Fürsten-Roman 2510 - Caroline Thanneck - E-Book

Fürsten-Roman 2510 E-Book

Caroline Thanneck

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Beschreibung

Dreizehn Jahre ist es her, dass Emma von Hellberg ihre Eltern bei einem Attentat verlor. Dreizehn Jahre, in denen aus dem achtjährigen Mädchen in der versteckten Obhut seiner Patentante eine ernste junge Frau geworden ist. Dreizehn Jahre, in denen Emma selbst ihre geliebten Großeltern nicht sehen durfte, aus Vorsicht, weil auch ihr Leben in Gefahr sein könnte - denn die Attentäter wurden nie gefasst.

Jetzt ist Emma einundzwanzig und soll das Erbe ihrer Eltern antreten. Zurück auf Schloss Lemberg wird alles für ihre Sicherheit getan. Und doch passieren merkwürdige Dinge - ein herabfallender Blumentopf verfehlt sie nur knapp, im Pferdestall bricht ein Feuer aus ...

Ist die Gefahr für Emma wirklich noch immer nicht vorbei? Ach, wäre sie bloß keine Prinzessin!

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Seitenzahl: 130

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Last eines großen Namens

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Sundraw Photography

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-3758-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Last eines großen Namens

Warum Emma von Hellberg keine Prinzessin sein wollte

Von Caroline Thanneck

Dreizehn Jahre ist es her, dass Emma von Hellberg ihre Eltern bei einem Attentat verlor. Dreizehn Jahre, in denen aus dem achtjährigen Mädchen in der versteckten Obhut seiner Patentante eine ernste junge Frau geworden ist. Dreizehn Jahre, in denen Emma selbst ihre geliebten Großeltern nicht sehen durfte, aus Vorsicht, weil auch ihr Leben in Gefahr sein könnte – denn die Attentäter wurden nie gefasst.

Jetzt ist Emma einundzwanzig und soll das Erbe ihrer Eltern antreten. Zurück auf Schloss Lemberg wird alles für ihre Sicherheit getan. Und doch passieren merkwürdige Dinge – ein herabfallender Blumentopf verfehlt sie nur knapp, im Pferdestall bricht ein Feuer aus …

Ist die Gefahr für Emma wirklich noch immer nicht vorbei? Ach, wäre sie bloß keine Prinzessin!

Ich wäre so gern mitgefahren. Traurig schaute Emma dem Wagen ihrer Eltern nach. Die roten Rücklichter wurden kleiner und kleiner, als die Limousine die Auffahrt hinunterfuhr und das schmiedeeiserne Tor mit den beiden Löwen aus Sandstein passierte. Emma mochte die Tiere, die über Schloss Hellberg zu wachen schienen.

An diesem Abend konnte jedoch nicht einmal der Anblick der beiden steinernen Wächter die Prinzessin aufmuntern. Ihre Eltern fuhren zu einem Konzert. Emma wäre gern dabei gewesen, aber ihre Eltern waren der Meinung, dass sie noch zu klein war, um abends so lange aufzubleiben.

Oh, sie brannte darauf, endlich erwachsen zu sein!

Wenn ich groß bin, gehe ich jeden Abend aus, beschloss sie und warf ihre blonden Zöpfe über die Schultern zurück. Sie ließ die Balkonbrüstung los und wollte in ihr Zimmer gehen, als ein ohrenbetäubender Knall sie zusammenfahren ließ. Eine Explosion! Die Druckwelle riss Emma beinahe von den Füßen.

Entsetzt starrte das Mädchen auf den orangefarbenen Feuerball, der sich genau dort befand, wo eben noch der Wagen ihrer Eltern gefahren war.

»Was …« Ihre Augen weiteten sich entsetzt. »Was war denn das?«

»Nein!« Mit wild pochendem Herzen schreckte Emma aus dem Schlaf. Sie brauchte einige Sekunden, um zu erkennen, dass sie nicht auf dem Balkon stand, sondern in ihrem Bett lag. Die Ereignisse, von denen sie geträumt hatte, lagen lange zurück.

