Fürstenkrone 119 – Adelsroman - Christel Förster - E-Book

Fürstenkrone 119 – Adelsroman E-Book

Christel Förster

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Beschreibung

Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Anke von Toerring schrie nicht auf, als sie die schicksalsschweren Worte hörte.Mit zitternder Hand stützte sie sich Halt suchend auf die Tischplatte und starrte Oberst Campen an."Er ist also tot?", flüsterte sie kaum verständlich. "Ich habe geahnt, dass dieser Tag einmal kommen würde.Tausendmal hatte sich Anke von Toerring diesen Augenblick vorzustellen versucht. Immer dann, wenn Rüdiger am nächsten Tag in seine Maschine steigen und fliegen sollte.Der Oberst räusperte sich. "Fassen Sie sich, Anke", sagte er mit rauer Stimme. "Ich weiß, wie Ihnen zumute ist.Ankes Gesicht war leichenblass. Jedes ihrer Worte kostete sie eine unendliche Mühe."Wie – wie ist es geschehen?Oberst Campen riss sich zusammen."Die Maschine explodierte und stürzte ins Meer. Sie fanden auf dem Meer nur Bruchstücke des Wracks, und das erst viele Stunden nach der Explosion. Bitte, Frau von Toerring, behalten Sie Ihren Mann so in Erinnerung, wie er von Ihnen ging.Anke schwankte. Nie mehr würde Rüdiger lachen, nie mehr die Arme nach ihr ausstrecken und sie an seine Brust ziehen, ihr nie mehr die kleinen Kümmernisse von den Lippen küssen.Endlich kamen die erlösenden Tränen.

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Fürstenkrone – 119–

Graf, Sie sind kein Ehrenmann

Wer spielt so gemein mit Ankes Herz?

Christel Förster

Anke von Toerring schrie nicht auf, als sie die schicksalsschweren Worte hörte.

Mit zitternder Hand stützte sie sich Halt suchend auf die Tischplatte und starrte Oberst Campen an.

»Er ist also tot?«, flüsterte sie kaum verständlich. »Ich habe geahnt, dass dieser Tag einmal kommen würde.«

Tausendmal hatte sich Anke von Toerring diesen Augenblick vorzustellen versucht. Immer dann, wenn Rüdiger am nächsten Tag in seine Maschine steigen und fliegen sollte.

Der Oberst räusperte sich. »Fassen Sie sich, Anke«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich weiß, wie Ihnen zumute ist.«

Ankes Gesicht war leichenblass. Jedes ihrer Worte kostete sie eine unendliche Mühe.

»Wie – wie ist es geschehen?«

Oberst Campen riss sich zusammen.

»Die Maschine explodierte und stürzte ins Meer. Sie fanden auf dem Meer nur Bruchstücke des Wracks, und das erst viele Stunden nach der Explosion. Bitte, Frau von Toerring, behalten Sie Ihren Mann so in Erinnerung, wie er von Ihnen ging.«

Anke schwankte. Nie mehr würde Rüdiger lachen, nie mehr die Arme nach ihr ausstrecken und sie an seine Brust ziehen, ihr nie mehr die kleinen Kümmernisse von den Lippen küssen.

Endlich kamen die erlösenden Tränen. Auch einen so hartgesottenen Mann wie Oberst Campen musste Ankes Hilflosigkeit erschüttern. Er trat nahe an sie heran und legte ihr seinen Arm um die Schultern.

»Ich glaube, Rüdiger würde nicht wollen, dass Sie gar so traurig sind, kleine Anke. Für dich geht das Leben weiter, würde er sagen. Du bist rührend jung, und du wirst vergessen.«

»Ein Leben ohne ihn, Oberst? Er war doch mein Leben.«

Sie lehnte den Kopf an seine Schulter, und ein Schluchzen schüttelte ihren Körper.

