Reitkappe zu entkommen.

Ein kleines Fest, allein in der erwachenden Natur zu sein, fern des allmorgendlichen Durcheinanders im Gutshaus und in den Nebengebäuden. Auch tat es gut, mal nicht die mütterlichen Kommandos zu hören, allesamt gut gemeint, aber warum musste das ganze Leben reglementiert sein?

Mamas Welt der kleinen Wichtigkeiten war so langweilig.

Hier draußen gehörte alles ihr, der Himmel und die Erde, noch war alles neu und ungeprägt, alle Chancen auf ihrer Seite. Und Lilly mochte Chardonnays tänzerische Gangart, das Spiel seiner Ohren, als höre er auf ihren Herzschlag. Keine jubilierende Vogelstimme schien ihm zu entgehen.

Sie streckte die behandschuhte Hand aus, um den Pferdehals zu beklopfen. Ihr guter Freund war er, ihr Vertrauter.

Die Prinzessin öffnete den obersten Knopf ihres schwarzen Reitrocks, denn ihr war warm geworden, als sie den Braunen die leichte Anhöhe hochtrieb. Weit über ihr wölbte sich der inzwischen azurblaue Himmel. Und vor ihr lag ausgebreitet das Tal, ihr Tal. Gab es einen schöneren Anblick?

Sie zog sich die Reitkappe ab und das schützende Netz gleich mit, sodass sie das schulterlange Haar ausschütteln konnte. Ein Zug von Kranichen flog eilig über sie hinweg in Richtung Wald, dabei trompetenartige Töne ausstoßend.

Glücksvögel nannte ihr Vater die Kraniche. Als Lilly dem Vogelzug nachblickte, fragte sich, ob sie ihr Glück bringen würden. Und wie es wohl beschaffen war, dieses Glück, das sie eigentlich nicht brauchte. War sie nicht wunschlos glücklich?

Sie betrachtete die wie auf einer Reliefkarte ausgebreiteten, noch tauigen Wiesen, Koppeln, Äcker und Landstraßen. Und mittendrin Alt-Graneck, wie ein stetig schlagendes, kraftvolles Herz. Seit Jahrhunderten war das stattliche, traditionsreiche Gut im Besitz ihrer Familie. Und würde es immer sein, davon war die Prinzessin überzeugt.

Köstlich atmete sich die von den Feldern gesandte starkduftende Frische. Der Sonnenglanz fing sich in jedem Tropfen und allen feuchten Spinnweben.

Lilly lachte auf, ihr unbeschwertes, helles Lachen. Dann drückte sie ihrem Braunen die Absätze ihrer Reitstiefel in die Seiten und jagte ungestüm mit blitzenden, blauen Augen und flatternden Haaren die Anhöhe hinunter und auf Alt-Graneck zu, als gelte es, eine Trophäe zu ergattern.

„Siehst du, mein Liebes, sie kommt doch noch rechtzeitig zum Frühstück. Deine Sorgen waren ganz unbegründet.“

Es gelang Hagen von Graneck, mit seinen beschwichtigenden Worten, vor allem aber mit der sonoren, warmen Stimme die Miene seiner Gattin um circa ein halbes Milliwatt aufzuhellen.

Allerdings nicht für längere Zeit, denn schon entgegnete Prinzessin Ortrud verdrossen: „Unbegründet vielleicht. Doch keinesfalls unberechtigt. Eine Mutter, lieber Hagen, muss stets und überall auf den Umgang und die Umgebung der Tochter achten.“ Sie beugte sich vor und schloss eindringlich: „Dies gehört zu ihren heiligen Pflichten.“

Hagen nickte in seiner bedächtigen Art und ging nicht auf ihr Postulat ein. Langjährige Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass die Pause nichts bedeutete, ja, dass es sich ungünstig auswirken konnte, seine geliebte, kultivierte, aber recht empfindliche Ortrud mit einer schnellen Antwort zu reizen.

Und schon setzte sie hinzu, womöglich noch pathetischer: „Keine Menschenseele macht sich eine Vorstellung davon, welche Kraft es kostet und wie viele Nerven, die für die ethische und moralische Erziehung einer Tochter nötige Etikette aufrechtzuerhalten. Wenn Lilly nur nicht so störrisch wäre!“

„Eine bessere Mutter als dich gibt es nicht auf Erden.“

Ihre zarten Lider flatterten. Manchmal war sie sich nicht sicher, wie seine Worte gemeint waren. Schon immer war ihr seine Art, die andere humorvoll nannten, suspekt gewesen.

„Aber dich liebt sie!“, stieß Ortrud hervor und gab mit leidender Miene zu erkennen, wie unfair sie das Leben fand.

„Unsere Lilly liebt auch dich. Sogar von Herzen.“

Tränenerstickt begehrte sie auf: „Und warum merke ich davon nichts?! Immer tut sie das, was sie will! Wie du!“

„Unsere Tochter ist noch jung“, verteidigte er Lilly.

