Fürsten-Roman 2528 - Anja von Stein - E-Book

Fürsten-Roman 2528 E-Book

Anja von Stein

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Beschreibung

"Ja, Herrschaftszeiten!" Lorena Gassner reißt endgültig der Geduldsfaden.
Schon wieder ist ihr die Melkmaschine aus der Hand gerutscht. Aber mit den Gedanken ist die hübsche Bäuerin heute auch einfach ganz woanders. Denn zu merkwürdig sind die beiden neuen Gäste, die sich auf dem kleinen Ferienhof in den Südtiroler Bergen einquartiert haben.
Der ältere Herr sieht sie immer so seltsam an - Güte und Zuneigung spiegeln sich in seinem Blick. Und sein junger Begleiter hat vom ersten Tag an Lorenas Herz mit seinem Charme und seinen guten Manieren erobert. Fast könnte man meinen, die beiden wären Aristokraten. Aber warum sollten gerade die auf einem einfachen Bauernhof Urlaub machen?
Die Antwort erhält Lorena nach dem Abendessen - eine Antwort, die ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellt ...

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Seitenzahl: 134

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Inhalt

Cover

Impressum

Lorena, die Bauernprinzessin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / freya-photographer

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5068-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Lorena, die Bauernprinzessin

Kann sie in der Welt des Adels glücklich werden?

Von Anja von Stein

Ja, Herrschaftszeiten!« Lorena Gassner reißt endgültig der Geduldsfaden.

Schon wieder ist ihr die Melkmaschine aus der Hand gerutscht. Aber mit den Gedanken ist die hübsche Bäuerin heute auch einfach ganz woanders. Denn zu merkwürdig sind die beiden neuen Gäste, die sich auf dem kleinen Ferienhof in den Südtiroler Bergen einquartiert haben.

Der ältere Herr sieht sie immer so seltsam an – Güte und Zuneigung spiegeln sich in seinem Blick. Und sein junger Begleiter hat vom ersten Tag an Lorenas Herz mit seinem Charme und seinen guten Manieren erobert. Fast könnte man meinen, die beiden wären Aristokraten. Aber warum sollten gerade die auf einem einfachen Bauernhof Urlaub machen?

Die Antwort erhält Lorena nach dem Abendessen – eine Antwort, die ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellt …

An diesem Nachmittag des schönen, aber kühlen Märztages verließ Rudolf Fürst von Reuben tief erschüttert die Kathedrale, in der die Trauerfeier für seinen einzigen Sohn stattgefunden hatte. Er hatte sich vorzeitig davongestohlen, konnte es nicht ertragen, die Kondolenzbezeugungen der zahlreichen Gäste über sich ergehen zu lassen. Selbst gekrönte Häupter hatten Jonathan von Reuben die letzte Ehre erwiesen.

Am Schlimmsten traf es den Fürsten, dass er an keinem Grab um seinen Sohn trauern konnte. Der sechsundvierzigjährige Prinz war im letzten August bei einer Segelregatta vor Griechenland in einem heftigen Sturm über Bord seiner Yacht gegangen und seither verschollen.

Doch inzwischen zweifelte niemand mehr daran, dass das Meer dem sympathischen Prinzen zum Verhängnis geworden war. Während die Yacht schwer beschädigt in einem kleinen Hafen an der griechischen Küste gestrandet und die Crew zwar verletzt, aber sonst wohlauf war, blieb Jonathan trotz groß angelegter Suchaktion verschwunden.

Der Fürst machte sich ebenfalls nichts mehr vor, nachdem er anfangs noch verzweifelt gehofft hatte, Jonathan wäre von der Besatzung eines anderen Schiffes aus dem Wasser gefischt worden und aus irgendeinem Grund nicht in der Lage, sich zu melden. Vielleicht lag er schwer verletzt in einer Klinik und niemand wusste, wer er war.

Nach Auskunft seiner Crew hatte er weder Papiere noch sein Handy bei sich, als ihn das Unheil ereilte. Die Männer hatten verzweifelt versucht, ihren Skipper zu retten. Doch die Sicherheitsleine war gerissen, und sie hatten hilflos mit ansehen müssen, wie der Prinz immer weiter vom Schiff weggetrieben wurde, bis ihn das nachtschwarze Meer verschluckte.