»Er war alles, was ich hatte.«

»Ich weiß, Kind, und dieses Wissen hat mir auch den Gang hierher so unendlich schwer gemacht. Aber Sie sind nicht allein, Anke. Rüdiger hatte sehr viele Freunde. Ich bin beauftragt, Ihnen ihrer aller Mitleid auszusprechen. Sie warten auf Sie, Anke, und sie werden Ihnen helfen, wo immer sie können.«

»Helfen?«, fragte Anke leise. »Keine Macht der Welt bringt mir meinen Mann zurück, Oberst. Nicht einmal ein Grab wird da sein, an dem ich für ihn beten kann.«

Sie ging hinüber zu einem kleinen Schreibtisch und nahm ein Bild ihres toten Mannes, das dort in einem Silberrahmen stand, in beide Hände. Sie presste ihre Lippen auf das kühle Glas des Bildes, und ihre Tränen tropften darauf nieder.

Oberst Campen fehlten die Worte, um ihr wirklich Trost zu geben, dennoch versuchte er es.

»Wollen Sie heute Abend unser Gast sein, Frau von Toerring? Meine Frau trug mir auf, Sie darum zu bitten.«

Kaum merklich schüttelte die junge Frau den Kopf.

»Sie machen sich Sorgen um mich? O nein, ich werde nichts tun, was ich nicht darf. Ich werde leben, morgen, übermorgen – ich – ich muss ja leben.«

Als bräche der Schmerz erst jetzt ganz auf, presste Anke eine Hand fest gegen die Kehle.

»Leben – für mein Kind«, stieß sie hervor. »Oh, welch armes Kind wird es sein! Keinen Vater wird es haben, und dabei war er so glücklich, als ich es ihm sagte.«

Sie taumelte, und das Bild fiel auf die Schreibtischplatte. Blitzschnell eilte Oberst Campen an ihre Seite, und mit fester Hand stützte er sie.

»Ein Kind? Ist das wahr, Anke? Sie werden ein Kind haben?«

Anke konnte sich nicht mehr auf den zitternden Beinen halten. Der Oberst half ihr zu einem Sessel, und sie lehnte den Kopf zurück und presste beide Hände gegen das tränenüberströmte Gesicht.

»Rüdiger«, wimmerte sie. »O Liebster, wo bist du nur? Du kannst uns doch nicht allein lassen, mich und dein Kind. Wir brauchen

dich!«

»Er wird immer bei Ihnen sein, Anke«, sagte der Oberst mit rauer Stimme. »In Ihrem Herzen und in Ihrem Kind wird er weiterleben. O nein, es ist nicht arm, dieses Ungeborene. Jetzt bin ich sicher, dass es eine sehr tapfere Mutter haben wird. Es wird leben und unbeschwert glücklich sein, so wie sein Vater es war.«

»Unbeschwert?«, sprach Anke ihm nach und nahm die Hände vom Gesicht zurück. »Das war es nicht, Oberst. Im Leben meines Mannes gab es einen großen Schmerz. Bitte, würden Sie mir einen Wunsch erfüllen?«

»Natürlich. Was soll ich tun, Anke?«

»Teilen Sie es seinen Eltern mit! Schreiben Sie ihnen, dass Rüdiger nie mehr zurückkehren wird.«

»Seinen Eltern? Kind, das ist doch – ich meine – nun, ich kannte Ihren Mann sechs Jahre lang, aber nie sprach er von seinen Eltern.«

»Das ist wahr, aber sehr oft dachte er an sie. Immer, wenn er sich unbeobachtet glaubte, stand er dort drüben am Fenster und schaute verloren in die Ferne. O nein, er war nicht so unbeschwert, wie er sich gab. Er trug eine Last, die ihn sehr oft quälte.«

»Dieser strahlende junge Held? Das ist doch kaum glaublich.«

»Und doch ist es wahr. Bitte, Herr Oberst, setzen Sie sich zu mir. Ich will Ihnen erzählen, was einmal war. Jetzt, da Rüdiger tot ist, ist ja auch das zu Ende.«

Es war nicht Neugier, was den Oberst bestimmte, ihren Wunsch zu erfüllen. Sollte sie ruhig sprechen, das würde sie beruhigen und ihr neue Kraft geben.

