Eine Prinzessin verliert ihr Herz - Yvonne Bolten - E-Book

Eine Prinzessin verliert ihr Herz E-Book

Yvonne Bolten

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Prinz Christian von Greifstein hatte gerade sein Studium der Land- und Forstwirtschaft in München abgeschlossen. Die Wochen vor dem Examen waren anstrengend gewesen. Der junge Prinz hatte auch die Wochenenden zum Lernen benutzt. Jetzt kam er zum ersten Mal wieder nach Hause ins Fränkische, nach Schloss Greifstein. Er brachte seinen Freund und ehemaligen Studien­kollegen, den Grafen Hans von Lehrfelden mit. Der Prinz pfiff sehr fröhlich vor sich hin und steuerte dabei seinen kleinen weißen Sportwagen die Serpentinen der Landstraße hoch. Sein Freund war so unmusikalisch, dass er nicht einmal pfeifen konnte. Als sie auf der Kuppe des Hügels angelangt waren, hörte Prinz Christian auf zu pfeifen und bremste seinen Wagen. »Schau mal, dort unten im Tal, dort liegt Schloss Greifstein«, erklärte er dem jungen Grafen. »Ich sehe nur eine große runde Kuppel, Christian.« »Ja, mehr ist von hier aus auch wegen der hohen Bäume nicht zu erkennen. Die Kuppel gehört zum Hauptschloss. Und ein Stück vom grauen Schieferdach schimmert dort auf der linken Seite zwischen den Ästen der alten Rotbuche«, erwiderte Prinz Christian. »Christian, es ist hier wirklich ganz herrlich. Langsam fange ich an zu verstehen, warum du beabsichtigst, dich auf Schloss Greifstein zu verkriechen.« »Nicht verkriechen, mein Lieber. Das gerade nicht. Ich will hier arbeiten, ich will hier leben und glücklich sein.

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Fürstenkrone – 138–

Eine Prinzessin verliert ihr Herz

Auf Greifstein fand Iris die große Liebe ...

Yvonne Bolten

Prinz Christian von Greifstein hatte gerade sein Studium der Land- und Forstwirtschaft in München abgeschlossen. Die Wochen vor dem Examen waren anstrengend gewesen. Der junge Prinz hatte auch die Wochenenden zum Lernen benutzt.

Jetzt kam er zum ersten Mal wieder nach Hause ins Fränkische, nach Schloss Greifstein. Er brachte seinen Freund und ehemaligen Studien­kollegen, den Grafen Hans von Lehrfelden mit.

Der Prinz pfiff sehr fröhlich vor sich hin und steuerte dabei seinen kleinen weißen Sportwagen die Serpentinen der Landstraße hoch. Sein Freund war so unmusikalisch, dass er nicht einmal pfeifen konnte.

Als sie auf der Kuppe des Hügels angelangt waren, hörte Prinz Christian auf zu pfeifen und bremste seinen Wagen.

»Schau mal, dort unten im Tal, dort liegt Schloss Greifstein«, erklärte er dem jungen Grafen.

»Ich sehe nur eine große runde Kuppel, Christian.«

»Ja, mehr ist von hier aus auch wegen der hohen Bäume nicht zu erkennen. Die Kuppel gehört zum Hauptschloss. Und ein Stück vom grauen Schieferdach schimmert dort auf der linken Seite zwischen den Ästen der alten Rotbuche«, erwiderte Prinz Christian.

»Christian, es ist hier wirklich ganz herrlich. Langsam fange ich an zu verstehen, warum du beabsichtigst, dich auf Schloss Greifstein zu verkriechen.«

»Nicht verkriechen, mein Lieber. Das gerade nicht. Ich will hier arbeiten, ich will hier leben und glücklich sein. Hier ist meine Heimat, und hier gehöre ich hin«, stellte Prinz Christian richtig.

»Zum Glücklichsein gehört eine Frau. Und wenn ich mich nicht sehr täusche, ist da in deinem Fall noch keine in Sicht. Aber vielleicht täusche ich mich ja, und du hast schon ein hübsches Mädchen ins Auge gefasst«, meinte der Graf.