Schließlich war Rudolf dem Rat seines Anwalts und engsten Vertrauten Max Graf von Sandern gefolgt und hatte Jonathan offiziell für tot erklären lassen. Er musste Vorkehrungen für seine Nachfolge treffen. Mit seinen vierundsiebzig Jahren war er nicht mehr der Jüngste, und bei dem gebrochenen Herzen wäre es kein Wunder, wenn er Jonathan schon bald folgte. Seine geliebte Gattin Adele hatte er schon vor vielen Jahren zu Grabe tragen müssen und sich nie richtig von diesem Schicksalsschlag erholt, und nun war ihm auch noch der einzige Sohn genommen worden.

Der Fürst schickte sich an, in die bereitstehende Limousine zu steigen, die sein langjähriger Chauffeur steuerte, als sein Neffe Eckhard heraneilte, der älteste Sohn seines verstorbenen Zwillingsbruders Alfons.

»Das kannst du nicht machen, Onkel«, tadelte der vierundvierzigjährige Prinz und rang die Hände. »Es ist ein Eklat, dem Trauermahl fernzubleiben, besonders nachdem dieses nicht im Schloss stattfindet, sondern in einem gewöhnlichen Hotel. Wer soll sich denn um die Gäste kümmern?«

»Du kannst schon mal üben, Eckhard«, gab Rudolf kühl zurück und hielt sich an der geöffneten Wagentür fest, da seine Beine ihn kaum noch trugen. Bitter fügte er hinzu: »Du träumst doch bereits davon, mein Nachfolger zu werden. Dabei ist die Erinnerung an Jonathan noch nicht einmal verblasst.« Er verzog geringschätzig die Lippen. »Entschuldige mich bei den Gästen mit einer plötzlichen Unpässlichkeit. Man wird es verstehen, da ich gesundheitlich angeschlagen bin. Die bewegende Trauerfeier hat mich nun gänzlich niedergeschmettert.«

Bevor Eckhard sich abermals mokieren konnte, kam nun auch Simon, sein sechs Jahre jüngerer Bruder, heran.

»Geht es dir gut, Onkel?«, fragte er besorgt.

Der Fürst lächelte nun weniger grimmig. Simon war sein Lieblingsneffe, nur leider stand er in der Erbfolge hinter seinem Bruder.

»Ich bin erschöpft und unendlich traurig«, erwiderte er mit spröder Stimme, die seinen Kummer verriet. Als die Miene des jungen Prinzen noch besorgter wurde, klopfte er ihm beruhigend auf die Schulter. »Aber du musst dich nicht sorgen, ich brauche nur etwas Ruhe. Ich habe Eckhard gebeten, mich bei den Trauergästen zu entschuldigen.« Er blickte Simon eindringlich an. »Bitte unterstütze deinen Bruder bei seiner ersten offiziellen Amtshandlung als künftiger Fürst von Reuben, er wird Hilfe brauchen.«

Abfällig musterte er den älteren Neffen, dessen schleimiger Charakter ihm absolut zuwider war. Dann stieg er in die Limousine und bat seinen Chauffeur, loszufahren.

»Welcher Eklat!«, lamentierte Eckhard erneut und warf die Hände in die Luft. »Man wird uns diese Diskriminierung in der honorigen Gesellschaft auf ewig verübeln und das Fürstenhaus …«

»Man wird gar nichts«, fiel Simon dem Bruder unwirsch ins Wort. »Hast du denn gar kein Herz? Onkel Rudolf ist am Boden zerstört und hält sich nur mit äußerster Disziplin aufrecht. Doch du denkst nur an das Ansehen der Familie … oder besser an dein Ansehen. Du siehst dich doch bereits auf dem Fürstenthron.«

Er schnalzte verächtlich mit der Zunge. Obwohl sie Brüder waren, waren sie grundverschieden und verstanden sich auch nicht gut.

»Zurecht, wie du unzweifelhaft zugeben musst«, gab Eckhard hochmütig zurück und reckte seine zu kurz geratene Gestalt. Als der Bruder ihn weiterhin verächtlich musterte, warf er stolz den Kopf zurück. »Ich werde beweisen, dass in mir das Zeug zu einem exzellenten Fürsten steckt, und das auch ohne deine Hilfe, verehrter Bruder.«

Damit ließ er Simon stehen und segelte mit breitem Grinsen, das so gar nicht zu dem traurigen Anlass passen wollte, auf die illustren Gäste zu, die nun unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen die Kathedrale verließen.