Anke schluckte ein paarmal, ehe sie zu sprechen begann.

»Mein Mann war der Sohn eines Grafen Gottfried von Toerring. Er kam auf Schloss Braunseck zur Welt, und bei seiner Geburt kündigten ihm die Sterne ein glückliches Leben in Reichtum und Wohlstand an. Sie hätten nicht zu trügen brauchen. Was immer ein Bub sich wünschen mag, leicht hätte man ihm alles geben können. Gewiss, die Mutter tat es wohl auch, der Vater aber war ein Mann, der äußerste Strenge bei der Erziehung seiner Söhne walten ließ. Sein Name und sein Stand waren für ihn wohl höchster Besitz. Seine Söhne sollten Ehrenmänner werden, die hart und zäh jeder Gewalt würden trotzen können. Der Graf erreichte sein Ziel, Rüdiger wurde es, aber was hat er dafür zahlen müssen? Es klingt wie ein böser Traum, aber mein Mann erlebte ihn. Er war vierzehn Jahre alt, als sein Vater den Diebstahl von Geld entdeckte. Hundert Mark waren ihm gestohlen worden. Bei der Suche danach ließ er auch die Zimmer seiner beiden Söhne nicht aus, und er fand es unter Rüdigers Kopfkissen. Das war für ihn der Schuldbeweis. Rüdiger beschwor seine Unschuld. Er flehte seinen Vater an, ihm zu glauben, aber seine Worte stießen auf taube Ohren. Der vermeintliche Sünder wurde in ein Internat verbannt und hat das Schloss nie wieder betreten.«

Anke schwieg erschöpft und mit den Fingerspitzen wischte sie die Tränen fort, die ihr erneut in die Augen traten.

Ungläubig schaute der Oberst sie an.

»Nie wieder?«, fragte er. »Um lumpige hundert Mark hatte Hauptmann Toerring seine Heimat verloren?«

»Das Geld war nur der Anstoß, der die Lawine ins Rollen brachte. Ich habe den alten Grafen nie im Leben gesehen, aber eines weiß ich: Rüdiger muss seinem Vater sehr ähnlich gewesen sein. War er zuerst nur erschreckt und traurig, so erwachte über den Trotz eines Buben allmählich der Stolz eines Toerring. Als Mutter und Bruder ihm Briefe ins Internat sandten und darin kein einziges Wort vom Vater zu finden war, wusste Rüdiger, dass sie ihm heimlich schrieben. Das wollte er nicht, also antwortete er auch nicht.

Von seinen Lehrern erfuhr er, dass der Graf sich nach seinen Fortschritten regelmäßig erkundigte und dabei nie vergaß, sie zu ermahnen, den Sohn mit aller Strenge zu erziehen. Das taten sie natürlich, und für Rüdiger, der ja noch ein Kind war, wurde das Leben dort fast unerträglich.

In seiner Not wandte er sich noch einmal bittend an den Vater. Wieder schwor er ihm, kein Dieb zu sein. Die Antwort des Grafen lautete: ›Ein Mann steht zu seiner Tat und flennt nicht wie ein kleines Mädchen. Erst dann kannst du heimkehren, wenn du bereit bist, dich zu entschuldigen.‹

Dazu war Rüdiger nicht bereit, Oberst. Er bezwang sein Heimweh und verschloss seine Sehnsucht ganz fest in seinem Herzen. Er wurde ein Toerring, so wie der Graf es gewollt hatte.«

»Aber Kind, er – er hatte eine Mutter und einen Bruder. Auch sie besuchten ihn nie?«

»Doch, sie kamen, und Rüdiger wusste, dass sie ihn lieb hatten. Als er mir das Wiedersehen mit ihnen schilderte, war er noch nach all den Jahren tief gerührt, aber was sie von ihm forderten, konnte er nicht erfüllen. »Gib nach, Junge! Beuge dich dem Willen deines Vaters und entschuldige dich!« Nicht die Tränen seiner Mutter und nicht die beschwörenden Worte seines Bruders konnten ihn dazu bewegen. So unendlich schwer es ihm fiel, er bat beide, nicht mehr wiederzukommen.