»Nein, Hans, du täuschst dich nicht. Es gibt viele, die mir gefallen. Aber die Eine, die Einzige, die schöner, liebevoller, wunderbarer als alle anderen ist, der bin ich bisher noch nicht begegnet«, stimmte Prinz Christian lachend zu.

»Ich glaube, ein solches Wunderwesen, wie du es suchst, gibt es auch nur in Romanen.«

»Sag das nicht.«

»Wenn du genauer hinguckst, dann hat jede etwas, was nicht so schön und nicht so wunderbar ist. Aber Liebe macht ja blind, wie es so schön heißt. Und wenn einem dann die Augen aufgehen, ist es oft schon zu spät.«

»Wenn du das so siehst, wirst du wahrscheinlich nie eine Frau finden«, versicherte Prinz Christian noch immer lachend.

»Das habe ich auch gar nicht vor. Zum Amüsieren – gut. Aber zum Heiraten – nein, nicht mit mir.«

»Armer Hans.«

»Die Zukunft wird noch zeigen, ob nicht du es sein wirst, den ich bedauern muss«, erwiderte der Graf.

Während dieses Gespräches waren die beiden jungen Männer die Straße hinuntergefahren. Vor einem schmiedeeisernen Tor, das verschlossen war, hielt der Prinz seinen Wagen wieder an.

Zu beiden Seiten des Tores zog sich eine hohe Mauer entlang. Sie bestand aus Feldsteinen. Zwischen den Ritzen und oben auf ihrer Rundung wuchs weiches Moos und weiße Steinblumen.

Prinz Christian wollte aussteigen, um das Tor zu öffnen.

In diesem Augenblick trat hinter einer dichten Rosenhecke ein junges Mädchen hervor. Es trug einen naturfarbenen Strohhut mit breiter Krempe, ein übergroßes T-Shirt mit einem breiten Gürtel und Jeans, dazu hohe Schnürstiefel. In der rechten Hand hielt es eine Blumenschere.

»Bleiben Sie im Auto. Ich öffne Ihnen das Tor«, sagte sie. Ihre Stimme klang hell und fröhlich, und sie war sehr deutlich zu hören.

Trotzdem taten Prinz Christian und sein Freund so, als hätten sie ihre Aufforderung, im Auto sitzen zu bleiben, nicht gehört. Sie stiegen aus.

»Guten Tag. Sind Sie die neue Gärtnerin?«, erkundigte sich der Prinz.

Sie schien einen Moment lang zu überlegen. »Ja, das bin ich«, erwiderte sie dann und lachte. Dabei nahm sie den Hut von ihrem Kopf. Zum Vorschein kam eine Fülle hellblonder Locken.

Prinz Christian starrte sie an. Er hatte das seltsame Gefühl, als sei er am helllichten Sommertag vom Blitz getroffen worden. Sein Herz hatte für eine oder sogar zwei Sekunden aufgehört zu schlagen. Gleich darauf war es dann aber in so rasenden Galopp gefallen, dass der Prinz tief Luft schöpfen musste. Er gestand sich ein, dass er noch nie so viel Liebreiz bei einem Menschen vereinigt gesehen hatte.

Das Mädchen war mittelgroß und schlank wie eine jener Birken, die im Schlosspark wuchsen. Ihre Augen strahlten wie der klare und tiefblaue Himmel an diesem Tag, und auf ihren Wangen lag ein zarter rosafarbener Schimmer.

Das ist sie, hörte der Prinz sein Herz sagen. Das ist das Mädchen, nach dem ich mich immer gesehnt und das ich überall gesucht habe. Sie, die schöner und wunderbarer ist als alle anderen.

Sein Freund schien dagegen eher die praktische Seite dieser Begegnung zu sehen. »Würden Sie so liebenswürdig sein und mir eine Rose abschneiden?«, bat er.

»Nur eine?«, fragte sie zurück und lächelte dabei auf eine Art, bei der dem Prinzen das Herz noch weiter aufging.

»Ja, nur eine einzige. Wie Sie wahrscheinlich wissen, feiern wir morgen auf Schloss Greifstein ein Tauffest. Ich möchte die Rose dem kleinen Täufling schenken. Es ist ein Mädchen.«

»Bis morgen ist die Rose aber verblüht«, gab das Mädchen zu bedenken.