Simon seufzte. Es würde gewiss zum Eklat kommen, doch nicht, weil sich der Onkel empfohlen hatte und die Gäste nun in einem zwar respektablen, aber doch unpersönlichen Hotel dinierten, statt im fürstlichen Schloss, sondern weil sich der Bruder mal wieder selbst überschätzte. Eckhard hatte ein Talent, in jedes Fettnäpfchen zu treten, das ihm im Weg stand. Er würde den Unmut der Gäste eher noch schüren, statt sie zu besänftigen.

Dabei gab es einen triftigen Grund, nicht im Schloss zu feiern. Dort wurde man überall mit der Erinnerung an den Erbprinzen konfrontiert, hier ein Porträt, dort ein Gegenstand, den er geliebt hatte, oder einfach nur die Aura einer herausragenden Persönlichkeit, die noch immer in allen Winkeln nistete ebenso wie die grenzenlose Trauer. Simon verstand, dass der Trubel der vielen Menschen und ihre mehr oder weniger gutmeinenden Worte Fürst Rudolf nur noch mehr das Herz zerrissen hätten.

Er war auch sicher, dass die Gäste Verständnis für den leidgeprüften Fürsten aufbringen würden, wenn man mit warmen Worten an ihr Mitgefühl appellierte. Doch dazu fehlte Eckhard der nötige Takt. Er seufzte leise. Im Gegensatz zum Bruder stand er nicht gern im Blickpunkt der Öffentlichkeit und neidete diesem auch keineswegs die Vorrangstellung in der Erbfolge.

Simon war mit Leib und Seele Landwirt und leitete lieber das große Gut mit Gestüt, das sein Erbe war, statt in dem pompösen Schloss an der holländischen Grenze Hof zu halten. Doch jetzt war er es dem Onkel schuldig, dass die Trauerfeier nicht zum Fiasko wurde.

***

Trotz seiner bleiernen Müdigkeit war Fürst Rudolf versucht, wieder umzudrehen und seiner Pflicht als Gastgeber nachzukommen. Eckhard würde den Karren eher in den Dreck fahren, statt ihn mit sicherer Hand zu lenken. Aber dann vertraute er auf Simon, der in seiner gewohnt besonnenen Art die Wogen schon glätten würde, die der Ältere mit seinem großspurigen Gehabe aufwirbelte.

Der Jüngere der beiden so ungleichen Brüder besaß die Intelligenz und die Führungsqualität, die sich Rudolf bei seinem Nachfolger wünschen würde. Wie einst Jonathan war Simon eine imposante Erscheinung, groß und stattlich. In seinem scharf geschnittenen Gesicht mit dem stolz vorgereckten Kinn dominierten die klugen, grauen Augen, in denen stets ein wenig der Schalk blitzte, was seinen Humor verriet.

Während Simon mit wohltuender Gelassenheit handelte, war Eckhard ein hoffnungsloser Choleriker und beim Schlosspersonal wegen seiner Wutausbrüche gefürchtet. Auch im Äußerlichen konnte Eckhard dem Bruder nicht das Wasser reichen. Er war von gedrungener Gestalt und hatte ein alltägliches Gesicht, das von strähnigen blonden Haaren umrahmt wurde. Seine kleinen, blassblauen Augen blickten verschlagen, und sein Lächeln war eher ölig als charmant. Auch war er nicht der Hellste.

Im Gegensatz zum Bruder, der sein Studium der Agrarwirtschaft mit Bravour gemeistert hatte, hatte Eckhard nur zwei Jahre in Politikwissenschaften durchgehalten. Seither lebte er in den Tag hinein und verprasste seine üppige Apanage.

Das hinderte ihn aber nicht, sich mit erfundenen Titeln zu schmücken, um die Damenwelt zu beeindrucken. Dazu war er vulgär und hielt sich für einen unwiderstehlichen Casanova. Nicht selten machte er sich lächerlich, wenn er einer Dame gar zu hartnäckig Avancen machte, obwohl sie ihn deutlich ihre Abneigung spüren ließ.

