Wie in einem goldenen Käfig - Cornelia Waller - E-Book

Wie in einem goldenen Käfig E-Book

Cornelia Waller

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. Das hübsche Mädchen mit den langen blonden Haaren, die im Fahrtwind flatterten, brauste mit ihrem kleinen Wagen über die Landstraße und summte fröhlich vor sich hin. Zwei Ferienwochen lagen vor ihr, die sie nach besten Kräften nutzen wollte. Der Frühling und das schon etwas klapprige Auto sollten ihr dabei helfen, auch wenn ihr Geldbeutel recht mager war. Für Carolin war das kein Grund, um Trübsal zu blasen. Sie war auch mit einem billigen Zimmerchen in einem einfachen Gasthaus zufrieden, wenn sie nur ihre Freiheit noch einmal in vollen Zügen genießen durfte! Ihre Freiheit! Ihr Summen verstummte jäh, und auf der glatten jungen Stirn zeigten sich einige Sorgenfalten. Eigentlich hatte sie alles Belastende hinter sich lassen wollen, aber so ganz ließen sich die Gedanken eben doch nicht verdrängen. In einem Monat würde sie verheiratet sein! Obwohl Carolin sich freiwillig und ganz nüchtern dazu entschlossen hatte, überlief sie nun doch eine leise Gänsehaut. Sie war ja gerade erst einundzwanzig und hätte eigentlich noch Zeit gehabt, ehe sie eine feste Bindung einging. Aber da war Onkel Friedrich, der hatte es anders gewollt. Noch nach seinem Tode tanzte nun alles nach seiner Pfeife. Sicher, sie hätte seine Erbschaft auch ablehnen können, und wenn es nur um sie selbst gegangen wäre, hätte sie es auch ganz sicher getan! Aber da waren ihre Eltern, die sich seit Jahren quälten und von morgens bis abends schufteten, damit die kleine Fensterfabrik nicht pleite ging, und um ihretwillen hatte Carolin beschlossen, die Erbschaft trotz ihrer verrückten Bedingungen nicht auszuschlagen. Wer hatte denn schon das große Glück, daß ihm unverhofft eine große Erbschaft in den Schoß fiel? Wer betrachtete heutzutage so viel Geld nicht als ein Geschenk des Himmels? Die damit verknüpften Klauseln muteten allerdings mittelalterlich an! Nun, Onkel Friedrich war ein alter Mann gewesen, der im Grunde noch im Geiste des vorigen Jahrhunderts gelebt hatte. Carolins Mutter war eine geborene Prinzessin von Erlau, und als sie es gewagt hatte, mit Carolins Vater, dem bürgerlichen Bernd Heiden, durchzubrennen, hatte es einen furchtbaren Skandal gegeben.

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Fürstenkinder – 7 –

Wie in einem goldenen Käfig

Mit Daniel kam das große Glück

Cornelia Waller

Das hübsche Mädchen mit den langen blonden Haaren, die im Fahrtwind flatterten, brauste mit ihrem kleinen Wagen über die Landstraße und summte fröhlich vor sich hin. Zwei Ferienwochen lagen vor ihr, die sie nach besten Kräften nutzen wollte.

Der Frühling und das schon etwas klapprige Auto sollten ihr dabei helfen, auch wenn ihr Geldbeutel recht mager war. Für Carolin war das kein Grund, um Trübsal zu blasen. Sie war auch mit einem billigen Zimmerchen in einem einfachen Gasthaus zufrieden, wenn sie nur ihre Freiheit noch einmal in vollen Zügen genießen durfte!

Ihre Freiheit! Ihr Summen verstummte jäh, und auf der glatten jungen Stirn zeigten sich einige Sorgenfalten. Eigentlich hatte sie alles Belastende hinter sich lassen wollen, aber so ganz ließen sich die Gedanken eben doch nicht verdrängen.

In einem Monat würde sie verheiratet sein! Obwohl Carolin sich freiwillig und ganz nüchtern dazu entschlossen hatte, überlief sie nun doch eine leise Gänsehaut. Sie war ja gerade erst einundzwanzig und hätte eigentlich noch Zeit gehabt, ehe sie eine feste Bindung einging. Aber da war Onkel Friedrich, der hatte es anders gewollt. Noch nach seinem Tode tanzte nun alles nach seiner Pfeife.