Drei Jahre, in denen sich ihr Leben von Grund auf verändert hatte. Ihre Eltern waren bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Emma war zu ihrer Patentante aufs Land geschickt worden, wo sie ein neues Zuhause gefunden hatte. Niemand hier kannte ihre wahre Identität. Da möglicherweise auch ihr Leben bedroht war, wurde das Gerücht gestreut, sie wäre bei dem Unglück ebenfalls ums Leben gekommen.

Die Presse hatte sich auf dieses dramatische Detail gestürzt: Fürstenpaar mit achtjähriger Tochter ums Leben gekommen. Die Schlagzeile hatte hohe Wellen in der Öffentlichkeit geschlagen, zumal der Täter nie gefunden worden war.

Emma wuchs seitdem auf einem Gutshof in den Bergen auf. Weit weg von ihrer Heimat, schreckte sie noch immer jede Nacht aus Albträumen hoch.

Sie tastete nach dem Schalter der Nachttischleuchte und knipste sie an. Ihr Zimmer war behaglich eingerichtet: mit Bauernmöbeln, sonnenblumengelben Vorhängen und bunten Kissen. Am Fenster stand der Schreibtisch, an dem Emma ihre Hausaufgaben machte. Daneben war eine Staffelei aufgebaut.

Emma hatte das Zeichentalent ihres Vaters geerbt. Das Malen half ihr, wenn ihr Herz wieder einmal voller Kummer war und sich anfühlte, als würde es jeden Moment bersten. Neben dem Bücherregal saß Lori in seinem Käfig. Der Papagei war das Einzige, das sie aus dem Schloss hatte mitnehmen dürfen.

Ihre Zudecke hatte Emma während des Schlafens fortgestrampelt. Sie richtete sich im Bett auf und sah ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe: das blasse Gesicht eines mageren elfjährigen Mädchens mit kurzen Haaren, dessen Nase von Sommersprossen gesprenkelt wurde. Ihre schönen langen Zöpfe hatten nach dem Anschlag fallen müssen.

Emma durfte nicht mehr aussehen wie sie selbst, um nicht aufzufallen. Immerhin war ihr Foto ebenfalls durch die Zeitungen gegangen. Tante Leonore hatte dafür gesorgt, dass sie einen jungenhaften Kurzhaarschnitt bekam. Sie hatte Emma auch neue Kleidung besorgt, die ebenso unauffällig wie langweilig war.

Emma ging beinahe als Junge durch. In ihrer neuen Klasse war sie eine Außenseiterin, die meist für sich blieb und nach dem Unterricht nie etwas mit anderen Kindern unternahm. Dabei hätte Tante Leonore nichts dagegen gehabt, wenn sie zum Spielen gehen würde, aber Emma hielt sich lieber in der Sicherheit ihres neuen Zuhauses auf und versank in Büchern oder malte.

Ihr wild pumpender Herzschlag beruhigte sich nur langsam. Schlafen würde sie jetzt nicht mehr können. Dafür standen die Bilder der Explosion ihr noch zu deutlich vor Augen.

Aus diesem Grund schwang Emma die Beine aus dem Bett und tappte zum Fenster. Sie stieß es weit auf und ließ den Blick über den abendlich dunklen Gutshof schweifen. Die Fenster im angrenzenden Gebäude waren bereits dunkel. Niemand war zu sehen. Offenbar schlief ihre Patentante bereits, ebenso wie die Urlauber, die derzeit ihre Ferien hier verbrachten.

Aus dem Stall drang das Schnaufen und Stampfen der Kühe. Der nahe Wald zeichnete sich schroff vor dem Nachthimmel ab, an dem die Sterne glitzerten wie Diamanten auf mitternachtsblauem Samt. Soeben schob sich eine Wolke am Mond vorbei, und das silbrige Rund erhellte die Dunkelheit.

Von einem inneren Impuls getrieben wirbelte Emma herum und nahm die Taschenlampe vom Regal. Sie knipste sie an und verließ ihr Zimmer. Dem Lichtkegel folgend lief sie die Treppe hinunter und schlich quer über den Hof zum Stall.