„Sie ist kein Kind mehr. In ihrem Alter muss man wissen, worum es geht. Und du, Hagen, solltest mich mehr unterstützen, anstatt ständig ihren Anwalt zu spielen.“

Die Tür zum Frühstückszimmer wurde nicht nur geöffnet, sondern aufgestoßen. Und in den hellen, in sanften Puderfarben eingerichteten Raum trat die Prinzessin, die sich in Windeseile umgezogen hatte. Jetzt trug Lilly eine weiße Bluse und eine marineblaue lange Hose, dazu blaue Ballerinas.

Ein bezaubernder Anblick, der durch ihre vom Ausritt geröteten Wangen und die klaren Augen noch verstärkt wurde.

Hagens Vaterstolz blähte sich, als er Lilly betrachtete.

„Geht es vielleicht auch weniger geräuschvoll?“, erkundigte sich Ortrud von Graneck spitz. „Man könnte meinen, man befinde sich auf der Jagd. So viel Krach pflegen Hirsche zu verursachen, wenn sie durchs Unterholz brechen.“

Der Hausherr verschwand schnell hinter seiner Zeitung, um seine zuckenden Mundwinkel zu verbergen. Seine ästhetisch anspruchsvolle, kluge Ortrud mochte ja eine ganze Menge sein, aber eine Freundin der Jagd war sie definitiv nicht.

Mit Lilly war ein Schwall frischer Luft in den Raum gekommen, dessen Fenster einen prachtvollen Blick in den Garten gewährten, getupft mit bunten Tulpen und Narzissen.

„Guten Morgen, Mama“, begrüßte Lilly ihre Mutter.

Sie beugte sich über sie und küsste sie auf die kühle Wange, die sich ihr mechanisch darbot.

Ortrud, vorbildlich gepflegt und elegant, die vollen dunkelroten Haare, ihr heimlicher Stolz, stets perfekt frisiert, hielt nicht viel von zärtlichen Gesten. Wesentlich wichtiger war ihr jene Contenance, die ihren Lebensstil bestimmte, nämlich die Haltung in allen möglichen Situationen.

Der Prinz wurde von seiner Tochter so stürmisch umarmt, dass die Zeitung raschelnd zerknüllte. Sie lächelten sich zu, zwei Verbündete, Freunde sogar, die einander wesensmäßig ähnlich waren und sich blendend verstanden.

„War er schön, dein Ausritt?“, erkundigte sich der groß gewachsene, kräftige Anfangfünfziger mit dem regelmäßigen Gesichtzügen und den frischen Farben, die vom häufigen Aufenthalt unter freiem Himmel kündeten.

„Wunderschön, Papa“, schwärmte Lilly. „Chardonnay ist prächtig in Form, mühelos ist er über das Tor gesprungen.“

„Wie bitte?!“ Ortrud setzte sich noch aufrechter hin.

„Ach, Mama, bitte nicht böse sein, es war total ungefährlich. Null Risiko. Wir haben schon höhere Hindernisse genommen, Chardo und ich.“ Sie lachte unbekümmert und griff nach der Kaffeekanne, die auf einem silbernen Stövchen stand.

Das gemeinsame Sonntagsfrühstück im lichtdurchfluteten Raum mit den Blumenaquarellen an den Wänden – eine Erinnerung an Hagens künstlerisch talentierte Mutter –, wurde von Ortrud wie alle anderen Mahlzeiten zeremoniös inszeniert.

„Chardonnay ist kein Springpferd“, belehrte Ortrud den Gatten, immerhin ein Pferdezüchter mit glänzendem Ruf. „Mir ist ein Rätsel, wie du derart ruhig bleiben kannst. Wir haben tragischerweise nur dieses eine Kind!“ Sie griff nach der kleinen, runden Porzellandose mit der plastischen Rose auf dem Deckel, die ihre Herzmedikamente enthielt.

„Bitte nicht aufregen, Mamachen“, bat Lilly. „Ist doch nicht schlimm, wenn ich vor dem Frühstück ausreite. Du ahnst nicht, wie himmlisch es ist, ganz allein im Wald zu sein. Ich habe einen Fuchs gesehen. Und Kraniche!“

„Die Vögel des Glücks“, murmelte Hagen. „Liebes, entspann dich, bitte. Es bekommt dir nicht, wenn du dich aufregst.“

„Elisabeth ist ohne Reithelm geritten!“, keuchte Ortrud und presste die rechte Hand alles andere als diskret auf ihre linke Brusthälfte. „Da soll man sich nicht aufregen?!“

Die junge Prinzessin wechselte einen flüchtigen Blick mit ihrem Vater. Wenn ihre Mama sie mit ihrem Taufnamen ansprach, bedeutete das Alarmstufe eins. Lilly versuchte, die Hand ihrer Mutter zu ergreifen, um sie zu streicheln.

Ortrud entzog ihr die Hand. „Obwohl du genau weißt, wie sehr diese Kapriolen mir schaden, wiederholst du sie.“

Lillys Miene schwankte zwischen Entrüstung und Furcht.