»Das stimmt allerdings. Dann werde ich dem kleinen Täufling die Rose schon heute überreichen«, gab der Graf zur Antwort.

Jetzt lachte die Frau. »Ist ein Baby nicht etwas zu jung für rote Rosen?«

»Man kann gar nicht früh genug damit anfangen«, versicherte Hans Graf von Lehrfelden.

Statt einer Antwort nahm das Mädchen jetzt ihre Schere und schnitt eine vollerblühte Rose ab. Bevor sie sie dem Grafen reichte, roch sie daran. »Bitte schön«, sagte sie.

»Vielen Dank.« Nachdem er die Rose in ein Knopfloch seines Polohemdes gesteckt hatte, zog der Graf sein Portemonnaie hervor und reichte dem jungen Mädchen eine Münze.

Sie wirkte für einen Moment sehr erstaunt. Aber dann lachte sie wieder hell auf, nahm die Münze und steckte sie in die Tasche ihrer Jeans.

»Vielen Dank auch. Das ist aber wirklich sehr freundlich von Ihnen«, erklärte sie und machte einen Knicks. Danach setzte sie mit Schwung wieder ihren Gartenhut auf und fuhr fort, die Rosen zu schneiden.

Prinz Christian hätte ihr gerne noch etwas Nettes gesagt. Weil ihm aber nichts Passendes einfiel, setzte er sich wieder in seinen Wagen. Der Graf nahm neben ihm Platz.

Nachdem sie das Tor passiert hatten, meinte der Prinz: »Hast du schon jemals ein so hübsches Mädchen gesehen?«

»Ja, sie sah ganz passabel aus.«

»Passabel. Sie ist eine Schönheit.«

»Sie ist eine schöne Gärtnerin«, erwiderte der Graf.

»Nein, sie ist keine Gärtnerin«, widersprach der Prinz.

»Warum sollte sie es nicht sein?«

»Hans, hast du denn nicht ihre Hände gesehen, als sie dir die Rose gegeben hat? Sie waren schneeweiß. Nein, Hans, das waren wirklich nicht die Hände eines jungen Mädchens, das gewohnt ist, Gartenarbeit auszuführen«, versicherte Prinz Christian.

»Wahrscheinlich trägt sie sonst bei der Arbeit Handschuhe. Du bist schon wieder einmal dabei, dir eine romantische Geschichte zurechtzuzimmern, Christian. Gut, sie ist recht schön und sie hat makellos weiße Hände. Aber sie ist eine Gärtnerin, die sich für ein kleines Trinkgeld sehr artig mit einem ganz reizenden altmodischen Knicks bedankt hat. Ganz so, wie es früher auf dem Lande üblich war.«

Prinz Christian wollte gerade entgegnen, dass er es als sehr unpassend empfunden hatte, dem jungen Mädchen eine Münze zu geben. Aber da tauchte auch schon hinter den ausladenden Ästen uralter Zedern und herrlicher Buchen vor ihren Augen die Anlage von Schloss Greifstein auf.

Die Gebäude standen so zueinander, dass sie einen Halbkreis bildeten. Sie stammten ausnahmslos aus der Barockzeit. Da seit damals nichts an ihnen verändert worden war, ergab sich eine Einheit von vollendeter Harmonie.

Das Hauptschloss war ein zweistöckiger Bau, dessen Ostflügel von der mächtigen Kuppel beherrscht wurde, die Prinz Christian seinem Freund von der Landstraße aus gezeigt hatte. Der sich mit einigen Metern Abstand daran anschließende Marstall, zwei große Wirtschaftsgebäude und ein ganz reizendes Gärtnerhaus und eine Kapelle rundeten die Anlage ab.

Durch die Mitte des Hauptschlosses führte ein hoher Torbogen zu einem weitläufigen Park, den vor über zweihundert Jahren ein berühmter englischer Gartenbauarchitekt angelegt hatte. Auf der zur Parkseite hin gelegenen großen Terrasse spielte sich im Sommer ein großer Teil des Lebens der fürstlichen Familie ab. Das war auch der Grund, weshalb niemand die Ankunft des Prinzen und seines Freundes bemerkte.