Eckhard war ein so krasses Gegenteil zu Simon, dass Rudolf, wüsste er es nicht besser, fast vermuten würde, er wäre nicht der Sohn von Alfons. Dessen Braut war bereits schwanger gewesen, als die beiden heirateten. Doch Alfons hatte keinen Zweifel an seiner Vaterschaft aufkommen lassen und die damals sehr hübsche, aber mitunter auch zänkische Baroness zum Traualtar geführt. Anfangs schien die Ehe sogar glücklich zu sein, und nach Eckhard kam Prinz Simon zur Welt.

Doch plötzlich ging das Paar getrennte Wege, und Alfons bezog im Schloss eigene Räumlichkeiten, während Prinzessin Dietlinde mit den Kindern im Seitenflügel wohnen blieb, der zum Erbteil des Prinzen gehörte. Über den Grund hatte sich Alfons nie ausgelassen. Doch wandelte sich der vormals leutselige Mann immer mehr in einen unwiderstehlichen Nörgler, bis er im Alter von sechsundfünfzig Jahren einem Krebsleiden erlag.

Sie hatten mittlerweile Schloss Reuben erreicht, das inmitten eines riesigen Parks unweit der Nordsee seinen Platz hatte. Der Chauffeur steuerte den Wagen durch das große Portal und dann die von Bäumen gesäumte Allee zum Hauptschloss hinauf, das mit seinen hohen Türmen, den wehrhaften Zinnen und dem mächtigen Bergfried majestätisch auf einem sanften Hügel thronte. Dazu gab es einige Nebengebäude, in denen ein Großteil des Personals wohnte, sowie den früheren Marstall, der heute einem modernen, kleinen Gestüt glich mit Reithalle und Parcours. Im Park selbst luden idyllische Gartentempel zum Verweilen ein, und leise plätschernde Springbrunnen sowie bunt blühende Blumenrabatte sorgten für eine harmonische Atmosphäre.

Der Fürst tippte dem Fahrer auf die Schulter.

»Halten Sie bitte an, Karl, ich will ein wenig durch den Park spazieren.«

Karl Engels tat wie ihm geheißen. Dann wandte er sich um und meinte sichtlich beunruhigt: »Geht es Ihnen gut, Durchlaucht, oder soll ich Sie lieber begleiten?«

Er war nicht nur Chauffeur, sondern im Laufe der vielen Jahre, die er für den Fürsten schon tätig war, diesem auch ein enger Vertrauter geworden.

Rudolf klopfte seinem Bediensteten beruhigend auf die Schulter.

»Danke für Ihre Fürsorge, Karl, aber ich bin nach all dem Trubel gern ein wenig allein. Das Plätschern der Springbrunnen und das liebliche Zwitschern der Vögel wird meinen Schmerz vielleicht etwas lindern. Die Trauerfeier hat die kaum verschorfte Wunde in meinem Herzen wieder aufgerissen.«

»Ich kann noch immer nicht glauben, dass Prinz Jonathan …« Karl brach ab und wischte mit dem Handrücken über seine feuchten Augen.

Auch er vermisste den sympathischen Prinzen, der stets ein freundliches Wort fürs Personal übrig hatte und seinen hohen Stand nie heraushängen ließ. Eckhard von Reuben stolzierte hingegen wie ein aufgeplusterter Pfau durchs Schloss und schikanierte die Bediensteten, wo er konnte.

»Die Hoffnung stirbt zuletzt.« Fürst Rudolf seufzte und musterte angespannt den stahlblauen Himmel, als erwarte er ein Zeichen, das ihn wieder neuen Mut schöpfen ließ. Dann senkte er den Kopf und murmelte kaum hörbar: »Aber manchmal muss man die Tatsachen akzeptieren, so schwer es auch fällt.« Er nickte dem Chauffeur zu, dann ging er davon.

***

Gedankenversunken schlenderte der Fürst über die schattigen Wege dahin und genoss die Ruhe der Natur. Ein lauer Wind streichelte sein Gesicht, und das Tirilieren der Vögel war nach der schwermütigen Musik bei der Trauerfeier in der Kirche ein wunderbarer Nachgesang auf seinen verstorbenen Sohn. Jonathan hatte flotte Musik geliebt und hätte nicht gewollt, dass man ihn mit Totengesängen von dieser Welt verabschiedete. Rudolf seufzte. Es war ein Fehler gewesen, die Planung der Feier Prinzessin Dietlinde zu überlassen, die für ihre Überschwänglichkeit bekannt war. Die langatmige Zeremonie war nicht nur für ihn eine Qual gewesen.

