G. F. Unger 2150 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2150 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es begann in El Paso.
Ich hatte zwei Tage und drei Nächte beim Poker gesessen und mich gegen vier hartgesottene Spieler zu behaupten versucht.
Das war mir gelungen. Ich hatte nichts verloren. Aber das war auch alles. Mein Gewinn betrug ganze einhundertsiebzehn Dollar, obwohl es stets um hohe Einsätze ging.
Aber ich war dennoch glimpflich davongekommen. Einer von uns verlor über siebentausend Dollar, ein anderer mehr als fünftausend. Der dritte Mann gewann kaum mehr als ich, und der große Gewinner war kein Mann, sondern eine Frau.
Ja, eine Frau hatte uns »rasiert«.
Sie hatte uns zwei Tage und drei Nächte lang gezeigt, was Poker ist ...


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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Devil's Town

Vorschau

Impressum

Devil's Town

Es begann in El Paso.

Ich hatte zwei Tage und drei Nächte beim Poker gesessen und mich gegen vier hartgesottene Spieler zu behaupten versucht.

Das war mir gelungen. Ich hatte nichts verloren. Aber das war auch alles. Mein Gewinn betrug ganze einhundertsiebzehn Dollar, obwohl es stets um hohe Ein‍s‍ä‍t‍z‍e ging.

Aber ich war dennoch glimpflich davongekommen. Einer von uns verlor über siebentausend Dollar, ein anderer mehr als fünftausend. Der dritte Mann gewann kaum mehr als ich, und der große Gewinner war kein Mann, sondern eine Frau.

Ja, eine Frau hatte uns »rasiert«.

Sie hatte uns zwei Tage und drei Nächte lang gezeigt, was Poker ist ...

Als draußen die Sonne schien, sagte uns der Barmann nach der dritten Nacht Bescheid. Er brachte uns einen Topf Kaffee und die nötigen Tassen. Als wir den heißen Kaffee schlürften, betrachteten wir vier Männer die Frau.

Ja, sie war mehr reizvoll als schön. Sie besaß nämlich keine sterile Schönheit, sondern wirkte eigenwillig, hatte jene Ausstrahlung, die auf Männer wie ein Zauber wirkt.

Ihr Haar glänzte immer noch wie das Gefieder eines Raben. Dazu leuchteten ihre Augen grün. Und auf der Nase waren ein paar Sommersprossen. Ihr Mund war voll und konnte eine Menge ausdrücken – wenn sie das wollte. Er konnte aber auch herb und verschlossen wirken.

Wenn sie ihr Pokergesicht aufsetzte, war nichts an ihr zu erkennen. Alles blieb tief in ihrem Kern verborgen. Und dennoch spürten wir alle, dass sie voller Feuer war.

Ihr Name war Elsa Bannack, und wir alle hatten schon von ihr gehört. Sie war als Spielerin im ganzen Südwesten bekannt unter dem Namen Full-Hand-Elsa.

Und irgendwo trug sie einen kleinen Colt-Derringer und einen Dolch. Auch das war unter uns Spielern dieses Landes bekannt.

Sie lächelte uns über den Tassenrand an.

»Gentlemen, es war mir ein Vergnügen«, sagte sie mit ihrer etwas kehligen Stimme, die jedem Mann irgendwie unter die Haut ging oder ein Prickeln in ihm erzeugte.

Unsere zwei großen Verlierer grinsten bitter und etwas verkrampft.

Wir zwei anderen Mitspieler grinsten ein wenig enttäuscht, aber eigentlich dennoch zufrieden.

Denn sie hatte uns nicht rasieren können.

Außerdem hatten wir ihre Gesellschaft genossen. Und wir hatten eine Menge gelernt von ihr, obwohl wir alle hartgesottene Pokerspieler waren – oder es zu sein glaubten.

Als sie sich erhob, standen auch wir auf.

Sie sah mich an und sagte: »Wir wohnen im selben Hotel, nicht wahr? Gehen wir zusammen? Oder sehnen Sie sich noch nicht nach einem Bett?«

Ich grinste, ging halb um den Tisch herum und bot ihr meinen Arm. Ihren Spielgewinn hatte sie bereits in einer beutelartigen Tasche untergebracht.