Normalerweise waren nur etwa die Hälfte der grüngestrichenen Fensterläden des Hauptschlosses geöffnet, denn von den über vierzig Zimmern wurden von der fürstlichen Familie nur zwölf bewohnt. An diesem warmen und herrlichen Sommertag gab es aber keines, deren Flügel nicht weit zurückgeklappt waren.

Fürstin Christina und ihr Mann, Fürst Wolfgang, hatten die Taufe ihres ersten Enkelkindes zum Anlass genommen, Verwandte und gute Freunde nach Schloss Greifstein einzuladen.

Die meisten von ihnen übernachteten nicht nur auf dem Schloss, sondern nahmen die Gelegenheit wahr und verbrachten dort gleich mehrere Tage.

Prinz Christian stellte seinen Wagen im Schlosshof neben einem cremefarbenen Rolls Royce ab, an dessen rechtem Fenster eine kleine Standarte angebracht war.

Die beiden jungen Männer stiegen aus. Der Graf von Lehrfelden sah sich verwundert um. »Das ist ja ein Glanz und Gloria wie in alten Zeiten«, sagte er.

Prinz Christians Antwort war ein Lachen. »Komm, Hans, lass uns reingehen«, meinte er und hob seine Reisetasche aus seinem Sportwagen.

*

»Christian, endlich«, rief Prinzessin Claudia von Wartheim, geborene Prinzessin von Greifstein. Mit strahlendem Gesicht fiel sie ihrem Bruder im großen Salon um den Hals.

Wie es zu vermuten gewesen war, hatte Fürstin Christina mit einem Teil ihrer Familie und Freunden auf der großen, dem Park zugewandten Terrasse gesessen, die mit dem Salon durch eine hohe Flügeltür verbunden war.

Als die Fürstin jetzt den freudigen Ausruf ihrer Tochter hörte, stand sie schnell auf. »Christian ist da«, erklärte sie und eilte ebenfalls in den Salon.

»Mama«, sagte der Prinz und gab seiner Mutter einen Kuss auf jede Wange.

»Endlich«, sagte auch die Fürstin und hielt ihren Sohn um Armeslänge von sich. »Gut siehst du aus, mein Junge«, stellte sie mit mütterlichem Stolz fest.

»Du auch, liebe Mama«, erwiderte der Prinz lächelnd.

Mit ihren fünfzig Jahren war die Fürstin noch immer eine sehr schöne Frau. Dunkelbraunes dichtes Haar umgab ein längliches Gesicht, dem man ihre Herkunft aus England ansah. Tatsächlich war die Urgroßmutter der Fürstin eine Nichte der englischen Königin Viktoria gewesen. Von dieser Ahnin hatte nicht nur die Fürstin, sondern auch ihr Sohn das klassische Profil und die sehr klaren hellgrauen Augen geerbt.

Im Gegensatz zu Fürstin Christina, die eine etwas rundliche Figur hatte, was ihr aber ganz ausgezeichnet stand, war Prinz Christian rank und schlank. Er überragte nicht nur seine Mutter, sondern auch seine Schwester um Kopfeslänge. Ansonsten war Prinz Christian der Fürstin jedoch wie aus dem Gesicht geschnitten.

»Mama, Claudia, darf ich euch meinen Freund Hans Graf von Lehrfelden vorstellen?«, bat der Prinz.

Nachdem der Graf herzlich willkommen geheißen worden war, gingen sie auf die Terrasse. Dort ging die Vorstellung weiter.

Anwesend waren die Fürstin und der Fürst von Kannitz, die Eltern von Fürstin Christina. Zu den Gästen zählten Komtess Margrit von Bergen-Anken, Prinz Waldemar von Beuren, Fürstin Margarete und Fürst Klaus von Bisbingen. Der Vater des kleinen Mädchens, das getauft werden sollte, Prinz Philipp von Wartheim und seine Eltern waren ebenfalls zugegen.

»Aber die wichtigste Person habt ihr noch gar nicht begrüßt«, meinte Claudia zu ihrem Bruder und dessen Freund.