Im Inneren der Tierunterkunft brannte eine Laterne, deshalb schaltete Emma ihre Taschenlampe aus und stellte sie auf einem Schemel mit drei Beinen ab, der am Eingang stand. Sie lief an den Boxen mit Kühen vorbei, die im Stroh lagen und dösten oder gemächlich wiederkäuten. Am Ende des Stalls gab es einen extra Unterstand für die Pferde des Hofes. Ein prächtiger Hengst mit glänzendem schwarzem Fell und schneeweißen Fesseln schnaubte zur Begrüßung.

Emma streichelte ihm die Stirn.

»Na, Rebell, kannst du auch nicht schlafen?«

Der Hengst drängte den Kopf an ihre Hand. Dann stupste er sie in die Seite und legte erwartungsvoll den Kopf schief.

»Tut mir leid, ich habe keinen Leckerbissen für dich. Morgen bringe ich dir wieder einen mit. Versprochen.«

Emma mochte den warmen Geruch nach Tieren und Stroh im Stall. Hier fühlte sie sich sicher. Neben Rebell stand seine Stallgefährtin Cassiopeia. Die Pferde gehörten Tante Leonore und wurden von Urlaubern geritten, die auf dem Hof ihre Ferien verbrachten.

Mit der Stute wurde Emma nicht richtig warm, aber Rebell liebte sie aus ganzem Herzen. Sie streichelte ihn weiter, während sie ihm von ihrem Albtraum erzählte. Der Hengst blieb still stehen und schien zu spüren, dass sie Trost brauchte.

»Ich vermisse meine Eltern, weißt du? Und mein Zuhause. Ich darf nicht einmal daheim anrufen. Dabei würde ich so gern mit den Großeltern sprechen, aber Tante Leonore sagt, das wäre zu gefährlich. Schreiben darf ich ihnen auch nicht, weil jemand die Post sehen und zurückverfolgen könnte. Meine Freunde daheim haben mich bestimmt schon vergessen …« Sie stockte, als sie ein Rascheln am Stalltor hörte, und fuhr herum.

In der offenen Tür stand ein Junge. Er war von schlaksiger Gestalt und hatte blonde, leicht gewellte Haare, die widerspenstig von seinem Kopf abstanden. Seine Haut war sommerlich gebräunt und verriet, dass er gern und oft im Freien umherstreifte. Er trug Shorts und ein T-Shirt, auf das der Name einer Musikband gedruckt war. Dominik verbrachte zwei Ferienwochen mit seinen Eltern auf dem Hof.

»Was treibst du so spät noch im Stall?«, wollte er wissen und schabte sich dabei das linke Bein mit dem rechten Fuß.

»Ich habe Rebell besucht. Und du?«

»Ich kann nicht schlafen.«

»Warum denn nicht? Gefällt es dir hier nicht?«

»Das ist es nicht. Meine Eltern haben sich den ganzen Abend gestritten.« Ein trauriger Ausdruck trat in seine Augen. »Mein Vater will unseren Aufenthalt hier abkürzen. Bei ihm in der Dienststelle sind zwei Kollegen krank geworden, deshalb sind sie unterbesetzt, und er muss zurückfahren. Meine Mutter hat ihm Vorwürfe gemacht, weil er so viel arbeitet.«

»Was macht er denn beruflich?«

»Er ist Polizist.«

»Oh, dann ist seine Arbeit wichtig.« Emma dachte an die Polizisten, die nach den Verantwortlichen für den Anschlag auf ihre Eltern suchten. Sobald sie Erfolg hatten, wäre die Gefahr gebannt und sie könnte endlich nach Hause zurückkehren.

Dominik hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.

»Meine Mutter sagt, wir wären ihm egal. Er würde nur für seine Arbeit leben. Ich glaube, sie lassen sich scheiden.«

»Was?« Emma riss die Augen auf. »Das ist schlimm.«

»Hm-m.« Dominik vergrub die Hände in den Hosentaschen und scharrte mit den Schuhspitzen im Stroh. Dabei wirkte er so bedrückt, dass Emma nach einem Trost suchte.