Sie nahm meinen Arm.

Und dann verließen wir das Hinterzimmer des El Paso Saloons.

Draußen saugten wir die frische Morgenluft ein.

Sie war einen ganzen Kopf kleiner als ich und sah von der Seite her zu mir empor.

»Bleiben Sie in El Paso?«, fragte sie.

»Sie nicht?«, fragte ich zurück.

Sie schüttelte den Kopf.

»Nein«, sagte sie. »In San Angelo wurde wieder Gold gefunden. Das alte Spanierdorf wurde über Nacht zu einem neuen Babylon. Wo Gold gefunden wird, ist ein Paradies für Spieler.«

»Viel Glück«, murmelte ich. Sie sah immer noch schräg zu mir empor. In ihren grünen Augen erkannte ich das Angebot.

Ich spürte, ich brauchte ihr nur zu sagen, dass ich gerne mitkommen würde, schon wären wir uns einig gewesen.

Aber ich sagte es nicht. Denn ich wollte in keine wilde Goldgräber- und Minenstadt. Ich wusste, ich würde dort auf alte Bekannte treffen. Auf all meinen Wegen hatte ich mir Feinde gemacht. Eigentlich war ich auch schon zu lange in El Paso gewesen. Ein Mann mit Schatten auf seiner Fährte durfte nicht zu lange an einem Ort verweilen. Und so dachte ich daran, mir zwei Helfer anzuwerben und wieder in die Einsamkeit zu gehen, um Wildpferde zu jagen.

Wir hatten unser Hotel erreicht.

Der Hausbursche fegte den zur Veranda ausgebauten Plankenstieg. Er sah mich an und fragte: »Mister, sind Sie Lot Shannon?«

Ich nickte und hielt an, immer noch Arm in Arm mit Elsa Bannack.

Der Hausbursche stützte sich auf den Besenstiel und sagte: »Da hat gestern jemand nach Ihnen gefragt – ein Halbblut, vielleicht auch ein Dreiviertelapache. Er hatte schon alle anderen Hotels und Pensionen abgeklappert. Aber Sie waren ja spurlos verschwunden.«

»Im Hinterzimmer des El Paso Saloons«, sagte ich. »Und wo ist der Mann jetzt?«

»Wahrscheinlich schlief er im Mietstall«, erwiderte der Hausbursche. »Der hatte keinen Cent in der Tasche. Aber er wollte wiederkommen, weil ich ihm sagte, dass Sie Ihre Siebensachen noch auf dem Zimmer hätten. Ja, er wollte wiederkommen. He, da kommt er ja!«

Der Hausbursche deutete an mir vorbei die Straße hinauf.

Ich sah den Mann kommen.

Und ich erkannte ihn wieder. Es war Juan Coronado, ein Halbblut. Sein Vater war ein Apache, seine Mutter eine stolze spanische Adlige, die man einst aus einem Wagenzug geraubt hatte.

Er trug den Namen seiner Mutter.

Und damals, als ich fortritt von daheim, da blieb er bei meinem jüngeren Bruder Bac, weil dieser noch zu jung war, um allein bleiben zu können.

Elsa Bannack nahm ihren Arm aus meinem.

Ich zog meinen Hut und verbeugte mich.

»Bitte entschuldigen Sie mich, Elsa«, sagte ich und grinste. »Ich würde wirklich gerne in ein Bett gehen, und ich wette, Sie erraten sogar, in welches.«

»Das ist leicht zu erraten«, erwiderte sie. »Wir haben uns lange genug am Spieltisch gegenübergesessen. Ich lernte, Ihre Gedanken zu erraten. Und auch jetzt sehe ich klar Ihre Wünsche im Hintergrund Ihrer Augen. Denn ich lebe davon, die Wünsche und Gedanken der Männer erraten zu können. Vielleicht später einmal.«

Sie verschwand im Hotel.

Oha, sie war ehrlich! Wenn sie einen Mann haben wollte, dann zierte sie sich nicht. Denn sie war eine Raubkatze.