Sicher, sie hätte seine Erbschaft auch ablehnen können, und wenn es nur um sie selbst gegangen wäre, hätte sie es auch ganz sicher getan!

Aber da waren ihre Eltern, die sich seit Jahren quälten und von morgens bis abends schufteten, damit die kleine Fensterfabrik nicht pleite ging, und um ihretwillen hatte Carolin beschlossen, die Erbschaft trotz ihrer verrückten Bedingungen nicht auszuschlagen.

Wer hatte denn schon das große Glück, daß ihm unverhofft eine große Erbschaft in den Schoß fiel? Wer betrachtete heutzutage so viel Geld nicht als ein Geschenk des Himmels?

Die damit verknüpften Klauseln muteten allerdings mittelalterlich an! Nun, Onkel Friedrich war ein alter Mann gewesen, der im Grunde noch im Geiste des vorigen Jahrhunderts gelebt hatte.

Carolins Mutter war eine geborene Prinzessin von Erlau, und als sie es gewagt hatte, mit Carolins Vater, dem bürgerlichen Bernd Heiden, durchzubrennen, hatte es einen furchtbaren Skandal gegeben. Verstoßen hatte die Familie die Prinzessin, die sich so mutig zu ihrer Liebe bekannt hatte. Sie hatte als Verfemte gegolten, und sie durfte keinerlei Kontakt zu ihren Angehörigen mehr haben. Nicht einmal zu ihrer Mutter, die aus Gram darüber bald gestorben war. Zuletzt hatte Onkel Friedrich, der Bruder von Carolins Großvater – letzterer war auch schon über zehn Jahre tot – die Geschicke der Familie mit eiserner Hand gelenkt. Er hatte die passenden Heiraten arrangiert, das Vermögen verwaltet und das Gut geführt.

Auch Onkel Friedrich besaß Kinder. Eine Tochter, die kinderlos geblieben war, und einen Sohn. Beide hatten standesgemäß geheiratet. Onkel Friedrichs Sohn Arnold hatte wiederum einen Sohn, Jost von Erlau. Er war ein entfernter Vetter von Carolin, und ihn sollte sie heiraten! So jedenfalls lautete Onkel Friedrichs Letzter Wille. Nur dann würde sie ihr Erbe in Empfang nehmen können. Lehnte sie es ab, würde Jost Alleinerbe werden.

Ja, so einfach war das für Onkel Friedrich gewesen! Carolin verzog den Mund. Das Tollste war, sie kannte diesen Prinz Jost von Erlau überhaupt nicht! Auch für ihn mußten die seltsamen Klauseln des Großväterlichen Testaments eine unangenehme Überraschung gewesen sein, und Carolin fragte sich, was ihn wohl veranlaßte, das Erbe anzunehmen. War es reine Geldgier, konnte er den Gedanken nicht ertragen, daß sie – Carolin – alles allein erben würde, wenn er sich weigerte, sie zu heiraten? Oder hatte auch er seine Gründe?

Fest stand jedenfalls, daß sie beide vier Wochen nach der Testamentseröffnung die Ehe miteinander einzugehen hatten, sollte ihnen das Erbe nicht verloren gehen. Wenn sie sich beide dagegen aussprachen, sollte alles in eine Stiftung umgewandelt werden.

»Das ist ja die reinste Erpressung!« hatte Carolins Mutter entsetzt gesagt, als sie Kenntnis vom Inhalt des Testamentes bekommen hatten. »Bei mir ist es ihnen nicht gelungen, mich zu einer Ehe zu zwingen, die ich nicht wollte, jetzt versuchen sie es bei dir. Das kommt natürlich überhaupt nicht in Frage!«

»Aber, Mami, bedenke doch das viele Geld«, hatte Carolin gewagt, einzuwenden. »Es wäre doch ein Jammer, wenn man das ausschlüge! Ich bin schließlich frei und ungebunden, nicht einmal verliebt zur Zeit. Dann heirate ich diesen Jost eben. Einen Supermann findet man sowieso nie, und ohne finanzielle Sorgen leben zu können ist schließlich auch schön. Ich könnte euch helfen, damit…«

Ihr Vater hatte sie unwillig unterbrochen und erklärt, daß man das nicht so nüchtern sehen könne, und ihre Mutter hatte hinzugefügt, sie solle sich doch einmal vorstellen, wie schlimm es wäre, wenn sie später einen Mann kennenlernte, den sie wirklich liebte, und dann gebunden sei an jemanden, der ihr nichts bedeutete.