»Bestimmt versöhnen sich deine Eltern wieder. Bei Erwachsenen ist das so. Tante Leonore sagt, ein Streit reinigt die Luft.« Emma knuffte ihn in die Seite. »Kannst du reiten?«

»Na klar.«

»Wollen wir ein Wettrennen machen?«

»Was, jetzt? Mitten in der Nacht?«

»Warum denn nicht?«

»Weil es dunkel ist.«

»Der Mond scheint hell genug.«

»Lieber nicht, Emma. Das ist zu gefährlich.«

»Hast du etwa Angst?« Emma funkelte den größeren Jungen herausfordernd an.

»Ich hab keine Angst«, brummte er, »aber deine Tante reißt mir den Kopf ab, wenn dir etwas passiert.«

»Was soll mir denn passieren? Rebell passt schon auf mich auf.« Emma war bereits dabei, ihren Hengst zu satteln. Die Vorfreude auf den nächtlichen Ausritt kribbelte unter ihrer Haut wie Brausepulver. Sie breitete eine Decke auf dem Rücken des Pferdes aus und strich sorgsam die Falten glatt. Dann wuchtete sie den Sattel von der Halterung.

Dominik stieß ein resignierendes Schnaufen aus.

»Na schön«, brummelte er und öffnete die Box der Schimmelstute. Dann machte er sich daran, sie für den Ritt vorzubereiten.

Wenig später führten sie die Pferde am Zügel aus dem Stall und schwangen sich hinauf. Die Hufe trommelten in der nächtlichen Stille so laut auf dem asphaltierten Hof, dass Emma schon fürchtete, ihre Tante würde es hören und aufwachen. Im Haus rührte sich jedoch nichts.

Emma wagte erst aufzuatmen, als sie den Weg an den Wiesen erreichten. Der Nachtwind war mild und schien ihr Gesicht zu streicheln. Emma warf ihrem Begleiter einen herausfordernden Blick zu.

»Wer zuerst am Wald ist!«

»Was? Aber …« Dominik kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden, denn Emma drückte ihrem Hengst bereits die Fersen in die Flanken und schoss davon wie ein Pfeil von der Sehne. Rebell machte sich lang und galoppierte, als hätte er nur auf diese Gelegenheit gewartet. Emma stieß einen Juchzer aus. Sie fühlte sich so frei und leicht wie ein Vogel und spornte ihr Pferd an, schneller und immer schneller zu werden. Hinter sich hörte sie, wie Dominik einen Warnruf ausstieß.

Zu spät!

Sie bemerkte den tief hängenden Ast, der ihr den Weg versperrte, in der Dunkelheit nicht mehr rechtzeitig genug, um auszuweichen. Hart traf er sie an der Brust und fegte sie von ihrem Pferd. Sie stürzte hart auf den Boden. Zischend entwich die Luft ihren Lungen, und Emma blieb benommen liegen.

Neben ihr kam Dominik zum Stehen und sprang von seinem Pferd.

»Emma? Ist dir etwas passiert? Emma? So sag doch etwas!«

Sie versuchte es, aber nur ein Ächzen kam über ihre Lippen.

»Mensch, was machst du für Sachen?« Dominik kniete sich neben sie.

Sie richtete sich mühsam auf.

»Es geht schon«, keuchte sie. »Ich glaube, an mir ist noch alles dran.«

»Herrje, Emma!« Er stieß hörbar den Atem aus. »Wie kannst du mir so einen Schrecken einjagen? Das war leichtsinnig. Absolut leichtsinnig. Auf dich aufzupassen ist schlimmer als einen Sack Flöhe zu hüten. Ich beneide deine Tante nicht darum.«

»Hör bitte auf zu schimpfen«, schnaufte sie.

»Ich soll aufhören?« Dominik stemmte die Hände auf die Hüften und funkelte sie an. »Ich habe noch gar nicht richtig damit angefangen!«

***

Zehn Jahre später

Nun ist es also so weit!

