Fürstenkrone Box 14 – Adelsroman - Yvonne Bolten - E-Book

Fürstenkrone Box 14 – Adelsroman E-Book

Yvonne Bolten

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Beschreibung

Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. E-Book 76: Der Stolz der schönen Diana E-Book 77: Doch ihr Herz war von Adel E-Book 78: Der heimliche Graf E-Book 79: Fürstin meines Herzens E-Book 80: Ich lass dich nicht aus meinen Armen

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Inhalt

Der Stolz der schönen Diana

Doch ihr Herz war von Adel

Der heimliche Graf

Fürstin meines Herzens

Ich lass dich nicht aus meinen Armen

Fürstenkrone – Box 14 –

E-Book 76-80

Yvonne Bolten Marisa Frank Carola Vorberg Gabriela Stein Friederike von Buchner

Der Stolz der schönen Diana

Als sie für die große Liebe kämpfte

Roman von Bolten, Yvonne

Die junge Prinzessin Diana von Buchenhain zuckte leicht zusammen, als dicht vor ihr eine Amsel aufflog. Sie horchte angespannt in die Stille hinein, die sie umgab, und wandte sich dann noch einmal zurück.

Am anderen Ende des Parks, hinter dem langgestreckten Bassin mit den Terrakottafiguren zu beiden Seiten, leuchtete das schneeweiße Schloss der Fürsten von Buchenhain in der Morgensonne.

Dianas Mund öffnete sich. Wie herrlich war alles, was sie umgab. Die uralten Buchen, deren Kronen sich über den beiden ebenerdigen Seitenflügeln des Schlosses wölbten, die dunkelgrünen Zypressen, die hinter dem spitzen Giebel des Hauptschlosses zu erkennen waren. Der Park mit seinen weiten Rasenflächen, den blühenden Buschgruppen. Das Singen der Vögel.

Ein Schauer des Glücks durchströmte Diana. Sie öffnete das kunstvolle schmiedeeiserne Tor, das den Besitz ihres Vaters von der Außenwelt abschloss. Mit leisem Klicken fiel es ins Schloss zurück.

Freiheit – solange Diana zurückdenken konnte, hatte die Welt hinter diesem Tor für sie Freiheit bedeutet. Heute, einen Tag nach ihrem zwanzigsten Geburtstag, wollte sie diese Freiheit zum ersten Mal kennenlernen: Ohne eine Erzieherin, ohne den Vater, ohne Verwandte, die jeden ihrer Schritte beobachteten.

Niemand hatte die Flucht der jungen Prinzessin bemerkt.

Diana lief über die Asphaltstraße. Bald tauchte Buchenhain vor ihr auf, das Dorf, das seinen Namen vom Schloss her hatte.

Um von keinem seiner Bewohner erkannt zu werden, schlug Diana einen schmalen Weg ein, der von der Straße weg durch ein Tal führte.

Ein Dornenstrauch zerriss Dianas seidene Strümpfe. Sie kümmerte sich nicht darum. Herrlich war es, dieses Gefühl von Freiheit, dieses Abenteuer ihrer Flucht.

Etwa eine halbe Stunde später erreichte Diana wieder die Landstraße. Schloss und Dorf Buchenhain lagen hinter einem Wald und waren nicht mehr zu erkennen.

Diana berührte mit der rechten Hand die Geldbörse in der Tasche ihres weiten Rockes. Es war genug Geld, um in der etwa hundert Kilometer entfernten Großstadt durch die belebten Straßen zu bummeln, in einem Straßenrestaurant zu Mittag zu essen. Irgendetwas Unnützes zu kaufen.

Als ein Bus näherkam, hob Diana ihre Hand. Aber der Busfahrer achtete nicht auf sie und fuhr weiter.

»Dann eben nicht«, sagte Diana laut.

Zehn Minuten später keuchte ein uralter Personenwagen den Hügel hinauf. Einen winzigen Augenblick zögerte Diana, dann hob sie wieder winkend einen Arm.

Der Wagen keuchte, der Motor gab ein Blubbern von sich, dann hielt das Auto neben Diana.

Ein junger Mann neigte sich lachend heraus.

»Wollen Sie mitkommen?«

»Fahren Sie in Richtung Stadt?«

»Ja. Steigen Sie ein. Ich hoffe, meine alte Kiste streikt nicht.«

Der junge Mann hielt Diana die Tür auf, und sie nahm an seiner Seite Platz.

Der Motor ratterte. Er tat sich schwer, den Hügel bis zur Kuppe zu erklimmen.

»So, geschafft«, seufzte der junge Mann und betrachtete Diana von der Seite.

»Haben Sie denn gar keine Angst vor Räubern?«, fragte er lachend.

»Sind Sie vielleicht ein Räuber?«, fragte Diana lächelnd zurück.

»Nicht ganz. Obwohl ich eine Art Räuberleben führe.«

»Ich habe mir schon immer einmal gewünscht, einen richtigen Räuber kennenzulernen. Ich könnte dann seine Räuberbraut sein.«

In diesem Moment machte der Wagen einen Satz nach vorn, Diana und der junge Mann wurden kräftig durchgeschüttelt, dann stand das Auto.

»Er hat eben seine Launen. Nun müssen wir warten, bis sich der Motor abgekühlt hat. Wir könnten die Zeit ausnutzen und frühstücken. Oder haben Sie schon etwas gegessen?«

Diana schüttelte den Kopf. Plötzlich bemerkte sie, dass sie Hunger verspürte.

»Na also.« Der junge Mann hob einen Korb vom Rücksitz des Wagens und trug eine karierte Decke auf ein Rasenstück neben der Autostraße. Dort breitete er sie aus.

»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte er, indem er eine Flasche Rotwein, Brötchen, Wurst und Käse dem Korb entnahm.

Diana überlegte rasch. Sie wollte nicht, dass der Fremde ihren Namen erfuhr.

»Diana Hain«, entgegnete sie und spürte, wie sie ein wenig rot wurde.

»Wir haben Glück, Diana, dass hier so selten ein Auto vorbeifährt. Hier ist ein Becher für Rotwein. Gut, dass mein Freund mir noch etwas zum Essen eingepackt hat. Dann brauchen wir wenigstens nicht zu verhungern.«

Als Diana den Becher mit Rotwein ergriff, betrachtete der junge Mann sie.

»Diana, wissen Sie, an wen Sie mich erinnern?«

»Nein.«

»Im Salon meiner Mutter hängt neben vielen anderen Miniaturen ein kleines Bild, das entfernte Kusine meiner Mutter darstellt. Ich glaube, sie war Italienerin, eine Fürstin aus der Toskana. Als Junge war ich richtig verliebt in sie und untröstlich, als meine Mutter mir sagte, dass die Frau nicht mehr am Leben ist. Ach, was bin ich überhaupt für ein unhöflicher Mensch. Ich frage Sie nach Ihrem Namen und stelle mich selbst nicht einmal vor. Also, Hubertus von Homberg.«

Hubertus machte eine steife Verbeugung und lachte gleich darauf.

Hubertus von Homberg… Diana erinnerte sich an ein Gespräch ihres Vaters mit einem ihrer Onkel. Von dem Grafen von Homberg war die Rede gewesen. Von einem Streit zwischen dem Grafen und Dianas Vater, der schon lange zurückliegen musste. Und davon, wie wenig Glück der Graf mit seinen Kindern hatte. Den Jüngsten hatte man sogar ausgestoßen. Er führe das Leben eines Vagabunden, wollte Schriftsteller werden. Ein Unglück sei es, einen solchen Sohn zu haben.

Die beiden jungen Menschen sahen sich an. In dieser Sekunde geschah ihnen etwas Seltsames. Beide erschauerten. Ein nie gekanntes Gefühl ergriff sie. Eine starke Macht zog sie zueinander. Beide hatten das Empfinden, als würden sie sich seit langer Zeit kennen.

Ein Leben lang erinnerten sich Diana und Hubertus an diese Sekunde des Erkennens, als Liebe in ihnen aufgeflammt war.

Sie waren verwirrt, erschrocken und unendlich glücklich.

»Setzen Sie sich doch«, sagte Hubertus leise.

Er betrachtete Diana, wie sie sich auf die karierte Decke niedergleiten ließ. Sie war nicht tot, die Frau auf dem Bild im Salon seiner Mutter. Sie saß hier auf der Decke neben ihm. War sie es selbst, oder war es nur ihr Ebenbild?

Diana besaß die gleichen schwarzglänzenden Locken, die in ihr schmales Gesicht fielen, die gleichen dunklen Augen mit den hohen Bogen der Augenbrauen, den feingeschwungenen Mund und die olivfarbene Haut. Wenn sie lächelte, veränderte sich ihr Gesicht. Es schien von innen heraus zu leuchten.

Hubertus verschränkte seine überlangen Beine unter seinem schlanken Körper. Er reichte Diana ein Brötchen.

Unten im Tal läuteten Kirchenglocken. Tiefer Frieden herrschte.

Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass Diana im Freien frühstückte.

»Führen wir jetzt nicht schon ein bisschen ein Räuberleben?«, fragte sie und trank einen Schluck Rotwein.

Hubertus lachte. Er strich sich eine Strähne seines glatten dunkelblonden Haars aus der Stirn. Sein schönes Gesicht besaß die Offenheit eines Menschen, der sich vor nichts fürchtet und auf seine eigene Kraft vertraut. Sein Gesicht mit der feinen, ein wenig blassen Haut und den blauen Augen war das Gesicht eines Aristokraten. Die kräftigen Hände zeigten jedoch, dass er handwerkliche Arbeiten verrichtete. Seine blaue Jeans trug über jedem Knie einen großen Flicken, und sein Hemd mit dem offenen Kragen war nicht mehr so weiß wie es sein sollte.

»Was wollen Sie eigentlich in der Stadt, Diana?«, fragte Hubertus.