Ja, ich hatte Chancen bei ihr. Das hatte ich schon bald gespürt. Möglicherweise hatte sie auch schon von mir und meinem schnellen Colt gehört. Und da sie gewiss mehr als zwanzigtausend Dollar bei sich trug, brauchte sie Schutz. So mochte das alles einen Sinn ergeben.

Ich sah Juan Coronado entgegen.

Und ich wusste, es musste etwas mit unserem »Kleinen« passiert sein, mit Bac.

Juan Coronado war älter geworden. Ich begriff in diesem Moment, dass fast sechs Jahre vergangen waren seit jenem Tag, da ich nach einem Revolverkampf von daheim fortritt.

Sechs Jahre ...

Juan Coronado hielt vor mir an. Wir reichten uns die Hände.

»Er ist tot«, sagte er dann. »Sie haben ihn in San Angelo umgebracht.«

In Juan Coronados Stimme war ein bitteres Knirschen. Und in seinen Augen erkannte ich, dass er Rache wollte.

Ich stutzte, denn den Namen dieser Stadt San Angelo hatte ich vor einer Minute erst gehört. Elsa Bannack hatte ihn genannt. Und sie wollte dorthin, weil dort der Goldrush ausgebrochen war.

Jetzt sagte mir Juan Coronado, dass man dort meinen Bruder umgebracht hatte.

Er sah erschöpft aus.

»Suchst du mich schon lange?« So fragte ich.

Er nickte. »Fast schon ein halbes Jahr«, erwiderte er. »Du bist nirgends sehr lange, Lot.«

»Das wurde mein Schicksal«, murmelte ich, und etwas von der Bitterkeit, die ich stets so gut in meinem Kern verborgen hielt, kam nun hoch.

Ich begriff nun auch, dass mein kleiner Bruder Bac tot war. Und ich schluckte würgend und erinnerte mich an meine Jugend in den Bergen von Albuquerque.

Ich sah auch wieder Bac vor meinen Augen.

Alles war wieder da.

Dann fragte ich: »Wann hast du zum letzten Male gegessen, Juan?«

»Aaah, das ist schon lange her«, erwiderte er und grinste breit. »Aber jetzt bekomme ich sicherlich was.«

Wir gingen hinein in das Hotel und setzten uns in den Speiseraum.

Indes wir auf das Frühstück warteten, berichtete Juan Coronado alles mit wenigen Worten: »Wir brachten eine kleine Fleischherde nach San Angelo«, begann er. »Denn nachdem dort der Goldrush ausgebrochen war, wurde das Frischfleisch knapp. Und Steaks wog man fast mit Gold auf. Wir bekamen eine Menge Geld für unsere Rinder und wollten eigentlich sofort wieder wegreiten. Denn San Angelo, dieser Name, der ja so viel wie ›Heiliger Engel‹ bedeutet, ist ein verdammter Bluff. Es gibt nicht wenige Leute dort, die dieses Miststück von einer Stadt ›Devil's Town‹ nennen. Und das wäre der richtige Name. Des Teufels Stadt.«

»Und wer ist der Teufel?« So fragte ich tonlos.

»Barton Woodwade«, erwiderte er schlicht.

»Hat er Bac getötet?« So fragte ich heiser.

Juan grinste bitter und verächtlich zugleich, so als wäre meine Frage der totale Schwachsinn.