So vergingen die Jahre, und aus dem Buben wurde ein junger Mann, der es gelernt hatte, allein zu sein. Er bestand sein Examen glänzend, und als der Graf es erfuhr, fand er kein Wort der Anerkennung, er bestimmte lediglich, dass er nun studieren solle. Vielleicht hätte Rüdiger auch jetzt gehorchen müssen. Er war neunzehn Jahre alt, also noch nicht großjährig. Aber seit Langem war er fest entschlossen, nicht mehr länger vom Gelde seines Vaters zu leben.

Er wollte es ihm schreiben, aber dazu kam es nicht mehr.

Der Graf erlebte den gewiss schwersten Tag seines Lebens. Sein langjähriger Verwalter starb und hinterließ seinem Herrn einen Brief, in dem er den Diebstahl der hundert Mark eingestand. Er sei in Not gewesen, entschuldigte er sich, und er habe fest vorgehabt, das Geld so bald wie möglich in die Kassette zurückzulegen. Als der Graf aber dann so hartnäckig zu suchen begann, habe er sich Rüdigers Kopfkissen als Versteck ausgesucht. Nie habe er es für möglich gehalten, dass der Herr auch seinen Sohn nicht schonen würde. Seine Stellung und seine Liebe zu Braunseck seien ihm dann wichtiger als der Junge gewesen und er habe geschwiegen.

Gebeugt und schuldbewusst trat der Graf seinem Sohn gegenüber. Rüdiger bemerkte es wohl, aber die Zeit war zu lang gewesen. Er konnte dem Vater seine Hand nicht reichen. ›Gib mir die fünf Jahre zurück‹, forderte er. ›Wenn du kannst, will ich dir verzeihen‹. Rüdiger hat unter seiner Härte sehr gelitten, aber er konnte einfach nicht vergessen. An der unerbittlichen Strenge seiner Erziehung war die Liebe zu seinem Vater gestorben.

Was mein Mann dann tat, wissen Sie, Oberst. Er studierte nicht, sondern wurde Flieger. Er ging für Jahre nach Amerika, um möglichst viel Raum zwischen sich und die Seinen zu legen, und als er zurückkam, war ich hier.«

»Ich war mit ihm drüben«, sagte der Oberst, »aber nicht ein einziges Mal habe ich ihm angemerkt, dass ihn etwas bedrückte. Mein Gott, warum hat er sich nicht ausgesprochen? Er hätte den Rat eines Freundes gebraucht.«

»Was hätten Sie ihm geraten, Oberst?«

»Welche Frage, Kind! Gewiss, zu verzeihen ist unendlich schwer, aber es zu können und auch zu tun, ist unendlich schön.«

»Eines Tages hätte er es vielleicht getan, aber Sie sehen, es hat wohl nicht sein sollen. Das Schicksal hat Rüdiger überrannt. Es ist zu spät, Oberst.«

»Für ihn, ja, aber Sie leben,

Anke, und Sie sind auch eine Toerring.«

Die verweinten Augen der jungen Frau weiteten sich. Entsetzt schüttelte sie den Kopf.