Hagen wirkte aufgeschreckt. „Ich bin sicher, dass es unserer Tochter leidtut. Stimmt doch, Lilly, oder?“

„Ich habe nun mal ein schwaches Herz“, rechtfertigte Ortrud ihre Erregung. „Leider! Ich bin auf Rücksicht angewiesen und Schonung. Ein Mindestmaß würde schon genügen.“

Hagen von Graneck überlegte, den Hausarzt anzurufen.

„Dass ich euch zur Last falle, die ihr beide vor Vitalität nur so strotzt, habe ich längst begriffen.“ In Ortruds blassblauen Augen glänzten Tränen. „Bedauerlicherweise kann ich meinen Zustand nicht ändern. Obwohl ich mir nichts mehr wünschte als ein gesundes, starkes Herz.“ Sie drehte den Kopf zur Seite und presste die Lippen aufeinander.

Großer Gott, dachte Lilly. Ihr Vater forderte sie mit einem strengen Blick auf, sich um die Mutter zu bemühen.

„Möchtest du einen Schluck Tee trinken, Mama?“, fragte Lilly betont zahm. „Oder vielleicht etwas kaltes Wasser?“

„Ich habe das Frühstück beendet“, brachte Ortrud hervor, gekränkt und griesgrämig. „Wärst du pünktlich erschienen, worum ich dich unzählige Male ersuchte, hätten wir gemeinsam frühstücken können. Aber mein Wunsch zählt offenbar nicht.“

Während sie sprach, wirkte sie noch schmaler und zerbrechlicher, als sie ohnehin war. Es gab Momente, da fand Hagen ihre Durchsichtigkeit sogar erschreckend. Und er mühte sich noch mehr, ihr alle Ärgernisse fernzuhalten.

Ortrud griff nach einer Weile bedrückten Schweigens nach der silbernen Platte, auf der einige Briefumschläge lagen.

In ihrem Arbeitszimmer waren die Vormittage der brieflichen Korrespondenz gewidmet, die Ortrud dem digitalen Austausch entschieden vorzog. Hatte sich Ungewöhnliches im weiten Familienkreis ereignet, standen Verlobungen an oder war ein Kind geboren worden, hatte es dem Allmächtigen gefallen, einen der ihren zu sich in sein ewiges Reich zu holen, hielten sich die Damen auf dem Laufenden und damit eine Tradition aufrecht, die wohl bis in jene ferne Zeit der in Tontäfelchen geritzten Mitteilungen zurückreichte.

Hagen atmete auf. Wenn sich seine über alles Geliebte, wenn auch ein wenig arg mimosenhafte Ortrud mit ihren Briefen befasste, war Entwarnung angesagt. Lilly blickte aus dem Fenster. Der Sonntag versprach, warm zu werden. Warum nicht zum See reiten, vielleicht sogar ein Bad wagen?

Ortrud holte tief Luft und strengte sich sichtlich an, die belastenden Gedanken auszublenden. Unverhofft erhellte ein heiteres Lächeln ihr Gesicht, und sie blickte Gatten und Tochter an, als seien beide Kinder, die sie gescholten und denen sie nun verziehen hatte.

Geradezu verheißungsvoll präsentierte sie den elfenbeinfarbenen, einen zarten Duft verströmenden Briefumschlag.

„Deine Patentante Victorine hat geschrieben“, teilte Ortrud ihrer mäßig aufmerksamen Tochter mit, in einem Tonfall, als verkünde sie eine Weltsensation. „Victorine hält sich derzeit an der Côte d’Azur auf und genießt die herrliche Blumenpracht. Dich lässt sie natürlich herzlich grüßen.“

„Vielen Dank“, murmelte Lilly und griff sich ein Brötchen, das sie aufschnitt und unbekümmert mit Butter bestrich. Noch nie hatte sie, die viel Sport betrieb, auf ihre Figur achten müssen. Erörterten ihre Freundinnen Problemzonen, dachte die Prinzessin spontan an Verkehrsstaus.

Prinz Hagen registrierte erleichtert die gelöste Atmosphäre und wagte es, die sonntägliche Zeitungslektüre erneut aufzunehmen.

„Du gestattest wohl, Liebes?“

Ortrud nickte huldvoll, in Gedanken mit Cousine Victorines Brief befasst.

„Wir werden sie übrigens auf Rosingk wiedersehen. Tatsächlich schreibt sie von nichts anderem als von dem Ball, der nicht nur sie, sondern auch Marie-Anne beschäftigt. Die liebe Marie-Anne scheint Tag und Nacht darüber nachzudenken, was sie anziehen soll.“

Lilly entschied sich für den goldgelben Honig.

„Man kann nie früh genug mit den Vorbereitungen für ein gesellschaftliches Ereignis dieser Größenordnung beginnen.“

Jenseits des Fensters war die windstille Luft voll langsam zur Erde niederflatternder Blüten. Um den Springbrunnen, in dessen Mitte ein verwitterter Fisch einen Wasserstrahl ins Blaue blies, leuchtete ein Kranz bunter Hyazinthen.

Ortrud zog ungeduldig die Brauen zusammen, wie immer, wenn sie meinte, man schenke ihr nicht genug Aufmerksamkeit.