»Ich weiß es nicht.«

»Hm. Aber ich verstehe Sie gut. Wenn man nichts Bestimmtes vorhat, erlebt man die wunderbarsten Dinge. So, ich glaube, jetzt tut es unser Wagen wieder.«

Sie räumten die Sachen zusammen und stiegen ein. Der Wagen ratterte los.

»Na also!«, rief Hubertus strahlend.

*

Sie waren übereingekommen, dass Hubertus Diana seine »Höhle« zeigen wollte. Er erklärte sich auch bereit, sie später in die Stadt zu fahren.

Der Wagen hielt vor einem riesigen verwilderten Garten, in dessen Mitte ein grün und weiß gestrichenes Gartenhaus aus Holz stand.

»Das ist die Höhle, Diana.«

»Ach, ist das schön.«

Das Gras mit den unzähligen Margeriten reichte ihnen bis zu den Knien. Zwischen zwei Apfelbäumen hatte Hubertus eine bunte Hängematte gespannt.

Es war inzwischen sehr warm geworden. Bienen summten von Blüte zu Blüte. Am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen.

Hubertus öffnete die Tür zum Gartenhaus.

»Sehen Sie, Diana, auf dieser uralten Schreibmaschine schreibe ich meine Werke der Weltliteratur. Glauben Sie mir nicht?«

»O doch. Haben Sie schon etwas veröffentlicht?«

Hubertus zog ein bekümmertes Gesicht.

»Noch nicht. Aber mein erstes Buch werde ich Ihnen widmen, Diana. Setzen Sie sich einmal in die Hängematte. Ich lese Ihnen mein letztes Gedicht vor, ja?«

Diana legte sich in die Hängematte und stieß sich mit den Füßen am Baumstamm ab, so dass sie hin und her schaukelte.

Hubertus setzte sich neben sie ins hohe Gras. Er schlug das Heft auf, das er in der rechten Hand hielt und rief gleich darauf entsetzt: »Diana, jetzt habe ich gestern aus Versehen das falsche Heft in das Feuer geworfen. Das Heft mit meinen Gedichten. Sehen Sie, hier stehen nur Notizen, die ich nicht mehr brauche.«

Hubertus schlug sich gegen die Stirn.

»Aus mir wird nie etwas. Mein Vater hat ganz recht.«

Diana lachte laut auf.

»Lachen Sie nur, Diana. Glauben Sie mir, ich bin ein Dichter.« Mit komischem Ernst sah Hubertus sie eigenartig an.

Diana fühlte sich versucht, durch sein hellblondes Haar zu fahren. Sie wünschte sich plötzlich, irgendetwas Unsinniges, ganz Dummes zu tun.

»Woran denken Sie, Diana?«

»Dass ich gern fliegen oder schwimmen oder reiten oder irgendetwas Unvernünftiges tun würde. Segelfliegen wäre jetzt schön. Oder Ihr Gartenhaus neu anmalen. Ich weiß selbst nicht, was ich zuerst tun möchte.«

»Hm. Ein Flugzeug oder ein Pferd habe ich zwar nicht, aber hinter dem Garten ist ein See. Wir könnten das Ruderboot stehlen, das dort zwischen Schilf versteckt liegt und damit auf dem See fahren. Schwimmen können Sie doch?«

»Wollen Sie mich denn umkippen?«

»Eigentlich nicht.«

Diana schwang sich aus der Hängematte. Hubertus griff nach ihrer Hand, und Hand in Hand liefen sie zu dem See, in dessen Mitte eine Insel war.

Hubertus zog das Ruderboot aus dem Schilf. Diana ging schnell hinter einen Busch, um Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Barfuß stieg sie in das Boot. Hubertus gab dem Boot einen Stoß und sprang dann selbst hinein. Er begann zu rudern.

Als sie mitten auf dem See waren, sagte er: »Ich möchte Sie schrecklich gern küssen, Diana.«

Ich dich auch, dachte Diana, aber sie wagte nicht, es auszusprechen.

Hubertus stand auf, ging auf sie zu. Das Boot schwankte.

Mit strahlenden Augen sah Diana zu Hubertus auf. Wie schön er war. Alles an ihm war hell und klar.

Hubertus neigte sich zu ihr hinab, berührte mit seinen Lippen ihren Mund. Es war der erste Kuss, den Diana einem Mann schenkte.

Sie schloss die Augen. Nie empfundenes Glück durchströmte sie. Sie hatte das Gefühl, als verrate sich ihr endlich ein Geheimnis, von dem sie schon immer geträumt hatte.

»Diana«, murmelte er.

Nun saß er neben ihr auf der Holzbank. Die Sommersonne brannte auf sie nieder.

Wieder küssten sie sich voller Zärtlichkeit.

»Du?«, fragte Diana. War Hubertus wirklich der Mensch, der Prinz, der endlich gekommen war, um sie zu erlösen.

Diana neigte sich ihm entgegen, um seine Wangen zu berühren. Hubertus’ Haut war so weich und glatt wie die Haut eines Knaben.

In diesem Augenblick bemerkten sie am Rande des Ufers einen hochgewachsenen Mann, der ihnen etwas zurief. Diana zuckte zusammen. Hubertus hatte sich unwillkürlich erhoben.

Das Boot schaukelte einen Moment heftig hin und her. Diana verlor das Gleichgewicht. Hubertus wollte sie festhalten. Aber gleich darauf lagen Hubertus und Diana im Wasser.

Prustend kamen sie hoch.

»Halte dich am Bootsrand fest, Diana!«, rief Hubertus.

Der Mann schimpfte noch lauter. Diana lachte, Hubertus lachte auch, und der Mann schickte ganze Schimpfkanonaden zu ihnen auf den See.

Hubertus kletterte als erster zurück ins Boot und half dann Diana hineinzukommen.

Sie kehrten zum Ufer zurück, und Hubertus ließ das Boot in das Schilf gleiten.

Der Mann schimpfte, aber Hubertus ergriff einfach wieder Dianas Hand und lief mit ihr zurück in den Garten, ohne auf den Mann zu achten.

Sie schüttelten sich, dass die Wassertropfen flogen.

»Du musst eine Hose und ein Hemd von mir anziehen, Diana. Deine Sachen legen wir in die Sonne, damit sie trocknen.«

Diana stieg in eine geflickte Jeans von Hubertus und zog ein kariertes Hemd über.

»Jetzt siehst du aus wie ein Junge. Oder wie ein Page, Diana«, rief Hubertus, als sie aus dem Gartenhaus kam.

Er selbst trug inzwischen eine Badehose.

Sie legten ihre nasse Kleidung auf den Rasen.

Und plötzlich, als sie sich gegenüberstanden, fielen sie sich laut auflachend in die Arme. Hubertus schwenkte Diana herum.

»Wie leicht du bist, Diana.«

Sie legte sich in die Hängematte. Hubertus hatte seinen Arm um sie gelegt. Es war schön, wunderschön. Sie träumten in den klarblauen Himmel hinein. Sie waren sehr jung, und beide erfuhren zum ersten Mal die Liebe.

Eine geheime Scheu hielt Hubertus davor zurück, Diana noch einmal zu küssen. Das Glück, das er fühlte, war so übermächtig, dass er es nicht an einem einzigen Tag auskosten wollte.

Als die Sonne senkrecht über ihnen stand, bereitete Hubertus für Diana und sich auf einem einfachen Grillrost Fleisch zu. Das Mädchen richtete Tomatensalat an. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie sich als Hausfrau betätigte. Sie hoffte, Hubertus würde nicht merken, dass sie nicht einmal verstand, eine Salatsauce anzurühren.

Das Mittagsmahl war köstlich. Hubertus fand noch ein Stück französischen Käse. Dazu gab es Rotwein.

Im Schneidersitz saßen sie sich auf dem Rasen gegenüber.

»Na, du kleine Räuberbraut«, sagte Hubertus lächelnd und blickte auf die geflickte Hose, die Diana trug.

Nach dem Essen lagen sie wieder in der Sonne.

Als Dianas Kleidung trocken geworden war, sagte sie, dass sie nun nach Hause zurückkehren müsse. Ihren Wunsch, in die Stadt zu fahren, hatte sie ganz vergessen.

»Du kommst doch wieder?«, fragte Hubertus.

Sie neigte den Kopf.

»Ich weiß es nicht. Frage mich nicht.«

»Aber Diana, das kann doch nicht dein Ernst sein. Sag mir, wo du wohnst. Ich besuche dich. Und wenn du am Ende der Welt wohnen würdest, könnte mich das nicht abhalten.«

Diana legte erschrocken eine Hand auf die von Hubertus. »Du darfst mich nie suchen, Hubertus. Ich komme zu dir zurück, wenn ich kann.«

Hubertus küsste sie leidenschaftlich und voller Angst. Er wollte Diana niemals wieder verlieren. Dieser eine Tag mit ihr hatte sein Leben für immer verändert.

»Komm, Hubertus«, sagte das Mädchen leise.

Hand in Hand gingen sie durch den Garten zum Auto zurück. Sie sprachen wenig während der Fahrt.

Als sie von einem Hügel aus Schloss und Dorf Buchenhain erkennen konnten, bat Diana Hubertus anzuhalten.

»Ich muss allein weitergehen, Hubertus. Du darfst mich heute nichts fragen.«

Sein Gesicht, seine hellen Augen zeigten die Traurigkeit, die er empfand.

»Ich komme wieder, Hubertus.« Diana küsste ihn zum letzten Mal, dann sprang sie aus dem Wagen und lief über einen schmalen Waldweg den Hügel hinab.

Hubertus blickte ihr nach, bis er sie nicht mehr erkennen konnte.

*

Mit weit ausholendem Schritt ging Fürst Arnim von Buchenhain in der Bibliothek auf und ab. Die Hände hielt er auf dem Rücken verschränkt.