Dabei hob sie ein Baby aus einem Kinderwagen. Die Kleine war gerade fünf Monate alt und guckte schon recht neugierig in die Welt. Wegen der starken Hitze trug sie nur ein buntes Spielhöschen, unter der ihre drallen Beinchen hervorstachen und ein rosafarbenes Baumwolljäckchen. Auf seinem Kopf ringelten sich winzige hellblonde Löckchen.

»Hast du aber eine niedliche Nichte, Christian«, ließ sich Graf Hans von Lehrfelden vernehmen.

Der Prinz lachte und nahm seiner Schwester das Baby ab. »Ja, Julchen kommt ganz nach ihrem Onkel. Weißt du noch, wie man pfeift, Julchen? Ich habe es dir doch vor ein paar Wochen gezeigt«, erinnerte er.

»Aber Christian. Du wirst Julchen doch wohl nicht schon in zartestem Kindesalter schlechte Sitten beibringen wollen. Wie heißt es doch so schön? Mädchen, die pfeifen, bekommen keinen Mann«, meinte Fürstin Margarete von Beu­ren, die für jede passende und unpassende Gelegenheit eine Spruch-Weisheit parat hatte.

»Julchen ist jetzt schon so schön und in ihrer lieben Art so reizend, dass ihr später die Männer in Heerscharen nachlaufen werden. Stimmt’s, Julchen?«, fragte Prinz Christian und pfiff seiner kleinen Nichte das Liedchen »Kommt ein Vogel geflogen« vor.

Julchen sah ihn mit großen Augen an, und dann geschah das, was Prinzessin Claudia als stolze Mama später immer als Wunder bezeichnete.

Julchens Gesicht verzog sich zu einem strahlenden Lächeln. Die Kleine spitzte ihre rosigen Lippen, und dann begann sie ebenfalls zu pfeifen.

»Da bin ich aber mal mächtig platt«, rief Fürstin Anne von Kannitz, die Mutter von Fürstin Christina, voller Begeisterung aus.

Die alte Dame stammte aus dem hohen Norden Deutschlands. Sie lebte zwar schon seit über fünfzig Jahren mit ihrem Mann auf einem Schloss im Hessischen. Wenn sie einer Bemerkung besonderen Nachdruck verleihen wollte, sprach sie jedoch nach wie vor mit Vorliebe plattdeutsch.

»Worüber bist du platt?«, erkundigte sich Fürst Wolfgang. Er war durch die Fenstertür auf die Terrasse gekommen. In seiner Begleitung waren wie immer seine beiden dunkelbraunen Jagdhunde Max und Moritz.

Der Fürst war ein ganz ungewöhnlich gut aussehender Mann mit grau meliertem Haar, schmalem Gesicht, braunen Augen und einem braunen sehr gepflegten Schnurrbart. Er und sein Sohn Prinz Christian waren gleich groß, was bedeutete, dass Vater und Sohn die meisten anderen Anwesenden um eine Kopflänge überragten.

»Ich bin platt, weil dein Enkelkind, also meine Urenkelin, schon pfeifen kann, Wolfgang«, erklärte Fürstin Kannitz.

»Da bin ich auch platt. Julchen, pfeif mir mal was vor«, bat der Fürst.

Julchen hatte aber keine Lust mehr. Sie lehnte ihr Köpfchen an die Schulter ihrer Mutter und sah ihren Großvater freundlich an.

»Na ja, vielleicht später«, meinte der Fürst und wandte sich seinem Sohn und dem Grafen zu. »Herzlich willkommen«, sagte er auf seine offene Art.

»Papa, ich freue mich, wieder zu Hause zu sein«, versicherte Prinz Christian und umarmte seinen Vater.

»Diesmal lasse ich dich auch nicht so bald wieder weggehen, mein Sohn. Und Sie, Graf, bleiben hoffentlich auch eine Weile unser Gast«, meinte der Fürst, indem er sich Graf Hans von Lehrfelden zuwandte.

»Gerne, wenn Sie es erlauben«, erwiderte der junge Graf.

»Ich bitte Sie sogar darum«, war die Antwort des Fürsten.