Aber Carolin konnte sich nicht vorstellen, daß ihr das passieren sollte. Vielleicht war bei ihr etwas nicht ganz in Ordnung?

Carolin lächelte. Wenn es so war, hatte das immerhin den Vorteil, daß sie unbesorgt auf Onkel Friedrichs Bedingungen eingehen konnte. Was nützte einem eine große Liebe, wenn man arm war? So manches himmelstürmende Glück war schließlich schon am fehlenden Geld kläglich gescheitert.

Carolin entsann sich noch ganz genau des Tages, da Onkel Friedrich sie einige Monate vor seinem Tode plötzlich besucht hatte. Ohne Anmeldung war er aufgetaucht und hatte in heuchlerischer Freundlichkeit erklärt, daß er sich mit der Nichte und ihrer Familie versöhnen wolle. Mami hatte fast der Schlag getroffen, aber sie hatte es nicht übers Herz gebracht, den inzwischen doch schon recht wackeligen Greis fortzuschicken, obwohl er seinerzeit am meisten gegen ihre Heirat mit dem Vater gewesen war.

Carolin fand, daß der alte Herr sich zumindest hätte entschuldigen müssen für all das Leid, das er und die Familie ihr angetan hatten, aber ihre Mutter hatte gemeint, es sei schon ein Wunder, daß er überhaupt gekommen wäre.

Ihre Eltern hatten sie nicht mit Strenge, sondern mit viel Liebe erzogen, sie hatte sich immer frei und ungezwungen fühlen können.

Wie aber würde der Enkel des diktatorischen Familienoberhauptes derer von Erlau sein. War er vielleicht auch ein Despot?

Ha, dachte Carolin, und gab unwillkürlich so heftig Gas, daß ihr Auto einen Satz nach vorn machte, dieser Mensch sollte sich an ihr schon die Zähne ausbeißen!

Wie er wohl ausschaute, dieser Jost, sinnierte sie weiter. Der Großonkel hatte ihn seinerzeit so über den grünen Klee gelobt, daß er ihr förmlich unsympathisch geworden war. Von seinen Heiratsplänen hatte der alte Mann wohlweislich nicht gesprochen damals. Er war offenbar nur zum Schnüffeln gekommen, der hinterhältige Greis!

Mit zu viel Schwung ging Carolin in die enge Kurve. Aber selbst auf diesem wenig befahrenen Sträßchen gab es manchmal Gegenverkehr. Sie sah den entgegenkommenden Wagen zwar noch, versuchte ihm auch auszuweichen, aber zu spät! Sie hörte es noch krachen, spürte einen gewaltigen Ruck, dann wurde es plötzlich dunkel vor ihren Augen…

*

»Also, Jost, ich verstehe nicht, wie du als erwachsener Mann so etwas mit dir machen lassen kannst!« sagte das attraktive dunkelhaarige Mädchen empört.

»Was soll ich machen, Marion?« Der Prinz hob die Schultern.

»Diese blöde Erbschaft ausschlagen natürlich«, schlug sie vor.

»So, und was soll ich dann machen, kannst du mir das einmal sagen? Mich irgendwo als kleiner Gutsinspektor verdingen, wie? Nein, Marion, ich denke nicht daran, und genau das hat mein guter Großvater auch einkalkuliert. Zunächst hat er mich ganz als den künftigen Erben hingestellt, damit ich nur ja Landwirtschaft studierte, und nun, wo ich Freude daran habe, Herr auf eigener Scholle zu sein, kommt er mit seinen Bedingungen. Daß ich das fair finde, kann ich wirklich nicht sagen, aber andererseits…«

»… andererseits hatte der alte Herr auch etwas gegen deine Freundschaft mit einer Schauspielerin. Und da er fürchtete, du könntest sie am Ende nach seinem Tode heiraten, hat er dem einen Riegel vorgeschoben«, warf Marion Moll mißmutig ein.