Am Fenster der Bibliothek stand Fürst Friedrich von Großborn. Eine steile Falte war zwischen den farblosen Augenbrauen des jungen Fürsten zu erkennen.

»Wenn Diana in einer Stunde nicht zurückgekehrt ist, bin ich dafür, die Kriminalpolizei zu benachrichtigen«, sagte er mehr verärgert als verängstigt.

Dianas Vater blieb abrupt stehen.

»Ich kann das Verhalten meiner Tochter nicht billigen. Sicherlich, sie hat auf ihrem Sekretär eine Nachricht hinterlassen, aus der hervorgeht, dass sie einen Tag lang ›frei‹ sein wolle. Frei, als ob sie hier eine Gefangene wäre.«

»Sie haben recht, Fürst, ich stimme Ihnen ganz und gar zu, dass wir in spätestens einer Stunde die Kriminalpolizei benachrichtigen müssen. Was kann einem so unerfahrenen jungen Mädchen alles zustoßen.«

»Nein, nein, ich kann das Verhalten nicht billigen und werde ein sehr ernstes Wort mit meiner Tochter sprechen.«

Friedrich von Großborn strich sich sein schütteres Haar zurück. Die Winkel seines schmalen Mundes zogen sich kaum merklich herab.

»Sie müssen Nachsicht üben, Fürst. Schließlich kann es nicht ohne Folgen geblieben sein, dass Diana ohne Mutter aufwachsen musste.«

Die Erwähnung seiner verstorbenen Frau fügte dem Fürsten einen kurzen stichartigen Schmerz im Herzen zu. Dianas Mutter, eine geborene Fürstin Amalia von Caragiola, Nachkommin eines der edelsten Geschlechter Italiens, war die einzige Liebe seines Lebens geblieben.

Sie hatte seine Liebe nicht erwidert und in die Ehe nur gezwungenermaßen eingewilligt, weil ihr Vater sie ihr befohlen hatte. Denn die Caragiolas waren seit mehreren Generationen verarmt, und der Fürst hatte gehofft, seiner Tochter einen Dienst zu erweisen, wenn er sie standesgemäß verheiratete.

Zwei Jahre nach ihrer Hochzeit – Diana war gerade neun Monate alt gewesen – war Fürstin Amalia gestorben. Niemand wusste zu sagen, was ihren Tod herbeigeführt hatte. Es war wohl einfach Heimweh und unerfüllt gebliebene Sehnsucht nach Liebe gewesen.

»Meine Tochter hat die beste Erziehung genossen, die ein junges Mädchen haben kann«, entgegnete der Fürst nach längerem Zögern ein wenig frostig.

Sein Gast stimmte sogleich übereifrig zu.

»Da stimme ich völlig mit Ihnen überein, Fürst. Aber niemand weiß zu sagen, was in den Köpfen unerfahrener junger Mädchen vor sich gehen mag. Sie können den romantischsten und verstiegensten Vorstellungen erliegen. Es ist notwendig, dass sie weiterhin sicher geführt werden. Sie kennen die Neigungen, die ich für Ihre Tochter hege, Fürst.«

Dianas Vater blieb vor Friedrich von Großborn stehen. Er maß ihn mit starrem Blick.

Der junge Fürst besaß alles, was seine Klasse auszeichnete. Er hatte die beste Erziehung genossen, und obwohl die Großborns sehr reich waren, hatte Friedrich ein juristisches Studium abgeschlossen und mit Auszeichnung bestanden.

Sein Äußeres war sehr ansprechend, wie Fürst Buchenhain empfand. Er war groß und schlank gewachsen und besaß sogar eine gewisse Eleganz.

Gewiss, Humor und Esprit waren nicht gerade seine Stärken, dafür hielt Fürst Buchenhain ihn jedoch absolut für vertrauenswürdig. Mit seinen dreißig Jahren hatte Friedrich von Großborn genügend Lebenserfahrung gewonnen, um zu wissen, was er wollte. Auch das sprach für ihn.

»Ja, ich meine, wir sollten nicht mehr lange warten und die Hochzeit bald bekanntgeben, Fürst«, sagte Dianas Vater langsam.

Die schmalen Lippen Friedrich von Großborns verzogen sich zu einem Lächeln.

»Das ist ganz in meinem Sinn, Fürst. Und ich versichere Ihnen, dass Diana ähnlichen Launen oder Anwandlungen wie heute nicht mehr nachgeben wird.«

In diesem Augenblick klopfte jemand an die Tür.

»Bitte!«, rief Fürst Buchenhain.

Sein Sekretär trat ein und meldete, dass die Prinzessin gerade zurückgekehrt sei. Sie habe sich in ihr Zimmer begeben.

»Richten Sie meiner Tochter bitte aus, dass sie unverzüglich in die Bibliothek kommen soll. Fürst Großborn und ich erwarten sie hier.«

Der Sekretär verneigte sich leicht und ging fort, um den Auftrag auszuführen.

Fürst von Buchenhain hatte seine Wanderung durch die Bibliothek wieder aufgenommen. Je länger es dauerte, bis Diana seinem Wunsch oder seinem Befehl nachkam, desto zorniger wurde er. Er war es gewohnt, dass seine Untergebenen und auch seine Tochter seine Anordnungen immer sofort erfüllten.

Endlich trat Diana ein.

Ihr Vater verhielt den Schritt, über Friedrich von Großborns Gesicht glitt unwillkürlich ein Lächeln.

Er glaubte, Diana noch nie so schön gesehen zu haben. Etwas Strahlendes ging von ihr aus, das den jungen Fürsten ganz in ihren Bann zog.

Sie trug ein enganliegendes weißes Kleid, das bis zu ihren Waden reichte. Um ihre Taille schlang sich ein roter Gürtel mit einer goldenen Schnalle.

Ihre schwarzen Locken hatte Diana zurückgebürstet, so dass die ganze Feinheit ihres schmalen, edlen Gesichts voll zum Ausdruck kam.

»Auf diesen Augenblick habe ich einen ganzen Tag gewartet, Diana«, begrüßte Fürst von Buchenhain seine Tochter.

»Zürnen Sie bitte nicht mit ihr, Fürst«, mischte sich Friedrich von Großborn ein.

Lächelnd ging er auf Diana zu, neigte sich über ihre feingliedrige Hand, um sie zu küssen.

»Auch ich habe einen ganzen Tag auf diesen Augenblick gewartet. Voller Sehnsucht«, fügte er hinzu.

Dianas Lächeln wurde ein wenig starr. Sie wusste, dass Fürst von Großborn sich seit mehreren Monaten bei ihrem Vater um ihre Hand bewarb. Und sie wusste auch, dass ihr Vater sehr geneigt war, dem Wunsch nachzukommen.

»Diana, darf ich um eine Auskunft bitten, wo du dich heute aufgehalten hast?«, fragte Fürst von Buchenhain mit seiner harten Stimme, die immer klang, als würde er einen Befehl erteilen, selbst wenn er eine Bitte aussprach.

Diana senkte die Augenlider. Sie würde keines der Wunder, die sie an diesem Tag erfahren hatte, ihrem Vater und Friedrich von Großborn preisgeben.

»Ich bin gewandert. Und – und ich habe in der Sonne gelegen. Das ist alles«, sagte sie leise und ohne aufzusehen.

Ihr Vater sog hörbar die Luft ein. Was Diana ihm gestanden hatte, schien ihm ungeheuerlich. Als ob Wandern und Sonnenbaden einen ganzen Tag ausfüllen könnten, wenn ein Mensch nicht gerade ein Zigeuner war.

Das Gesicht des alten Fürsten schien zu versteinern. Er fasste sich aber schnell und sagte, dass es Zeit sei, zu Abend zu essen.

»Sie werden meiner Tochter und mir doch das Vergnügen bereiten und mit uns speisen?«, fragte er Friedrich von Großborn.

Der junge Fürst verneigte sich kurz, um seine Zustimmung auszudrücken.

*

Der Tisch war für drei Personen im französischen Speisezimmer gedeckt worden. In diesem wundervollen, intimen kleinen Raum standen ausnahmslos Möbelstücke, die während der Regierungszeit Ludwig des Vierzehnten in Frankreich von einem der bedeutendsten Schreiner seiner Zeit hergestellt worden waren.

Die anmutig geschwungenen Formen und die Kostbarkeit der verwendeten Hölzer und Seiden- und Brokatstoffe vermittelten den Eindruck von Eleganz und Leichtigkeit, die jene Zeit ausgezeichnet hatte.

Das französische Speisezimmer wurde immer nur dann benutzt, wenn weniger als fünf Personen bei einer Mahlzeit zugegen waren.

Auf einem silbernen Tafelaufsatz lagen die köstlichsten Käsesorten, die Frankreich, Deutschland und die Schweiz hervorbrachten.

Fürst von Buchenhain schenkte seinem Gast und seiner Tochter tiefroten, uralten Burgunder in kostbare Gläser.

»Ich hoffe, Sie entschuldigen die Kargheit unseres Mahls, Fürst«, bat er. »Ich habe dem Koch die Anweisung gegeben, an heißen Sommertagen abends nur Käse aufzutragen. Sicherlich hat unsere Küche aber auch andere Dinge zu bieten, wenn Sie es wünschen.«

»O nein, Fürst. Ich nehme abends nie viel zu mir.«

Diana aß außer einigen blauen Trauben, die neben dem Käse lagen, gar nichts. Sie dachte an den wundervollen Tag zurück. Ein sicheres Gefühl verriet ihr, dass Hubertus jetzt ebenfalls mit seinen Gedanken bei ihr war. Unbewusst lächelte sie.

Ihr Vater und Friedrich von Großborn unterhielten sich über die neuesten Gesetze, die von der Regierung gerade verabschiedet worden waren. Diana hörte nicht zu.

Marthe, eine Bedienstete, die seit über zwanzig Jahren auf Schloss Buchenhain lebte, brachte als Nachtisch Eis mit Rumfrüchten. Diana ließ auch ihren Nachtisch stehen.

An diesem Abend erkannte Diana, dass sie nicht zu ihnen gehören wollte. Sie hatte die Freiheit, einen Hauch von Freiheit, kennengelernt. Und sie war wie berauscht von dieser Freiheit.

»Der Abend ist so herrlich. Ich würde gern noch einen Spaziergang durch den Park machen«, sagte Friedrich von Großborn.

»Ja, ich begleite Sie sehr gern, Fürst«, erklärte Diana.

Sie traten aus dem Schloss. Die große Tür aus hellem Lindenholz hatte offengestanden.

»Dieser Arkadengang an den Seitenbauten des Schlosses erregt jedes Mal wieder meine Bewunderung«, meinte Friedrich von Großborn.

»Ja, ich liebe Buchenhain auch sehr. Es ist ein hübsches kleines Juwel.«

Im Abendlicht wirkten die uralten Zypressen düster und mächtig. Diana und Friedrich gingen in jenen Teil des Parks, der halb verwildert hinter dem Schloss lag. Unter einer Zypresse fand Diana den abgefallenen Kopf einer Terrakottafigur, die ein Kind darstellte. Sie hob ihn auf und betrachtete ihn.

»Ach, wie schade. Sehen Sie nur, Fürst, wie schön das Gesicht des Jungen aus Stein ist.«

Diana berührte mit ihrer Wange die steinerne Wange der Figur.

»Prinzessin Diana, ich muss Ihnen heute, jetzt, die Frage stellen, die ich seit langem in meinem Herzen bewege. Sie wissen, dass ich Sie seit langem verehre. Ich wage nicht, von Liebe zu sprechen aus Furcht, Sie zu erschrecken.«

In Dianas schwarzen Augen war Angst zu erkennen. Sie hatte nicht erwartet, dass der Fürst ihr an diesem Abend einen Antrag machen würde. Sie hatte geglaubt, er würde noch warten.

Friedrich ergriff ihre Hand, mit der sie den Knabenkopf hielt.

»Ich habe bereits mit Ihrem Herrn Vater gesprochen. Er willigt ein, dass Sie meine Frau werden. Ich versichere Ihnen, dass meine Fürsorge Sie ein Leben lang begleiten wird. Ihr Herr Vater stimmt mit mir in dem Wunsch überein, dass wir bald unsere Verlobung bekanntgeben.«

Diana zog ihre Hand fort, und der Knabenkopf fiel zu Boden. Er zerbrach in mehrere Stücke.

Tränen schossen in ihre schönen Augen.

Sie kniete nieder, um die Stücke zusammenzusuchen. Die Zypressen strömten einen harzigen Duft aus.

»Diana!«

Eine Träne rollte über Dianas Wange. Sie erhob sich und schüttelte heftig den Kopf.

»Sie müssen verzeihen, Fürst, aber ich kann Ihnen mein Jawort nicht geben. Ich kenne Sie ja kaum. Wie kann ich es wagen, Ihnen zu schwören, ein ganzes Leben mit Ihnen zu verbringen.«

Der Fürst lächelte. Es war bezaubernd, Diana zögern zu sehen. Das machte sie nur noch reizvoller.

»Ihr Herr Vater hat Erkundigungen über mich eingezogen. Sie haben zu keinerlei Beunruhigungen Anlass gegeben, Fürstin.«

»Oh, Sie verstehen nicht, was ich meine. Ich denke nicht an Sicherheiten, ich, ich liebe Sie nicht.«

Friedrich von Großborn zeigte sich nachsichtig. Was die jungen Mädchen immer von der Liebe erwarteten. Welchen Träumereien sie nachhingen.

»Sie werden mich schätzen lernen, Diana. Und Sie werden erkennen, dass Achtung und Vertrauen das höchste Gut bedeuten. Diana, nach unserer Verlobung werde ich Ihnen beweisen, dass ich Ihr Vertrauen und Ihre Achtung verdiene.«

Diana legte ihre rechte Hand über ihre Augen. Weshalb quälte Friedrich von Großborn sie so und zwang sie, noch einmal zu wiederholen, was sie doch bereits gesagt hatte?

»Ich kann nicht Ihre Frau werden, Fürst. Ich kann nicht. Nie, nein, nie!«

Die Heftigkeit ihres Ausbruchs ließ Friedrich zurückschrecken. Es war nicht gut, wenn eine Frau zu viel Eigensinn besaß.

»Ich will Sie nicht drängen, Prinzessin. Ich bin sicher, dass Sie Ihren Sinn ändern werden. Eine Bitte habe ich jetzt jedoch schon: Meine Mutter feiert am kommenden Wochenende ihren sechzigsten Geburtstag. Ihr Herr Vater hat bereits zugestimmt, dass Sie ihn begleiten werden, um auf Großborn an dem Fest teilzunehmen. Ich darf doch hoffen, dass Ihr Vater in Ihrem Sinne gesprochen hat?«

Diana fühlte sich nicht fähig, eine Weigerung auszusprechen. Ihre anerzogenen Formen der Höflichkeit verboten ihr zu sagen, dass sie die Einladung nur zu gern ausschlagen würde.

»Ich darf Sie auf Großborn erwarten?«

Diana neigte den Kopf und sagte ganz leise: »Ja, Fürst, ich werde meinen Vater begleiten.«

Der Ausdruck auf Friedrich von Großborns Gesicht wurde versöhnlicher. »Ich freue mich sehr. Meine Mutter hat mir vor kurzem berichtet, dass sie Sie vor Ihrer Abreise ins Internat zum letzten Male gesehen hat. Sie ist begierig darauf zu erfahren, was aus Ihnen geworden ist.«

Diana fröstelte plötzlich.

»Ich bin ein wenig müde«, sagte sie.

»Wir wollen umkehren. Sie sollen aber noch wissen, dass ich ein Übermaß an Verehrung für Sie hege.«

Diana schlug die Augen nieder. Es war schrecklich, dem jungen Fürsten zuhören zu müssen und immer nur daran zu denken, dass sie weit weg sein wollte. In einer anderen Welt, bei Hubertus.

Der Fürst führte Dianas Hand an seine Lippen, als sie ins Schloss getreten waren.

»Gute Nacht, Prinzessin.«

»Gute Nacht, Fürst. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise.«

Friedrich von Großborn verneigte sich leicht.

In ihrem Schlafzimmer ließ Diana sich auf das weiche Bett fallen.

Hubertus, ich muss dich wiedersehen, dachte sie voller Sehnsucht.

*

Schloss Großborn lag in der Tiefe eines Tals. In dem Park, der das rote Backsteinschloss umgab, wuchsen mächtige Trauerweiden, die ihre Zweige in die vielen kleinen Seen tauchten.

Auf dem Schlosshof standen mehrere Limousinen. Der junge Chauffeur, der Diana und ihren Vater nach Großborn gefahren hatte, parkte den schwarzen Mercedes neben einem silberfarbenen Rolls Royce.

Zwei Bedienstete kamen hinzugelaufen und rissen die hinteren Türen des Wagens auf. Diana fühlte sich an einen Überfall erinnert.

Kaum war sie ausgestiegen, als Friedrich von Großborn aus dem Schloss trat und mit eiligem Schritt auf sie und ihren Vater zukam.

Er trug einen maßgeschneiderten dunkelgrauen Anzug und hatte das wenige Haar streng zurückgekämmt. In seinen grauen Augen erkannte Diana einen eigenartigen, harten Glanz.

»Sie sehen bezaubernd aus, Prinzessin«, begrüßte Friedrich Diana. »Ich freue mich, Sie nach so vielen Jahren wieder auf Großborn begrüßen zu dürfen. Fürst, ich hoffe, die Fahrt war nicht zu anstrengend?«

»Keineswegs. Es wurde Zeit, dass ich Buchenhain wieder einmal verlasse. Ich könnte es sonst für die Welt halten.«

Die Halle, in die sie traten, war hoch und kalt. Keine Bilder oder Wandteppiche bedeckten die kahlen Wände. Überhaupt flößte Diana Schloss Großborn wieder wie früher durch seine Strenge und abweisende Kühle ein Gefühl von Unbehaglichkeit ein.

Friedrich führte seine Gäste in einen riesigen Raum, in dem etwa zwanzig Menschen versammelt waren.

Die Stimmen verstummten nach ihrem Eintreten. Blicke, aus denen verhaltene Neugier sprach, waren auf die Hinzugekommenen gerichtet.

»Hübsch, sehr nett«, raunte ein älterer Herr mit weißem Lockenhaar seiner Begleiterin zu und sah Diana an.

Sie hatte für diesen Besuch das schmuckloseste Kleid gewählt, das sie besaß. Ihr Vater hatte sie daran erinnert, dass die Fürstin von Großborn äußerste Schlichtheit liebte.

Ihr graues Kleid reichte Diana bis zu den Waden. Sein weiter Schnitt verhüllte die bezaubernde Anmut ihres schlanken Körpers, ließ seine Schönheit jedoch ahnen.

Diana hatte ihre schwarzen Locken nach vorn gebürstet, so dass sie ihr feines Gesicht wie ein Rahmen umgaben. Sie trug keinen Schmuck.

Friedrich von Großborn hatte Diana und ihren Vater zu seiner Mutter geführt, die seit einem Unfall vor zwei Jahren kaum noch gehen konnte und deshalb die meiste Zeit in einem Rollstuhl zubrachte.

Sie hatte ihre grauen, scharfen Vogelaugen auf Diana gerichtet. Ihr ehemals schönes Gesicht war von tiefen Falten durchzogen. Das wenige Haar hielt sie im Nacken in einem Knoten zusammen.

»Mutter, erkennst du in der Prinzessin das junge Mädchen wieder, das Großborn zum letzten Mal vor etwa fünf Jahren besucht hat?«, fragte Friedrich die alte Dame.

Die Fürstin reichte Diana ihre Hand. »Sie erinnern mich sehr an ihre Frau Mutter, liebes Kind. Sie erlauben mir alten Frau doch, dass ich Sie ›Kind‹ nenne?«

Dianas Vater unterdrückte ein Gefühl von Befremden. Er befand sich im gleichen Alter wie die Fürstin von Großborn, hätte jedoch jeden Gedanken daran, als »alt« bezeichnet zu werden, weit von sich gewiesen.

Diana lächelte artig und sah, wie die Fürstin und Friedrich einen Blick wechselten, in dem gegenseitiges Einverständnis lag. Es war, als würde die alte Fürstin ihrem Sohn mit diesem Blick ihre Zustimmung zu seiner Wahl geben.

Ein Bediensteter bat ihnen Erfrischungsgetränke an. Diana nahm ein Glas Champagner und trank es rasch aus. Sie hatte das Gefühl, in diesem Salon ersticken zu müssen.

Die Fensterläden waren geschlossen worden, obwohl draußen das herrlichste Sommerwetter herrschte. An den Wänden brannten Kerzen, und ein alter Deckenleuchter verströmte ein mattes Licht.

An der Seite ihres Vaters trat Diana zu den anderen Gästen, die in kleinen Gruppen zusammenstanden. Jeder versuchte, den anderen an Artigkeit und durch langweilige Äußerungen zu übertreffen.

»Morgen früh werde ich Ihnen Großborn zeigen, Diana«, sagte Friedrich plötzlich dicht neben ihr.

»Das wäre sehr liebenswürdig, Fürst.«

Etwa eine Stunde nach ihrer Ankunft führte Friedrich von Großborn Diana hinter seiner Mutter, die an der Seite von Fürst Buchenhain ging, in den riesigen Speisesalon.

An einem Tisch, der die ganze Länge des schmucklosen Raumes durchmaß, war für die Gäste zu Abend gedeckt worden. Hinter jedem zweiten Stuhl stand ein Bediensteter in grauer Livree.

Die Fürstin von Großborn nahm den Platz am Kopfende des Tisches ein. Diana saß neben Friedrich.

Das Gefühl von Beklemmung, das von Diana Besitz ergriffen hatte, nahm ihr fast den Atem.

Von den angebotenen Speisen, die, offenbar dem Geschmack der Fürstin zu Großborn folgend, fast ohne Gewürze zubereitet worden waren, nahm Diana gerade nur so viel zu sich, um nicht als unhöflich zu gelten.

Friedrich versuchte, sie zu unterhalten, indem er ihr Geschichten aus seiner Studentenzeit erzählte und seine Ahnen aufzählte, von denen er auch mehrere Geschichten wusste.

Diana atmete auf, als die Tafel endlich aufgehoben wurde.

Fürstin Großborn führte ihre Gäste in das Musikzimmer, wo die junge Gräfin von Massau, die eine langjährige Gesangsausbildung genossen hatte, Lieder vortragen sollte.

Es schien Diana eine Ewigkeit zu dauern, bis die Sängerin aufhörte, ihre Lieder vorzutragen. Und es dauerte nochmals eine Ewigkeit, bis Fürstin von Großborn ankündigte, dass sie sich jetzt zur Ruhe begeben werde. Die Bediensteten würden ihren lieben Gästen, die am Abend nicht mehr nach Hause zurückkehren könnten, ihre Zimmer zeigen. Sie wünsche allgemein eine gute Nacht.

Etwa fünfzehn Gäste ließen ihre Wagen vorfahren, die anderen – zu ihnen zählten Diana und ihr Vater – begaben sich auf ihr Zimmer.

Friedrich von Großborn hatte Diana gebeten, ihm noch ein wenig Gesellschaft zu leisten. Sie hatte jedoch geantwortet, dass sie sich sehr müde fühle.

Als sie allein in dem zugewiesenen kargen Gästezimmer war, öffnete sie weit beide Fenster. Gierig sog sie die frische Nachtluft ein. Am Himmel hing ein voller Mond.

Diana breitete die Arme auseinander, als wolle sie das Leben, das wirkliche, lebendige Leben einfangen.

*

Am folgenden Morgen fiel ein warmer Sommerregen nieder. Diana und ihr Vater wurden von Bediensteten geweckt, die ihnen mitteilten, dass das Frühstück eine Stunde später aufgetragen werde.

Die Fürstin von Großborn war während des Frühstücks zugegen. Sie ließ vor ihren Gästen noch einmal die Familiengeschichte des Hauses Großborn aufleben.

Nach der Mahlzeit bestand Friedrich darauf, Diana durch das Schloss zu führen.

Im ältesten Teil des Schlosses, der auf der Rückseite lag, befand sich noch ein Rittersaal, in dem uralte Rüstungen aufbewahrt wurden.

Friedrich nahm eine der Lanzen zur Hand, die gegen die dicken Mauern gelehnt stand und sagte, indem er Diana mit seinen kalten grauen Augen ansah: »Diana, die ersten Mauern von Großborn wurden im dreizehnten Jahrhundert errichtet. Ich will meinen Nachkommen erhalten, was viele Generationen vor mir aufgebaut haben. Und ich möchte, dass meine Kinder auch Ihre Kinder sind, Diana.«

Unwillkürlich wich Diana einen Schritt zurück, als Friedrich versuchte, ihr Gesicht zwischen seine Hände zu nehmen, um es zu küssen.

Ihre Lippen zitterten. Sie fürchtete sich vor Friedrich, sie fürchtete sich vor den dicken Mauern des Schlosses, vor seiner Kälte, seiner Undurchdringlichkeit. Sie fürchtete sich davor, in diesen Mauern leben zu müssen. Es würde ihren seelischen Tod bedeuten.

Mit veränderter Stimme fuhr Friedrich fort: »Diana, ich habe gestern abend mit Ihrem Herrn Vater noch eine ausführliche Unterredung gehabt. Es ist beschlossen worden, dass unsere Verlobung hier auf Schloss Großborn in vier Wochen stattfinden wird.«

Diana starrte Friedrich an. Sie wollte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Wusste Friedrich denn nicht, dass er sie spätestens in diesem Augenblick verloren hatte, als er ihr zu befehlen versuchte, was sie nicht aus freiem Herzen heraus tun konnte?

Sie schüttelte ihren Kopf, so dass ihre schwarzen Löckchen flogen. Ein feuchter Schimmer lag über ihren schwarzen Augen.

»Nein, Fürst, nein. Weil Sie so viel Wert auf diese alten Mauern legen, hier an dieser Stelle versichere ich Ihnen, dass ich nie, niemals Ihre Frau werde! Nie, Fürst, nie!«

Diana lief fort, den langen hallenden Gang zurück in die Diele. Sie hastete die Treppen hinauf und riss die Tür zu dem Gästezimmer auf, das sie während der vergangenen Nacht bewohnt hatte.

Hier zu bleiben wäre ihr Tod. Es galt, das Leben zu verteidigen.

Diana entnahm ihrer Handtasche eine Geldbörse und prüfte nach, wie viel Geld sie noch besaß. Es würde reichen, um eine Bahnfahrt und ein Taxi zu bezahlen, das sie zu Hubertus’ »Höhle« bringen würde.

Angestrengt lauschte sie zum Gang hin. Es waren keine Schritte zu hören. Wie ein Dieb schlich sie die Treppe hinab. Es gelang ihr, Schloss Großborn unbemerkt zu verlassen.

Die Bahnstation lag nicht allzu weit entfernt. Diana musste eine halbe Stunde warten, bis der Zug abfuhr, der sie in die Nähe des Ortes bringen würde, wo Hubertus wohnte.

Nachdem sie angekommen war, nahm sie sich ein Taxi und ließ sich zu jenem schmalen Weg fahren, der von der Landstraße abzweigte und an dessen Ende Hubertus’ »Höhle« lag.

*

Hubertus stand oben auf der letzten Sprosse einer Leiter und strich mit weit ausholenden Schwüngen seiner rechten Hand das ehemalige Gartenhaus neu an. Die Hälfte war schon mit zartlila Farbe bedeckt.

Hubertus pfiff leise vor sich hin.

Er hatte Dianas Schritte in dem hohen weichen Gras nicht gehört.

»Hallo!«, sagte Diana und sah zu ihm auf.

Sofort hielt er inne. Der Farbtopf kippte ihm aus der Hand, und fast wäre auch er von der Leiter gestürzt.

»Diana!«

Sein junges, offenes Gesicht strahlte. Mit Schwung warf er eine Strähne seines glatten dunkelblonden Haares zurück, die ihm in die Stirn gefallen war.

Er trug eine abgeschnittene Jeans, seine überlangen Beine waren mit Farbtupfern übersät.

Sie fielen einander in die Arme.

»Liebling, ich hatte schon geglaubt, du würdest nicht wiederkommen. Ach, ich bin ja so glücklich.«

Er schwenkte sie herum, und sie roch die Farbe an seinem Körper und den Duft seines Haars.

»Lass dich ansehen, Diana. Du bist noch schöner als in meinen Träumen. Und das allerschönste, du bist kein Traum, sondern wirklich aus Fleisch und Blut.«

Sie sahen sich an, und ihre Augen leuchteten. Dann fielen sie einander wieder in die Arme und hielten sich ganz, ganz fest.

»Du freust dich wirklich, Hubertus?«

»Merkst du es nicht? Ich bin ganz toll vor Freude. Siehst du, sogar unser Haus wollte ich für dich anstreichen.«

»Also hast du doch gewusst, dass ich wiederkommen würde?«

»Natürlich. Ich dachte immer, das was wir erlebt haben, erlebt man doch vielleicht nur einmal im ganzen Leben. Und dann wegzulaufen, das geht doch ganz einfach nicht.«

»Nein, das geht nicht, Hubertus.«

Er betrachtete ihr elegantes weißes Leinenkostüm und die hochhackigen weißen Sandalen.

»Aber sag einmal, Diana, hast du nicht etwas Bequemeres zum Anziehen mitgebracht?«

Sie schüttelte den Kopf.

Hubertus legte einen Finger an die Nase, eine Geste, die Diana bereits an ihm kannte und die sie liebte.

»Wir könnten eine Jeans für dich kaufen. Aber damit ginge kostbare Zeit verloren. Komm, wir gucken mal, was ich für dich habe.«

Diana fand schließlich eine verwaschene hellblaue Hose und ein Tennishemd von der gleichen Farbe.

»Das zieh’ ich an«, sagte sie.

Hubertus ging aus der »Höhle«. Als Diana gleich darauf zu ihm trat, saß er mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt auf der Wiese und rauchte eine Zigarette.

»Jetzt siehst du viel hübscher aus. Noch hübscher, Liebling.«

Sie ließ sich neben ihm auf den sonnenwarmen Rasen gleiten.

Er hob ihre Hand hoch und entdeckte den kostbaren Stein an ihrem Ring. Es war ein Rubin, den Diana von ihrem Vater zu ihrem zwanzigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte und der sicherlich ein kleines Vermögen wert war.

Sie zog den Ring rasch vom Finger.

»Ich mag eigentlich gar keinen Schmuck tragen. Außerdem – ich glaube – vielleicht ist der Stein auch gar nicht echt.«

»Doch, das ist er sicher. Ich verstehe etwas davon. Eine meiner Schwestern hatte einen Schmucktick.«

»Ich möchte ihn dir gern schenken, Hubertus.«

Hubertus lachte.

»Ja, Hubertus. Ich binde ihn um mein Halskettchen. Und wenn du den Ring dann unter deinem Hemd fühlst, musst du immer an mich denken.«

»Das muss ich sowieso schon immer, Diana.«

Er zerwühlte mit seinen Händen ihr Haar. Und dann lagen sie plötzlich auf dem Rasen und balgten sich wie junge Hunde. Sie lachten laut.

Einer versuchte, den anderen zu besiegen.

Plötzlich, als Hubertus sich über Diana neigte, wurden beide ganz ernst. Eine Art Schauer durchströmte ihre Körper.

»Ich kann die Blätter des Baumes in deinen Augen sehen, Liebling.«

Sie hielt ihre Lippen leicht geöffnet.

Hubertus liebkoste ihren Mund, er und Diana versanken in einem Glück, das sie zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhren. Es war schön, sich umarmt zu halten. Sie gingen ineinander auf, gaben sich ganz ohne Vorbehalte, ohne irgendetwas zurückzuhalten, der Umarmung des anderen hin.

Ihre Liebe war voller Zärtlichkeit und doch voller Wissen, weil sie einander erkannten in den tiefsten Tiefen ihrer Seelen.

Später lagen sie im Gras. Hubertus hatte einen Arm unter Dianas Nacken geschoben.

»Ich wusste nicht, dass ein Mensch so glücklich sein kann«, flüsterte sie bewegt.

»Ich auch nicht.«

Hubertus berührte mit seiner Wange, die Dianas.

»Möchtest du, dass ich bei dir bleibe, Hubertus?«

»Ich möchte, dass du nie wieder weggehst. Ich möchte, dass die Zeit stillsteht. Und möchte vor Glück sterben.«

Diana richtete sich auf.

»Was redest du für ein dummes Zeug. Ich will endlich zu leben beginnen. Und außerdem habe ich Hunger.«

Sie bereiteten sich einen frischen Salat. Hubertus hatte Tomaten gezüchtet.

»Ich habe mich eingerichtet, als ob ich wie Robinson auf einer Insel leben würde, Diana. Wir brauchen unsere Höhle gar nicht zu verlassen, wenn wir es nicht wollen. Siehst du, hier in meinem komfortablen Eisschrank ist Fleisch, Butter; was uns fehlt, ist Milch. Ich hole am besten gleich Milch vom Bauern.«

Er nahm eine Milchkanne von einem Regal.

»Hubertus!«, rief Diana, als er schon zur Tür hinaustreten wollte.

»Ja?«

»Hubertus, du musst mir zeigen, wie ich das Fleisch braten muss.«

Hubertus starrte Diana einen Augenblick lang ungläubig an.

»Sag einmal, bist du vielleicht doch eine Prinzessin?«, fragte er dann lachend.

»Nein, ich bin nur ein bisschen dumm.«

»Das glaube ich kaum. Warte, bis ich zurückkomme, ja?«

Er lief quer durch den Garten in den angrenzenden Wald, an dessen anderem Ende der Bauernhof lag, von dem Hubertus immer seine Milch holte.

Diana blätterte unschlüssig in einem karierten Heft, das sie auf dem Küchentisch fand.

Es enthielt zauberhafte Liebesgedichte.

»Ich liebe dich«, sagte Diana halblaut.

Sie setzte sich zurück auf den Rasen.

Wenige Minuten später wurde sie durch Hubertus’ lauten Ruf aufgeschreckt.

Diana blickte zum Wald hinüber.

Die Milchkanne in der Hand schwenkend, lief Hubertus am Waldsaum entlang.

Ein Setter stürmte laut bellend neben ihm her, versuchte immer wieder spielerisch Hubertus’ Beine zu fassen.

Nun sprangen der junge Mann und der Hund über einen Bach, kamen durch das hohe Gras auf Diana zu.

Ein Gefühl so stürmischer, allumfassenden Glücks und Liebe durchpulste sie.

»Bin ich nicht schnell zurückgekommen?«, rief Hubertus. Seine klarblauen Augen strahlten.

Er neigte sich nieder und klopfte dem Setter den Rücken.

»Das ist Bella. Bella und ich sind gute Freunde. Und diese junge hübsche Dame dort, Bella, ist meine Liebste. Sei sehr nett zu ihr, ja?«

Der Setter blickte aus braunen Augen auf Diana und wedelte dann mit dem Schwanz.

Hubertus lief zum Wildbach, um sich die Hände zu waschen und stellte dann die Kanne mit der Milch in die Küche.

In aller Eile stellte Hubertus einen Grill auf Backsteinen auf und entfachte ein Holzkohlenfeuer. Danach bereitete er einen köstlichen Salat, der fertig wurde, als auch das Fleisch gar geworden war.

Sie aßen im Freien und tranken frische Milch dazu.

Danach streckten sie sich wieder in der Sonne aus.

»Es ist herrlich zu leben«, sagte Diana leise und berührte Hubertus’ Hand.

»Herrlich zu lieben«, fügte Hubertus ebenso leise hinzu.

*

Diana erlaubte sich nicht, an die Zukunft oder auch nur an den nächsten Tag zu denken. Sie lebte ganz der Minute, dem Augenblick.

Vielleicht ahnte sie schon, dass die Zeit, die sie sich ganz ihrer Liebe hingeben durfte, nur kurz sein würde.

Als es Nacht wurde, bereitete Hubertus sich sein Bett in der Hängematte und überließ Diana die Liege, auf der er sonst immer in der »Höhle« übernachtete.

Diana fand jedoch keinen Schlaf. Leise erhob sie sich und trat ins Freie.

Sie neigte sich über Hubertus. Das Licht des vollen Mondes beschien sein schmales, ein wenig blasses Gesicht mit den blonden Haaren.

»Schläfst du?«, hauchte sie.

Statt einer Antwort zog er sie am Arm ganz zu sich herab und küsste sie.

Sie legte sich zu ihm in die Hängematte. Es war eine warme, laue Nacht. Irgendwo schrie ein Käuzchen.

Sie sprachen nicht miteinander, bewegten sich nicht, sondern lagen ganz still.

Schließlich schliefen sie ein.

Hubertus erwachte, als der Tag begann. Vorsichtig, um Diana nicht aufzuwecken, erhob er sich aus der Hängematte und ging in die Höhle, um das Frühstück zu bereiten.

Als das Kaffeewasser kochte, schlug Diana die Augen auf.

Sie wusste sofort, wo sie war.

Ihr erster lächelnder Blick galt Hubertus, der in der Türöffnung stand. Sie streckte die Hand nach ihm aus, und er kam zu ihr, um sie zu küssen.

»Frühstück ist fertig, Liebling.«

Sie tranken frischgebrühten Kaffee und aßen geröstetes Brot.

»Danach streichen wir das Haus fertig«, bestimmte Diana. »Schließlich möchte ich nicht, dass du später sagst, ich halte dich von deiner Arbeit ab.«

»Also gut. Malen wir also.«

Der Tag verging ohne besondere Erlebnisse. Hubertus und Diana lebten ganz ihrer Liebe, ihrem Glück.

Wieder schliefen sie nachts gemeinsam in der großen Hängematte. Beglückt fühlte einer den Körper des anderen. Es war, als seien sie ein Mensch, als seien sie nur geboren, um einander zu finden.

Ein zweiter, ein dritter Tag verging.

Diana fragte sich nicht, wie lange sie schon bei Hubertus war. Sie dachte nicht an Friedrich von Großborn oder an ihren Vater.

Friedrich und ihr Vater gehörten zu einem Leben, das nichts mehr mit ihr gemein hatte. Ihr Leben war Hubertus, und in ihm und ihrer Liebe erfüllte sie sich selbst.

Am dritten Tag nach Dianas Ankunft in der »Höhle« kam ein jüngerer, etwas blasiert aussehender Mann den schmalen Weg hinunter, der durch die ungemähte Wiese führte.

Bella, die kaum noch von Hubertus’ und Dianas Seite wich, sprang dem Fremden laut bellend entgegen.

Der Blick des jungen Mannes ging von Diana zu Hubertus hinüber. Er kam näher.

»Sagen Sie, wohnt hier der Schreinermeister Wagner?«, fragte er und hielt den Blick unverwandt auf Diana geheftet.

»Nein, der wohnt hier nicht. Ich kenne ihn auch nicht«, entgegnete Hubertus kühl, denn der Fremde gefiel ihm überhaupt nicht.

Ein letztes Mal maß der Mann Diana von Kopf bis Fuß, als versuche er, sich jede Einzelheit ihrer Kleidung und ihres Aussehens genauestens einzuprägen.

Scham stieg in Diana bei diesem Blick auf. Sie trug eines von Hubertus Oberhemden und hatte die obersten drei Knöpfe offengelassen. Die Beine von Hubertus’ geflickten Jeans hatte sie hochgekrempelt. Sie trug keine Schuhe.

»Ich danke Ihnen. Und bitte entschuldigen Sie die Störung«, murmelte der Fremde fast unverständlich und wandte sich ab.

Bella wollte wieder hinter ihm her laufen, aber Hubertus rief sie zurück.

»Ich habe kein sehr gutes Gefühl«, sagte Diana leise.

»Ach, dieser Mann war wie ein kalter Schauer. Komm, Liebling, wir halten uns gegenseitig warm.«

Sie legten sich wieder ins Gras. Aber unbewusst horchte Diana immer auf einen Schritt, der sich ihr und Hubertus nähern könnte. Ein Gefühl, in Gefahr zu schweben, hatte sich ihrer bemächtigt.

Hubertus entging ihre Unruhe nicht.

»Was meinst du, wollen wir schwimmen gehen, Liebling?«, fragte er und fuhr mit seinen Fingern durch ihr dichtes schwarzes Lockenhaar.

»Ja.«

Sie liefen durch den Garten, den Wald, und kamen zum See. Bella, die an ihrer Seite hergesprungen war, warf sich als erste in das glasklare Wasser.

Diana und Hubertus folgten dem Hund.

Als sie zurückkehrten, zog ein frischer Wind auf.

»Ein Glück, dass ich zwei Pullover besitze, Diana.«

»Sonst hätten wir beide den gleichen Pullover angezogen. Ich hätte ganz dicht an dich herankriechen müssen und wir wären wie ein einziger Mensch gewesen.«

Plötzlich ergriff Hubertus Dianas Arm.

»Du, da sind Leute bei der Höhle.«

»Lass uns nicht weitergehen. Ich habe Angst. Bitte, bitte, Hubertus, bleib stehen.«

Zwischen Hubertus Augenbrauen hatte sich eine feine Falte gebildet. Ganz langsam ging er weiter. Sein Körper schien wie zum Sprung gespannt.

Diana fühlte, dass ihr Herz bis zum Halse klopfte. Wilde Panik hatte sie ergriffen. Sie spürte, dass Menschen in ihr Paradies eingedrungen waren, um sie und Hubertus zu vertreiben. Aber wer waren diese Menschen?

Als sie näherkamen, erkannten Diana und Hubertus den blasierten jungen Mann, der sich jedoch umwandte und den Garten in der entgegengesetzten Richtung wieder verließ.

»Mein Vater!«, rief Diana leise, als ein zweiter Mann hinter der Höhle hervortrat.

Hubertus blieb stehen und sah Diana voller Liebe und unendlicher Zärtlichkeit in die Augen. Er hob seine Hand, um eine ihrer Locken zurückzustreichen.

»Hab’ keine Angst, Liebling! Wir haben nichts Unrechtes getan. Ich werde deinen Vater bitten, für immer mit dir zusammenleben zu dürfen. Ich werde ihm sagen, dass ich für uns beide arbeiten kann. Geliebte, habe keine Angst.«

Aber Diana hatte eine Hand vor ihre Augen gelegt, als könne sie so die Tränen zurückhalten, die in ihr aufgestiegen waren

*

Dann standen sie sich gegenüber.

Fürst von Buchenhain und seine Tochter mit Hubertus.

Hubertus wollte zu sprechen beginnen. Mit einer herrischen Gebärde wies Fürst von Buchenhain ihn zurück.

»Diana, ich will hier nicht mit dir über dein Vergehen sprechen. Der Wagen wartet draußen auf dich.«

»Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle«, sagte Hubertus und streckte sein Kinn ein wenig vor. Er hatte einen Arm schützend um Dianas Schultern gelegt.

Fürst von Buchenhain maß ihn aus grauen kalten Augen. Der Abendwind fuhr durch sein dichtes dunkelblondes Haar, das von silbernen Strähnen durchzogen war.

»Sie brauchen sich nicht vorzustellen, Graf. Ich weiß, wer Sie sind. Diana, du hast gehört, was ich dir gesagt habe.«

Das Mädchen schüttelte den Kopf.

»Vater, ich bleibe hier bei Hubertus. Ich bin frei, und ich werde nicht mit dir kommen.«

Fürst von Buchenhain tat, als habe er nichts gehört.

Mit schneidender Kälte fuhr er Hubertus an: »Nehmen Sie Ihren Arm von der Schulter meiner Tochter, Graf! Wenn meine Tochter sich auch nicht wie eine Prinzessin benommen hat, so verlange ich, dass ihr in meiner Gegenwart die Achtung entgegengebracht wird, die ihr ihrer Stellung nach zusteht.«

Unwillkürlich hatte Hubertus seinen Arm fortgenommen.

Ohne jegliche Angst entgegnete er: »Ich wusste nicht, dass Diana einen Titel besitzt. Aber ich bin sicher, Fürst, dass es nichts daran geändert hätte. An unserer Liebe, Fürst. Sicherlich ist hier nicht der richtige Ort, aber ich habe keine andere Wahl. Ich möchte Sie um die Hand Ihrer Tochter bitten, Fürst.«

Fürst von Buchenhains Nasenflügel bebten. Seine Lippen waren ganz schmal geworden. Er sah auf Hubertus’ zerlumpte Hosen, sein Hemd, an dem die Knöpfe fehlten.

»Sind Sie nicht ein wenig vermessen, junger Mann?«, fragte er leise und schneidend.

»Ich bin jung, Fürst, und ich habe noch ein Leben vor mir. Diana wird sich meiner nicht zu schämen brauchen.«

»Sie sind nicht nur jung, sondern auch von einer krankhaften Anmaßung und ungehörigem Stolz besessen, Graf.«

»Vater, du wirst Hubertus und mich nicht trennen können! Nie, nie, Vater!«, rief Diana. In ihren Augen schimmerten Tränen.

Der Fürst sog tief Luft ein. Er

hasste diesen jungen Mann, den zu lieben seine Tochter glaubte. Hätte er ihn vernichten können, er hätte es getan.

Blitzschnell und kalt änderte der Fürst seinen Plan. Es galt, an das Ehrgefühl des Grafen zu appellieren.

»Sie werden sicherlich nicht wünschen, Graf«, fuhr er ein wenig verbindlicher fort, »dass meine Tochter sich mit ihrem Elternhaus entzweit. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich Ihren Antrag sehr wohl prüfen werde. Denn es ist selbstverständlich auch mein Wunsch, dass meine Tochter ein glückliches Leben führt. Ich bitte Sie deshalb höflich, am folgenden Sonntag nach Schloss Buchenhain zu kommen. Meine Tochter und ich werden Sie dann empfangen.«

Ein kleines Lächeln erschien auf Hubertus’ Gesicht. Ihm war nicht der leiseste Gedanke an Verrat gekommen.

»Vater, mein Entschluss wird sich niemals ändern. Ich werde am Sonntag nicht anderer Meinung sein. Hubertus von Homberg ist ein ehrenhafter Mensch, und ich liebe ihn, Vater. Nein, ich komme nicht mit dir«, rief Diana.

Hubertus legte seine rechte Hand leicht auf ihren bloßen Arm.

»Es wäre mir lieb, Diana, wenn wir dem Wunsch deines Vaters nachkommen würden. Wir werden nur für ein paar Tage getrennt bleiben.«

Sie blickte zu Boden. Sie hatte Angst, entsetzliche Angst.

Ihr Vater deutete eine Verneigung gegen Hubertus an.

»Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Fürst«, sagte Hubertus ernst und stolz. Auch er verneigte sich vor Dianas Vater.

Er hatte viel von ihm gehört, dem Fürsten von Buchenhain. Kalt, hart und unbestechlich hatte Hubertus’ Vater, der Graf von Homberg, ihn einmal genannt. Die schwarzhaarige Frau auf dem kleinen Gemälde im Salon von Hubertus’ Mutter war die Fürstin von Buchenhain gewesen, Dianas Mutter.

Hubertus spürte, dass es ein Geheimnis gab, von dem weder er noch Diana etwas wussten. Wann war die Feindschaft zwischen den Grafen von Homberg und dem Fürstenhaus von Buchenhain entstanden? Woher kam das kleine Gemälde, das Dianas Mutter darstellte?

Er wollte dieses Gemälde ergründen, denn Diana war ein Teil dieses Geheimnisses.

Der Fürst hatte sich abgewandt.

»Lauf, Diana. Ich komme und hole dich«, sagte Hubertus ganz leise. Sie vermochte nur zu nicken. Sie konnte nicht daran glauben, dass alles gut werden würde. Ihr Vater hatte noch niemals von einem zuvor gefassten Plan abgelassen.

»Lebe wohl, bis wir uns wiedersehen, Hubertus!«

Er strich mit einer raschen, zärtlichen Geste über ihre Wangen, und Diana folgte ihrem Vater. Sie wandte sich kein einziges Mal nach Hubertus um.

An der Gabelung des Sandwegs zur Asphaltstraße stand der schwarze Mercedes des Fürsten. Davor hatte ein kleines gelbes Auto geparkt, in dem der junge, blasierte Mann saß.

Als er den Fürsten und seine Tochter herankommen sah, startete er den Motor seines Wagens und fuhr fort.

Der Chauffeur im schwarzen Mercedes grüßte Diana höflich und machte ein Gesicht, als sei überhaupt nichts Außergewöhnliches vorgefallen.

»Fürst von Großborn lebt seit zwei Tagen auf Buchenhain«, sagte Dianas Vater, als Schloss Buchenhain vor ihnen auftauchte.

Diana wurde noch bleicher und blickte auf ihre im Schoß gefalteten Hände. Weshalb erwähnte ihr Vater den jungen Fürsten, nachdem er Hubertus das Versprechen gegeben hatte, ihn am kommenden Sonntag zu empfangen?

Der Wagen parkte auf dem Sandstreifen, der zwischen der kurzen Freitreppe zum Hauptschloss und dem Wasserbassin lag.

»Bitte kleide dich um und komme in mein Arbeitszimmer, Diana«, befahl der Fürst.

Diana eilte in ihr Zimmer und zog Hubertus’ Hose und sein Hemd aus. Dann presste sie ihre Lippen auf diese Kleidungsstücke, die Hubertus vor ihr getragen hatte und versteckte sie in einer Schublade in ihrem Schlafzimmerschrank.

Sie ließ Wasser in die rosafarbene Badewanne laufen, legte sich hinein und schloss die Augen. Diana wusste, dass ihr Vater und Fürst von Großborn sie erwarteten. Aber sie fand nicht die Kraft, zu ihnen zu gehen.

Nach dem ausgedehnten Bad kleidete sich Diana an. Sie wählte ein schlichtes, langes Kleid aus roter Rohseide, das bis zu ihren Fesseln reichte.

Es klopfte an die Tür.

»Ja bitte?«

Der Sekretär des Fürsten trat ein. Die Prinzessin möge bitte nicht vergessen, dass Ihr Vater und Fürst von Großborn im Arbeitszimmer des Fürsten auf sie warteten.

»Nein, ich habe es nicht vergessen. Danke«, erwiderte Diana.

Es dämmerte bereits, als Diana das Arbeitszimmer ihres Vaters betrat.

Fürst von Buchenhain legte gerade den Hörer des Telefonapparates auf die Gabel zurück. Auf seinem Gesicht war ein Ausdruck von Befriedigung zu erkennen.

Friedrich von Großborn stand neben dem Fenster und verneigte sich stumm.

Diana erwiderte seinen wortlosen Gruß durch ein Neigen ihres Kopfes.

»Ich wollte Ihnen nur vergewissern, Prinzessin, dass ich meine Absichten, Sie um Ihre Hand zu bitten, nicht geändert habe«, sagte Friedrich von Großborn und sah Diana dabei mit einer gewissen Starre in die Augen.

Danach wandte Friedrich von Großborn sich an Fürst von Buchenhain. »Bitte entschuldigen Sie mich, Fürst. Ich bin sehr erleichtert und möchte heute nach Großborn zurückkehren.«

»Ich danke Ihnen, Fürst«, erwiderte Dianas Vater und führte seinen Gast, nachdem dieser sich förmlich von seiner Tochter verabschiedet hatte, aus dem Zimmer. Er geleitete ihn zu seinem Wagen.

*

Nach seiner Rückkehr ins Arbeitszimmer zündete Fürst von Buchenhain alle Leuchter im Raum an.

Mit auf dem Rücken verschränkten Armen stellte er sich vor Diana. Diese Haltung ihres Vater hatte für Diana immer etwas Furchteinflößendes gehabt, als sie noch ein Kind gewesen war. An diesem Abend empfand sie jedoch keine Angst. Ihre Liebe hatte sie sicher gemacht.

»Ich habe vorhin mit Graf von Homberg gesprochen, Diana«, begann Fürst von Buchenhain und maß seine Tochter mit aufmerksamen Blicken.

»Hubertus hat sich mit seinen Eltern entzweit, Vater.«

»Ich weiß es seit langem. Ich muss ein wenig ausholen, mein Kind. Deine Mutter ist eine entfernte Verwandte der Gräfin von Homberg. Man kann sagen, sie liebten einander wie Schwestern.

Ich hatte deine Mutter übrigens bei einem Besuch auf dem Gut des Grafen kennengelernt. Sie verbrachte damals vier Wochen in Deutschland.

Schon bei jenem ersten Besuch entging mir nicht, dass Graf von Homberg – der übrigens einen sehr zweifelhaften Ruf als Frauenheld hatte und bereits verheiratet war – sich um deine Mutter bewarb. Ich brauche nicht zu betonen, dass deine Mutter über jeden Zweifel an ihrer Tugend erhaben war.

Da ich deine Mutter liebte und auch, um sie vor den – übertriebenen Referenzen – des Grafen zu bewahren, reifte in mir bald der Entschluss, sie als meine Frau nach Buchenhain zu führen.

Deine Mutter fühlte sich während der ersten Zeit hier ein wenig einsam, und ich gab schließlich ihren Bitten nach, die Gräfin und Graf von Homberg nach Buchenhain zu laden. Der Besuch wurde wiederholt.«

Der Fürst brach ab, als könne er die Erinnerung nicht ertragen und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.

Es dauerte eine ganze Weile, bis er fortfuhr: »Ich überraschte den Grafen dabei, wie er versuchte, deine Mutter zu küssen. Sie wehrte sich auf ihre scheue ein wenig verhaltene Art. Nun, was danach geschah, bedarf keiner langen Erzählung.

Gräfin und Graf von Homberg kamen nie wieder nach Buchenhain. Ich habe sie auch an anderen Orten nicht wiedergesehen, nur von ihnen gehört.

Die unselige Leidenschaft des Grafen für Frauen und sein Unvermögen, sein Erbe zusammenzuhalten, hat sich auf seine fünf Kinder übertragen.

Der Reichtum der Grafen von Homberg ist geschmolzen. Sie waren gezwungen, ihr Gut zu verkaufen und leben jetzt in ihrem Stadthaus.

Der älteste Sohn, so wurde mir berichtet, und davon konnte ich mich heute mit eigenen Augen überzeugen, soll ein Ebenbild seines Vaters sein. Graf von Homberg, wie er früher gewesen war. Inzwischen ist der alte Herr zur Vernunft gekommen und erkennt, welches Erbe er seinen Kindern überlassen hat.

Ich habe den Grafen gebeten, morgen nach Buchenhain zu kommen. Was ich zu sagen hatte, habe ich gesagt, Diana. Der Graf wird dir alles weitere erläutern.«

»Weshalb soll ich mit Graf von Homberg sprechen?«, fragte Diana. »Du weißt doch bereits, was er mir sagen wird, Vater.«

»Liebes Kind, übermäßige Gefühlsausbrüche schätze ich nicht.«

»Vater, ich weiß, dass Hubertus ein ehrenwerter und wertvoller Mensch ist. Er und ich – wir können doch nichts dafür, was in der Vergangenheit geschehen ist. Niemand und nichts wird mich davon abhalten können, mit Hubertus wegzugehen, wenn du mir am Sonntag immer noch verweigerst, seine Frau zu werden.«

Fürst von Buchenhain sah zu Boden. Ein kaum merkliches Lächeln umspielte seinen Mund. Grausamkeit lag in diesem angedeuteten Lächeln. Die Grausamkeit eines Menschen, der seinen einmal als richtig erkannten Weg geht, wenn auch Menschen dabei sterben mochten.

»Du wirst dich jetzt sicherlich schlafen legen wollen, Diana.«

»Ja, Vater.«

»Dann gute Nacht.«

»Gute Nacht, Vater.«

Der Fürst hielt Diana seine Wange hin, und sie berührte sie flüchtig mit ihren Lippen.

*

Als Diana morgens aufstand, um sich anzukleiden, regnete es draußen in Strömen. Sie streckte eine Hand aus dem Fenster und ließ die Wassertropfen auf ihre Hand fallen.

Plötzlich sah sie ein beigefarbenes englisches Auto.

»Hubertus’ Vater!«, sagte Diana halblaut.

Sie kleidete sich mit fliegender Hast an. Vielleicht war es wichtig, dass sie Graf von Homberg begegnete, bevor ihr Vater mit ihm sprechen konnte und die Feindschaft zwischen beiden Männern wieder aufflammen konnte.

Ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigte ihr, dass es bereits fast zehn Uhr war. So lange hatte sie geschlafen.

Sie lief über die Marmortreppe in die Halle.

Gerade als sie die unterste Stufe erreichte, trat Graf von Homberg ein.

Abrupt blieb er stehen und starrte auf Diana. Mit einer raschen Bewegung strich er sich über die Augen, als wolle er ein Bild verscheuchen.

Er kam zögernd näher.

»Prinzessin?«, fragte er mit der Stimme von Hubertus.

Diana versuchte zu lächeln. Sie fühlte, dass ihre Lippen zitterten.

»Ich bin Diana von Buchenhain. Und ich möchte, dass Sie in mir die Frau Ihres Sohnes und Ihre Tochter sehen können, Graf«, entgegnete sie.

Der Graf merkte, dass er noch immer ihre Hand festhielt.

»Ich bin etwas verwirrt«, sagte er leise.

Einen Augenblick lang hatte er wirklich geglaubt, Amalia käme auf ihn zu. Amalia, als sie zwanzig Jahre alt gewesen war. Amalia, die er so sehr geliebt hatte. Nie hatte der Graf erfahren, ob sie seine Liebe erwidert hatte.

»Sie sehen Ihrer verstorbenen Mutter sehr ähnlich.«

»So wie Hubertus Ihnen ähnelt, Graf.«

Sie lächelten einander an. Ein Band von Verstehen, von Zuneigung umschlang das junge Mädchen und den Grafen.