Er setzte sich auf eine Bank und lehnte sich zurück. Langsam fiel die Anspannung des kräftezehrenden Tages von ihm ab, und seine quälende Trauer verwandelte sich in leise Wehmut. Vor seinem geistigen Auge flanierte Jonathan durch den Park, wie er ihn in Erinnerung hatte, groß, stattlich und voller Elan.

Rudolf lächelte. Eine solche Persönlichkeit starb nicht einfach, sie hinterließ Spuren, und diese Erinnerung würde ihm helfen, über den schweren Verlust hinwegzukommen und wieder positiv in die Zukunft zu sehen. Wenn es das Schicksal wollte, würde er das Zepter des Fürstenhauses noch eine ganze Weile fest in seiner Hand halten und den neuen Kronprinzen Eckhard vielleicht doch noch zu einem würdigen Nachfolger formen können.

***

Am nächsten Morgen bekam Rudolf schon früh Besuch von seinem treuen Freund und Anwalt Max, der ihn über den Verlauf des gestrigen Banketts unterrichten wollte. Der Fürst empfing den Grafen in seinem Privatsalon und ließ ein zusätzliches Frühstücksgedeck auflegen. Ihm fiel auf, dass Max hochgradig nervös war.

»Nun sag schon, was passiert ist, musst mich nicht schonen wollen«, drängte er ungeduldig. »Haben sich die Gäste über meine Abwesenheit mokiert oder nahm jemand Anstoß daran, dass nicht das Schloss mit seinem Prunksaal der Austragungsort der Trauerfeier war?« Er trank hastig einen Schluck Kaffee.

Max schüttelte den Kopf und nahm am Tisch Platz.

»Man zeigte größtes Verständnis. Auch das Ambiente des eleganten Hotels, in dem die Feier stattfand, hat den Gästen sehr gut gefallen. Ebenso fand das Bankett, das gemäß dem pietätvollen Anlass ausgerichtet wurde, allgemeines Lob.« Er schwieg, gab Milch in seinen Kaffee und rührte bedächtig um.

»Aber?«, forschte Rudolf argwöhnisch nach und beugte sich vor. »Deine Nervosität lässt Schlimmes vermuten, Max. Ist Eckhard aus der Rolle gefallen?« Angespannt musterte er den knapp zehn Jahre jüngeren Freund.

Unbehaglich lockerte Max seinen Hemdkragen.

»Nun ja …«, begann er zögernd. Er legte den Löffel beiseite, nahm einen Schluck von dem belebenden Getränk und stellte die Tasse wieder ab. Dann setzte er sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast recht, Eckhard hat sich da ein paar böse Ausrutscher geleistet, und wäre nicht sein Bruder Simon so mutig in die Bresche gesprungen, hätte es wohl einen Skandal gegeben.« Er hielt inne und sammelte sich, bevor er den Fürsten nun auch mit der Schattenseite des Banketts konfrontierte. »Anfangs hatte sich Prinz Eckhard noch ganz manierlich gezeigt und die Gäste mit ein paar launigen Worten unterhalten. Ich hoffte schon, er würde sich deines Vertrauens würdig erweisen …«

»Aber dann?«, fasste der Fürst ungeduldig nach, als der Freund abermals eine Pause machte.

Max zog hart die Luft auf und berichtete nun ohne zu stocken: »Eckhard sprach dem Wein zu reichlich zu und verlor die Kontrolle über sich. Er hat nicht nur die hübsche Gattin eines hochgestellten Aristokraten mit seinen Anzüglichkeiten kompromittiert, er hat auch noch Witze gemacht, die jedem Respekt vor dem Verstorbenen entbehrten. Zu guter Letzt stieß er mit seiner plumpen Vertraulichkeit so manchen Gast vor den Kopf, einschließlich des Abgesandten des englischen Königshauses.«

»Ich habe es geahnt«, stöhnte Rudolf geschockt. »Ich hätte mich nicht von meiner Schwäche überwältigen und meine Pflicht als Gastgeber einfach schleifen lassen dürfen. Aber ich fühlte mich außerstande …« Er winkte resigniert ab.

Max schüttelte besänftigend den Kopf.