»Zugegeben, das mag mitgesprochen haben«, nickte Jost von Erlau. »Er hatte nicht persönlich etwas gegen dich, Liebling, aber in seinen Augen wäre das eine ganz unmögliche Verbindung. Er lebte nun mal noch in anderen Vorstellungen. In seiner Jugend heiratete man eben noch standesgemäß.«

»Standesgemäß, wenn ich diesen Ausdruck schon höre! Ein bißchen habe ich aber das Gefühl, daß auch du noch so denkst. Deine Erziehung war ja auch noch mittelalterlich, und etwas ist wohl doch davon bei dir hängengeblieben. Im Grunde bist du auch ein Snob, Jost.«

»Werde nicht unsachlich, Marion.«

»Ach, so ist es doch. Wie könntest du sonst ein Mädchen heiraten wollen, das du noch nie in deinem Leben gesehen hast. Es ist unmoralisch, wegen einer Erbschaft zu heiraten, ein schmutziger Handel, auf den ihr, du und sie, euch da einlaßt. Oder wie nennst du so etwas?«

»Ich würde es jedenfalls Dummheit nennen, wenn ich auf meinen Teil verzichtete!« erwiderte Jost heftig. »Du verstehst eben nicht, daß man auch an Besitz hängen kann. Besitz, der seit Generationen in unserer Familie ist. Ich bin auf Schloß Erlenburg aufgewachsen, liebe das alte Gemäuer, und das Gut ist meine Welt. Die Vorstellung, daß das alles eines Tages in eine Stiftung umgewandelt werden könnte, ist mir unerträglich.«

»Na gut, selbst wenn ich deine Gründe anerkennen würde«, sagte Marion zögernd, »so frage ich mich aber, warum diese Kusine oder was sie für dich ist, sich auf das alles einläßt. Bei ihr kann es doch nur schnöde Geldgier sein.«

»Na und? Ist das so unverständlich? Du, meine liebe Marion, bist einem gewissen Wohlleben schließlich auch nicht abgeneigt, wie ich an deinen Wünschen ersehe, die nicht gerade bescheiden zu nennen sind. Ich könnte mir auch kaum vorstellen, daß deine Gefühle für mich von Dauer wären, wenn ich dir nichts mehr bieten könnte. Nein, fahre nicht gleich auf, wenn du ganz ehrlich bist, mußt du es zugeben!«

Marion unterdrückte den heftigen Einwand betreten, denn ganz unrecht hatte Jost sicher nicht. Sie hatte es genossen, daß er ihr einiges hatte bieten können.

»Na gut, ohne Sorgen finanzieller Art lebt es sich natürlich leichter«, meinte sie schließlich. »Aber der Preis, den du zahlst, ist reichlich hoch. Oder könntest du dich nach ein paar Jahren vielleicht wieder scheiden lassen?«

»Das kann ich nicht. Nicht vor Ablauf von zehn Jahren jedenfalls. Auch das hat der alte Herr bedacht.«

»Armer Jost, verurteilt zu zehn Jahren Freiheitsstrafe«, spottete Marion.

»Gut, daß du es einsiehst. Darum solltest du mir das Leben jetzt nicht auch noch schwer machen.« Jost zog seine hübsche Freundin an sich und küßte die anfangs Widerstrebende zärtlich.