»Der?«, dehnte er. »Der doch nicht. Der hat eine Menge Hurensöhne zur Hand, die das erledigen. Nein, der ist der Boss. Diese Stadt ist eine einzige Falle. Wahrscheinlich hätten sie uns mit dem Erlös ohnehin nicht davonreiten lassen. Aber wir hätten es wenigstens versuchen sollen. Stattdessen traf Bac auf Sue Martin. Sie ist nur eines der vielen Mädchen im El Dorado Palace. Bac sah sie und war hin. Es traf ihn wie ein Blitz. Verstehst du, Lot? Bac war hin und wollte nur noch eines: Sue Martin mitnehmen auf unsere Ranch in den Hügeln bei Albuquerque. Aber das ging nicht. Sue Martin hatte einen Vertrag mit dem El Dorado Palace. Und der Besitzer dieses Etablissements ist Barton Woodwade. Bac hätte Sue auch zu einem vernünftigen Preis freigekauft. Tausend Dollar hätte er hingelegt, fast den ganzen Erlös für unsere kleine Fleischherde. Aber Barton Woodwade wollte zehntausend Dollar. Das war ein Witz. Er machte sich nur einen Spaß mit Bac. Da versuchte Bac es auf andere Weise. Er wollte Sue Martin entführen. Ich wartete vor der Stadt mit den Pferden. Aber Bac und Sue kamen nicht. In der Stadt krachten Schüsse. Das war nichts Außergewöhnliches, denn in San Angelo wird oft geschossen. Aber ich ahnte, dass diesmal ...«

Die Stimme versagte Juan.

Er wischte sich über sein verwittertes Gesicht.

Dann endete er seinen Bericht und sagte: »Als ich in die Stadt kam, lag Bac noch im Staub. Und er war tot. Sue Martin aber machte drinnen in der Amüsierhalle schon wieder ihre Arbeit. Wirst du nach San Angelo gehen, Lot? Wirst du dir diesen Barton Woodwade vornehmen? Oder muss ich allein versuchen, ihn zu töten?«

Juan Coronado war von Missionaren christlich erzogen worden, nachdem man seinen Vater bei einem Raubzug getötet und das Apachendorf wenig später überfallen und dort alles bis auf einige kleine Kinder erledigt hatte.

Juan Coronado war ein Christ.

Aber jetzt war er rachedurstig wie ein wilder Apache.

Ich konnte ihn verstehen. Denn er und Bac mochten sich von Anfang an. Als Juan damals zu uns Shannons kam, war Bac noch ein kleiner Junge. Für Bac wurde Juan so etwas wie ein Onkel.

Und vielleicht erlebte Juan mit Bac das, was er selbst als Kind nicht erleben konnte bei den Apachen.

Ja, er wollte Rache.

Und ich?

Was wollte ich?

Oha, ich hatte längst begriffen, dass Hass und Rachewünsche in die Hölle führen. Ich war auch der Meinung, dass mein Bruder Bac durch nichts mehr wieder lebendig gemacht werden konnte.

Dass ich ein Revolvermann und Spieler wurde, hing mit Rache und Vergeltung zusammen. Wir Shannons standen in einer Fehde mit den Keenes. Nachdem ich damals als letzter erwachsener Shannon den letzten erwachsenen Keene getötet hatte im Duell, waren nur noch Kinder und Halbwüchsige übrig bei den feindlichen Sippen. Ich ritt damals fort, um den Heranwachsenden einen Frieden zu ermöglichen. Denn so wollten es unsere zu Witwen gewordenen Mütter. Und dann wurden meine Wege rauchig.

An all das dachte ich in diesen Sekunden, indes wir das Frühstück bekamen und Juan Coronado sofort zu essen begann. Sein Hunger musste gewaltig sein. Er hatte mich im allerletzten Moment gefunden. Andernfalls hätte er seine Suche abbrechen müssen.

Juan Coronado starrte mich kauend an.

Was würde ich tun?

Ich hielt seinem Blick stand, schlürfte etwas Kaffee vom Tassenrand.

Dann starrte ich zur Decke hinauf.

Denn dort oben auf einem der Zimmer, da wusste ich die reizvolle Elsa Bannack. Sie wollte nach San Angelo.

Ich sah wieder in Juans dunkle Augen.

»Diese Stadt werde ich mir ansehen«, murmelte ich. »Und ich werde mir auch diesen Barton Woodwade und das Mädchen Sue ansehen. Was ich dann tun werde, weiß ich noch nicht, Juan. Wir werden nicht zusammen nach San Angelo gehen. Hast du ein Pferd?«

»Nicht mehr«, sagte er.

Ich nickte und schob ihm hundert Dollar über den Tisch.

»Dann kauf dir eines und komm nach San Angelo. Ich fahre morgen mit der Postkutsche dorthin – als Begleiter der schönen Frau. Wenn wir uns in San Angelo begegnen, kennen wir uns nicht. Du wirst der Trumpf in meinem Ärmel sein, Juan.«

»Si«, sagte er.

Ich erhob mich und ging nach oben.

Als ich an Elsa Bannacks Tür klopfte, öffnete sie.

Mitten in ihrem Zimmer stand eine emaillierte Badewanne voll duftendem Wasser. Elsa trug nur einen dünnen Morgenrock über dem nackten Körper.

»Ich komme mit nach San Angelo«, sagte ich. »Man nennt diese Stadt auch Devil's Town, und deshalb werden Sie etwas Schutz brauchen, Elsa.«

»Sicher«, sagte sie lächelnd und trat ein wenig zurück, damit ich eintreten konnte.

Ich zögerte nicht eine einzige Sekunde.

Am nächsten Morgen wusste ich es genau. Sie war eine Frau, die nicht nur nehmen, sondern auch geben konnte. Sie war voller Feuer und Verlangen nach Zärtlichkeiten, und dennoch war sie eine zweibeinige Raubkatze.

Wir kletterten am nächsten Morgen in die Postkutsche. El Paso war noch nicht richtig wach. Ein kühler Wind wehte. Mit uns stiegen andere Fahrgäste ein. Einige waren über die Grenze herübergekommen, also aus Mexiko.

Elsa saß neben mir, lehnte sich ein wenig an mich. Ich spürte die Wärme ihres Körpers durch die Kleidung, und die Erinnerung an die vergangene Nacht erregte mich. Ja, wir waren ein Paar geworden. Es gab eine Anziehung zwischen uns. Vielleicht musste man es körperliche Abhängigkeit nennen. Denn Liebe, die etwas mit dem Herzen zu tun hatte, war es sicherlich nicht.

Wahrscheinlich fanden wir nur heraus, dass der eine des andern Bedürfnisse stillen oder befriedigen konnte.

Aber was war falsch daran?

Wir waren kaum drei Meilen aus El Paso heraus und fuhren durch eine enge Hügelkerbe, als Reiter vor uns auftauchten.

Einige Schüsse krachten. Die Kutsche hielt mit einem Ruck.

Und der Fahrer schrie: »Hoi, wir transportieren keine Geldkisten! Auch kein Gold oder Silber! Diesmal lohnt es sich nicht! Also lasst uns weiter!«

Auch von hinten kamen Reiter, tauchten rechts und links neben der Kutsche auf. Der Reiter auf unserer Seite beugte sich aus dem Sattel und sah durch die Fenster herein. Er hatte sich sein Halstuch vor das Gesicht gebunden.

Und er sagte: »Seid schlau! Wir könnten aus der Kutsche ein Sieb machen mit unseren Gewehren. Also bleibt schön friedlich. Wir wollen auch nicht von allen etwas. Wir sind nur am Spielgewinn der schönen Full-Hand-Elsa interessiert. Nun, Elsa, gibst du es freiwillig heraus?«

Ich hörte Elsa neben mir seufzen. Aber die anderen Passagiere atmeten erleichtert auf. Eine Frau lachte sogar froh. Wir saßen dicht gedrängt in der neunsitzigen Kutsche. Jeder Platz war belegt.

Ich aber wusste nun, warum Elsa mir diese Nacht ihre Gunst schenkte. Nun ging es ans Bezahlen.

Dennoch hatte ich die Wahl.

Wenn ich zuließ, dass man ihr das Geld nahm – und es mussten an die zwanzigtausend Dollar sein –, dann war es aus zwischen uns. Dann war ich in ihren Augen ein Versager. Dann war es so, als hätte sich eine Raubkatze mit einem Pinscher eingelassen, der ihrer nicht würdig war.

Elsa sah schräg zu mir empor – fragend und abschätzend zugleich.

Ich grinste und sagte aus dem Mundwinkel: »Vertrau mir. Wirf die Tasche hinaus. Tu es!«

Sie zögerte nur zwei Sekunden. Und ihre grünen Katzenaugen wurden zu schmalen Schlitzen. Ihre Nasenflügel vibrierten, so als prüfte sie eine bestimmte Witterung. Dann gehorchte sie.

Sie nahm die Reisetasche, in der sich das viele Geld befand, unter der Bank hervor und hob sie hoch. Ich nahm ihr die Tasche ab und warf sie durch das Fenster dem neben der Kutsche haltenden Reiter zu.

Der fing sie mit einer Hand. In der anderen Hand hielt er seinen schussbereiten Colt. Er stellte die Tasche vor sich auf den Sattelknauf und Oberschenkel, öffnete sie und sah hinein.

Dann rief er laut genug. »In Ordnung, Jungs! Es hat geklappt! Wir haben das Geld der schönen Elsa! Reiten wir!«

Sie ließen ihre Pferde anspringen.

Ich aber kletterte aus der Kutsche und lief nach vorn.

Der Fahrer und dessen Begleitmann saßen noch auf ihrem hohen Bock. Ihre Gewehre hatten sie zu Boden werfen müssen. Dafür hatten die Banditen vor der Kutsche gesorgt, indes ihr Sprecher durch das Fenster mit uns redete und das Geld in Empfang nahm.

Der Fahrer rief: »He, Mann, was machen Sie da?«

Er hatte guten Grund zu dieser Frage, denn ich war dabei, das rechte Führungspferd der sechsspännigen Kutsche auszuschirren.

»Das sehen Sie doch«, knurrte ich über die Schulter zurück und hinauf. »Oder sind Sie vielleicht blind? Ich borge mir das Pferd! Und ich werde auch das Gewehr mitnehmen! Es ist doch geladen?«

»Verdammt«, meldete sich nun der Begleitmann, »das ist ganz sicher geladen. Mit sieben Kugeln sogar!«

Ich hatte das Pferd nun losgeschirrt, und ich würde es ohne Zaumzeug und Sattel reiten müssen. Aber das konnte ich.

Denn ich war schon oft auf Wildpferdjagd gewesen und hatte auch als Zureiter gearbeitet, wenn auf andere Weise kein Geld zu verdienen war. Ich konnte reiten wie ein Comanche.

Ich holte mir das Gewehr, griff es vom Boden. Es war ein fast neuer Spencer-Karabiner. Lieber wäre mir eine Sharps gewesen, wegen der größeren Reichweite. Aber es musste auch so gehen.

Ich schwang mich mit einem Comanchensprung in den Sattel, klemmte den Gaul zwischen meine langen Beine und griff wie ein Indianer in die Mähne. Und dann ritt ich den Hügel hinauf. Denn für mich war klar, dass die Banditen auf dem Wagenweg nach El Paso zurückritten und gewiss für einige Zeit über die Grenze verschwinden wollten.

Über die Hügel aber konnte ich ihnen den Weg abschneiden.

So einfach war das, weil sie gewiss nicht damit rechneten, dass ihnen ein Reiter auf einem ausgespannten Pferd ohne Zügel und Sattel folgen würde.

Diese Narren waren sorglos, weil alles so gut geklappt hatte.

Als ich über die Hügelkette kam, führte der Wagenweg unten an der Basis entlang.

Nun kamen sie dahergeritten im ruhigen Trab. Sie grinsten und unterhielten sich laut. Wahrscheinlich schwelgten sie in der Erinnerung an den gelungenen Coup und malten sich aus, was sie mit dem vielen Geld nun alles machen würden.

Burschen ihrer Sorte brachten es fertig, sich für eine Woche ein ganzes Bordell zu mieten und darin die Paschas zu sein.

Ich saß ab und kniete oben auf dem Hügelkamm hinter einem Stein nieder, auf den ich das Gewehr legen konnte. Die Entfernung war für einen Spencer ziemlich weit. Überdies bewegte sich das Ziel.

Aber zum Glück war es windstill. Wenn das Visier und mein Auge richtig funktionierten, würde ich treffen.

Der Reiter mit der Reisetasche, in der sich das Geld befand, ritt auf der mir zugewandten Seite der Vierergruppe.