Mit wild klopfendem Herzen schaute Emma von Hellberg an den Schlossmauern hoch. Ihr Zuhause war umgeben von goldgelben Weizenfeldern und blühenden Mohnwiesen. Ein leichter Wind wirbelte den sandigen Boden auf und zupfte an den Blättern der Rhododendren im Garten, als würde er auf einem Instrument spielen. Dazu war es so warm, dass Emma selbst in ihrem luftigen weißen Sommerkleid schwitzte.

In der näheren Umgebung gab es mehrere Fischteiche. Dazu einen herrlichen Kiefernwald, der bis zum Meer reichte. Seit dreizehn Jahren war Emma nicht mehr hier gewesen. Seit dem Anschlag auf ihre Eltern nicht mehr. Abends hatte sie oft in ihrem Bett gelegen, die Augen fest zusammengekniffen und versucht, sich an jedes Detail ihres Zuhauses zu erinnern, um nur ja nichts davon zu vergessen. Nun, wo sie wieder hier war, fühlte sie sich fremd. Sie war zu lange fort gewesen.

Schloss Hellberg lag auf einer Anhöhe und bot einen wunderbaren Ausblick auf das flache Land. Die zahlreichen Türme und Erker luden zum Entdecken ein. Als Kind hatte Emma es geliebt, die vielen Räume und Winkel des Schlosses zu erkunden, das seit vierhundert Jahren im Familienbesitz war und in dieser Zeit mehrfach umgebaut worden war. Es gab geheime Tapetentüren und Gänge, die unter dem Schloss zum Waldrand führten.

Der Anblick der Stallungen und der Gärtnerei war der Prinzessin vertraut. Der mannshohe Zaun und die undurchdringlichen Hecken rings um das Anwesen waren jedoch neu. Ebenso wie das elektrische Tor. Offenbar hatten ihre Großeltern die Sicherheitsmaßnahmen nach dem Unglück ihrer Eltern drastisch erhöht.

Ihre Patentante stieg aus ihrem Auto und warf Emma einen fragenden Blick zu. Tante Leonore war eine lebensfrohe Frau, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand. Das Schicksal hatte ihr schon in jungen Jahren den Ehemann genommen, aber sie hatte sich nicht unterkriegen lassen und leitete ihren Gutshof seit vielen Jahren allein. Ihre rötlichen Haare waren zu einem flotten Bob geschnitten. Ein roter Schal flatterte an ihrem Hals im Wind. Leonore liebte farbenfrohe Kleidung, das verrieten ihr grünes Kleid und die Sandalen.

»Alles in Ordnung, Liebes?«, vergewisserte sie sich.

»Mir ist ein bisschen flau«, gestand Emma. Ihr einundzwanzigster Geburtstag stand kurz bevor, deshalb hatten ihre Großeltern sie nach Hause gerufen. Nach all der Zeit war sie nun wieder hier und wusste nicht, was sie erwarten würde.

»Das ist nur die Aufregung, Liebes. Du musst dich nicht fürchten. Deine Großeltern freuen sich schon auf dich.«

»Ich habe sie seit dreizehn Jahren nicht gesehen. Wer weiß, ob ich sie noch erkenne.«

»Ihr werdet euch bald wieder nah sein. Daran zweifle ich nicht. Vergiss nicht: Deine Großeltern haben sich nicht von dir ferngehalten, weil sie dich nicht lieben, sondern weil sie sich um deine Sicherheit gesorgt haben. Niemand durfte wissen, dass du den Anschlag überlebt hast. Bist du bereit, dein Zuhause neu kennenzulernen?«

Emma zögerte. »Ich werde das Gut vermissen. Und dich. Vor allem dich, Tante Leonore!«

»Wir können uns besuchen. Ich bin ja nicht aus der Welt.«

»Aber fast.« Emma biss sich auf die Lippen, weil bald mehrere Hundert Kilometer zwischen ihr und ihrer Patentante liegen würden. Während sie noch um Fassung rang, schwang das Schlossportal auf, und ihre Großeltern kamen heraus. Offenbar war ihre Ankunft nicht unbemerkt geblieben.