»Ein schrecklicher Egoist bist du«, seufzte sie und fuhr mit gespreizten Fingern durch sein dichtes, leicht gewelltes dunkles Haar. »Ich sollte dich zum Teufel jagen, anstatt dich zu bemitleiden und…«

Er legte ihr die Hand auf den Mund. »Sage nicht so häßliche Sachen, Liebling. Schau, ich werde dich sehr brauchen, auch wenn ich verheiratet bin. Wer sonst soll mich trösten, wenn ich gezwungen bin, mit der geldgierigen Person zusammen zu leben?«

»Höre mal«, sagte Marion und legte den Finger an ihr hübsches Näschen, »ich wüßte einen Ausweg. Wenn einer von euch die Heirat ablehnt, erbt der andere allein, wie du sagst. Wie wäre es, wenn du oder sie das tut und ihr euch das Geld dann heimlich teilt? So wäre euch beiden geholfen, ohne daß ihr diese verrückte Heirat eingehen müßtest.«

»Sei nicht naiv, Kindchen. Der Notar würde nur zu bald dahinterkommen. Wenn man reich ist, kann man nicht einen Teil seines Vermögens verschwinden lassen, ohne Rechenschaft darüber ablegen zu müssen. Wenn es herauskäme, bekämen wir beide nichts und stünden noch als Betrüger da. Glaube mir, ich habe wirklich schon selbst alles ganz genau durchdacht.«

»Und wann wirst du dieses Mädchen nun kennenlernen?«

»In zwei Wochen. Jedenfalls wurde mir das auf meine Anfrage mitgeteilt. Du siehst daran, daß auch sie nicht wild darauf ist, mich früher kennenzulernen, als unbedingt nötig ist.«

»Wie alt ist sie denn?«

»Noch sehr jung, gerade einundzwanzig. Großvater fand sie übrigens hübsch und gescheit, als er die Familie damals besucht hatte, um sich einen Eindruck zu verschaffen.«

»So lange weißt du also bereits, daß…«

»Nichts wußte ich. Ich glaubte, es sei reine Sentimentalität, daß der alte Herr sich mit seiner Nicht versöhnen wollte. Erst jetzt habe ich mir das zusammengereimt. Im übrigen gebe ich nichts auf Großvaters Urteil. Im Gegenteil, wenn er das Mädchen hübsch und gescheit fand, so wird sie nach meinem Geschmack sicher eine zickige Person sein.«

Marions Lachen klang nicht ganz echt.

»Und jetzt willst du auch noch wegfahren und mich alleinlassen«, klagte sie.

»Liebling, das ist nicht meine Schuld, wie du weißt. Wenn dir dein neues Engagement wichtiger ist als ich, dann…«

»Aber das mußt du verstehen, es ist eine einmalige Chance. Bei Dumont engagiert zu werden, bedeutet ein Sprungbrett nach oben. Er hat schließlich schon einige Berühmtheiten entdeckt.«

»Schon gut, ich verstehe ja, aber du mußt auch verstehen, daß ich noch einmal ein bißchen frei sein möchte, bevor ich mich in Ketten legen lasse.«

»Warum machst du nicht gleich eine Weltreise«, spöttelte Marion.

»Am liebsten täte ich es, du wirst lachen. Aber dazu ist die Zeit nun mal zu knapp. Ich mußte auf dem Gut auch erst noch einige Dinge regeln und mit den Leuten besprechen.«

»Ein vorbildlich pflichtbewußter Gutsherr. Dein Großvater hätte seine helle Freude an dir«, entgegnete Marion bissig.

Nun wurde es Jost doch zuviel.

»Ich gehe besser, und komme wieder, wenn deine Laune sich gebessert hat«, sagte er kühl und erhob sich.

»Unter diesen Umständen wird sie sich nie bessern!« fauchte Marion. »Geh doch, geh nur, und wiederkommen brauchst du gar nicht, daß du es weißt!«

Er ging zur Tür. Dort wandte er sich noch einmal um.

»Ist das dein Ernst?«

Trotzig schwieg sie.

»Auf Wiedersehen, Marion«, sagte er und ging hinaus.

Als die Flurtür ihrer Wohnung klappte, warf sie sich weinend in einen Sessel.

Langsam ging Jost die Treppe hinunter. Vielleicht war es wirklich gut, daß es so gekommen war. Ihr Zorn würde Marion helfen, darüber hinwegzukommen. Er hatte es sich zwar ganz angenehm vorgestellt, weiterhin mit ihr befreundet zu bleiben, denn einer Frau, die man unter solchen Umständen heiratete, war man wohl kaum Treue schuldig, aber Marion gegenüber war es natürlich unfair. Welche Frau vermochte sich schon mit der Rolle der ewigen Geliebten abfinden!