»Sie meinen, ich sollte zu ihnen gehen? O nein, nein, das werde ich niemals tun.«

»Seine Eltern sind alte Leute. Glauben Sie nicht, dass sie dankbar wären für den Trost, den Sie brächten?«

»Es wäre eine Lüge, wenn ich ihnen sagte, dass ihr Sohn mich schickt, und Rüdiger verabscheute Lügen. Nein, ich darf nicht zu ihnen gehen.«

»Auch Ihr Kind wird ein Toerring sein, Anke. Hat es nicht ein Recht, dort zu leben, wohin sein Vater gehörte?«

»Braunseck ist eine Welt, in die ich nicht gehöre. Sie weiß nichts von mir, und das ist gut so. Nicht wahr, Sie werden meine Bitte erfüllen und ihnen die Nachricht geben, ohne mich zu erwähnen?«

»Sie wissen nicht, was Sie Ihrem Kind nehmen, Anke.«

»Sagten Sie nicht, dass es eine tapfere Mutter haben wird? Ich will versuchen, es zu sein, und Gott mag geben, dass es sich damit zufriedengibt. Auch auf Schloss Braunseck würde ich Rüdiger nicht wiederfinden, Oberst.«

»Nein, das würden Sie wirklich nicht. Vielleicht haben Sie recht, das Unglück ist groß genug. Ich werde also schreiben und so im Sinne Ihres Mannes handeln. Und ich kann Sie jetzt wirklich allein lassen?«

Anke nickte und erhob sich aus ihrem Sessel. Als sie ihm ihre Hand reichte, fühlte der Oberst, dass sie eiskalt war.

*

So wie der Oberst es vorausgesagt hatte, fand Anke in der kleinen Garnison viele Freunde. Sie teilten ihren Schmerz und ebneten ihr den Weg in ein Leben ohne Rüdiger.

Und die junge Frau dankte ihnen, indem sie ihr Weh tapfer in sich verschloss. Nein, man sollte sich keine Sorgen um sie machen.

Es musste ja weitergehen, und es ging weiter.

Anke nahm das Angebot des Obersten an und wurde seine Sekretärin. So konnte sie ihre Wohnung behalten und mit ihr die Erinnerung an die gar so kurze schöne Zeit ihres Glücks.

Die Freude auf das noch Ungeborene kehrte in Ankes Herz zurück. Nein, es war nicht sinnlos, dass es zur Welt kommen würde, jetzt wusste sie es. Das Kind würde ihrem Leben wieder einen Sinn geben.

Freilich, je näher die Geburt rückte, umso mehr Gedanken machte sie sich. Wohin sollte sie es während der Dienstzeit geben? Wer würde es behüten, solange sie an der Maschine saß, um das Geld zum Leben zu verdienen?

Lioba, die Frau von Hauptmann Brüning, der Rüdigers bester Freund gewesen war, nahm ihr diese Sorge.

»Dummchen!«, schalt sie. »Habe ich nicht Zeit im Überfluss? Meine beiden Rangen sind aus dem Gröbsten längst heraus, und weiß Gott, es kann ihnen nicht schaden, wenn sie Rücksicht auf ein Baby zu nehmen haben. Du wirst es uns morgens bringen, und wir werden es wie einen Augapfel hüten, und nachmittags holst du es dir dann heim.«

Ja, so war Lioba. Sie bestimmte ganz einfach, wie dies oder jenes gemacht wurde, und in ihren Augen war alles ganz leicht. Es war schön, sich unter ihren Fittichen verkriechen zu können, und jetzt verstand Anke, warum Rüdiger von der Frau seines Freundes so begeistert gewesen war.

Ein halbes Jahr war Rüdiger von Toerring tot, als sein kleiner Sohn zur Welt kam. Für Anke war es ein unendlich schwerer Tag, aber sie zeigte es nicht. Tapfer lächelnd nahm sie die Glückwünsche all ihrer Freunde entgegen. Ein hübscher Bub war er, der kleine Rüdiger, und am stolzesten auf ihn war Lioba.

»Nun haben wir zu unseren beiden Mädchen doch endlich einen Buben«, frohlockte sie, und herzlich küsste und streichelte sie ihn.

Anke konnte das Baby der Freundin ohne Bedenken anvertrauen, während sie selbst treulich ihren Dienst tat. Ruhe war in ihrem Herzen eingekehrt.

*

Oberst Campen liebte es nicht gerade, bei der Arbeit gestört zu werden. So blickte er auch recht mürrisch auf, als sein Adjutant ihm meldete: