Fußballprofi 4: Fußballprofi - Fußball, Champions und Europa - Andreas Schlüter - E-Book

Fußballprofi 4: Fußballprofi - Fußball, Champions und Europa E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

FUSSBALLPROFI - Der große Sonderband zur EM! *** Niklas wird zur Europameisterschaft für die U14-Nationalmannschaft nominiert! Die Spiele der U14 werden in München, Glasgow, Dublin, London, Kopenhagen, Amsterdam, Bukarest, Budapest, St. Petersburg, Bilbao, Rom und Baku ausgetragen! Auf seiner großen Europa-Tournee lernt Niklas aber nicht nur all diese Städte kennen, sondern trifft seinen  Freund Marco, aber leider auch seinen Erzrivalen Freddy. wieder ... Schafft Niklas es mit seinen 13 Jahren tatsächlich, Europameister zu werden? *** Von den Autoren der erfolgreichen "Fußballprofi/Fußball und sonst gar nichts"-Reihe! *** www.niklasfussballseite.de

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Andreas Schlüter/Irene Margil

Fußballprofi – Fußball, Champions und Europa

Mit Bildern von Markus Grolik

Niklas kann sein Glück nicht fassen: Er wird zur Europameisterschaft für die U14-Nationalmannschaft nominiert!

Weil die EM der Profis 2020 erstmals in zwölf europäischen Ländern ausgetragen wird, hat der internationale Fußballverband sich etwas Besonderes einfallen lassen: Die Spiele der U14 werden auch in München, Glasgow, Dublin, London, Kopenhagen, Amsterdam, Bukarest, Budapest, St. Petersburg, Bilbao, Rom und Baku ausgetragen! Niklas geht auf eine spannende Europa-Reise.

Dies ist der 4. Band der Reihe Fußballprofi.

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Niklas’ Gesicht verzog sich zu einem einzigen großen Fragezeichen. Seine Augen waren weit aufgerissen, der Mund stand halb offen. Was hatte Tobias ihm da soeben erzählt? Es sollte eine Art Fußball-Europameisterschaft für die U14 ins Leben gerufen werden?

„Ich dachte, du wüsstest es“, hatte Tobias noch gesagt. „Du hast doch schon mal in der Auswahl der U12 gespielt. Na ja, ist ja auch nicht so wichtig.“

Nicht so wichtig? Was erzählte Tobias da?! Niklas schnappte sich sein Smartphone und gab die entsprechenden Suchwörter ein, um alles über diese angebliche EM der U14 zu erfahren.

Sein bester Freund steckte gerade mit dem Kopf im Trikot.

Sie hatten sich bei Niklas zu Hause verabredet. In eineinhalb Stunden begann ihr Training beim FC Berne. Wie so oft wollten die beiden zuvor noch einen kleinen Kick daheim auf dem Bolzplatz nebenan austragen. Eins gegen eins.

Niklas war fündig geworden und hatte die offizielle Mitteilung des DFB zu der geplanten, neuen U14-EM gefunden.

„Das, das … das ist der Wahnsinn!“, stieß Niklas aus. „Manno, Niklas, das nervt!“, schimpfte Tobias, als er mit dem Kopf wieder aus dem Trikot auftauchte. „Wir wollen endlich mal wieder auf den Bolzplatz, und du daddelst stattdessen im Internet rum. Hätte ich dir bloß nichts erzählt.“ Er zupfte an seinem Trikot, steckte es in die Shorts und legte sein Hemd sorgfältig in die Trainingstasche.

„Ja, gleich“, antwortete Niklas geistesabwesend.

„Du bist noch nicht mal umgezogen!“, meckerte Tobias und legte sich zwei Haarsträhnen wieder exakt über seine Stirn.

Niklas hielt Tobias das Display direkt vors Gesicht. „Du hattest recht. Die führen tatsächlich eine U14-EM ein. Eine Hammer-Idee, finde ich!“

„Ja!“, bestätigte Tobias.

„Aber wieso hat dir die DFB-Jugendabteilung davon nichts erzählt? Ich meine, du warst doch …“

„Ja, ja, ich weiß“, unterbrach Niklas ihn und winkte ab. Das hatte er sich nämlich auch gerade gefragt. Er hatte bereits im Nationaldress gespielt, in einer U12-Auswahl. Jetzt war er 13 Jahre alt und hatte damit genau das richtige Alter für die U14. Aber vom DFB hatte er nichts gehört. Rein gar nichts. Hatten die ihn nicht mehr auf dem Zettel? Spielte er keine Rolle mehr? War er aus dem Auswahlkader geflogen, ohne es zu wissen?

Thomas Müller war lange Zeit Niklas’ Lieblingsspieler gewesen. Auch den hatten sie trotz seiner großen Verdienste für die Nationalmannschaft von einem Tag auf den anderen aus dem Kader verbannt. Genau wie Mats Hummels und Jérôme Boateng, die beide über Jahre das beste Innenverteidiger-Duo der Welt dargestellt hatten!

Erging es ihm, Niklas, jetzt etwa genauso wie seinen einstigen Idolen?

„Hallo? Erde an Niklas!“, rief Tobias und wedelte mit der flachen Hand vor Niklas’ Gesicht herum. „Ist jemand zu Hause? Umziehen! Bolzplatz!“

„Ja, ja“, murmelte Niklas, weil er mit seinen Gedanken noch immer an seiner Nicht-Nominierung klebte. „Ich will nur kurz …“

„Nix da!“, befahl Tobias. „Wir spielen jetzt. Los, zieh dich um!“

Tobias warf ihm das Trikot hin, das Niklas sich auf seinem Bett schon bereitgelegt hatte. Es war das Weltmeister-Trikot von 2014, hintendrauf der Name von Thomas Müller und die Nummer 13. Niklas hatte es erst letztes Jahr in der richtigen Größe gekauft, weil es als Restposten extrem preiswert angeboten worden war. Ein aktuelles DFB-Fanshirt konnte er sich nicht leisten. Und sein eigenes Nationaltrikot, das er in der U12 mit großem Stolz getragen hatte, passte ihm nicht mehr. Da käme ein neues für die U14 gerade recht und …

„Los jetzt!“ Tobias wurde allmählich richtig sauer. Wieder hatte Niklas sich in seinen Gedanken verloren.

„Ist ja gut“, murrte Niklas. „Du bist ja schon wie meine Mutter!“

Niklas zog sein Poloshirt aus und das Fußballtrikot drüber. Dazu noch die kurze Sporthose, die Stutzen und die Schuhe – fertig.

„So“, sagte Niklas nach eineinhalb Minuten. „Weiß gar nicht, was du hast! Gehen wir!“

Zu gern hätte Niklas noch nachgeschaut, ob der Kader für die neue EM überhaupt schon nominiert war. Vermutlich nicht, weil die Idee ja wohl ganz frisch verkündet worden war. Es gab also wahrscheinlich noch gar keinen Grund zur Panik.

Wahrscheinlich! Wenn aber doch …?

Tobias und Niklas verließen die Wohnung. Niklas schloss ab.

„Bereit?“, fragte Tobias.

Das alte Spiel: Wer war zuerst unten, ohne dabei eine Stufe auszulassen? Diesen Treppenhaus-Wettkampf ließ Tobias auch heute nicht aus. Meistens war Niklas der Sieger. Doch diesmal hatte er keine Chance. Denn als Niklas antwortete: „Klar, bereit!“, schoss Tobias bereits los, obwohl Niklas noch den Schlüssel in der Tür stecken hatte. Tobias’ Vorsprung war uneinholbar.

Zwei Straßen weiter lag ihr kleiner Bolzplatz, auf dem sie schon gemeinsam kickten, seit sie laufen konnten.

Damals war es allerdings nur ein Fleckchen freier Sandfläche neben einem Mini-Spielplatz gewesen. Inzwischen war daraus ein ansehnlicher Fußballplatz geworden.

Sie hatten Glück. Der Platz war leer. Aber zu zweit konnten sie sowieso nicht über den gesamten Platz spielen. Sie brauchten nur ein kleines Eckchen, in dem sie mit Steinen zwei kleine Tore absteckten, jeweils gerade mal einen Meter breit. Ohne Keeper. Weitschüsse verboten.

„Auf gehts!“, rief Tobias, riss Niklas den Ball aus den Händen, warf ihn sich vor die Füße und rannte los auf Niklas’ Tor.

Niklas spurtete hinter ihm her, konnte ihn aber nicht mehr einholen.

Tobias schoss.

„Unerlaubter Weitschuss!“, reklamierte Niklas.

„Quatsch!“, widersprach Tobias. Der Ball hoppelte über den Stein, der den rechten Pfosten darstellte.

„Pfosten und aus!“, rief Niklas.

„Ne“, widersprach Tobias erneut. „Innenpfosten und rein! 1:0! Du bist einfach nicht bei der Sache!“

Tobias hatte recht, das musste Niklas sich eingestehen. Entsprechend kassierte er die höchste Niederlage, die er jemals bei einem Zweierspiel mit Tobias hatte hinnehmen müssen. Er verlor 2:8.

Normalerweise gewann Niklas die Spiele immer. Es war erst das dritte Mal, dass Tobias gewonnen hatte. Beim ersten Mal hatte Niklas Fieber gehabt, beim zweiten Mal noch an einer Verletzung gelitten.

„Okay!“, sagte Tobias deshalb auch nach seinem achten Tor. „Ich gewinne zwar gern, aber nicht so. Lass uns aufhören für heute. Ist sowieso gleich Training.“

„Okay“, sagte Niklas. „Geh du schon mal vor. Ich hab was zu Hause vergessen.“

Tobias runzelte die Stirn. Normalerweise wäre er natürlich gemeinsam mit Niklas den Umweg gegangen, wenn er noch mal zurück musste. Aber Tobias kannte Niklas gut genug und wusste, dass Niklas nur noch einmal unbeobachtet ins Internet gucken wollte wegen dieser neuen EM. Er hätte wirklich den Mund halten sollen, dachte Tobias bei sich, sagte aber nur: „Bis gleich dann!“

Zu Hause rannte Niklas die Treppen in die 4. Etage hoch, schnappte sich den Briefkastenschlüssel, raste die Treppen wieder hinunter, öffnete den Briefkasten und …

„Mist!“, fluchte er laut. Kein Brief vom DFB. Keine Nominierung. Allerdings lag überhaupt keine Post im Kasten. Vielleicht kam die heute später? Es bestand also noch eine geringe Chance, dass seine Berufung in den Kader noch kommen würde. Oder vielleicht telefonisch? Ja, natürlich. Genau!

Niklas raste die Treppen wieder hoch. Wenn es so weiterging, würde er heute kein Training mehr brauchen, dachte er kurz.

Oben angekommen betätigte er die Anrufbeantworter-Funktion des Telefons. Aber es zeigte schon an: keine Anrufe.

Noch mal Mist!

Andererseits war es ja auch klar, schließlich besaß der DFB seine Mobilnummer. Die hätten darauf anrufen können, denn sein Smartphone hatte er die ganze Zeit bei sich gehabt.

Mist! Mist! Mist!

Niklas lief wieder hinaus ins Treppenhaus. Er musste zum Training! Hoffentlich war Freddy heute da. Nicht, dass er sich auf den Blödmann freute. Ganz im Gegenteil. Man hätte beinahe sagen können, Freddy war sein Erzfeind. Da sie aber nun mal gemeinsam in einer Mannschaft spielten, war er wohl eher doch nur sein ewiger Konkurrent.

Als Niklas damals, als er noch zehn Jahre gewesen war, in den FC Berne eingetreten war, hatte Freddy sich vom ersten Tag an als ungeheures Großmaul und Angeber entpuppt. Das hatte sich bis zum heutigen Tag nicht geändert. Aber leider war Freddy auch ein unheimlich guter Fußballer. Mit Abstand der beste in der Mannschaft. Fast der beste. Denn über die Jahre hatte Niklas es geschafft, sich zu behaupten und mit Freddy gleichzuziehen. Niemand im Verein würde inzwischen noch behaupten, Freddy wäre besser als Niklas. Außer Freddy natürlich; der hielt sich noch immer für den Besten.

Freddy hatte seinerzeit nicht in der U12-Auswahl gespielt. Und genau das war der Grund, weshalb Niklas jetzt hoffte, Freddy beim Training anzutreffen. Wehe, bei dem hatte sich der DFB gemeldet und bei Niklas nicht! Wenn Freddy aber wie er bisher auch nichts gehört hatte, bestand die Möglichkeit, dass noch keine Nominierung stattgefunden hatte.

Niklas entschloss sich, so schnell wie möglich zum Training zu kommen. Deshalb schloss er sein Rad, das vor der Haustür stand, auf und radelte zum Sportplatz.

Mit quietschenden Reifen bremste er zehn Minuten später vor den Umkleideräumen, sprang vom Rad, schloss es eilig an, stürmte in die Kabine und hätte dabei beinahe Tobias umgerannt, der gerade hinaus auf den Sportplatz trat.

Tobias schaute streng auf sein linkes Handgelenk, als trüge er dort noch seine Uhr. Aber die war im Training nicht erlaubt. „Mann, du hast Nerven. Im wahrsten Sinne des Wortes auf die letzte Minute! Du weißt, was das sonst heißt“, ermahnte er Niklas.

„Ja, ich weiß“, gab Niklas kurz angebunden zurück. Zu spät kommen bedeutete, zwei Euro Strafe in die Mannschaftskasse zahlen zu müssen, und wenn man mehr als fünfzehn Minuten zu spät kam, saß man beim nächsten Spiel zumindest während der ersten Halbzeit auf der Bank. Unabhängig davon, wie gut man war.

„Ist Freddy da?“, fragte Niklas.

Tobias schaute seinen besten Freund verwundert an.

„Freddy? Was willst du denn ausgerechnet von dem?“

„Ist er nun da oder nicht?“, wiederholte Niklas seine Frage.

„Nee“, antwortete Tobias. „Noch nicht. Hoffst du etwa auf seinen Platz, weil er viel zu spät kommt?“

„Wie kommst du denn darauf?“ Niklas blieb kurz stehen.

„Na ja, so, wie du vorhin gespielt hast, hast du Samstag bestimmt keine Chance auf einen Einsatz von Beginn an.“

„Ha!“, antwortete Niklas entschieden. „Das werden wir ja sehen!“

Niklas ging nun endlich in die Umkleidekabine, Tobias schlenderte auf den Platz. Auf dem Weg dorthin fischte er sich einen Ball aus dem Netz, das vor der Eingangstür lag, und versuchte, ihn im Gehen hochzuhalten. Doch schon beim dritten Mal sprang ihm der Ball weit vom Fuß. Tobias war kein guter Techniker. Er tippelte seinem rollenden Ball hinterher, der plötzlich von einem Fuß gestoppt wurde.

„Du bist und bleibst eine blinde Krücke!“, lästerte Freddy, der nun vor Tobias stand.

Ehe Tobias etwas sagen oder sonst wie reagieren konnte, hatte Freddy den Ball schon mit der Fußspitze hochgeschnippt, balancierte ihn einige Male auf dem Oberschenkel, kickte ihn noch höher, fing ihn mit der Stirn wieder auf, wo er ihn balancierte, wieder mit dem Abschluss, ihn zwei Meter hoch zu köpfen, um ihn dann elegant mit der Hacke über sich und Tobias hinweg weit auf den Platz zu spielen. Er grinste Tobias frech und überheblich an und sagte: „Na, komm, Dickerchen. Hol das Stöckchen!“

„Ich schieb dir gleich ein Stöckchen in deinen Hintern, du Blödmann!“, schimpfte Tobias. Er drehte sich um und lief seinem Ball hinterher, während Freddy lachend in der Umkleidekabine verschwand.

Kaum hatte Freddy die Umkleidekabine betreten, stürmte Niklas auf ihn los. „Hast du schon gehört?“

„Was?“, fragte Freddy verdutzt, wobei er seine Sporttasche auf seinen Platz warf.

„Na, von der U14-EM“, erklärte Niklas. „Tobias hat mir vorhin …“

„Ach so, die“, unterbrach Freddy ihn. „Natürlich. Bist du nicht eingeladen?“

„Was?“, fragte Niklas entgeistert nach. „Eingeladen? Wie? Ich meine …“

„Du bist also nicht eingeladen“, stellte Freddy zufrieden fest.

„Du etwa?“, hakte Niklas nach, obwohl die Frage ja eigentlich schon beantwortet war. Aber das durfte doch nicht wahr sein!

„Alle Teilnehmer der U12-WM sind zu einem Sichtungswochenende eingeladen“, antwortete Freddy betont gelassen.

„Aber du warst doch gar nicht dabei!“, rief Niklas.

„Zusätzlich wurden Spieler eingeladen, die damals schon hätten dabei sein müssen“, sagte Freddy. Die Genugtuung, die er dabei empfand, war ihm deutlich anzumerken. „In München.“

„In München?“, wiederholte Niklas fassungslos.

„Nuschel ich irgendwie? Oder wieso muss ich alles zweimal sagen? Oder hast du was mit den Ohren? Ja, in München. Ich dachte, du wärst auch dabei. Weil ich dachte, alle wären eingeladen. Aber vielleicht haben sie dich ja schon vorher aussortiert? Das hätten sie besser damals schon machen sollen.“ Freddy kehrte Niklas den Rücken und öffnete seelenruhig seine Sporttasche.

„Aussor…?“, wollte Niklas gerade sagen, aber er wollte Freddys Vermutung nicht wiederholen, deshalb brach er ab.

„Freddy, zwei Euro“, kam nun der Trainer dazwischen, der mittlerweile in die Umkleide gekommen war.

„Was? Nein! Ich war pünktlich!“, protestierte Freddy.

„Warst du nicht“, widersprach der Trainer. „Ich hab dich gesehen. Hättest du Tobias nicht geärgert, hättest du es wahrscheinlich noch rechtzeitig geschafft. So aber bist du zu spät. Es gilt das Betreten der Umkleidekabine. Und da warst du eine Minute zu spät.“

„Oh Mann, Scheiße!“, moserte Freddy.

„Nee, nix Scheiße“, sagte der Trainer grinsend. „Zwei Euro. Bitte gleich!“

Normalerweise hätte Niklas jetzt gefeixt über Freddys Missgeschick, aber zu sehr steckte ihm noch der Schreck in den Knochen, dass Freddy nach München eingeladen worden war und er nicht.

Freddy kramte zwei Euro aus seiner Hosentasche und gab sie dem Trainer. „Ach, übrigens“, sagte er dann.

„Samstag kann ich nicht zum Spiel. Ich bin nach München eingeladen, vom DFB, wegen der neuen U14-EM!“ Stolz zog er das offizielle Schreiben aus seiner Tasche und präsentierte es dem Trainer, wobei er sehr darauf achtete, dass auch Niklas es sah.

Niklas hatte genug. Diesen Samstag war schon das Sichtungswochenende. Und er wusste von nichts. Ihn hatten sie übergangen! Was für ein riesengroßer Mist! „Trainer, ich kann heute nicht mitmachen“, sagte er mit dünner Stimme. „Mir ist schlecht. Ich hab wohl irgendwie etwas Falsches gegessen.“

Er war völlig fertig, als er zu Hause ankam. Tränen standen ihm in den Augen. Und er hatte den Trainer nicht einmal belogen. Ihm war wirklich zum Kotzen zumute.

Inzwischen müssten auch seine Eltern daheim sein, fiel Niklas ein. Deshalb blieb er stehen und wartete einen Moment, bevor er die Haustür aufschloss. Er wollte nicht, dass Mama und Papa seine Tränen sahen und ihm tausend Fragen stellten. Er wusste ja auch nicht, wieso der DFB ihn übersehen hatte. Was also sollte er antworten? So blieb er zunächst im Treppenhaus stehen, setzte sich dann auf die Treppe, stützte seinen Kopf in die Hände und wartete.

Doch die Ruhe währte nicht lange. Kaum hatte er sich hingehockt, setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Niklas hob kurz den Kopf und hoffte, dass nicht gerade jetzt sein direkter Nachbar derselben Etage heraufkam. Die würden auch fragen, weshalb er hier saß. Hoffentlich hielt der Fahrstuhl irgendwo anders an.

Doch an diesem Tag wurde es wohl nix mit erfüllten Hoffnungen. Der Fahrstuhl hielt genau neben Niklas.

Mist!, dachte er, wischte sich schnell die Tränen aus den Augen und bereitete sich schon darauf vor, so zu tun, als hätte er etwas im Treppenhaus verloren, das er nun suchte. Ein Zweieurostück zum Beispiel oder …

Die Tür des Fahrstuhls öffnete sich. Niklas sprang auf, kniete sich hin, als ob er etwas suchte, da kam schon die Frage von hinten: „Niklas? Was tust du denn da?“

Niklas fuhr herum und staunte. Vor ihm stand nicht etwa sein Nachbar von gegenüber, sondern Nele.

„Du?“, fragte Niklas völlig verdattert.

Nele wohnte einen Treppenhauseingang weiter. Sie kannten sich schon seit Kleinkindertagen, hatten unzählige Stunden gemeinsam in der Sandkiste und auf dem Spielplatz verbracht, und mochten sich immer noch sehr gern. Sie luden sich gegenseitig zu ihren Geburtstagen ein (jedenfalls meistens) und verbrachten auch sonst hin und wieder die Freizeit miteinander, gingen ins Kino oder Ähnliches. Meistens dann natürlich gemeinsam mit einer größeren Gruppe von Freunden.

„Ich bringe euch nur eure Post“, antwortete Nele.

Das verwirrte Niklas noch mehr. „Wie meinst du das: unsere Post? Wieso trägst du die Post aus?“

Nele lachte. „Gute Frage. Keine Angst, ich bin keine Briefträgerin geworden. Das dürfte ich ja auch gar nicht in meinem Alter. Nein, ich hab mir zwei Bücher schicken lassen, die nicht in den Briefkasten passten. Also hat der Briefträger bei uns geklingelt und gefragt, ob er auch diesen dicken Umschlag hier bei mir abgeben könne. Denn bei euch war niemand da. Ich hab dich aber eben kommen sehen.“

„Dicken Umschlag?“, fragte Niklas. Vermutlich ein Katalog vom Baumarkt für seinen Vater oder auch ein Buch für seine Mutter. Oder …

„Ja“, sagte Nele. „Für dich. Hast du dir jetzt doch ein Originaltrikot bestellt? Ich dachte, die wären dir zu teuer?“

Niklas schüttelte unwillkürlich den Kopf. Er verstand überhaupt nichts mehr. Trikot? Original? Wovon sprach sie?

„Nein“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Wie kommst du darauf?“

Nele zog die Schultern hoch. „Keine Ahnung. Das Päckchen ist vom DFB und fühlt sich weich an wie ein Trikot. Da dachte ich …“

„WAS?“ Niklas sprang auf. „Vom DFB? Post? Wieso sagst du das nicht gleich?“

Er schnappte nach dem Päckchen in Neles Hand.

„Hab ich doch!“, behauptete Nele.

Aufgeregt riss Niklas das Päckchen auf.

„Pass auf“, mahnte Nele. „Du reißt ja den ganzen Inhalt mit kaputt.“

Für Geduld war keine Zeit. Niklas zerrte noch mehr an dem Päckchen, das sich hartnäckig wehrte. Doch Niklas ging als Sieger hervor. In Nullkommanix hatte er es aufgerissen und zog alles heraus, was sich darin befand. Nele hatte recht: ein Trikot.

Niklas beachtete es jetzt aber gar nicht weiter, sondern schaute, was der Umschlag noch enthielt. Das Schreiben darin hatte er durch sein ungestümes Auspacken nun leider wirklich halb eingerissen. Zum Glück war ein weiterer, kleinerer Briefumschlag weitestgehend unversehrt geblieben.

Niklas strich den Brief so glatt, wie es ging. Er bemerkte, wie seine Hände dabei zu zittern begannen, denn das Schreiben sah genauso aus wie das, was Freddy ihm gezeigt hatte – bis auf den langen Riss, der aussah, als hätte Niklas den Brief vor Wut zerreißen wollen. Doch das Gegenteil war der Fall. Niklas überflog den Text. Mit jeder Zeile hellte sich seine Miene mehr auf. „Doch ein Trikot?“, stellte Nele fest.

„Ein Trikot?“, wiederholte Niklas. „Äh, ja, mag sein. Aber darum gehts nicht. Es ist eine EINLADUNG!!!! Mann, seit wann hast du das Päckchen schon?“

„Na ja, seit vorhin. Hab ich doch gesagt“, erklärte Nele. „Wieso? Was ist denn? Eine Einladung wofür?“

„ZUR EUROPAMEISTERSCHAFT!“, brüllte Niklas heraus. Er sprang auf Nele zu, umarmte sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Ist das nicht WAHNSINN?“

„Hey, hey, ist ja gut!“ Nele schob Niklas sanft von sich, lächelte ihn an und fragte: „Europameisterschaft? Freikarten oder wie? Für ein Deutschlandspiel?“

„NEIN!“, rief Niklas. „VIEL BESSER!“

In dem Moment öffnete sich die Aufzugtür und seine Eltern kamen gemeinsam heraus.

„Was brüllst du hier denn so herum?“, fragte seine Mutter, die erst jetzt Nele entdeckte und sagte: „Oh! Hallo! Nele? Was tut ihr beide denn hier mitten im Treppenhaus?“

„Ich erklärs euch!“, rief Niklas. Er fasste Nele an die Hand und zog sie hinter sich her. „Komm mit!“

In dem kleineren Briefumschlag, der neben dem Trikot und dem Einladungsschreiben in dem Pappumschlag gelegen hatte, befanden sich zwei Fahrkarten von Hamburg nach München. Für Niklas und eine Begleitperson. Bereits am Samstag sollte es losgehen zum Sichtungstraining, zu dem vermutlich die gesamte U12-Auswahl eingeladen war, die damals die Mini-WM in Bologna gespielt hatte.

Niklas’ Kopf glühte vor Aufregung. Doch nicht nur er war nervös, sondern alle um ihn herum mit.

Seine Mutter machte sich natürlich als Erstes sofort wieder Sorgen darüber, dass er nach München fahren sollte. Mit einer Begleitperson, gut und schön, aber mit wem?

„Jetzt am Samstag schon?“, fragte sie mit klagender Stimme. „Das heißt, am Freitag fährst du und bleibst bis Sonntagabend?“

„Ja!“, bestätigte Niklas. „Am Sonntag ist noch bis 16 Uhr Training. Dann bekomme ich den ICE um 16:56 Uhr und komme um 23:31 Uhr in Hamburg an. Steht jedenfalls im Brief.“

„Um halb zwölf?“, quiekte seine Mutter. Ihre Stimme überschlug sich. „Das ist fast Mitternacht! Du bist erst dreizehn!“

„Mit einer Begleitperson“, erinnerte Niklas sie.

„Ja, aber wer denn? Ich muss Samstag arbeiten!“ Hilfe suchend schaute sie zu ihrem Mann.

Der grübelte kurz, zog die Schultern hoch und sagte: „Wir haben Sonntag eigentlich Fußballturnier mit der Betriebsmannschaft. Aber dann sage ich das ab und komme mit.“

Niklas’ Mutter seufzte erleichtert.

Doch Niklas widersprach: „Nein! Du kannst deine Mannschaft nicht im Stich lassen.“

„Aber du kannst nicht allein fahren“, bekräftigte seine Mutter nochmals.

„Opa kommt mit“, schlug Niklas vor.

Sein Großvater war für Niklas ohnehin der größte Förderer und Helfer in allen Fußballfragen. Bei jedem Heimspiel war er dabei. Und wenn Niklas ein Problem hatte – im Verein, auf dem Spielfeld, beim Training –, dann war sein Opa für ihn der erste Ansprechpartner. Das war schon immer so gewesen, seit Niklas das erste Mal mit einem Fußball gespielt hatte.

Niklas’ Eltern blickten sich kurz in die Augen. Dann sagte sein Vater: „Gut, ich frage ihn, ob er Zeit hat.“

Niklas grinste bis über beide Ohren. Denn er wusste: Opa hatte immer Zeit. Zumindest hatte Niklas noch nie erlebt, dass er seinen Großvater brauchte und der nicht für ihn da gewesen wäre.

So auch dieses Mal. Sein Vater telefonierte und nach fünf Minuten stand fest: Niklas fährt mit Opa.

Während Niklas seinen Eltern und Nele von der neuen U14-EM erzählte, stellte seine Mutter Kekse auf den Tisch und sein Vater bereitete für die Kinder kalten Zitronentee und den Erwachsenen heißen, frischen Cappuccino zu.

Nele, die während der gesamten Diskussion mit in der Küche gesessen hatte und bei all der Aufregung fast vergessen worden war, knabberte an einem Keks. „Ich hab zu Hause noch einen Stadtführer von München“, sagte sie.

„Cool“, antwortete Niklas. „Leihst du mir den? Obwohl ich vermutlich nicht viel von der Stadt sehen werde.“

„Ich war schon mal da“, erzählte Nele. „Ich hab einen Onkel dort.“

„Unser Training ist im alten Olympiastadion. Aber die Spiele der U14-EM finden in der Allianz Arena statt, dem Stadion von Bayern München.“

„Da spielst du dann auch?“, fragte Nele.

Niklas nickte eifrig. „Wir spielen immer in den großen EM-Stadien, in denen auch die großen, die echten Europameisterschaftsspiele ausgetragen werden. Ist das nicht irre?“

„Toll!“, kommentierte Nele. Nele war über Fußball sowieso gut informiert. Niklas brauchte ihr nicht zu erzählen, wo die richtige EM 2020 stattfand.

Nur seine Mutter, die wusste es nicht, weil sie sich nicht dafür interessierte. Bis heute.

Weil Niklas das wusste, ergänzte er: „In zwölf Städten.“

Seine Mutter sah ihn fragend an: „In Deutschland?“

Niklas verzog das Gesicht. „Mama! Natürlich nicht. Das ist doch eine EM!“ Er zeigte ihr den Brief. „Also hier steht: Bis April ist die deutsche U14-Nationalmannschaft in elf Städten der Teilnehmerländer zu Gast. Im Anschluss empfängt unsere U14 im Sommer die Nationalmannschaften der elf Gastgeber in elf deutschen Städten.“ Niklas grinste. „Also in der Hinrunde machen wir eine Europareise und in der Rückrunde gibts eine Deutschland-Tournee. Ist das nicht super?“

Doch seine Mutter konterte: „Bisher haben die Europameisterschaften immer in einem Land stattgefunden. Oder irre ich mich?“

„Ja“, sagte Niklas. „Du irrst dich. Sie fand schon mehrfach in zwei Ländern statt. Aber dass sie in 12 Städten und 12 verschiedenen Ländern stattfindet, das ist bisher einzigartig.“

Wieder quiekte seine Mutter auf und fragte entsetzt: „In zwölf Ländern? Und du sollst in alle reisen? Allein?“

„Nein, mit der Mannschaft“, korrigierte Niklas. „Also die Städte sind München, Rom, Kopenhagen, Budapest, Bukarest …“

Seine Mutter wurde während der Aufzählung immer blasser. Hilfe suchend sah sie zu ihrem Mann. Aber der kannte die Austragungsorte, auch wenn er sie nicht wie Niklas auswendig herunterbeten konnte. Er hätte im Internet nachsehen müssen, um keine Stadt zu vergessen.

„… Bilbao, Glasgow, Dublin, London, St. Petersburg …“, zählte Niklas weiter auf.

„St. Petersburg?“, wiederholte seine Mutter. „In Russland?!“

„Ich denke schon“, sagte Niklas.

„Meine Güte!“, seufzte seine Mutter.

Niklas setzte die Aufzählung fort: „… Amsterdam und Baku.“

„Baku?“, fragte seine Mutter verwirrt und wiederholte ihre Frage gleich ein zweites Mal: „Baku? Die Hauptstadt von Aserbaidschan?“

„Woher kennst du die denn?“, staunte Niklas.

„Bestimmt vom European Song Contest!“, warf Nele grinsend ein. Sie liebte Gesang und Bühnenshows. „Der hat da mal stattgefunden. Ziemlich lange her.“

Niklas sah sie fragend an, als hätte Nele soeben eine komplizierte mathematische Formel runtergeleiert. Davon verstand er genauso viel wie von Gesangswettbewerben, nämlich gar nichts.

Doch nun ergriff seine Mutter wieder das Wort: „Ihr fahrt nach Aserbaidschan? Was hat das mit Europa zu tun?“ Das wusste Niklas auch nicht, und seine Mutter zog die Frage gleich wieder zurück. Sie wusste ja auch nicht, weshalb dieses Land am europäischen Gesangswettbewerb teilnahm. Es lag schließlich in Vorderasien.

„Aserbaidschan ist immerhin Mitglied im Europarat“, warf Niklas’ Vater ein.

Bevor die Diskussion abschweifte, kam seine Mutter auf den Kern ihrer Sorge zurück. „Wie … wie …“ Sie kam schon richtig ins Stottern. „Wie lange dauert eure EM denn?“

„Also ich bin ja noch gar nicht nominiert“, stellte Niklas klar. Obwohl er innerlich natürlich fest davon ausging, die Nominierung zu schaffen. „Sondern es ist erst mal nur ein Sichtungstraining. Und dann erstreckt sich unsere EM übers ganze Jahr. Wir reisen in eine Stadt zum Spiel. Dann erst ein paar Wochen später in die nächste zum nächsten Spiel. Wir sind immer nur zwei, drei Tage in der jeweiligen Stadt. Meist übers Wochenende.“

„Okay“, sagte seine Mutter gedehnt. Zufrieden oder gar glücklich sah sie nicht aus.

„Jetzt muss ich für München packen“, sagte Niklas.

„Und ich muss zurück nach Hause“, entschuldigte sich Nele. Sie war ja eigentlich nur kurz wegen der Post rübergekommen und saß noch immer in Hausschuhen bei Niklas in der Küche. „Ich bring dir dann morgen den Stadtführer.“

„Danke“, sagte Niklas und verschwand in seinem Zimmer. Es gab eine Menge zu tun: Er musste seinem Trainer Bescheid sagen, dass auch er – genau wie Freddy – am Sonntag beim Punktspiel nicht dabei sein konnte. Das war natürlich einerseits blöd, aber andererseits: ein Treffen mit der nationalen U14-Auswahl. Hallo? Etwas Wichtigeres konnte es gar nicht geben!

Und er musste seine Sachen packen. Am Freitag wollte er fahren, morgen war Donnerstag, das hieß, es blieb ihm nur ein Tag, von dem die Hälfte ja schon für die Schule draufging.

Die Schule! Ach du Schreck! Siedend heiß fiel ihm ein, dass für den nächsten Tag, eine Mathearbeit angesetzt war.

Oder? War es nicht so?

Niklas stürzte zu seinem Schulrucksack, kramte nach seinem Hausaufgabenheft, in dem er auf die erste Seite seinen Stundenplan geschrieben hatte. Auf dem stand: donnerstags, 3. und 4. Stunde Mathematik. Aber das hatte er ohnehin im Kopf. Niklas blätterte weiter und sah mit Entsetzen seine Notiz für Mittwochnachmittag: Mathe üben. Donnerstag Klausur! Sogar dick mit rotem Filzer hatte er es eingetragen, damit er es auf keinen Fall vergaß. Aber wenn man nicht hineinguckt in sein Hausaufgabenheft, kann man auch nicht dran erinnert werden, egal, in welcher Farbe man es aufgeschrieben hat.

Niklas hatte nicht hineingeguckt und – es vergessen! Verflixt!

Die Klassenarbeit war relativ kurzfristig angesetzt worden, deshalb hatte er auch seinen Eltern noch nichts davon erzählt. Sonst hätten die ihn bestimmt erinnert.

Tobias hatte auch nicht dran gedacht. Aber das war nichts Besonderes, denn Tobias musste gar nicht üben. In Mathe war er gut genug, um jede Klassenarbeit aus dem Stand zu schreiben.

Oh Mann! Statt mit Tobias eins gegen eins auf dem Bolzplatz zu spielen, hätte er lieber mit seinem Freund Mathe üben sollen.

„NIKLAS! ESSEN!“, rief seine Mutter aus der Küche. Das Abendessen hatte sich heute durch die besondere Post mit der anschließenden Diskussion ein wenig verzögert. Normalerweise aßen er und seine Eltern mittwochs immer zusammen direkt nach Niklas’ Training.

Heute sollte es sogar eine seiner Lieblingsspeisen geben: Sein Vater machte Crêpes! Mit Zimt und Zucker und mit Apfelkompott. Fantastisch!

„ICH KOMMEEEEEE!“, rief er aus seinem Zimmer heraus. Konnte er das tolle Essen jetzt überhaupt genießen? Denn in ihm rumorte die Frage: Sollte er seinen Eltern von der bevorstehenden Klassenarbeit erzählen? Er wusste, was folgen würde. Seine Eltern, besonders seine Mutter, würden ihm Vorwürfe machen und vermutlich Panik kriegen wie er selbst. Denn beide wussten, wie schlecht er in Mathe war und wie schwer es ihm fiel.

Das Einzige, was Niklas konnte, war, Tore auf dem Fußballplatz zu zählen oder seinen Tabellenplatz in der Meisterschaft nach Punkten und Toren auszurechnen. Das stand aber nicht auf dem Lehrplan. Auf ihrem Lehrplan standen „Funktionen“. Hä? Was war das noch mal?

Niklas hatte sich in seinem Matheheft etwas aus dem Internet herausgeschrieben:

Abstrakt kannst du dir vorstellen, dass ein Element aus einer Ausgangsmenge auf ein Element aus einer Zielmenge abgebildet wird. Oder stell dir vor, du kaufst Schuhe ein. Dann gehört zu jedem Paar Schuhe ein Preis. Das ist eine Relation! Abstrakt nennt man es eine Relation, wenn man aus einer Ausgangsmenge und einer Zielmenge Paare zusammenstellt.

Niklas verstand … kein Wort! Allerdings fiel ihm ein: Er brauchte ja neue Schuhe. Schon bei den letzten Spielen hatte er gedacht, dass sie mehr als überfällig waren. Im Obermaterial wies sein rechter Schuh bereits einige Risse auf. Neue Fußballschuhe zum U14-Training, das wäre was.

Aber würde er das noch schaffen? Er hatte nur noch den morgigen Nachmittag!

„NIKLAS!“ Jetzt war es sein Vater, der rief. „Die ersten Crêpes werden kalt.“

„Ich komme!“ Niklas legte seine Hefte beiseite und ging in die Küche. Dort würde er seine Eltern nach neuen Fußballschuhen fragen. Erstens waren die dringend notwendig und zweitens lag dann ein super Gesprächsthema auf dem Tisch, das auf keinen Fall auf Schule, Mathe oder gar Klassenarbeit lenken würde.

Als Niklas die Küche betrat, sagte er sofort: „Ich brauche neue Fußballschuhe!“

Bevor seine Eltern Zweifel äußern konnten, hatte Niklas vorsorglich seine Fußballschuhe aus seinem Zimmer mitgebracht, die er nun auf den Küchentisch legte. „Niklas!“, schimpfte seine Mutter sofort.

Niklas nahm die Schuhe vom Tisch und legte sie neben sich. Seine Eltern hatten die Schuhe gesehen. Der Beweis war erbracht, dass sie ausgedient hatten.

„Noch vor München?“, fragte sein Vater zweifelnd.

„Sicher nicht“, antwortete seine Mutter. „Wie sollen wir das denn schaffen? Du musst morgen packen, vormittags hast du Schule.“

„Ich packe gleich und hab morgen Nachmittag Zeit“, entgegnete Niklas.

„Hast du deine Hausaufgaben schon fertig?“, fragte seine Mutter.

Mist!, ärgerte sich Niklas. Jetzt waren sie doch wieder beim Thema Schule gelandet. Wie konnte das sein?!

„Wir haben keine auf“, antwortete Niklas wahrheitsgemäß.

Doch er ahnte in diesem Moment schon, wie das Gespräch weiter verlaufen würde. Wie kam seine Mutter nur von Fußballschuhen auf Schule?!

„Keine Hausaufgaben?“, wunderte sich seine Mutter.

Niklas seufzte. Jetzt war es so weit. Mist! Mist! Mist!!

„Aber hausaufgabenfrei habt ihr doch immer nur, wenn ihr am nächsten Tag eine Klassenarbeit schreibt.“

„Kann ich mal bitte das Apfelmus haben?“, fragte Niklas seinen Vater, obwohl das Glas direkt vor seiner Nase stand und sich auf seinem Crêpe längst ein großer Klacks Apfelkompott befand.

„Niklas?“, hakte seine Mutter nach.

„Wie bitte?, fragte Niklas mit Unschuldsmiene.

„Klassenarbeit!“, sagte seine Mutter nur. Sie wusste, dass Niklas ihre Frage sehr wohl verstanden hatte.

Dennoch stellte Niklas sich weiter dumm: „Was ist damit? Wir haben keine zurückbekommen heute.“

„Das kann ich mir denken.“ Der Ton seiner Mutter verschärfte sich etwas. „Ich wollte wissen, ob ihr morgen etwa eine Klassenarbeit schreibt, weil ihr keine Hausaufgaben aufbekommen habt.“

„Äh“, sagte Niklas und dann so leise er konnte: „Ja.“

„Wie bitte?“ Die Frage seiner Mutter hörte sich irgendwie bedrohlich an. „Hab ich da ein Ja gehört?“

Niklas senkte den Kopf und schaufelte sich zwei große Löffel Apfelkompott auf seinen Crêpe, von dem nun kaum noch etwas zu sehen war.

Seine Mutter rückte von schräg hinten näher an ihn heran.

„Jaaa? In welchem Fach?“

„Ähmmmmmmathe!“, nuschelte Niklas.

Aber seine Mutter besaß manchmal bessere Ohren als eine Fledermaus. Sie hatte sehr wohl verstanden.