*

Wie still es auf einmal war. Das registrierte Carolins wiedereinsetzendes Bewußtsein als erstes.

»Bin ich jetzt tot?« murmelte sie, als sie zunächst nur den blauen Himmel über sich sah. Am Ende war sie schon ein Engel und schwebte auf einer Wolke?

»Den Eindruck habe ich eigentlich nicht«, hörte sie plötzlich eine Männerstimme sagen.

Erschrocken wandte sie den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam, und schaute in ein Paar dunkle Augen. Trotz ihres Zustandes stellte Carolin fest, daß sie einem bemerkenswert gutaussehenden jungen Mann gehörten.

»Den lieben Gott hatte ich mir tatsächlich ein wenig anders vorgestellt«, sagte sie verwirrt.

Der Fremde lächelte mit blitzenden weißen Zähnen.

Carolin merkte nun, daß sie quer über den Vordersitzen ihres Wagens lag und versuchte, sich aufzurichten. Sie ächzte leise, während sie sich bemühte, ihre schmerzenden Glieder wieder unter Kontrolle zu bringen.

»Ich hoffe, Sie sind nicht verletzt?« Der junge Mann half ihr auf.

Carolin befühlte ihre Arme und Beine. »Ich glaube nicht. Zumindest ist nichts gebrochen, wie mir scheint.« Nun erinnerte sie sich wieder an die letzten Sekunden vor dem Unfall und entdeckte auch den weißen Sportwagen neben ihrem Wägelchen. »Ist das Ihr Auto, mit dem ich zusammengestoßen bin?« fragte sie unsicher.

»Richtig«, grinste der junge Mann. »Haben Sie etwas gegen weiße Sportwagen?«

»Sie meinen, es sei der Neid der Besitzlosen? Nein, das war es nicht. Sie befanden sich nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort, mein Herr«, erwiderte Carolin schon wieder erstaunlich schlagfertig und stieg dann etwas steifbeinig aus, um den Schaden zu betrachten.

»Schöne Bescherung«, seufzte sie, als sie den wie eine Ziehharmonika zusammengedrückten Kotflügel ihres Wagens entdeckte. Der Sportwagen dagegen war viel weniger demoliert.

»Bei mir ist nur die Lampe hin. Alles in allem hatten Sie noch Glück im Unglück, denn schließlich haben wir beide noch heile Knochen, was wohl das Wichtigste ist.«

»Nun sagen Sie es schon!« Irritiert sah Carolin zu dem Fremden auf, der sie fast um Haupteslänge überragte, obwohl sie keineswegs klein war.

»Was denn?« wunderte er sich.

»Typisch Frau am Steuer, müßte doch jetzt kommen«, lächelte sie etwas schief.

»Aber wieso denn? So eine reizende junge Dame beschimpft man doch nicht. Außerdem habe ich keinen Grund. Mir ist nichts passiert und meinem Wagen auch kaum«, versicherte er galant.

»Müssen wir nicht die Polizei rufen?« Carolin sah sich unwillkürlich um. Da war allerdings nur die kaum befahrene Straße, Felder und Wälder zu beiden Seiten, doch nicht die Andeutung einer menschlichen Besiedlung.

»Aber wozu? Wollen Sie sich unbedingt Ärger machen? Die zerbrochene Lampe, ach, die brannte in letzter Zeit sowieso nicht mehr richtig, und wenn Sie ihr eigenes Auto beschädigen, so interessiert das die Polizei weniger.«

»Sie sind sehr großzügig«, murmelte Carolin und bekam plötzlich einen leeren Gesichtsausdruck, streckte hilfesuchend die Hand aus. »Mir… mir wird so komisch…«, hauchte sie.

Augenblicklich fühlte sie sich unter den Armen gepackt, an die Straßenböschung geführt und sanft ins Gras expediert.

»Schön tief durchatmen«, hörte sie den Fremden sagen und befolgte automatisch seine Anweisung.